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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.11.2001
Aktenzeichen: 6 W 131/01
Rechtsgebiete: ZPO, PatG
Vorschriften:
ZPO § 888 | |
ZPO § 577 Abs. 2 | |
ZPO § 97 Abs. 2 | |
PatG § 139 Abs. 3 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit ...
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.05.2001 am 09.11.2001 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Der Vollstreckungsantrag der Klägerin vom 03.04.2001 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Vollstreckungsverfahrens werden der Klägerin, die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Beschwerdewert: 10.000,-- DM
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 577 Abs. 2 ZPO eingelegt. Nach dem von der Beklagten vorgelegten Sendebericht ist davon auszugehen, dass der Inhalt der Beschwerdeschrift vom 15.06.2001 mittels Telefax in vollständiger Form durch elektrische Signale vom Sendegerät des Beklagtenvertreters an das Empfangsgerät des Landgerichts übermittelt worden ist; damit ist die Beschwerdefrist gewahrt (vgl. BGH NJW 94, 1881).
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Vollstreckungsantrag nach § 888 ZPO ist unbegründet, da die Beklagte nach dem Sach- und Streitstand im Beschwerdeverfahren ihrer Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht gemäß Ziffer 2. des vor dem erkennenden Senat geschlossenen Vergleichs vom 13.07.2000 nachgekommen ist; die Beklagte ist nach diesem Vergleich insbesondere nicht verpflichtet, der Klägerin Angaben über Lieferungen von Sonnenblenden für Fahrzeuge des Typs Opel Omega zu machen.
Die von der Beklagten im Vergleich übernommene Auskunfts- und Rechnungslegungsverpflichtung bezieht sich nicht auf konkret bezeichnete Sonnenblenden wie etwa die Omega-Blende, sondern allgemein auf Sonnenblenden, die nach dem im Tenor des landgerichtlichen Urteils unter Ziffer I. 1. b) beschriebenen Verfahren hergestellt sind. Sie erstreckt sich daher nicht auf Sonnenblenden, die nach einem anderen als dem dort genannten Verfahren gefertigt worden sind. Die Frage ob ein solches anderes Verfahren gleichwohl von der Lehre des Klagepatents DE 3307008 Gebrauch macht, kann im Vollstreckungsverfahren nicht überprüft werden.
Hinsichtlich der hier im Streit stehenden Omega-Blenden muss im vorliegenden Vollstreckungsverfahren davon ausgegangen werden, dass diese Blenden nach einem anderen als dem im Vergleich beschriebenen Verfahren hergestellt worden sind.
Allerdings hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt, dass auch die Omega- Blende insoweit als "gleiches Erzeugnis" im Sinne von § 139 Abs. 3 Patentgesetz einzustufen ist, als die Sonnenblende äußerlich alle Merkmale aufweist, die auch eine nach dem patentierten, im Vergleich beschriebenen Verfahren hergestellte Blende aufweist. Unter diesen Umständen kann sich die Beklagte ihrer vertraglich übernommenen Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht nicht allein dadurch entziehen, dass sie pauschal behauptet, die Omega-Blende sei nicht nach dem im Vergleich beschriebenen Verfahren hergestellt. Die Vorschrift des § 139 Abs. 3 Patentgesetz findet vielmehr auch im vorliegenden Vollstreckungsverfahren jedenfalls insoweit Anwendung, als die Beklagte das vom geschützten Verfahren abweichende Verfahren, nach dem sie die Omega-Blende hergestellt haben will, substantiiert und nachvollziehbar darlegen muss.
Dieser Darlegungspflicht ist die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 12.09.2001 nachgekommen. Sie hat unter Vorlage entsprechender Lichtbilder vorgetragen, dass bei der Herstellung der Omega-Blende die Außenhülle der Sonnenblende zunächst mit Hilfe eines Stanzwerkzeuges durchbohrt und anschließend der Stift durch die bereits vorhandenen Löcher in der Außenhülle in die Lagerbüchsen des U-förmigen Bügels eingesteckt worden sind. Dieses Verfahren unterscheidet sich von dem patentierten und im Vergleich in Bezug genommenen Verfahren, welches u. a. dadurch gekennzeichnet ist, dass zum Einsetzen des Stiftes in die Lagerbüchsen die Außenhülle an den Öffnungen der Büchsen mit einem zugespitzten Ende des Stifts selbst durchstoßen wird. Dass das von der Beklagten dargestellte Verfahren technisch ausführbar ist, erscheint nachvollziehbar und ist auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt worden.
Gegen die Richtigkeit der Darstellung der Beklagten spricht nicht, dass die Beklagte sich vor dem Vergleichsschluss im gerichtlichen Verfahren nicht darauf berufen hatte, die Omega-Blende, die die Klägerin mit der Klageschrift als eines von vier Verletzungsbeispielen eingereicht hatte, sei nach dem nunmehr von ihr behaupteten Verfahren hergestellt worden. Streitgegenstand des Erkenntnisverfahrens waren nicht die vier als Verletzungsbeispiele vorgelegten konkreten Sonnenblenden, sondern hinsichtlich des Klagepatents II dasjenige, dem patentierten Verfahren zumindest nahestehende, Herstellungsverfahren, das die Beklagte unstreitig jedenfalls zur Herstellung der Sonnenblenden für die Modelle Opel Corsa, Opel Tigra und Volvo angewendet hatte. Da die Beklagte sich damit verteidigt hatte, auch dieses Verfahren verletze das Klagepatent II nicht, bestand aus ihrer Sicht keine prozessuale Notwendigkeit darauf hinzuweisen, dass die Omega-Blende ohnehin nach einem anderen Verfahren hergestellt werde. Insbesondere hätte die Beklagte mit diesem Einwand nicht verhindern können, dass die auf das Klagepatent II gestützte Klage in vollem Umfang Erfolg gehabt hätte, wenn sich das zur Herstellung der anderen drei Blenden benutzte Verfahren als patentverletzend erwiesen hätte.
Mit der substantiierten und zumindest nicht von vornherein unglaubhaften Darlegung des von ihr angewandten abweichenden Verfahrens ist die Beklagte den ihr obliegenden Verpflichtungen im vorliegenden Vollstreckungsverfahren nachgekommen. Zwar könnte sich die Beklagte in einem Erkenntnisverfahren hierauf nicht beschränken, sondern müsste wenn die Klägerin die Herstellung der Omega-Blenden nach dem abweichenden Verfahren bestreitet gemäß § 139 Abs. 3 Patentgesetz die Anwendung des von ihr behaupteten Verfahrens beweisen. Diese Beweisregel des § 139 Abs. 3 Patentgesetz kann jedoch nach Auffassung des erkennenden Senats auf das vorliegende Vollstreckungsverfahren nicht übertragen werden. Mit den in § 888 ZPO vorgesehenen Zwangsmitteln soll der Vollstreckungsschuldner lediglich dazu veranlasst werden, die geforderten Auskünfte vollständig und ernsthaft zu erteilen. Dagegen hat das Zwangsmittelverfahren grundsätzlich nicht die Funktion, die Richtigkeit der erteilten Auskünfte zu überprüfen. Dies muss ggf. einem weiteren Erkenntnisverfahren vorbehalten bleiben. In Betracht kommt insoweit zunächst eine Klage auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Vollständigkeit und Richtigkeit der bereits erteilten Auskunft (§§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB). Im vorliegenden Fall ist auch ein weiteres Klageverfahren auf Auskunft und Rechnungslegung bezüglich der konkreten Omega-Blende denkbar, in dessen Verlauf die Beklagte gehalten sein könnte, die Herstellung dieser Blende nach dem von ihr behaupteten abweichenden Verfahren zu beweisen. Der gerichtliche Vergleich vom 13.07.2000 stünde einer solchen Klage nicht entgegen, da die Frage, ob die Omega-Blende nach dem von der Beklagten nunmehr behaupteten Verfahren hergestellt worden ist, weder Gegenstand des Vergleichs noch des dem Vergleich vorausgegangenen Erkenntnisverfahrens war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 2; das zum Erfolg der Beschwerde führende Vorbringen hätte die Beklagte auch schon im erstinstanzlichen Vollstreckungsverfahren geltend machen können und müssen.
Ende der Entscheidung
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