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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.02.2005
Aktenzeichen: 6 W 154/04
Rechtsgebiete: LugÜ, ZPO


Vorschriften:

LugÜ § 21
ZPO § 148
ZPO § 167
Als zuerst angerufenes Gericht ist im Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens entgegen dem deutschen Verständnis des Begriffs der "Anhängigkeit" dasjenige anzusehen, bei dem die Voraussetzungen für die Annahme einer endgültigen Rechtshängigkeit zuerst vorlagen.
Gründe:

Die Beschwerde ist gemäß § 252 ZPO zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Werden bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten des Lugano-Übereinkommens (LugÜ) Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren gemäß Art. 21 des LugÜ von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.

Die Kläger haben mit einer am 23.12.2003 beim Landgericht Frankfurt am Main eingegangenen Klageschrift negative Feststellungsklage erhoben, die der Beklagten am 20.04.2004 zugestellt wurde. Bereits am 18.02.2004 hatte die Beklagte eine Leistungsklage vor dem Amtsgericht Luzern Stadt erhoben, die den Streitgegenstand der hiesigen negativen Feststellungsklage umfasst. Noch früher, im September 2003, hatte die Beklagte das nach Schweizer Recht zwingend vorgeschaltete Sühneverfahren eingeleitet.

Als zuerst angerufenes Gericht ist im Anwendungsbereich des LugÜ, ebenso wie nach dem früher geltenden, inhaltsgleichen Art. 21 EuGVÜ, entgegen dem deutschen Verständnis des Begriffs der "Anhängigkeit", dasjenige anzusehen, bei dem die Voraussetzungen für die Annahme einer endgültigen Rechtshängigkeit zuerst vorlagen; diese sind nach dem jeweils geltenden nationalen Recht zu beurteilen (EuGH NJW 1984, 2759; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 6 Aufl., Art. 21 EuGVÜ Rn. 12).

Die Rechtshängigkeit des Schweizer Verfahrens nach Art. 21 LugÜ beginnt mit der Einreichung der Klageschrift, nicht bereits mit der Einleitung des Sühneverfahrens (Jegher, Rechtshängigkeit in der Schweiz nach Art. 21 LugÜ, Besprechung der Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts vom 26.09.1997, IPRax 2000, 143, 144). Für die in Deutschland erhobene Klage sind §§ 261 Abs. 1, 253 ZPO maßgebend, es kommt also auf die Zustellung der Klageschrift an (BGH NJW 1987, 3083; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 6 Aufl., Art. 21 EuGVÜ Rn. 13).

Eine entsprechende Anwendung des § 167 ZPO (§ 270 Abs. 3 ZPO aF) ist nicht geboten. Die Vorschrift hat den Zweck, den Kläger hinsichtlich der Einhaltung von Fristen, die durch die gerichtliche Geltendmachung zu wahren sind, vor den Unwägbarkeiten des seinem Einflussbereich entzogenen Zustellungsverfahrens zu schützen, solange die Zustellung "demnächst" erfolgt. Hierfür treten einzelne, in § 167 ZPO genannte Rechtshängigkeitswirkungen bereits vor Zustellung der Klage an den Gegner ein (BGH NJW 1987, 3083). Die Vorschrift bewirkt jedoch keine endgültige Rechtshängigkeit in dem vom EuGH (NJW 1984, 2759) geforderten Sinne.

Entsprechendes wird auch nicht von Busl (IPRax 1986, 270, 271) vertreten, der sich an der angegebenen Stelle allein mit der Vorschrift des § 696 Abs. 3 ZPO befasst. Im Gegensatz zu § 167 ZPO regelt diese Vorschrift ausdrücklich die Rückwirkung der Rechtshängigkeit der Streitsache, nicht bloß die Wahrung bestimmter, von der gerichtlichen Geltendmachung abhängiger Fristen.

Schließlich können die Kläger sich nicht auf die gemeinschaftsrechtlich autonome Definition der Anhängigkeit in Art. 30 EuGVVO berufen, da diese Vorschrift für die Auslegung des LugÜ nicht herangezogen werden kann. Die zwischen den Mitgliedsstaaten geschlossene Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung vom 22.12.2000, die an die Stelle des EG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens getreten ist, hat auf das andere Vertragsstaaten betreffende und bislang nicht revidierte LugÜ keinen Einfluss, so dass insoweit weiterhin auf das jeweilige nationale Recht abzustellen ist (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 7 Aufl., Art. 27 EuGVO Rn. 16).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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