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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.03.2001
Aktenzeichen: 6 U 71/00
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 8 III
UWG § 3
UWG § 13 II Nr. 2
ZPO § 890
ZPO § 91 a
ZPO § 92 I
ZPO § 515 III S. 2
Zur Vermeidung ihrer Störerhaftung muß eine Werbeagentur die geplante Werbung auf der Grundlage der Angaben des Auftraggebers auf mögliche Wettbewerbsverstöße überprüfen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 71/00

Verkündet am 08.03.2001

In dem Rechtsstreit

...

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.03.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Nach teilweiser übereinstimmender Erledigungserklärung und teilweiser Rücknahme der Berufung der Beklagten wird auf die Berufung der Beklagten das am 01.03.2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert. Die Klage wird hinsichtlich des gegen alle Beklagten gerichteten Klageantrags zu 1. a) [jeweils Buchstabe a) des Tenors des angefochtenen Urteils] abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt: Von den Gerichtskosten haben die Klägerin 3/10, die Beklagte zu 1) 3/10, die Beklagte zu 2) 3/10 und der Beklagte zu 3) 1/10 zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Beklagte zu 1) 3/10, die Beklagte zu 2) 3/10 und der Beklagte zu 3) 1/10 zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin 1/4 zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat die Klägerin 1/4 zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3) hat die Klägerin die Hälfte zu tragen.

Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,-- DM abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbefristete Bürgschaften eines inländischen, als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

Beschwer der Klägerin: 15.000,-- DM

Tatbestand:

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführerin die Beklagte zu 2) ist, betreibt eine Werbeagentur. Sie war von der Firma A. anlässlich eines Räumungsverkaufs mit Werbeleistungen beauftragt worden; der Auftrag wurde von dem bei der Beklagten zu 1) beschäftigten Beklagten zu 3) bearbeitet. Für den Räumungsverkauf wurde mit den als Anlagen K1 ­ K3 der Klageschrift beigefügten Beilagen und Anzeigen (Bl. 15 ­ 23 d. Akte) geworben. Der Räumungsverkauf war am 11.01.1999 bei der Klägerin angezeigt worden; die erste Anzeige für den Räumungsverkauf erschien am 23.01.1999.

Die Klägerin hat die Werbung unter verschiedenen wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten beanstandet und behauptet, der Beklagte zu 3) habe die Firma A. in allen Einzelheiten der Strategie und der Durchführung des Räumungsverkaufs beraten. Die Klägerin hat unter anderem die Missachtung der Frist des § 8 III UWG beanstandet und die Auffassung vertreten, die Beklagte zu 3) hätte sich bei der Klägerin erkundigen müssen, wann der Räumungsverkauf angezeigt worden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten zu 1) ­ 3) zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsgeld in Höhe bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, hinsichtlich der Beklagten zu 1) zu vollstrecken an deren Geschäftsführerin, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a) Werbung für Räumungsverkäufe wegen Aufgabe des Geschäftsbetriebes zu veröffentlichen, wenn die beworbenen Räumungsverkäufe nicht spätestens zwei Wochen vor ihrer erstmaligen Ankündigung bei der zuständigen amtlichen Berufsvertretung von Handel, Handwerk und Industrie angezeigt worden sind;

und/oder

b) vor dem bei der zuständigen Berufsvertretung von Handel, Handwerk und Industrie angezeigten Beginn eines Räumungsverkaufs wie nachstehend abgebildet zu werben.

2. die Beklagten zu 1) und 2) weiter zu verurteilen, es bei Meidung der Ordnungsmittel nach § 890 ZPO zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a) in der Werbung für einen Räumungsverkauf eines Großhandelsunternehmens, das zuvor keinen Einzelhandel betrieben hat, mit Preisgegenüberstellungen unter der Angabe bisher" zu werben, wenn es sich bei diesen bisherigen Preisen nicht um die bisherigen Großhandelspreise des Großhändlers handelt, insbesondere unter der Angabe bisher DM XX, jetzt nur noch DM XX" und/oder Preisreduzierungen um XX %" und/oder der Angabe Sie sparen XX % des marktüblichen Preises", wie in Werbeanzeigen/Werbebeilagen in der FAZ vom 23.01.1999, 28.01.1999 und 11.02.1999 (Anlagen K1, K2 und K3)

und/oder

b) in der Werbung für Räumungsverkäufe wegen Aufgabe des Geschäftsbetriebes nach einer ersten Preisreduzierung Žbis zu 56 % des marktüblichen Preises" mit der Angabe letztmalige weitere Preisreduzierungen bis zu 67 % auf ausnahmslos den gesamten Warenbestand" zu werben.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, der Beklagte zu 3) habe lediglich in Absprache mit dem Auftraggeber die Werbemittel konzipiert und produziert. Der Beklagte zu 3) habe den Kunden darauf hingewiesen, dass bei der ersten Werbeveröffentlichung die zweiwöchige Frist des § 8 III UWG eingehalten sein müsse; der Kunde habe erklärt, die Frist sei gewahrt.

Mit Urteil vom 01.03.2000, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagten zu 1) ­ 3) entsprechend den Klageanträgen zu 1a) und 1b) verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Hiergegen haben beide Seiten Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beklagten die Berufung hinsichtlich des Klageantrages zu 1b) zurückgenommen. Hinsichtlich der Klageanträge zu 2a) und 2b) haben die Parteien übereinstimmend den Rechtstreit für erledigt erklärt, nachdem die Beklagten in der mündlichen Verhandlung strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben haben.

Mit dem verbliebenen Teil ihrer Berufung wenden sich die Beklagten gegen die Verurteilung gemäß den Klageantrag zu 1a). Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil hinsichtlich a) abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr ebenfalls erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Nach teilweiser übereinstimmender Erledigungserklärung und teilweiser Rücknahme der Berufung der Beklagten war nur noch über die die Verurteilung gemäß dem Klageantrag zu 1a) betreffende Berufung der Beklagten zu entscheiden. Insoweit ist die Berufung zulässig und hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht der auf die Verletzung von § 8 III UWG gestützt Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten nicht zu.

Sowohl nach der Fassung ihres Klageantrages als auch nach der Erläuterung ihres Klagebegehrens in der Senatsverhandlung will die Klägerin den Beklagten die Verpflichtung auferlegen, künftig uneingeschränkt dafür Sorge zu tragen, dass von ihnen im Auftrag von Kunden gestaltete und veröffentlichte Werbung für Räumungsverkäufe gemäß § 8 III UWG nicht vor Ablauf von zwei Wochen nach Anzeige des Verkaufs bei der Industrie- und Handelskammer erscheint. Dies soll unabhängig davon gelten, ob der Auftraggeber ­ wie die Beklagten im vorliegenden Fall behaupten ­ von ihnen auf die Beachtung dieser Frist hingewiesen worden ist und erklärt hat, die Frist sei eingehalten. Eine solche Verpflichtung kann den Beklagten als Betreibern bzw. Mitarbeitern einer Werbeagentur jedoch wettbewerbsrechtlich nicht auferlegt werden.

Es kann zunächst nicht angenommen werden, das der Beklagte zu 3) sich im vorliegenden Fall ­ über die normalen Aufgaben eines Werbeagenten hinaus ­ als Mitveranstalter des Räumungsverkaufs betätigt hat. Die Klägerin hat ihren dahingehenden Vorwurf, der Beklagte zu 3) habe die Firma A. in allen Einzelheiten der Strategie und der Durchführung des Räumungsverkaufs beraten und insbesondere den Zeitpunkt der Werbung und der Eröffnung des Ladengeschäfts empfohlen, weder näher substantiiert noch in geeigneter Form unter Beweis gestellt. Es ist daher von der Darstellung der Beklagten auszugehen, wonach der Beklagte zu 3) in Absprache mit dem Auftraggeber lediglich die Werbemittel konzipiert und produziert hat.

Soweit eine Werbeagentur für einen Kunden Werbemaßnahmen entwickelt und mit Einverständnis dieses Kunden durchführt, kommt eine Haftung der Werbeagentur für dabei vorgekommene Wettbewerbsverstöße regelmäßig nur nach den Grundsätzen über die Störerhaftung in Betracht, da die wettbewerbsrechtliche Hauptverantwortung in vollem Umfang beim Auftraggeber liegt und sich die Rolle der Werbeagentur auf eine Hilfs- oder Erfüllungstätigkeit beschränkt.

Nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten allgemeinen Grundsätzen zur Störerhaftung (vgl. GRUR 97, 313, 316 = WRP 97, 325 f.­ Architektenwettbewerb; GRUR 97, 909 = WRP 97, 1059 ­ Branchenbuch ­ Nomenklatur) entspricht die wettbewerbsrechtliche Verantwortung des (Mit-) Störers nicht ohne weiteres derjenigen des hauptverantwortlich handelnden Täters oder Mittäters. Sie ist vielmehr insoweit begrenzt, als der Störer nur für diejenigen Wettbewerbsverstöße haftet, die er zumutbarerweise erkennen und verhindern kann.

Hieraus folgt zunächst, dass an Werbeagenturen hohe Anforderungen hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung aller mit der Werbung zusammenhängenden Fragen zu stellen sind. Denn die umfassende und eingehende Kontrolle, ob eine geplante Werbemaßnahme mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar ist, gehört schon zu den wesentlichen (vertraglichen) Pflichten einer Werbeagentur gegenüber ihrem Auftraggeber. Daher kann und muss bei einer Werbeagentur im Zusammenhang mit der eigenen (deliktischen) wettbewerbsrechtlichen Haftung gegenüber Dritten derselbe hohe Maßstab angelegt werden, wenn es darum geht, einen Sachverhalt auf Wettbewerbsverstöße hin zu überprüfen.

Etwas anderes gilt nach Auffassung des erkennenden Senats allerdings, soweit es um die Frage geht, welche Tatsachen dieser wettbewerbsrechtlichen Überprüfung zugrunde zu legen sind. Hier darf sich die Werbeagentur grundsätzlich auf die tatsächlichen Angaben verlassen, die der Auftraggeber ihr mitteilt. Soweit sich nach den Gesamtumständen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Darstellung des Auftraggebers geradezu aufdrängen, kann es im Einzelfall auch geboten sein, solche Zweifel durch entsprechende Nachfragen zu klären. Dagegen kann von einer Werbeagentur nicht verlangt werden, eine als solche eindeutige Mitteilung des Auftraggebers über den zugrunde liegenden Sachverhalt durch eigene Ermittlungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Dadurch würde das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen der Werbeagentur und dem Auftraggeber in unzumutbarer Weise belastet.

Aus den dargelegten Grundsätzen ergibt sich, dass die Beklagten nicht verpflichtet sind, Angaben ihrer Auftraggeber dazu, ob und wann die erforderliche Anzeige einer Sonderveranstaltung bei der Klägerin erfolgt ist, durch eigene Nachfrage bei der Klägerin zu überprüfen. Gerade auf solche klare, tatsächliche Mitteilungen ihrer Auftraggeber dürfen sich die Beklagten grundsätzlich verlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a, 92 I, 515 III S. 2 ZPO.

Soweit die Parteien den Rechtstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entspricht es billigen Ermessen (§ 91a ZPO), die Kosten den Beklagten zu 1) und 3) aufzuerlegen, da die Klage hinsichtlich der Anträge zu 2. a) und 2. b) ohne die von den Beklagten abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärungen voraussichtlich Erfolg gehabt hätte.

Der Klägerin stand der mit dem Klageantrag zu 2a) geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 13 II Nr. 2 UWG zu. Die als Anlagen K2 und K3 überreichten Werbebeilagen enthielten insoweit irreführende Angaben über die Preisgestaltung, als dort der unzutreffende Eindruck erweckt wurde, die beworbenen Preisreduzierungen bezögen sich auf die früheren (höheren) Großhandelspreise der Firma A.. Dieser Eindruck ergab sich daraus, dass in der Werbung mehrfach blickfangartig auf die frühere Großhandelstätigkeit der Firma A. hingewiesen wurde. Unter diesen Umständen musste der Leser der Werbung davon ausgehen, bei den nunmehr reduzierten früheren Preisen habe es sich um die bisher verlangten Großhandelspreise gehandelt, was dem Angebot eine weitere besondere Attraktivität verlieh. Allein der weitere Hinweis, dass es sich bei den alten Preisen um die marktüblichen" Preise handele, konnte - unabhängig von der weiteren Frage, ob es in dieser Branche marktübliche" Preise gibt - die genannte Fehlvorstellung nicht beseitigen, da auch die ­ vermeintlich ­ bis dahin verlangten Großhandelspreise marktüblich" hätten sein können. Jedenfalls war nach dem Gesamteindruck der Werbung nicht erkennbar, dass es sich bei den reduzierten Preisen um andere als die früher verlangten Großhandelspreisen der Firma A. handeln sollte.

Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, mit der die Wiederholungsgefahr für den genannten Wettbewerbsverstoß ­ den die Klägerin mit dem Klageantrag zu 2a) der Sache nach beanstandet hat ­ ausgeräumt worden ist.

Die mit dem Klageantrag zu 2b) beanstandende Werbung enthielt ebenfalls eine Irreführung über die Preisgestaltung. Die Angabe letztmalige weitere Preisreduzierung bis zu..." konnte so verstanden werden, dass die bereits reduzierten Preise nochmals um den genannten Prozentsatz ermäßigt worden sei, was unstreitig nicht der Fall war.

Für die genannten Verstöße gegen § 3 UWG war die Beklagte zu1) nach den oben dargelegten Grundsätzen als Störerin verantwortlich, da sich die Wettbewerbswidrigkeit aus dem Inhalt der Werbung selbst ergab.

Die Passivlegitimation der Beklagten zu 2), die an der Konzeption der Anzeigen persönlich nicht beteiligt war, ergab sich jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr daraus, dass die Beklagte zu 2) als Geschäftsführerin der Beklagten zu 1) im Prozess das wettbewerbswidrige Verhalten des Beklagten zu 3) uneingeschränkt verteidigt hat (vergleiche hierzu BGH GRUR 86, 248, 251 ­ Sporthosen).

Ende der Entscheidung

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