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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.10.2004
Aktenzeichen: 6 UF 45/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587 I 2
BGB § 1587a II 3
1. Freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, die ein Ehegatte während der Ehezeit für den anderen eingezahlt hat, sind mit Hilfe des Vermögens der Ehegatten erworben, so dass die hierauf beruhenden Anwartschaften in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind.

2. Bei einer Anwartschaft auf Alterskapital, verbunden mit einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, ist letztere in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.


Gründe:

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durch Übertragung von Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 167,03 EUR zugunsten der Antragstellerin durchgeführt. Das Amtsgericht hat dabei Anwartschaften des Antragsgegners aus der gesetzlichen Rentenversicherung in 1.326,51 DM zugrundegelegt. Ihnen gegenüber gestellt hat es Anwartschaften der Antragstellerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 667,09 DM und aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes von 6,05 DM, also insgesamt 673,14 DM.

Die ehezeitbezogene Anwartschaft der Antragstellerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung beruht zum Teil auf freiwilligen Beiträgen, die der Antragsgegner für sie während der Ehezeit bei der Beteiligten zu 1) eingezahlt hat.

Nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen hat das Amtsgericht Anwartschaften des Antragsgegners aus einer betrieblichen Altersversorgung bei der Firma T, welche auf einer Versorgungszusage der B Telecom GmbH beruht.

Mit ihrer Beschwerde rügt die Antragstellerin die Nichtberücksichtigungen von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung auf Seiten des Antragsgegners und die Berücksichtigung von Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf Seiten der Antragstellerin soweit diese aus den freiwilligen Beitragszahlungen durch den Ehemann während der Ehezeit beruhen.

Die alle Form- und Fristerfordernisse wahrende Beschwerde bleibt im wesentlichen ohne Erfolg.

Das Amtsgericht hat die von der Antragstellerin bei der Beteiligten zu 1) erworbenen ehezeitbezogenen Anwartschaften zutreffend mit 667,09 DM aufgrund der von der Beteiligten zu 1) erstellten Rentenauskunft ermittelt. Dass es dabei die Anwartschaften, soweit sie auf freiwilligen Beiträgen während der Ehezeit beruhen, nicht herausgerechnet hat, ist nicht zu beanstanden. Diese Anwartschaften sind während der Ehezeit erworben. Dass es sich dabei um die Nachzahlung von Beiträgen handelt, die der Antragstellerin aus Anlass der Heirat auf ihren Antrag erstattet worden waren, steht der Zuordnung dieser Anwartschaften zur Ehezeit nicht entgegen. Es kommt darauf an, wann die Beiträge gezahlt wurden, nicht für welchen Zeitraum sie gezahlt wurden (sogenanntes "In-Prinzip" -BGH FamRZ 1981, S. 1169 und FamRZ 1997, 414). Der Einbeziehung dieser Anwartschaften in den Versorgungsausgleich steht auch nicht entgegen, dass die Beiträge nicht durch die Antragstellerin selbst, sondern durch den Antragsgegner eingezahlt wurden. Außer Betracht bleiben könnten diese Anwartschaften nur wenn sie weder mit Hilfe des Vermögens noch durch Arbeit der Ehegatten begründet worden wären (§ 1587 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies kann der Fall sein wenn ein Dritter zugunsten eines Ehegatten Beiträge entrichtet (BGH FamRZ 1983, S. 262). Der Antragsgegner ist jedoch kein "Dritter" im Sinne dieser Rechtsprechung. Der Versorgungsausgleich zielt darauf ab, dass die Anwartschaften, die aus Vermögen und Arbeitsleistung der Ehegatten erworben worden sind, durch den Versorgungsausgleich geteilt werden. Dieser Gesichtspunkt kommt auch dann zum tragen, wenn ein Ehegatte für den anderen Beiträge einzahlt, denn auch dann stammt die Anwartschaft aus dem Vermögen der Ehegatten.

Hinsichtlich der Anwartschaft der Antragsgegnerin gegenüber der Firma T ist zu unterscheiden zwischen der Anwartschaft auf Kapitalzahlung bei Erreichen der Altersgrenze und der Anwartschaft auf befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Anwartschaft auf Zahlung eines Einmalkapitals hat das Amtsgericht zu Recht nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen. Es handelt sich nicht um eine Anwartschaft auf laufende Rente, sondern eine solche auf eine Kapitalleistung die grundsätzlich nicht dem Versorgungsausgleich sondern dem Zugewinnausgleich unterliegt. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des 2. Familiensenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Beschluss vom 08.10.1999 -2 UF 226/99) und des 1. Familiensenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Beschluss vom 30.10.2000 -1 UF 241/00). Diese Rechtsprechung ist inzwischen vom Bundesgerichtshof ausdrücklich bestätigt worden (FamRZ 2003, S. 153). Entgegen der Interpretation dieser Entscheidung durch die Antragstellerin hat der BGH dort ausdrücklich ausgeführt, dass ein vom Arbeitgeber als Alterskapital zugesagter Einmalbetrag nicht dem Versorgungsausgleich unterliegt.

Allerdings weist der Sachverständige G. in seinem erstinstanzlich eingeholten Gutachten zutreffend darauf hin, dass auch dann, wenn man dieser -vom Sachverständigen kritisierten -Rechtsprechung folgt, kein Anlass besteht, im Versorgungsausgleich nicht die Anwartschaft auf Zusatzrente bei verminderter Erwerbsunfähigkeit, die ebenfalls durch den Arbeitgeber zugesagt ist, zu berücksichtigen (s. dazu auch G./Goering, FamRZ 2002, S. 282-285). Die Autoren haben insoweit Recht, dass diese Komponente in verschiedenen Oberlandesgerichtsentscheidungen wohl übersehen wurde. Da es sich insoweit um eine Anwartschaft auf Rente handelt, unterliegt sie dem Versorgungsausgleich. Der Senat folgt für die Berechnung der sich hieraus ergebenen Anwartschaft zunächst dem Gutachten des Sachverständigen G. insoweit, als er den ehezeitlichen Zeitwert des Alterskapitals mit 37.436,45 DM bewertet hat. Dieser Bewertung sind die Parteien nicht entgegengetreten.

Für die Bewertung der Anwartschaft auf Erwerbsunfähigkeitsrente ist zunächst in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen die monatliche Rente mit 0,5 % dieses Betrages, also mit 187,18 DM zu ermitteln, woraus sich eine nichtdynamische Jahresrente von 2.246,16 DM ergibt.

Der Senat folgt dem Sachverständigen allerdings nicht, als er zur Ermittlung des Barwerts diesen Betrag mit dem Faktor 1,5 multipliziert hat. Hierbei handelt es sich um den Faktor der Tabelle 3 (Versorgungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit) nach der zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung geltenden Barwertverordnung unter Berücksichtigung des Lebensalters des Antragsgegners von 40 Jahren zum Ende der Ehezeit. Der entsprechende Faktor nach Tabelle 3 der neuen Barwertverordnung lautet 1,9.

Entgegen der im Schreiben vom 07.05.2004 den Parteien mitgeteilten vorläufigen Berechnung nimmt der Senat nach nochmaliger Überprüfung keine Kürzung dieses Faktors nach § 2 Abs. 4 S. 2 Barwertverordnung vor: Nach Ziffer 1.3.5 ist für den Beginn der Invalidenrente kein Höchstalter vorgesehen. Die Rentenleistung ist allein an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Inanspruchnahme befristeter Rente wegen verminderter Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung geknüpft. Diese Voraussetzungen können auch zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr eintreten. Für eine Kürzung nach § 2 Abs. 4 S. 2 Barwertverordnung ist daher kein Raum.

Allerdings ist der Faktor 1,9 um 50 % auf 0,95 zu kürzen, da die Rente nicht länger gewährt werden kann, als bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 4 Abs. 2 BarwertVO). Denn ihre Zahlung ist an die Dauer der Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung gekoppelt, welche nur bis zum Alter von 65. Jahren gezahlt werden kann (§ 43 SGB VI).

Hiernach ergibt sich folgende Umrechnung der Anwartschaft auf Erwerbsunfähigkeitsrente in eine entsprechende dynamische Rente:

Barwert 2.246,16 x 0,95 2.133,85 DM

Entgeltpunkte 2.133,85 x 0,0000950479 0,2028

Dynamische Rente 0,2028 x 48,58 = 9,85 DM

Die ehezeitbezogene Anwartschaft der Antragstellerin gegenüber der Beteiligten zu 2) beträgt nach der im Beschwerdeverfahren eingeholten neuen Auskunft monatlich 7,63 EUR oder 14,92 DM. Die Anwartschaft im Anwartschaftsstadium statisch, im Leistungsstadium dynamisch. Der Senat hat sich unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung insoweit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2004, S. 1474) angeschlossen. Bei einem Lebensalter der Antragstellerin von 57 Jahren zum Ende der Ehezeit ergibt sich damit nach Tabelle 1 der Barwertverordnung von 11,385 (Faktor 6,9 zuzüglich 65 %).

Das ergibt folgende Umrechnung:

Barwert: 14,92 x 12 x 11,385 = 2.038,37 DM

Entgeltpunkte: 2.038,37 x 0,0000950479 = 0,1937

0,1937 x 48,58 = 9,41 DM

Das ergibt folgende Ausgleichsbilanz:

Anwartschaften Antragsgegner

Gesetzliche Rentenversicherung 1.326,51 DM

Betriebsrente 9,85 DM

Summe 1.336,36 DM

Anwartschaften Antragstellerin

Gesetzliche Rentenversicherung 667,09 DM

Zusatzversorgung 9,41 DM

676,50 DM

Differenz 659,86 DM

davon die Hälfte 329,93 DM

Dies entspricht 168,69 EUR

Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Ausgleich nach § 1587b Abs. 1 BGB: (1.326,51 -667,09) : 2 = 329,71 DM = 168,58 EUR

Ausgleich nach § 3b Abs. 1 VAHRG: (9.85 -9,41) : 2 = 0,22 DM = 0,11 EUR

Die Kostenentscheidung folgt aus § 93a ZPO, die Wertfestsetzung aus § 17a GKG in der bis 30.06.2004 geltenden Fassung.

Für die Wertfestsetzung war nach § 17a GKG in der bis 30.06.2004 geltenden Fassung von dem Jahresbetrag der erstrebten Abänderung der angefochtenen Entscheidung auszugehen. Mit der Rüge, dass die auf der freiwilligen Beitragszahlung in der Ehezeit beruhenden Anwartschaften außer Betracht bleiben sollten, erstrebte die Antragstellerin ausweislich des erstinstanzlich vorgelegten Schreibens vom 06.09.2001 eine Reduzierung der ehezeitbezogenen Anwartschaft bei der Beteiligten zu 1) auf 113,60 DM mithin um 553,49 DM. Des weiteren erstrebte sie eine Berücksichtigung des Versorgungsguthabens des Antragsgegners bei der Firma T. Den Zeitwert der entsprechenden ehezeitbezogenen dynamischen Rente hatte der Sachverständige G. mit 162,19 DM bewertet. Aus beiden Posten zusammen ergibt sich ein Monatsbetrag von 715,68 DM, der zu einem um die Hälfte hiervon, also um 357,84 DM oder 182,96 EUR höheren Ausgleichsbetrag geführt hätte. Dies entspricht einem Jahresbetrag von 2.195,52 EUR.

Ende der Entscheidung

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