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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 05.10.2000
Aktenzeichen: 6 U 97/98
Rechtsgebiete: StBerG, UWG, ZPO


Vorschriften:

StBerG § 3 Nr. 1
StBerG § 3 Nr. 2
StBerG § 3 Nr. 3
StBerG § 43 Abs. 4
StBerG § 5
StBerG § 6 Nr. 4
StBerG § 3 Nr. 4
UWG § 3
UWG § 13 Abs. 1 Nr. 2
UWG § 1
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 709 S. 2
ZPO § 711
Unzulässigkeit der Berufsbezeichnung "NL-Steuerberater in NL".
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 97/98

3/8 O 167/96 Landgericht Frankfurt am Main

Verkündet am 5.10.2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 2.9.1999 wird aufrecht erhalten.

Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil und aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 24.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbefristete Bürgschaften eines inländischen, als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

Beschwer des Beklagten: 20.000 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin hat als Berufskammer der hessischen Steuerberater und Steuerbevollmächtigten die gesetzliche Aufgabe, die beruflichen Belange der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu wahren und die Erfüllung der beruflichen Pflichten zu überwachen.

Der Beklagte, ein deutscher Staatsangehöriger, war in den Niederlanden niedergelassen und unter der Bezeichnung "Belastingadviseur" bei der Kamer van Koophandel en Fabrieken in Breda eingetragen. Später hatte er eine berufliche Niederlassung in Luxemburg. Nachdem ihm dort die Büroräume gekündigt wurden, verfügt er jetzt über Büroräume in Frankfurt am Main, er will aber alsbald wieder nach Luxemburg zurückkehren. Der Beklagte hat weder eine entsprechende Ausbildung absolviert noch eine Steuerberaterprüfung abgelegt noch ist er Steuerbevollmächtigter oder zählt sonst zu den in § 3 Nr. 1 bis 3 StBerG genannten Berufsträgern. In Deutschland trat er unter der Bezeichnung Unternehmensberatung - Unternehmensvermittlung - Buchführungshilfe" auf und hat angekündigt, sich im Inland als "NL-Steuerberater in NL" zu bezeichnen und einen siegelartigen Stempel,mit dieser Bezeichnung zu verwenden.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, damit verhalte sich der Beklagte irreführend im Sinnen von § 3 UWG. Auf ihren Antrag verbot die 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main dem Beklagten durch Versäumnisurteil vom 10.3.1997 bei Meldung gesetzlicher Ordnungsmittel 1. die Bezeichnung "Buchführungshilfe" zu verwenden, ohne unübersehbar darauf hinzuweisen, dass Gegenstand der angebotenen Dienstleistungen nur das Buchen laufender Geschäftsvorfälle einschließlich Kontieren ist; 2. die Berufsbezeichnung "NL-Steuerberater in NL" zu führen; 3. siegelartige Rundstempel mit der Berufsbezeichnung NL-Steuerberater in NL" zu verwenden.

Durch Urteil vom 29.4.1998 hat die 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main das Versäumnisurteil aufrecht erhalten.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat der Senat durch Versäumnisurteil vom 2.9.1999 zurückgewiesen.

Der Beklagte ist der Auffassung, als "Belastingadviseur" in den Niederlanden sei er befugt, im Inland mit der Tätigkeitsbezeichnung "Buchführungshilfe" zu werben und die Berufsbezeichnung "NL-Steuerberater in NL" zu führen. Das gegen ihn ausgesprochene Verbot verstoße gegen den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit innerhalb Europas nach Art. 50 EG-Vertrag.

Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil des Senats vom 2.9.1999 aufzuheben, das am 29.4.1999 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, das Versäumnisurteil des Senats vom 2.9.1999 aufrecht zu erhalten.

Sie vertritt weiterhin ihre Meinung, das Verhalten bzw. das beabsichtigte Verhalten des Beklagten verstoße gegen das Steuerberatungsgesetz und sei zudem irreführend.

Entscheidungsgründe:

Das Versäumnisurteil ist aufrecht zu erhalten. Denn die von der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main ausgesprochenen Verbote sind zu Recht ergangen.

Die Klägerin ist als Verband nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 UWG klagebefugt.

Die Verwendung des Begriffs "NL-Steuerberater in NL" durch den Beklagten ist irreführend und daher nach § 3 UWG zu verbieten. Den von einer solchen Berufsbezeichnung angesprochenen Verkehrskreisen drängt sich der Eindruck auf, der Beklagte sei Steuerberater und verfüge über die mit diesem Berufsbild einher gehende besondere Qualifikation, jedenfalls in einer niederländischen Entsprechung und möglicherweise insoweit noch besonders herausgehoben. Dies ist nicht der Fall. Die Ausübung des Berufs eines Steuerberaters in Deutschland setzt eine langjährige Ausbildung und die erfolgreiche Ablegung einer staatlichen Prüfung voraus. In den Niederlanden gibt es die (deutsche) Berufsbezeichnung Steuerberater nicht. Soweit dort der Beruf eines Belastingadviseur ausgeübt werden kann, sind daran die oben genannten qualifizierenden Voraussetzungen nicht geknüpft. Wer sich dem Beklagten als "NL-Steuerberater in NL" zur Hilfeleistung in Steuersachen anvertraut, hat in Wirklichkeit also nicht mit einem Steuerberater nach dem inländischen Berufsbild oder einer dementsprechenden Qualifikation zu tun.

Die zweimalige Erwähnung von "NL" ist nicht geeignet, der von der Gesamtbezeichnung ausgehenden Irreführungsgefahr zu begegnen. Dabei kann letztlich offen bleiben, ob der Verkehr daraus nicht sogar folgert, der so Bezeichnete verfüge als Steuerberater über eine zusätzliche Qualifikation betreffend Steuerfragen in den Niederlanden. Jedenfalls entnimm t er den Zusätzen nicht, dass es dem Beklagte an einer Qualifikation mangelt, die dem Berufsbild des deutschen Steuerberaters eigen ist. Denn die Unterschiede der steuerberatenden Berufe im Inland und in den Niederlanden sind auch den durch aufgeklärte Verbraucher gekennzeichneten Ver- kehrskreise jedenfalls überwiegend unbekannt. Diese Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder des Senats zählen, können dem Zusatz "NL" insbesondere nicht den Hinweis entnehmen, dass der so bezeichnete Steuerberater gerade kein Steuerberater nach dem inländischen Berufsbild ist, sondern sich davon wesentlich unterscheidet. Dass und unter welchen weiteren Umständen der Beklagte jedenfalls das Moment der Irreführung abwenden könnte, wenn er sich als Belastingadviseur" bezeichnen würde, ist hingegen für die Entscheidung ohne weitere Bddeutung.

Daneben ist die beabsichtigte Verwendung von NL-Steuerberater in NL" als Verstoß gegen § 1 UWG in Verbindung mit § 43 Abs. 4 StBerG unzulässig. Er verschafft sich durch diese Berufsbezeichnung einen unlauteren Wettbewerbsvorteil durch Rechtsbruch gegenüber den Trägem der steuerberatenden Berufe, die im Inland lediglich nach den Voraussetzungen des Steuerberatungsgesetzes zur Berufsausübung befugt sind.

Mit den in Folge des 7. Steuerberatungsänderungsgesetzes eingetretenen Änderungen hat der Gesetzgeber (u.a.) den Maßgaben der Stellungnahme der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 22.9.1997 Rechnung getragen und gesetzliche Regelungen getroffen, nach denen (u.a.) Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaats leisten, dies auch im Inland unter bestimmtem Voraussetzungen erlaubt ist. Sie dürfen dann aber nur (§ 3 Nr. 4 Satz 2 StBerG n.F.) tätig werden unter der Berufsbezeichnung in den Amtssprachen des Niederlassungsstaats, unter der sie ihre Dienste im Niederlassungsstaat anbieten. Für den Beklagten würde daraus allenfalls die Befugnis folgen können, unter der Bezeichnung "Belastingadviseur" im Inland tätig zu werden.

Aus dem Gesichtspunkt der Dienstleistungsfreiheit (Art. 50 EG-Vertrag) folgt nichts anderes. Die Dienstleistungsfreiheit ist unter den Voraussetzungen zu gewähren, die der Empfängerstaat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt. Insbesondere ist es Inländern verwehrt, sich auf die Dienstleistungsfreiheit zu stützen, um sich nationalen Vorschriften über die Berufsausbildung und -ausübung zu entziehen. (EuGH NJW 1975, 1095; NJW 1979, 1761). Das Gemeinschaftsrecht ist zudem nicht verletzt, wenn Beschränkungen, die sich aus dem Erfordernis einer bestimmten beruflichen Qualifikation ergeben, in Ansehung der Besonderheiten bestimmter Dienstleistungen durch zwingende Gründe des inländischen Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und für alle im Inland tätigen Personen und Unternehmen gelten (vergl. EuGH NJW 1975, 1095 sowie Urteil des Senats vom 25.3.1999 - 6 U 200/98). Das Steuerrecht ist in der Europäischen Union weitgehend noch nicht harmonisiert, 'Ausreichende Kenntnisse des nationalen ­ hier: deutschen ­ Steuerrechts sind grundsätzlich unverzichtbar, um im Inland verantwortlich und gegenüber den Hilfesuchenden zuverlässige, Hilfe in Steuersachen zu leisten (vergl. BFH EuWZ 1995, 158 ff). Diese Kenntnisse sind grundsätzlich nach Maßgabe des Steuerberatungsgesetzes nachzuweisen, das insoweit das Allgemeininteresse der Bundesrepublik Deutschland schützt (BVerfGE 21, 173). Diesem Schutz dient maßgeblich auch der Freihaltung der Berufsbezeichnung "Steuerberater" für Personen, die nach diesem Gesetz dazu berechtigt sind (so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.4.2000 - 20 U 79/99).

Im Übrigen gilt auch insofern, dass der Beklagte die weiteren Voraussetzungen, unter denen er nach § 3 Nr. 4 StBerG n.F. im Inland tätig werden dürfte, schon deswegen nicht erfüllt, weil er - zumindest derzeit - weder in den Niederlanden noch in einem anderen Mitgliedsstaat, sondern lediglich im Inland beruflich niedergelassen ist.

Eine Berechtigung, sich im Inland Steuerberater zu nennen, wäre daraus für ihn nicht abzuleiten. Dem Beklagten ist es daher auch nach neuer Rechtslage gem. § 43 Abs, 4 StBerG versagt, sich als Steuerberater zu bezeichnen.

Schließlich ist auch die Werbung mit dem Begriff "Buchführungshilfe" jedenfalls unter dem Blickwinkel des § 1 UWG in Verbindung mit § 5 StBerG zu verbieten. Zwar erlaubt § 6 Nr. 4 StBerG unter bestimmten weiteren Voraussetzungen das Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen von Lohnsteueranmeldungen. Eine Befugnis des Beklagten zu einer Hilfstätigkeit in diesem Sinne ist jedoch nicht gegeben. Sie folgt insbesondere nicht aus § 3 Nr. 4 StBerG. Dabei kann offen bleiben, ob ein in den Niederlanden zugelassener Belastingadviseur nach dieser Vorschrift und unter Beachtung der dort normierten weite- ren Bedingungen zur umfassenden Buchführungshilfe im Inland befugt wäre. Dies wäre nämlich nur unter der grundsätzlichen Voraussetzung möglich, dass der Beklagte in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union - hier: in den Niederlanden - beruflich niedergelassen wäre. Der Beklagte ist hingegen, wie bereits erwähnt, im Inland niedergelassen.

Ob die Verwendung des Begriffs Buchführungshilfe daneben auch als irreführend im Sinne von § 3 UWG werten ist, kann bei dieser Sachlage letztlich offen bleiben, zumal der Beklagte offenbar jedenfalls bereit - wenn auch nicht befugt - ist, insoweit umfassend tätig zu werden.

Das nach § 1 UWG i.V.m. §§ 5, 43 Abs. 4 StBerG wettbewerbswidrige Verhalten des Beklagten ist auch geeignet, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen. Wenn Hilfeleistung in Steuerangelegenheiten beworben und durchgeführt wird unter irreführender Verwendung des Begriffs Steuerberater" sind weite Teile der angesprochenen Verbraucherkreise, in der Gefahr, Hilfeleistung minderer Qualität in Anspruch zu nehmen und dadurch in den komplizierten Zusammenhängen des Steuerrechts massive Nachteile zu erleiden. Entsprechendes gilt für die Werbung mit dem Begriff Buchführungshilfe, denn die unbefugte Dienstleistung in diesem Bereich birgt vergleichbare Gefahren.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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