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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 17.05.2001
Aktenzeichen: 6 U 23/01
Rechtsgebiete: HWG, ZPO, UWG
Vorschriften:
HWG § 4 Abs. 3 | |
HWG § 11 Abs. 1 Nr. 9 | |
HWG § 11 Abs. 1 Nr. 10 | |
ZPO § 543 Abs. 1 | |
ZPO § 91 a | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2 | |
UWG § 1 | |
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2 | |
UWG § 13 Abs. 4 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 17.05.2001
In dem Rechtsstreit
...
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2001 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 21.12.2000 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird nachdem hinsichtlich Ziffer 2. der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 9.11.2000 das Eilverfahren teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist und der Eilantrag insoweit im übrigen zurückgenommen worden ist zurückgewiesen.
Von den Kosten des Eilverfahrens haben die Antragstellerin 1/10 und die Antragsgegnerin 9/10 zu tragen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung hat in dem nach Teilerledigungserklärung und Teilrücknahme verbliebenen Umfang (Anträge zu 1. und 3.) in der Sache keinen Erfolg. Der Antragstellerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 9 HWG (Antrag zu 1.) sowie § 4 Abs. 3 HWG (Antrag zu 3.) zu. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil, denen der Senat folgt (§ 543 Abs. 1 ZPO), Bezug genommen. Ergänzend ist folgendes auszuführen:
a)
Der Werbezweck der mit dem Antrag zu 1. beanstandeten Broschüre ist nicht im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 9 HWG deutlich erkennbar".
Mit der genannten Vorschrift soll Werbung unter dem falschen Schein von Objektivität und Neutralität verhindert werden, weil der Verbraucher vermeintlich objektiven Empfehlungen für ein Arzneimittel erheblich höheres Gewicht beimisst als klar erkennbarer Wirtschaftswerbung. Der Werbecharakter der Veröffentlichung muss daher aus den Gesamtumständen unmissverständlich zu entnehmen sein; dabei können sowohl das äußere Erscheinungsbild als auch der Inhalt der Veröffentlichung von Bedeutung sein (vgl. Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Aufl., Rdz. 10-12 zu § 11 Nr. 9).
Im vorliegenden Fall lässt die äußere Aufmachung der Broschüre den Werbecharakter nicht erkennen. Die Titelseite enthält ebenso wie der Buchrücken überhaupt keinen Hinweis in diese Richtung. Die Angabe S. D. G. A." auf der für die Beurteilung allerdings ohnehin weniger bedeutenden Rückseite der Broschüre kann zwar auf den Werbecharakter hindeuten. Der gleichfalls auf der Rückseite angebrachte Hinweis Schutzgebühr DM 5,--" spricht jedoch gegen das Vorliegen einer Werbebroschüre, da für Werbematerialien üblicherweise kein Geld verlangt wird. Auch der Inhalt der Broschüre macht den Werbecharakter nicht ausreichend deutlich. Auf den einleitenden Seiten erscheint wie das Landgericht im einzelnen zutreffend dargelegt hat die Veröffentlichung zunächst wie ein herstellerunabhängiger Gesundheitsratgeber. Im folgenden Hauptteil der Broschüre werden zwar die einzelnen Arzneimittel der Antragsgegnerin ganzseitig mit Abbildungen und damit durchaus nach Art einer Anzeige präsentiert. Jedoch ist nicht ohne weiteres sofort erkennbar, dass es sich hierbei um Mittel eines einzigen Herstellers handelt. Zum einen enthalten viele Mittel nicht den Bezeichnungsbestandteil S."; zum anderen fehlt es an einer einheitlichen Aufmachung der Verpackungen. Damit erscheint es aus der Sicht des Lesers zumindest nicht ausgeschlossen, dass ein neutraler Verfasser seine allgemeinen Selbstmedikationsratschläge mit der Empfehlung bestimmter, ihm besonders geeigneter Arzneimittel verbunden haben könnte. Die Gewissheit darüber, dass es sich tatsächlich um eine Werbebroschüre der Antragsgegnerin handelt, erhält der Leser erst bei näherer Befassung mit dem Inhalt, insbesondere beim Lesen des kleingedruckten Impressums. Dies reicht für die von § 11 Abs. 1 Nr. 9 HWG geforderte deutliche" Erkennbarkeit des Werbecharakters nicht aus.
Für die Beurteilung nicht entscheidend ist, dass die Broschüren nach dem Vortrag der Antragsgegnerin in einem Display-Ständer mit dem S."-Logo und dem Hinweis Kostenlos für Sie zum Mitnehmen" angeboten werden. Denn damit ist nicht sichergestellt, dass sich jeder, der die Broschüre tatsächlich später liest, an die Umstände der Abgabe erinnert; dasselbe gilt erst recht für Dritte, die die Broschüre in die Hände bekommen.
b)
Die beanstandete Werbung enthält weiter nicht die Pflichtangaben in der in § 4 Abs. 3 HWG vorgeschriebenen Form (Antrag zu 3.). Die Vorschrift verlangt, den Pflichtangabentext gut lesbar und von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt und abgegrenzt anzugeben". Das setzt sozusagen als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass die Angabe überhaupt noch als der Werbung für das betreffende Arzneimittel zugeordnet erscheint (vgl. Doepner, a.a.O., Rdz. 61 zu § 4). Innerhalb dieses Zuordnungszusammenhangs muss die geforderte deutliche Absetzung und Abgrenzung erfolgen. Nur bei dieser Auslegung der Vorschrift können die Pflichtangaben überhaupt die ihnen zugedachte Funktion erfüllen.
Im vorliegenden Fall fehlt es an einer der Werbung zugeordneten Angabe des Pflichtangabentextes in diesem Sinn. Die zwischen den Seiten 16 und 136 abgedruckten ganzseitigen Werbehinweise für die einzelnen Medikamente der Antragsgegnerin enthalten keine Pflichtangaben nach § 4 Abs. 3 HWG. Stattdessen finden sich die Pflichtangaben für sämtliche Mittel nacheinander in alphabetischer Reihenfolge auf den Seiten 154 bis 161 unter der Überschrift Basisinformation". Diese Angaben werden beim Lesen der Werbehinweise für die einzelnen Mittel auf den Seiten 16 bis 136 nicht wahrgenommen.
c)
Die Antragsgegnerin ist für die begangenen Wettbewerbsverstöße passivlegitimiert.
Die Firma S.O.A.G., die die Broschüre herausgegeben hat, ist unstreitig ein kraft Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags abhängiges Unternehmen der Antragsgegnerin. Unter diesen Umständen sind alle Mitarbeiter der Firma S.O. zugleich als Beauftragte" der Antragsgegnerin im Sinne von § 13 Abs. 4 UWG anzusehen; denn das Arbeitsergebnis der abhängigen Firma S.O. kommt der herrschenden Antragsgegnerin unmittelbar zugute, die ihrerseits die volle Einflussmöglichkeit auf die von ihr abhängige Firma S.O. hat (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage, Rdz. 66 zu § 13 UWG). Jedenfalls haftet die Antragsgegnerin wie das Landgericht mit Recht angenommen hat aus denselben Erwägungen als Mitstörerin für die von der Firma S.O. begangenen Wettbewerbsverstöße.
d)
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 a, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Soweit die Parteien das Eilverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, entsprach es billigem Ermessen, die Antragsgegnerin mit den Kosten zu belasten, da der Eilantrag bis zur Abgabe der Teilunterwerfungserklärung der Antragsgegnerin in der Berufungsbegründung vom 22.02.2001 im Umfang dieser Unterwerfungserklärung zulässig und begründet war. Die auf Seite 26 der Broschüre abgedruckten Hinweise enthielten eine nach § 11 Abs. 1 Nr. 10 HWG unzulässige Anleitung zur Selbstdiagnose; insoweit wird ebenfalls auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Wegen des mit dem Antrag zu 2. verfolgten weitergehenden Eilbegehrens hat die Antragstellerin den Eilantrag in der Berufungsverhandlung zurückgenommen. Die vorgenommene Kostenquotelung entspricht dem Anteil des zurückgenommenen Eilantrags am Gesamtstreitwert.
Ende der Entscheidung
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