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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 14.12.2000
Aktenzeichen: 6 U 180/00
Rechtsgebiete: ZugabeVO, UWG, ZPO
Vorschriften:
ZugabeV0 § 2 Abs. 1 | |
ZugabeV0 § 1 Abs. 1 S. 1 | |
UWG § 1 | |
ZPO § 543 Abs. 1 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 515 Abs. 3 S. 2 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
3/12 O 51/00 Landgericht Frankfurt am Main
Verkündet am 14.12.2000
In dem Rechtsstreit ...
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2000
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerinnen gegen das am 07.07.2000 verkündete Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Antragstellerin 2/5 und die Antragsgegnerinnen 3/5 zu tragen. Das Urteil ist rechtskräftig. Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerinnen hat in der Sache keinen Erfolg. Der Antragstellerin stehen die mit den Anträgen zu 1. und 2. der Antragsschrift geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 ZugabeV0 zu.
In dem beanstandeten Angebot und Verkauf eines Radiorecorders zum Preis von 1,- DM und eines schnurlosen Telefons zum Preis von 4,99 DM, jeweils bei gleichzeitigem Abschluß eines "a."-Stromliefervertrages, liegt ein Verstoß gegen §§ 1 Abs. 1 S. 1 und 2 ZugabeV0, weil auch der verständige Durchschnittsverbraucher in den angebotenen Geräten eine gegen ein Scheinentgelt gewährte Nebenleistung zu der in der Stromabnahme liegenden entgeltlichen Hauptleistung sieht. Zur Begründung -wird in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil, denen der Senat folgt (§ 543 ZPO), Bezug genommen.
Dieser Beurteilung steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur gekoppelten Abgabe eines ohne besondere Berechnung angebotenen Mobiltelefons und eines entgeltlichen Netzkartenvertrages (vgl. BGH WRP 1999, 90 = GRUR 1999, 264 - Handy für 0,00 DM -) nicht entgegen. Denn die besonderen Umstände, die den Bundesgerichtshof in diesem Fall zur Verneinung einer Zugabe veranlaßt haben, liegen - wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - im vorliegenden Fall nicht vor.
Die enge Funktionseinheit zwischen Mobiltelefon und Netzkartenvertrag, die nach Ansicht des Bundesgerichtshofs für den Verkehr das Vorliegen eines Gesamtangebotes nahelegt, besteht bei dem beanstandeten Angebot nicht. Während ein Mobiltelefon nicht ohne Netzkarte und eine Netzkarte nicht ohne Mobiltelefon benutzt werden können, beide Leistungselemente also als funktionelle Einheit erworben werden, liegen die Dinge beim Kauf eines Radiorecordes oder eines schnurlosen Telefons und dem gleichzeitigen Abschluß eines Stromliefervertrages anders. Denn da der Betrieb der erworbenen Elektrogeräte nur eine der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des Stromliefervertrages ist, ist der Kauf der Geräte - anders als im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Handy-Fall - nicht der notwendige Anlaß für den Abschluß des Stromliefervertrages; vielmehr hat der Verbraucher einen solchen Stromliefervertrag bereits mit der Folge, daß er diesen Vertrag kundigen muß, um überhaupt von dem Angebot der Antragsgegnerinnen sinnvoll Gebrauch machen zu können. Damit fehlt es an der engen Funktionseinheit, die - trotz Darstellung eines Leistungsteils als unentgeltlich - die Annahme einer entgeltlichen Gesamtleistung nahelegen kann.
Weiter hat der Bundesgerichtshof in den Handy-Entscheidungen maßgeblich darauf abgestellt, daß die gekoppelte Abgabe von Handy und Netzkartenvertrag dem Verkehr seit Jahren geläufig ist und in der Praxis das eine ohne das andere überhaupt nicht angeboten wird. Gerade diese einheitliche und von Beginn des Handy-Verkaufs an geübte Praxis soll es dem Verkehr zusätzlich erleichtern zu erkennen, daß in den Netzkartengebühren in Wahrheit auch der Preis für das Handy enthalten ist. Hiermit ist die Situation im vorliegenden Fall ebenfalls nicht vergleichbar. Es ist seit jeher einhellige Praxis der Stromversorgungsunternehmen, mit den Verbrauchern schlichte Stromlieferverträge ohne sonstige Leistungselemente abzuschließen, bei diesen Verträgen sind die vereinbarten Entgelte allein die Gegenleistung für die Stromlieferung. In seinem Vorverständnis geprägt von dieser Praxis kommt der Verbraucher daher bei dem beanstandeten Angebot nicht ohne weiteres auf den Gedanken, daß in den in der Werbung genannten Tarifen für die Stromlieferung entgegen allgemeiner Übung auch ein Entgeltanteil für die angebotenen Geräte enthalten sein könnte. Er geht vielmehr davon aus, daß es sich bei den Tarifen um die "normalen" Tarife des Stromlieferunternehmens handelt, die dieses jedem Kunden - und zwar auch bei Abschluß eines reinen Liefervertrages - in Rechnung stellt. Folglich stellen der Radiorecorder und das Telefon bei dem angegriffenen Angebot in der Tat eine praktisch unentgeltliche Zuwendung dar, mit der der Absatz der Stromleistung gefördert werden soll.
Die Antragsgegnerinnen können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Verkehr werde das auf das Handy-Netzkarten-Angebot bezogene Verständnis auf das vorliegende Angebot übertragen. Dagegen sprechen wiederum die dargestellten wesentlichen Unterschiede zwischen diesen Angeboten.
Soweit der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung ausgeführt hat, der Verkehr werde erkennen, daß der Erwerb des Mobiltelefons letztlich mit den im Rahmen des Netzkartenvertrages zu erbringenden Leistungen finanziert werden muß, weil ein Kaufmann ein wertvolles Gerät nicht ohne weiteres verschenkt, gelten auch diese Überlegungen nach Auffassung des erkennenden Senats nur für die Besonderheiten des dort zu entscheidenden Falles und lassen sich nicht verallgemeinern. Die ZugabeV0 ist gerade in der Überzeugung des Gesetzgebers erlassen worden, daß der Verbraucher in der Regel nicht in der Lage ist, den vom Bundesgerichtshof dargestellten Zusammenhang zu erkennen, sondern sich in der Erwartung, tatsächlich etwas geschenkt zu bekommen, in seiner Kaufentscheidung unsachlich beeinflussen läßt. Diese Einschätzung hat den Gesetzgeber veranlaßt, eine solche Form der Wertreklame grundsätzlich zu verbieten. Wenn daher - wie auch im vorliegenden Fall - zwei nicht in enger Funktionseinheit miteinander stehende Leistungen gekoppelt angeboten werden und eine dieser Leistungen als praktisch unentgeltlich dargestellt wird, kann der Zugabecharakter allenfalls dann verneint werden, wenn sich aus weiteren Umständen für den Verkehr hinreichend deutlich ergibt, daß in Wahrheit in dem genannten Preis für die eine Leistung zugleich ein Anteil für die andere Leistung enthalten ist. Solche Umstände sind hier aus den bereits genannten Gründen nicht gegeben.
Zwar sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, daß das beanstandete Angebot eine den Preisvergleich erschwerende Preisverschleierung beinhaltet oder die gewährte Zuwendung den Verbraucher in übertriebener Weise anlocken, d.h. ihn zu einem übereilten, unüberlegten Wechsel seines Stromlieferanten veranlassen könnte. Auf diese Gesichtspunkte - die im Rahmen einer Bewertung nach § 1 UWG von Bedeutung sein könnten .- kommt es jedoch für die zugaberechtliche Beurteilung nicht an.
Nachdem die Antragstellerin die Anschlußberufung vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, waren die Kosten des Rechtsstreits nach §§ 97 Abs. 1, 515 Abs. 3 S. 2 ZPO wie aus dem Tenor ersichtlich zu verteilen.
Ende der Entscheidung
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