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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: 6 U 24/01
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber beim Vertrieb von Telekommunikationsdienstleistungen. Sie streiten über die Frage, ob es wettbewerbsrechtlich zulässig ist, zur Werbung von Kunden für Pre-Selection-Verträge Passanten im öffentlichen Verkehrsraum gezielt und individuell anzusprechen bzw. ansprechen zu lassen.

Eine Kundin der Klägerin, die Zeugin Z1, wurde am 26.05.2000 und am 02.06.2000 im Eingangsbereich des Warenhauses "A" in der ... Straße in O1 vor einem Werbestand der Beklagten von Werbern mit dem Ziel angesprochen, sie für den Abschluss eines Pre-Selection-Vertrages mit der Beklagten zu gewinnen. Der genaue Ablauf der beiden Vorfälle ist streitig.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das gezielte individuelle Ansprechen von Passanten im öffentlichen Verkehrsraum zu Werbezwecken sei unter dem Gesichtspunkt des belästigenden Anreißens wettbewerbswidrig.

Mit Urteil vom 22.12.2000 (Bl. 133 ff. d.A.) hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu DM 500.000,00 ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft - zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern der persönlich haftenden Gesellschafterin - zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen der Akquise von Pre-Selection-Kunden Passanten auf öffentlichen Straßen, Plätzen, Märkten, Bahnhöfen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufszentren oder Geschäftspassagen gezielt und individuell anzusprechen und/oder ansprechen zu lassen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie hat eingewandt, der Klageantrag sei zu unbestimmt; außerdem erfasse der Antrag nicht die vorgetragenen Vorfälle. In der Sache hat die Beklagte die Meinung vertreten, die angegriffene Werbeform könne aufgrund geänderter Gepflogenheiten und Wertmaßstäbe mittlerweile nicht mehr generell als wettbewerbswidrig angesehen werden.

Die Beklagte hat beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage - auch in der im Berufungsverfahren modifizierten Form - abzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt werden möge, es bei Meidung der genannten Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen der Akquise von Pre-Selection-Kunden Passanten auf öffentlichen Straßen, Plätzen, Märkten, Bahnhöfen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufszentren oder Geschäftspassagen gezielt und individuell anzusprechen und/oder ansprechen zu lassen, die weder ausdrücklich noch konkludent das Interesse an dem Angebot der Beklagten zum Ausdruck gebracht haben.

Zur Begründung dafür, dass für ein gezieltes und individuelles Ansprechen durch die Beklagte auf anderen öffentlichen Plätzen als dem Eingangsbereich eines Warenhauses jedenfalls Erstbegehungsgefahr bestehe, hat die Klägerin weitere Vorfälle vom 26.05.2000, 05.09.2000, 18.04.2000 vorgetragen und zusätzlich Werbeaktionen der Firma B GmbH angeführt, deren Pre-Selection-Geschäft die Beklagte offenbar übernommen habe. Die Klägerin hat klargestellt, dass ihr Klageantrag auf ein generelles Verbot des gezielten und individuellen Ansprechens von Passanten auf öffentlichen Straßen etc. gerichtet ist, nicht hingegen auf ein Verbot spezieller Einzelfälle aufgrund insoweit möglicherweise gegebener besonderer Umstände.

Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 07.02.2002 (Bd. I, Bl. 290 ff. d.A.), auf das wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung Bezug genommen wird, das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 09.09.2004 zurückgewiesen, soweit die Klage auch darauf gerichtet ist, der Beklagten die beanstandeten Werbemaßnahmen in öffentlichen Verkehrsmitteln zu untersagen. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil vom 07.02.2002 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Auf das Revisionsurteil (Bd. II, Bl. 42 ff. d.A.) wird in vollem Umfang Bezug genommen.

Nach Zurückverweisung der Sache trägt die Klägerin vor, dass die Werber für die Zeugin Z1 bei den Vorfällen am 26.05. und 02.06.2000 nicht von vornherein eindeutig als Werber erkennbar gewesen seien. Die Klägerin behauptet, die Werber hätten "Zivilkleidung" getragen und sie hätten dem Werbestand, der im Übrigen nicht als C-Stand gekennzeichnet gewesen sei, in dem Moment der werblichen Ansprache nicht zugeordnet werden können, weil sie sich nicht hinter sondern vor dem Werbestand befunden hätten.

Die Klägerin beschränkt nunmehr ihr Unterlassungsbegehren auf ein werbliches Ansprechen in der Öffentlichkeit, bei dem die Werber für die Passanten nicht von vornherein als solche eindeutig erkennbar sind. Als gleichwertig und ebenfalls von ihrem Petitum umfasst hat die Klägerin zunächst Fälle bezeichnet, in denen die Passanten nicht ohne weiteres die Möglichkeit hätten, einem Gespräch mit dem Werber auszuweichen oder sich ihm umgehend zu entziehen, was insbesondere dann gegeben sei, wenn die Ansprache, wie im Fall der Zeugin Z1 in einer engen Straße bzw. einem engen Durchgang stattfinde, oder wenn der Werber einen erkennbar entgegenstehenden Willen des Angesprochenen missachte, indem er ihn am Weitergehen hindere oder ihm folge. Im Senatstermin vom 04.05.2006 hat die Klägerin sodann jedoch klargestellt, dass ihr neuformulierter Klageantrag die soeben genannten besonderen Konstellationen nicht erfassen solle.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt wird, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft - zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der persönlich haftenden Gesellschafterin - zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

im Rahmen der Akquise von Pre-Selection-Kunden Passanten auf öffentlichen Straßen, Plätzen, Märkten, Bahnhöfen oder in Einkaufszentren oder Geschäftspassagen gezielt und individuell anzusprechen und/oder ansprechen zu lassen, die weder ausdrücklich noch konkludent das Interesse an dem Angebot der Beklagten zum Ausdruck gebracht haben, es sei denn, dass die insoweit tätigen Werber für die Passanten von vornherein als solche eindeutig erkennbar sind.

Im Übrigen hat die Klägerin ihre Klage mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.

Die Beklagte beantragt,

die noch anhängige Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Sie behauptet, der fragliche Werbestand sei als "C-Stand" deutlich erkennbar gewesen, und legt hierzu ein Lichtbild vor (Anlage BE 4 / Bd. III, Bl. 157 d.A.), das einen gleichartigen Werbestand zeige. Weiter behauptet die Beklagte, die damals im Eingangsbereich des Warenhauses "A" tätig gewesenen Werber seien mit Anzügen bekleidet gewesen und hätten in der Regel Anstecknadeln mit dem "C"-Logo getragen. Zudem seien sie grundsätzlich mit "C"-Krawatten ausgestattet gewesen. Außerdem habe jeder Werber während der Kundenansprache in der Regel "C"-Prospektmaterial in der Hand gehalten. Die Werber, die Kunden, darunter auch Frau Z1 ansprachen, hätten den Werbestand nicht verlassen; die Marktleitung habe streng darauf geachtet, dass sich die Werber stets hinter dem Stand aufhielten. Vermutlich sei Frau Z1 von sich aus gezielt an den Werbestand herangetreten.

Die Beklagte hat eine von dem Zeugen Z2 gefertigte Skizze vorgelegt (Anlage BE 3 / Bd. III, Bl. 156 d.A.); sie behauptet hierzu, die Skizze gebe die damaligen örtlichen Verhältnisse zutreffend wieder.

Den neuen Vortrag der Klägerin zu den Vorfällen am 26.05. und 02.06.2000 rügt die Beklagte als verspätet.

Weiter wendet die Beklagte ein, der Klageantrag sei, indem er auch das Ansprechen auf öffentlichen Straßen, Plätzen, Märkten, Bahnhöfen oder Geschäftspassagen einbeziehe, zu weit gefasst.

Schließlich erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung und begründet dies damit, dass die Klägerin nach der Zurückverweisung der Sache auf das Kriterium der mangelnden Erkennbarkeit des Werbers und damit prozessual auf eine neue Verletzungshandlung abstelle. Hierin liege eine Klageänderung; ihren neuen Unterlassungsanspruch habe die Klägerin erst nach Ablauf der Verjährungsfrist rechtshängig gemacht.

Die Klägerin hält dem entgegen, dass ihr jetziges Unterlassungsbegehren gegenüber dem früheren ein "minus" darstelle.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat gemäß dem Beschluss vom 17.11.2006 (Bd. III, Bl. 171 f. d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z1, Z2 und Z3. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gerichtliche Niederschrift vom 27.02.2007 (Bd. III, Bl. 181 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Soweit über die zulässige Berufung der Beklagten nach der teilweisen Bestätigung des Berufungsurteils vom 07.02.2002 durch den Bundesgerichtshof und nach teilweiser Klagerücknahme noch zu entscheiden ist, hat das Rechtsmittel in der Sache keinen Erfolg.

Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt; der Umstand, dass die Klägerin nun ergänzend darauf abstellt, ob der Werbende eindeutig als solcher erkennbar ist, ändert hieran nichts (vgl. Revisionsurteil, Seite 11).

Mit der Neufassung des Klageantrags nach der Revisionsentscheidung ist keine Klageänderung verbunden (§ 263 ZPO). Die Klägerin hat ihren Antrag lediglich eingeschränkt; sie begehrt jetzt weniger, aber kein "aliud" gegenüber ihrem ursprünglichen Antrag.

Die Klägerin hatte in der ersten Berufungsverhandlung auf entsprechende Nachfrage ausdrücklich klargestellt, dass ihr Klageantrag auf ein generelles Verbot des gezielten und individuellen Ansprechens von Passanten auf öffentlichen Straßen etc. gerichtet ist, nicht hingegen auf ein Verbot spezieller Einzelfälle aufgrund insoweit möglicherweise gegebener besonderer Umstände. Wollte die Klägerin nun gleichwohl die Wettbewerbswidrigkeit einer direkten Werbeansprache aus besonderen einzelfallbezogenen Umständen herleiten, wie beispielsweise aus einer durch die örtlichen Gegebenheiten bedingten Schwierigkeit, dem Werber auszuweichen, so würde dies die Annahme einer Klageänderung allerdings nahelegen. Um einen solchen einzelfallbezogenen Umstand, den die Klägerin von vornherein in den Gegenstand ihres Unterlassungsbegehrens hätte einbeziehen können, handelt es sich bei der Frage der eindeutigen Erkennbarkeit des Werbers jedoch nicht.

Der BGH hat im Revisionsurteil (ebenso BGH, GRUR 2004, 699, 701 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I) ausgesprochen, dass die gezielte Direktansprache von Passanten an öffentlichen Orten durch einen Werbenden, der als solcher nicht eindeutig erkennbar ist, eine unzumutbare Belästigung gemäß § 7 Abs. 1 UWG (bzw. § 1 UWG a.F.) darstellt. Bei nicht eindeutiger Erkennbarkeit des Werbers ist somit grundsätzlich ein Wettbewerbsverstoß zu bejahen, ohne dass es noch auf Einzelheiten des jeweiligen Sachverhalts ankommt. Bei der Prüfung einer unzumutbaren Belästigung gemäß § 7 Abs. 1 UWG stellt sich die Frage nach besonderen, einzelfallbezogenen Umständen somit erst dann, wenn der Werbende als solcher von vornherein eindeutig erkennbar ist (Revisionsurteil, Seite 10) und deshalb dieses generelle Abgrenzungsmerkmal noch nicht "ohne weiteres" zur Annahme eines Wettbewerbsverstoßes führt.

Mithin hat durch die Einführung des Erkennbarkeitskriteriums als grundsätzliches Abgrenzungsmerkmal das generelle Verbot des Ansprechens zu Werbezwecken in der Öffentlichkeit einen neuen Zuschnitt erhalten. Während nach der früheren Rechtsprechung das gezielte individuelle Ansprechen von Passanten an öffentlichen Orten zu Werbezwecken grundsätzlich als wettbewerbswidrig angesehen wurde, ohne dass es noch auf weitere Umstände des Einzelfalls ankam, stellt nach der Rechtsprechung des BGH unter der Geltung des neuen UWG das gezielte individuelle Ansprechen von Passanten an öffentlichen Orten zu Werbezwecken durch einen Werbenden, der als solcher nicht eindeutig erkennbar ist, grundsätzlich eine unzumutbare Belästigung gemäß §§ 3, 7 Abs. 1 UWG dar, ohne dass es auf weitere Umstände des Einzelfalls ankommt.

Der Erklärung der Klägerin in der ersten Berufungsverhandlung kann nicht entnommen werden, dass sie ausschließlich ein weites, mit ihrem Antrag deckungsgleiches generelles Verbot angestrebt habe und nicht zugleich auch (vorsorglich) ein enger gefasstes generelles Verbot (vgl. auch Revisionsurteil, Seite 11). Denn vor der bereits erwähnten Entscheidung des BGH (GRUR 2004, 699 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I) haben weder die Parteien noch der erkennende Senat die Möglichkeit eines enger gefassten generellen Verbotes durch die Einbeziehung eines - einzelfallunabhängig formulierten - Erkennbarkeitskriteriums erwogen. Zwar hat der Senat seinerzeit auch eine "Irreführung über den Grund der Ansprache" als ein Einzelfallkriterium in Betracht gezogen, das zur Wettbewerbswidrigkeit führen könne, nicht jedoch die Einbindung dieses Gesichtspunktes in ein generelles Verbot; eine entsprechende Verurteilung wäre, wenn die Voraussetzungen hierfür einschließlich einer entsprechenden Antragstellung vorgelegen hätten, einzelfallbezogen ausgesprochen worden. Demgegenüber hat der BGH den Gesichtspunkt der Irreführung über den Grund der Ansprache gleichsam typisiert und mit dem Erkennbarkeitskriterium ein für ein generelles Verbot verwendbares, von einer Gesamtwürdigung des konkreten Einzelfalles unabhängiges, Abgrenzungsmerkmal entwickelt.

Soweit hinsichtlich des Klagegrundes auf die vorgetragene(n) Verletzungshandlung(en) abzustellen ist, ist festzuhalten, dass sich die Klägerin weiterhin auf das Ansprechen der Zeugin Z1 am 26.05. und 02.06.2000 stützt, also auf Vorgänge, die sie ihrer Klage von Anfang an zugrunde gelegt hat. Indem die Klägerin nun ergänzend auch darauf abstellt, dass die Werber als solche nicht eindeutig erkennbar gewesen seien, betont sie lediglich eine Facette des Geschehens, deren rechtliche Bedeutung im Hinblick auf den hier angestrebten (generellen) Verbotsausspruch zunächst nicht erkennbar war. Diese Akzentverschiebung genügt nicht, um eine Klageänderung zu bejahen.

Selbst wenn eine Klageänderung anzunehmen wäre, wäre sie infolge rügeloser Verhandlung zulässig (§§ 263, 267 ZPO). Außerdem wäre die Klageänderung ohne weiteres sachdienlich, nachdem die Klägerin durch die Änderung des Klageantrags den im Revisionsurteil aufgezeigten Weg beschritten hat.

Da eine Klageänderung, wie zuvor ausgeführt, zu verneinen ist, ist der jetzt zur Entscheidung stehende Unterlassungsanspruch auch nicht verjährt. Der Lauf der Verjährungsfrist wurde durch die Zustellung der am 25.07.2000 anhängig gemachten Klage rechtzeitig unterbrochen (§ 209 BGB a.F.) bzw. gehemmt (§ 204 BGB n.F.).

Verjährung wäre im Übrigen auch dann nicht eingetreten, wenn von einer Klageänderung auszugehen wäre. Denn auch wenn sich die Unterbrechungs- bzw. Hemmungswirkung der Klageerhebung im Grundsatz nur auf den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch bezieht (vgl. BGH, NJW 2005, 2004; s. aber auch § 213 BGB n.F.), so genügt es im Ergebnis doch auch, wenn der (ursprünglich) eingeklagte Anspruch und der mit der Verjährungseinrede belegte Anspruch "materiell wesensgleich" sind (vgl. hierzu BGHZ 104, 268, 274 f.; Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage, § 209 Rdn 7 m.w.N.). Dementsprechend können auch ein unbestimmter Klageantrag, sofern er Richtung und Umfang des klägerischen Begehrens erkennen lässt (vgl. Staudinger, BGB, Bearb. 2004, § 204 Rdn 30), und eine unbestimmte Teilklage (vgl. BGH, NJW-RR 1996, 885; Palandt, BGB, 66. Aufl., § 204 Rdn 16) ausreichend sein.

Im vorliegenden Fall deckte der ursprüngliche Klageantrag den neu formulierten Antrag mit ab. Denn wäre der Beklagten die werbliche Direktansprache in der Öffentlichkeit schlechthin verboten worden, so hätte dieses Verbot auch eine Direktansprache durch Werber erfasst, die als solche nicht eindeutig erkennbar sind. Sofern ein Versäumnis der Klägerin darin zu sehen sein sollte, dass sie zu dem in der Sache begründeten Teil ihres Begehrens keinen Hilfsantrag gestellt hat, der diesen Teil des Gesamtbegehrens mit der erforderlichen Bestimmtheit charakterisiert, so wäre dieses Versäumnis jedenfalls verjährungsrechtlich unschädlich, da es die materielle Wesensgleichheit der Ansprüche nicht tangiert.

Der Klägerin steht der jetzt noch geltend gemachte Unterlassungsanspruch als Mitbewerberin der Beklagten zu (§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG). Aus den im Revisionsurteil dargelegten Gründen stellt das gezielte individuelle Ansprechen von Passanten an öffentlichen Orten zu Werbezwecken eine unzumutbare Belästigung im Sinne von §§ 3, 7 Abs. 1 UWG dar, wenn der Werbende für den Angesprochenen nicht als solcher eindeutig erkennbar ist. In einem solchen Verhalten lag zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG a.F..

Das beanstandete Verhalten der Werber, das der Beklagten gemäß § 8 Abs. 2 UWG (§ 13 Abs. 4 UWG a.F.) zuzurechnen ist, erfüllte die eben genannten Voraussetzungen. Zwischen den Parteien ist insoweit lediglich streitig, ob die Werber für die Zeugin Z1 als solche eindeutig erkennbar waren. Aufgrund der mündlichen Verhandlung einschließlich der durchgeführten Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass dies nicht der Fall war.

In diesem Zusammenhang war das Vorbringen der Klägerin zur unzureichenden Erkennbarkeit der Werber im Fall der Zeugin Z1 nicht als verspätet zurückzuweisen. Eine Präklusion dieses Vorbringens scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin vor dem Revisionsverfahren nicht damit rechnen musste, dass es für ein generelles Verbot auf die eindeutige Erkennbarkeit der Werber ankommen könne.

Wie den Parteien durch den Hinweis im Termin vom 04.05.2006 bereits deutlich gemacht wurde, setzt eine eindeutige Erkennbarkeit des Werbers nach der Einschätzung des Senats voraus, dass - unabhängig von der Gestaltung des Werbestandes - die Erscheinung des Werbers ein klares optisches Signal aussendet, welches den Passanten auf den ersten Blick eine mögliche Werbeansprache anzeigt. Dies kann beispielsweise durch das Tragen einer auffälligen Mütze oder Weste geschehen. Eine eindeutige Erkennbarkeit des Werbers ist unabhängig von seinem sonstigen Erscheinungsbild auch dann gegeben, wenn er Passanten aus einem Werbestand heraus anspricht bzw. aus der Sicht des Passanten hinter einem Werbestand steht.

Diese Anforderungen ergeben sich aus folgenden Erwägungen:

Da eindeutige Erkennbarkeit gefordert ist, genügt die bloße Erkennbarkeit des Werbers als solche nicht. Daher reicht es nicht, wenn aufmerksame Passanten den Werber bei genauerer Betrachtung als solchen erkennen können. Der betroffene Passant soll die Möglichkeit haben, dem Werbenden von vornherein abweisend und ablehnend gegenüberzutreten (vgl. Revisionsurteil, Seite 8 f.), um auf diese Weise die mit der Direktansprache verbundene Belästigung auf ein Mindestmaß zu beschränken. Diese Möglichkeit besteht nur dann, wenn der Angesprochene dem Werber gleichsam auf einen Blick ansehen kann, dass dieser sich zu Werbezwecken an ihn wendet. Wesentlich ist hierbei auch die sofortige Erkennbarkeit. An die Aufmerksamkeit des Passanten sind hierbei keine hohen Anforderungen zu stellen. Bei der Frage nach der situationstypischen Aufmerksamkeit eines durchschnittlichen Passanten sind auch Passanten einzubeziehen, die an Werbeaktivitäten im öffentlichen Verkehrsraum keinerlei Interesse haben und auf solche Aktivitäten daher auch nicht achten. Ein Fußgänger kann in ein Gespräch oder in Gedanken vertieft sein; er kann seine Aufmerksamkeit auch auf etwas anderes richten. Ein erheblicher Teil der Passanten wird daher auf eine werbliche Direktansprache nicht gefasst sein. Kommt die Direktansprache demzufolge unvorbereitet, so muss, um den Werbezweck von vornherein eindeutig klarzustellen, ein klares optisches Signal gegeben werden.

Die eindeutige Erkennbarkeit kann sich insbesondere aus besonders auffälligen Kleidungsstücken oder Merkmalen ergeben, die auf die Werbereigenschaft unmissverständlich hinweisen. Fehlt es an einer solche Ausstattung, so kann die eindeutige Erkennbarkeit, bei der es sich um ein typisiertes Abgrenzungsmerkmal handelt, regelmäßig nicht aus einer komplexen Einzelfallbetrachtung abgeleitet werden, die die genauen örtlichen Verhältnisse und das Begleitgeschehen einbezieht. Für die werbenden Unternehmen ist es ohne weiteres zumutbar, die für sie tätigen Werber so auszustatten, dass hierdurch die eindeutige Erkennbarkeit sichergestellt wird.

Für eine eindeutige Erkennbarkeit genügt es danach nicht, dass der Werber sich in der Nähe eines Werbestandes aufhält. Gerade Passanten, die auf eine Direktansprache keinen Wert legen, werden einem Werbestand oftmals keine Aufmerksamkeit schenken und, wenn sie angesprochen werden, die Zugehörigkeit des Ansprechenden zu dem in der Näher befindlichen Werbestand nicht sofort bemerken. Zudem kann man auch in der Nähe eines Werbestandes von einem anderen Passanten angesprochen werden.

Anders verhält es sich jedoch, wenn der Werber den Passanten gleichsam über die Theke des Werbestandes hinweg anspricht, da hierdurch der Werbecharakter der Ansprache sofort deutlich wird.

Im vorliegenden Fall waren die Werber, die die Zeugin Z1 ansprachen, nicht aufgrund ihrer Kleidung oder aufgrund einer Ausstattung mit Erkennungszeichen als Werber eindeutig erkennbar.

Diese Feststellung ergibt sich bereits aus dem wechselseitigen Parteivorbringen. Auch wenn die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Wettbewerbsverstoßes bei der Klägerin liegt, so trifft die Beklagte im Hinblick auf das Erscheinungsbild der Werber eine sekundäre Darlegungslast, zumindest aber die Obliegenheit zu substantiiertem Vortrag. Denn das werbende Unternehmen ist regelmäßig wesentlich besser als der Verletzte imstande, Angaben zu Erkennungszeichen zu machen, die die Werber getragen haben bzw. tragen sollten.

Die Beklagte hat nach dem Senatstermin vom 04.05.2006 näher zum Erscheinungsbild der Werber vorgetragen. Eine eindeutige Erkennbarkeit der Werber (als Werber) ergibt sich aus diesem Vorbringen jedoch nicht. So reicht es ersichtlich nicht aus, wenn ein Werber einen Anzug trägt. Auch eine Anstecknadel mit dem "C"-Logo setzt schon wegen ihrer geringen Größe kein klares optisches Signal. Ebenso unzureichend ist das Tragen einer "C"-Krawatte. Schließlich genügt es auch nicht, wenn ein Werber Prospektmaterial in der Hand hält, zumal auch Passanten, die am Werbestand Prospekte erhalten haben, Prospektmaterial in der Hand halten können. Anders mag es zu beurteilen sein, wenn Werber offensichtlich damit befasst sind, Werbematerial an Vorbeigehende auszuteilen und entsprechende Mengen des Werbematerials bei sich haben. So verhielt es sich bei den für die Beklagte tätigen Werbern jedoch nicht.

Die Zeugen Z2 und Z3 haben weitere Erkennungszeichen zur Sprache gebracht, die die Werber möglicherweise getragen haben könnten. So sprach der Zeuge Z2 von einer Kappe mit der Aufschrift "C", von einer "C"-Jacke, von Ansteckschildern in Ausweisgröße und von "C"-T-Shirts. Der Zeuge Z3 berichtete von Namensschildern, die wohl etwa halb so groß wie ein Personalausweis gewesen seien.

Der Senat hat aufgrund der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme indessen die Überzeugung gewonnen, dass die Werber, die die Zeugin Z1 ansprachen, zu diesem Zeitpunkt, kein auffällig auf ihre Werbereigenschaft hinweisendes Kleidungsstück wie eine entsprechende Kappe, Jacke oder T-Shirt trugen (§ 286 ZPO).

Die Zeugin Z1 hat ein solches auffälliges Kleidungsstück nicht bemerkt. Die Zeugin konnte zur Kleidung zwar keine genauen Angaben mehr machen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Vorfälle lange zurückliegen und die Zeugin aufgrund ihrer Tätigkeit bei der Klägerin, für die sie als Account-Managerin arbeitet, unwillkürlich geneigt sein könnte, Erinnerungslücken eher in einem für die Klägerin günstigen Sinne zu schließen. Keinen Anhaltspunkt gibt es jedoch für die Befürchtung, die Zeugin könne - unabhängig von etwaigen Ungenauigkeiten in Detailfragen - wesentliche Punkte falsch wiedergegeben haben. Im Grundsatz ist die Aussage der Zeugin Z1 glaubhaft, mag die Aussage auch nicht in sämtlichen Randaspekten uneingeschränkt zuverlässig sein. Das Tragen eines in auffälliger Form auf die Firma C hinweisenden Kleidungsstücks wäre der Zeugin nach der Einschätzung des Senats in Erinnerung geblieben. Sie hat an der Kleidung der Werber jedoch nichts Auffälliges bemerkt. Gegen das Tragen einer entsprechenden Kappe, Jacke oder eines entsprechenden T-Shirts sprechen im Übrigen die eigenen Ausführungen der Beklagten, die aufgrund ihrer vor der Beweisaufnahme unternommenen Recherchen nichts von derartigen Kleidungsstücken zu berichten wusste. Dagegen spricht auch die Aussage des Zeugen Z3, der bekundete, die Werber hätten dunkelblaue Anzüge getragen.

Auszuschließen ist des Weiteren, dass die Werber hinreichend auffällige Ansteckschilder trugen. Ein Ansteckschild ist in der Regel nicht geeignet, die sofortige deutliche Erkennbarkeit als Werber zu gewährleisten, da das Schild für den Passanten, je nachdem, welche Position der Werber ihm gegenüber gerade einnimmt, im ersten Moment verdeckt oder schwer erkennbar sein kann. Ein Schild in Ausweisgröße oder gar nur halber Ausweisgröße genügt daher nicht. Selbst wenn die Werber, die die Zeugin Z1 ansprachen, ein solches Schild getragen haben sollten, waren sie damit noch nicht eindeutig als Werber erkennbar.

Schließlich steht aufgrund der Beweisaufnahme fest, dass die Werber sich im Zeitpunkt der Ansprache nicht - aus der Sicht der Zeugin Z1 - hinter dem Werbestand befanden, sondern vor dem Werbestand. Dies hat die Zeugin Z1 glaubhaft bekundet; auf die genaue Entfernung zum Werbestand, kommt es dabei nicht an. Auch die Zeugen Z2 und Z3 haben ausgesagt, dass sich die Werber jedenfalls zeitweise vor dem Werbestand, wenn auch nicht weit von ihm entfernt, aufgehalten hätten.

Die aus dem festgestellten Wettbewerbsverstoß resultierende Begehungsgefahr (Wiederholungsgefahr) bezieht sich auch auf eine Direktansprache auf öffentlichen Straßen, Plätzen, Märkten, Bahnhöfen und Geschäftspassagen.

Das Charakteristische der konkreten Verletzungsform liegt bezüglich des Begehungsortes darin, dass Passanten in der Öffentlichkeit an belebten Orten, nicht aber innerhalb geschlossener Räumlichkeiten wie beispielsweise einem Verkehrsmittel, angesprochen werden, an denen sich außerdem die Einrichtung eines Werbestandes anbietet. Solche Örtlichkeiten hat die Klägerin mit ihrem Antrag bezeichnet.

Der neu gefasste Klageantrag war nach allem zuzusprechen. Unschädlich ist die Einbeziehung der Worte "von vornherein". Denn dass der Werber für die Passanten von vornherein, nämlich sofort und "auf einen Blick" als solcher erkennbar sein muss, folgt aus dem Erfordernis der deutlichen Erkennbarkeit und den im Revisionsurteil zu dem Zweck dieses Erfordernisses gemachten Ausführungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 96, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der zuerkannte Unterlassungsanspruch trägt dem ursprünglichen Begehren noch in einem erheblichen, allerdings auch erheblich eingeschränkten, Umfang Rechnung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht erneut zuzulassen, da die grundsätzlichen Fragen, die der vorliegende Fall aufgeworfen hat, durch das Revisionsurteil geklärt worden sind.

Ende der Entscheidung

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