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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.08.2001
Aktenzeichen: 6 W 138/01
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 890 | |
ZPO § 93 | |
ZPO § 99 Abs. 2 | |
ZPO § 91 |
Entscheidung wurde am 20.12.2001 korrigiert: Leitsatz vervollständigt
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
Verkündet am 30.08.2001
In Rechtsstreit ...
hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.6.2001 am 30.8.2001 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass die Antragstellerin die Kosten des Eilverfahrens zu tragen hat.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse der Parteien.
Gründe :
Die Parteien sind Wettbewerber. Wegen einer irreführenden Werbeaussage erwirkte die Antragstellerin am 16.3.2001 eine einstweilige (Unterlassungs-)Verfügung gegen die Antragsgegnerin, ohne diese zuvor abgemahnt zu haben. Nach Zustellung der einstweiligen Verfügung am 23.3.2001 hat die Antragsgegnerin am 28.3.2001 den Unterlassungsanspruch anerkannt und nur wegen der Kostenentscheidung das Widerspruchsverfahren betrieben. Wegen Zuwiderhandlungen gegen den Unterlassungstitel nach dessen Zustellung bis zum 3.4.2001 hat die Antragstellerin einen Bestrafungsantrag gestellt, über den noch nicht entschieden ist.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 27.6.2001 die Kosten des Eilverfahrens der Antragsgegnerin auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragsgegnerin könne sich nicht auf § 93 ZPO berufen, weil sie Veranlassung zur Klage gegeben habe. Eine Abmahnung durch die Antragstellerin sei nicht erforderlich gewesen, weil sich aus dem nach Zustellung der Eilverfügung begangenen Verstoß der Antragsgegnerin gegen den Unterlassungstitel ergäbe, dass sie auf eine Abmahnung nicht reagiert hätte. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde.
Die nach § 99 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die Antragstellerin hat gemäß § 93 ZPO die Kosten des Eilverfahrens zu tragen. Die Antragsgegnerin hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach Zustellung der Beschlussverfügung sofort anerkannt. Sie hat auch keine Veranlassung zur Antragstellung gegeben. Veranlassung zur Klageerhebung besteht ohne vorherige Abmahnung grundsätzlich nicht (vgl. Traub, Wettbewerbsrechtliche Verfahrenspraxis, 2. Aufl., S. 124). Zweck der Abmahnung ist es, im Interesse aller Beteiligten unnötige gerichtliche Verfahren zu vermeiden. Ausgehend von diesem Zweck wird ausnahmsweise eine Abmahnung dann als entbehrlich angesehen, wenn der Verletzte bei objektiver Betrachtung und vernünftiger Würdigung vor Einleitung gerichtlicher Schritte zu dem Schluss gelangen konnte, dass er sofort gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen kann und muss, weil sich der Verletzte aller Voraussicht nach außergerichtlich nicht unterwerfen wird (vgl. Mellulis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 761 f.; Pastor/Ahrens/Deutsch, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kapitel 9 Rdn. 1 ff.). Umstände, die im Verlauf eines Rechtsstreits eintreten, können nicht als Anlass zur Beschreitung des Rechtsweges herangezogen werden. Sie können allenfalls Indizien dafür sein, dass ein solcher Anlass bereits vorher bestand (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 1993, 126, 127; Mellulis a.a.O. Rdn. 762). Unter Anwendung dieser Grundsätze vermag der Senat anhand des Parteivortrages eine Ausnahme vom Abmahnerfordernis vorliegend nicht zu erkennen. Allein die Tatsache, dass die Antragsgegnerin auch nach Zustellung der einstweiligen Verfügung eine mit einem Bestrafungsantrages nach § 890 ZPO angegriffene Werbeaussage verbreitete bzw. verbreiten ließ, lässt selbst wenn man einen hierin liegenden Verstoß gegen den Unterlassungstitel unterstellt - nicht den Schluss darauf zu, die Antragsgegnerin hätte sich auf eine Abmahnung der Antragstellerin hin nicht strafbewehrt unterworfen. Auch aus einem früheren Wettbewerbsverstoß der Antragsgegnerin kann nicht auf die Nutzlosigkeit einer Abmahnung geschlossen werden. Hat der Verletzer sich in der Vergangenheit auf berechtigte Abmahnungen hin unterworfen, so spricht dieses frühere Verhalten eher für seine Bereitschaft zur außergerichtlichen Streitbeilegung (vgl. Mellulis a.a.O. Rdn. 763). So liegt der Fall auch hier. Es ergibt sich aus dem im Urteil des Landgerichts Berlin vom 31.1.2001 (AZ : 102 O 186/00) mitgeteilten Sachverhalt betreffend einen anderen Wettbewerbsstreit der Parteien, dass es der Antragstellerin nicht fremd ist, ohne vorherige Abmahnung eine Eilverfügung gegen die Antragsgegnerin zu erwirken. Auch dort hat die Antragsgegnerin die Verfügung - so wie hier sofort anerkannt. Das spricht nach Ansicht des Senats dafür, dass die Möglichkeit, die Antragsgegnerin werde sich auch im vorliegenden Fall auf eine Abmahnung hin unterwerfen, nicht fernliegend war. Der Antragstellerin war eine Abmahnung auch zumutbar. Zwar birgt das Abmahnerfordernis die Gefahr, dass ein Verletzer unter Nichtbeachtung der Abmahnung sein wettbewerbswidriges Verhalten fortsetzt. Jedoch ist in Anbetracht kurzer Äußerungsfristen ein schwerer Nachteil durch eine mögliche - geringfügige zeitliche Verzögerung vorliegend nicht ersichtlich. Dabei ist auch zu sehen, dass es mit modernen Kommunikationsmitteln grundsätzlich möglich ist, eine Abmahnung unmittelbar an den Verletzer auf den Weg zu bringen und je nach Dringlichkeit auch sehr kurze Fristen zu setzen (siehe dazu Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 41 Rdn. 33). Ebenso ist zu sehen, dass der Verletzter nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats das Risiko des Zugangs der Abmahnung trägt (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 26.7.2001 6 W 132/01).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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