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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 20.03.2007
Aktenzeichen: 6 W 168/06
Rechtsgebiete: BGB, UWG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
UWG § 8 Abs. 4
ZPO § 93
1. Zur fehlenden Klageveranlassung, wenn der Gläubiger eines Schutzrechtsanspruchs das Hauptsacheverfahren anstrengt, ohne abzuwarten, ob in der einen Tag später stattfindenden Berufungsverhandlung im Eilverfahren die beantragte einstweilige Verfügung erlassen wird.

2. Keine analoge Anwendung des § 8 IV UWG bei der Verfolgung von Schutzrechtsansprüchen.


Gründe:

Die gemäß § 99 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 93 ZPO zu tragen, da die Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und die Klageansprüche sofort anerkannt hat.

In Wettbewerbsstreitigkeiten sowie bei der Verfolgung von Schutzrechtsansprüchen gibt der Verletzer, gegen den bereits eine einstweilige Verfügung erwirkt wurde, im Regelfall erst dann Anlass zur Erhebung der Hauptsacheklage, wenn er trotz entsprechender Aufforderung des Unterlassungsgläubigers (Abschlussschreiben) keine Abschlusserklärung abgibt.

Aus diesem Grundsatz allein kann im vorliegenden Fall die fehlende Klageveranlassung allerdings noch nicht entnommen werden. Denn die vom OLG Hamm am 19.01.2006 erlassene einstweilige Verfügung lag zwar vor der Zustellung der Klage (am 17.03.2006) vor, nicht aber bei Einreichung der Klage am 18.01.2006. Als "Erhebung der Klage" im Sinne von § 93 ZPO ist in Abgrenzung zu § 253 Abs. 1 ZPO bereits die insoweit maßgebende Handlung des Klägers, also die Einreichung der Klageschrift bei Gericht, anzusehen und nicht erst der in der Zustellung der Klageschrift liegende Erfolg dieser Handlung (vgl. OLG Bamberg, JurBüro 1982, 1884 f.; OLG Frankfurt, JurBüro 1989, 690 f.; OLG Braunschweig, OLGR 1996, 120; Zöller, ZPO, 26. Auflage, § 93 Rdnr. 3). Im Zeitpunkt der Klageerhebung war somit im Eilverfahren noch kein Verbot erlassen worden; dies geschah einen Tag später.

Die Klägerin war jedoch gehalten, die Entscheidung des OLG Hamm im Eilverfahren abzuwarten.

In Wettbewerbsstreitigkeiten nach dem UWG kann es sogar als rechtsmissbräuchlich (§ 8 Abs. 4 UWG) gewertet werden, wenn der Unterlassungsgläubiger, ohne hierzu - etwa mit Blick auf den drohenden, auf andere Weise nicht zu verhindernden Eintritt der Verjährung - genötigt zu sein, neben dem Verfahren der einstweiligen Verfügung gleichzeitig ein Hauptsacheverfahren anstrengt, ohne abzuwarten, ob die beantragte Verfügung erlassen wird und der Schuldner dies in einer Abschlusserklärung als endgültige Regelung akzeptiert (vgl. BGH, GRUR 2000, 1089, 1091 - Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH, GRUR 2001, 78, 79 - Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH, GRUR 2001, 82, 83 - Neu in Bielefeld I; BGH, GRUR 2002, 715, 716 - Scanner-Werbung; OLG Nürnberg, GRUR-RR 2004, 336).

Bei der Verfolgung von Schutzrechtsansprüchen ist § 8 Abs. 4 UWG zwar nicht, auch nicht analog, anwendbar. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch in diesem Bereich der allgemeine Grundsatz der Unzulässigkeit rechtsmissbräuchlichen Handelns gelten würde, wobei in der Anwendung dieses Grundsatzes auf den Einzelfall die von der Rechtsprechung zu § 8 Abs. 4 UWG entwickelten Beurteilungskriterien - unter angemessener Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Schutzrechtsinhabers - durchaus Beachtung finden können (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Auflage, Kap. 13, Rdnr. 47a).

Im vorliegenden Fall stellt sich letztlich nicht die grundsätzliche Frage, ob die Klägerin das Klageverfahren parallel zum Eilverfahren betreiben konnte, ohne wegen dieser Vorgehensweise Rechtsnachteile befürchten zu müssen. Denn die entscheidende Besonderheit besteht hier darin, dass die Klägerin die Klage nur einen Tag vor der Berufungsverhandlung im Eilverfahren eingereicht hat. Durch eine solche, an Mutwilligkeit grenzende, Verfahrensgestaltung können die zur Notwendigkeit eines Abschlussschreibens entwickelten Grundsätze nicht umgangen werden.

In der Rechtsprechung ist bereits entschieden worden, dass der Unterlassungsgläubiger keine Veranlassung zur Klageerhebung hat, wenn wegen eines im Eilverfahren unmittelbar bevorstehenden Urteils eine Situation erwartet werden kann, die (erneut) Anlass gibt, den Schuldner zu einer Abschlusserklärung aufzufordern (vgl. OLG Düsseldorf, WRP 1983, 568; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Auflage, Rdnr. 346). In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall war der Gläubiger - anders als vorliegend die Klägerin - zwar schon durch eine im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung gesichert. Gleichwohl ist auch im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, dass der Klägerin durch ein nur ganz kurzfristiges Zuwarten ein Nachteil hätte entstehen können. Selbst den damit verbundenen geringfügigen Zeitverlust im Hauptsacheverfahren hätte sie auffangen können, wenn sie den Gerichtskostenvorschuss nicht per Scheck eingezahlt hätte, sondern eine Zahlungsmodalität gewählt hätte, die eine raschere Feststellung der Kostendeckung ermöglicht hätte.

Nach einer Entscheidung des OLG Karlsruhe (WRP 1996, 922, 923) fehlt bereits für eine zeitgleich mit dem Eilantrag eingereichte Unterlassungsklage der Klageanlass, da dem Gläubiger zugemutet werden könne, vor Klageerhebung wenige Tage abzuwarten, ob nicht aufgrund seines Eilantrags eine Beschlussverfügung ergeht.

Des Weiteren hat das OLG Stuttgart entschieden (Beschlüsse vom 27.05.1975 - 2 W 23/75 - und vom 30.12.1976 - 2 W 55/76 - bei Traub, Wettbewerbsrechtliche Verfahrenspraxis, 2. Auflage, S. 423), dass für einen Gläubiger, der nach Einleitung des Verfügungsverfahrens monatelang zuwartet, regelmäßig kein Anlass besteht, die Klage kurz vor der Verkündung einer Entscheidung in der zweiten Instanz des Eilverfahrens einzureichen. Der Senat teilt diese Auffassung. Auch im vorliegenden Fall bestand unmittelbar vor dem rechtskräftigen Abschluss des Eilverfahrens, das die Klägerin bereits im August 2005 eingeleitet hatte, keine Veranlassung zur Klageerhebung.

An diesem Ergebnis ändert nichts, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zwischenzeitlich arbeitsunfähig erkrankt war. Es kommt nicht darauf an, aus welchen Gründen eine frühere Klageerhebung unterblieben ist. Maßgebend ist vielmehr, dass kein Anlass bestand, die Klage einen oder wenige Tage vor dem Abschluss des vor mehreren Monaten eingeleiteten Eilverfahrens zu erheben.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass wegen der "vehementen" Rechtsverteidigung der Beklagten im Eilverfahren eine weitere Abmahnung bzw. ein Abschlussschreiben keinen Sinn gemacht hätte. Ein Abschlussschreiben ist nach der Erwirkung einer einstweiligen Verfügung deshalb erforderlich, weil durch den Erlass der einstweiligen Verfügung eine neue Sachlage entstanden ist, die den Schuldner ungeachtet seiner bisherigen Verweigerungshaltung veranlassen kann, zur Vermeidung eines Hauptsacheverfahrens seine Unterlassungsverpflichtung nebst der Verpflichtung zu Auskunft und Schadensersatz doch noch zu akzeptieren. Eine neue Sachlage in diesem Sinne, die ein Abschlussschreiben erforderlich macht, entsteht erst recht dann, wenn die einstweilige Verfügung nicht nur aufgrund einseitigen Vortrags im Beschlusswege ergeht, sondern im streitigen Verfahren und überdies im zweiten Rechtszug durch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts. Dass der Schuldner sich zuvor nachdrücklich bemüht hatte, das für ihn günstige erstinstanzliche Urteil zu verteidigen und den Erlass einer einstweiligen Verfügung durch das Oberlandesgericht abzuwenden, lässt keineswegs den Schluss zu, er werde den Streit auch nach einer letztendlichen Niederlage im Eilverfahren in einem Klageverfahren weiter fortsetzen.

Der Klägerin kann schließlich nicht in der Auffassung beigetreten werden, ihr Schreiben vom 20.01.2006 sei einem Abschlussschreiben gleichzustellen. Mit dem Schreiben vom 20.01.2006 hat die Klägerin die Beklagte aufgefordert, die am 19.01.2006 erlassene einstweilige Verfügung zu beachten; außerdem hat sie auf die zwischenzeitliche Einreichung der Hauptsacheklage beim LG Frankfurt a.M. hingewiesen. Ein Abschlussschreiben muss die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung und die Androhung enthalten, dass bei Nichtabgabe der Abschlusserklärung innerhalb der gesetzten Frist Klage zur Hauptsache erhoben werde (vgl. Hefermehl/ Köhler/ Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage, § 12 UWG, Rdnr. 3.71; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Auflage, Kap. 43, Rdnr. 19, 24). Dem entsprach das Schreiben vom 20.01.2006 ersichtlich nicht.

Nach allem bestand für die Klägerin am 18.01.2006 keine Veranlassung zur Klageerhebung, so dass die Beklagte durch ihr sofortiges Anerkenntnis die Kostentragungspflicht der Klägerin bewirkt hat (§ 93 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§§ 574 Abs. 2).

Ende der Entscheidung

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