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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 16.03.2001
Aktenzeichen: 6 W 18/01
Rechtsgebiete: HWG, UWG, MPG, AMG, ZPO


Vorschriften:

HWG § 10 Abs. 1
UWG § 1
MPG § 2 Abs. 3
AMG § 2 Abs. 1
AMG § 48
ZPO § 91
ZPO § 938
Wird in einer Apothekenzeitschrift eines Medizinproduktes und eines Arzneimittels (Insulin in Einmalspritzensystem) geworben, unterfällt das gesamte Produkt dem Werbeverbot des § 10 Abs. 1 HWG.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

6 W 18/01

Verkündet am 16.03.2001

In dem Rechtsstreit

...

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15.12.2000 am 16.3.2000 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 500.000,00 DM - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr außerhalb der Fachkreise für das Arzneimittel O.S. Insulinpen" Werbung zu treiben wie auf Seite 7 der Ausgabe November 2000 der Zeitschrift Apotheken Spiegel" (Anlage 4 zur Antragsschrift vom 4.12.2000).

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Beschwerdewert: 30.000,00 DM

Gründe:

Die Antragsgegnerin ist Herstellerin von Insulin zur Behandlung von Blutzuckererkrankungen. Zur Applikation dieses Mittels hat sie in der Vergangenheit ein wiederbefüllbares Spritzensystem mit der Bezeichnung O.P.(r)" vertrieben. In dieses Spritzensystem wurden mit Insulin befüllte Patronen eingelegt und nach Entleerung wieder entfernt, so dass es über einen langen Zeitraum verwendet werden konnte. Als innovative Entwicklung bringt sie zur vereinfachten Insulintherapie eine Injektionshilfe unter der Bezeichnung O.S.(r)" auf den Markt. Der O.S." ist eine Einmalspritzensystem. Er ist mit i.(r), dem Insulin der Antragsgegnerin befüllt. Ein Patronenwechsel oder sonstige Befüllung oder Nachbefüllung entfällt. Nach einmaligen Gebrauch wird der O.S." weggeworfen. Die Antragsgegnerin hat in der Novemberausgabe 2000 der für das allgemeine Publikum bestimmten Zeitschrift A. S." die Vorzüge ihres neuen Systems angepriesen.

Die Antragstellerin geht deswegen gegen die Antragsgegnerin vor und meint, es handele sich hierbei um eine nach § 10 Abs. 1 HWG verbotene Werbung für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel außerhalb der Fachkreise. Das Landgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 15.12.2000 zurückgewiesen, weil es sich bei dem O.S." nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein Medizinprodukt handele.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Die Werbung der Antragsgegnerin ist unlauter im Sinne von § 1 UWG, da sie gegen das Verbot des § 10 Abs. 1 HWG verstößt.

Dabei kann dahinstehen, ob das HWG auf Medizinprodukte im Sinne des MPG anwendbar ist (vgl. dazu Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Aufl., § 1 Rdn. 105 m.w.N.). Denn die hier vorliegende Kombination aus Arzneimittel und Medizinprodukt ist insgesamt rechtlich wie ein Arzneimittel zu behandeln. Das Produkt O.S." unterfällt wie ein Arzneimittel den Vorschriften des AMG. Nach § 2 Abs. 3 MPG gelten für Medizinprodukte, die mit einem Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 AMG als eine feste Einheit in den Verkehr gebracht werden, ausschließlich zur Verwendung in dieser Kombination und lediglich zur einmaligen Anwendung bestimmt sind ­ bis auf hier nicht interessierende technische Bestimmungen ­ die Vorschriften des AMG und nicht die des MPG. Das trifft auf den O.S." zu. Er enthält Insulin, das unzweifelhaft ein Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 AMG ist, und wird als feste Einheit, ausschließlich in dieser Kombination zum einmaligen Gebrauch in den Verkehr gebracht. Als Folge der Maßgeblichkeit des AMG wird die gesamte Kombination nach dem Arzneimittelrecht zugelassen (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand 31.01.2001, § 2 AMG Nr. 48). Die Zulassung bewirkt, das die gesamte Einheit als Arzneimittel gilt (vgl. § 2 Abs. 4 AMG). Infolgedessen unterfällt der O.S." auch insgesamt der Verschreibungspflicht des § 48 AMG. Demgemäss ist er auch als verschreibungspflichtes Arzneimittel zugelassen worden (Bl. 36 d.A.). Als verschreibungspflichtiges Arzneimittel unterfällt der O.S." zwangsläufig auch dem Werbeverbot des § 10 Abs. 1 HWG. Dabei spielt es keine Rolle, dass er aus einem Medizinprodukt (Spritzensystem) und einem Arzneimittel (Insulin) zusammengesetzt ist. Wie sich der gesetzlichen Wertung des § 2 Abs. 3 MPG entnehmen lässt, ist es nicht möglich, die Vorschriften des AMG nur auf den Arzneimittelinhalt anzuwenden. Aus der bestimmungsgemäß vorgesehenen Untrennbarkeit von Medizinprodukt und Arzneimittel zieht der Gesetzgeber im Interesse der Arzneimittelsicherheit die Konsequenz, das gesamte Produkt dem schärferen Gesetz zu unterstellen. Das hat zur Folge, dass sich auch das Werbeverbot des § 10 Abs. 1 HWG auf das gesamte Produkt bezieht und nicht nur auf den Arzneimittelinhalt. Es ist ohnehin in den Fällen der vorliegenden Art praktisch nicht möglich, eine ausschließlich auf das Medizinprodukt bezogene Werbeaussage zu treffen, ohne nicht zugleich auch das inkorporierte Arzneimittel mitzuerwähnen. So hat auch die Antragsgegnerin nicht ausschließlich für den Medizinproduktteil des O.S." geworben, sondern ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieser befüllt ist mit i.(r), den Insulinen von A. aus modernsten Produktionsanlagen der Welt."

Die Anpreisungen der Antragsgegnerin stellen Werbeaussagen dar, die in einer Kundenzeitschrift und daher außerhalb der Fachkreise aufgestellt worden sind. Der Wettbewerbsverstoß der Antragsgegnerin ist auch geeignet, den Wettbewerb auf dem Markt für verschreibungspflichtige Arzneimittel wesentlich zu beeinträchtigen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Senat hat bei der Fassung des Tenors von der Möglichkeit des § 938 ZPO Gebrauch gemacht, was aber keinen Einfluss auf die Kostenentscheidung hat.

Ende der Entscheidung

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