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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 31.03.2006
Aktenzeichen: 6 UF 255/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 117
ZPO § 233
Wird Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Berufung beantragt, so ist die Verweisung auf eine in erster Instanz eingereichte Prozesskostenhilfe-Erklärung unzulässig, wenn sich das Einkommen erhöht hat, auch wenn diese Erhöhung durch gleichzeitige Erhöhung von Abzugsposten ausgeglichen wird.
Gründe:

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 29.11.2005, bei Gericht eingegangen am 01.12.2005, Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung gegen das ihr am 09.11.2005 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Lampertheim beantragt. In erster Instanz hatte sie einen Prozesskostenhilfeantrag mit Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 19.10.2002 eingereicht. Ihr war mit Beschluss vom 18.12.2002 Prozesskostenhilfe ratenfrei bewilligt worden. In ihrem Prozesskostenhilfeantrag für die beabsichtigte Berufung hat sie wörtlich ausgeführt: "Im Hinblick auf den Prozesskostenhilfeantrag wird auf die bereits vorgelegten Unterlagen verwiesen. Die Umstände haben sich nicht zugunsten der Klägerin verändert. Sollten weitere Unterlagen gewünscht werden, bitten wir um Nachricht."

Auf Aufforderung des Vorsitzenden hat die Klägerin eine aktuelle Prozesskostenhilfeerklärung vom 30.01.2006 eingereicht, welcher die erforderlichen Belege teilweise beigefügt waren. Ein noch fehlender Beleg zur Miethöhe nachgereicht.

Die beabsichtigte Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, da die Voraussetzungen für eine Prozesskostenhilfebewilligung mit anschließender Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist nicht vorliegen.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wegen Kostenarmut nur gewährt werden kann, wenn innerhalb der Berufungsfrist ein Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe eingereicht ist. Diesem Antrag ist grundsätzlich eine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 2 ZPO beizufügen. Der Vorlage eines neuen Vordrucks bedarf es nur ausnahmsweise dann nicht, wenn bereits in der ersten Instanz eine entsprechende Erklärung abgegeben worden ist, sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seit der früheren, auf dem Vordruck abgegebenen Erklärung in keinem Punkt geändert haben und der Antragsteller dies unter Bezugnahme auf die frühere Erklärung unmissverständlich erklärt (BGH NJW 1983, S. 2145; NJW-RR 1990, 1212; NJW 1997, 1078; Senat, Beschluss vom 22.08.2005 - 6 UF 137/05).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin haben sich, wie sich aus der nachträglich eingereichten aktuellen Erklärung ergibt, seit der von mehr als 3 Jahren in erster Instanz abgegebenen Erklärung zu ihren Gunsten verändert. Dies ergibt sich aus folgendem:

Das Amtsgericht hatte bei der Prozesskostenhilfebewilligung ein Nettoeinkommen der Klägerin von 832,00 EUR zugrunde gelegt. Dies entsprach der in erster Instanz vorgelegten Gehaltsabrechnung für den Monat September 2002. Aus der nunmehr vorgelegten Gehaltsabrechnung für Dezember 2005 ergibt sich für diesen Monat, isoliert betrachtet, ein Nettoeinkommen von 960,65 EUR, im Jahresschnitt ein solches von 1.030,00 EUR. Allerdings sind die Mietkosten von 377,00 EUR in der ersten Instanz auf 473,00 EUR in der zweiten Instanz gestiegen, wobei die zusätzlich geltend gemachten Stromkosten nicht abzugsfähig sind (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 115 Rdnr. 37). Damit liegt ein Sachverhalt vor, bei dem auf eine Vorlage einer aktuellen Prozesskostenhilfeerklärung nebst Belegen innerhalb der Berufungsfrist nicht verzichtet werden konnte. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin haben sich allein dadurch verändert, dass ihr Arbeitseinkommen deutlich gestiegen ist. Allein deshalb konnte auf eine aktuelle Prozesskostenhilfeerklärung nicht verzichtet werden. Hieran ändert sich nichts dadurch, dass die Mietkosten gestiegen sind. Zum einen ist der Anstieg des Nettoeinkommens höher als der Anstieg der Mieteinnahmen, so dass sich, also selbst wenn man, wie die Klägerin, die Frage der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse am Saldo aus Einnahmen und Ausgaben misst, eine Verbesserung ergeben würde. Zum anderen kann nicht aufgrund einer derartigen Saldierung auf die Erklärung einer neuen Prozesskostenhilfeerklärung verzichtet werden. Eine neue Erklärung ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich mangels Veränderung der Zwang zur Vorlage einer neuen Erklärung als bloße Förmelei darstellen würde. Dies ist der Fall, wenn sich überhaupt nichts verändert hat oder wenn lediglich bei einem Berechnungselement sich eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu Lasten des Gesuchstellers ergibt, etwa weil sein Einkommen gesunken ist (BGH NJW-RR 1990, S. 1212). So würde der Fall hier liegen, wenn sich lediglich die Mietkosten erhöht, nicht aber gleichzeitig das Arbeitseinkommen erhöht hätte. Hat sich aber das Einkommen erhöht, ist ungeachtet der Frage, ob sich Belastungen erhöht haben, in jedem Fall eine neue Prozesskostenhilfeerklärung vorzulegen. Denn das Gericht muss überprüfen, ob die erhöhten Belastungen überhaupt anerkennungsfähig sind. Das gilt auch hinsichtlich der Unterkunftskosten, da insoweit nach § 115 Abs. 11 Nr. 3 ZPO eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattzufinden hat.

Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass auch nach der aktuellen neuen Erklärung der Klägerin ratenfrei Prozesskostenhilfe zu bewilligen wäre. Zu dieser Überprüfung muss das Gericht in die Lage versetzt werden. Hierzu ist es erforderlich, dass innerhalb der Berufungsfrist eine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit Belegen eingereicht wird, sofern, wie hier, das Einkommen gestiegen ist.

Eine spätere Wiedereinsetzung in den vorigen Stand käme auch nicht aufgrund des Hinweises auf die Unerfahrenheit der Klägerin in verwaltungstechnischen Dingen in Frage. Zum einen muss von einer Partei, die einen Prozesskostenhilfeantrag für eine Berufung einlegt, erwartet werden, dass sie sich insoweit kundig macht, welche förmlichen Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Zum anderen war die Klägerin anwaltlich beraten. Ihr Anwalt, dessen Verschulden sich die Klägerin zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO), hätte sie darauf hinweisen müssen, dass bei gestiegenem Arbeitseinkommen eine Bezugnahme auf die in erster Instanz vorgelegte Prozesskostenhilfeerklärung nicht ausreichend ist.

Ende der Entscheidung

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