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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 21.04.2005
Aktenzeichen: 6 W 218/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 99 I
ZPO § 269 III
Durchbrechung des Grundsatzes von § 99 I ZPO und Zulassung einer Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung, soweit diese eine Antragsänderung durch den Antragsteller als teilweise Rücknahme des Eilantrags mit entsprechender Kostenfolge wertet.
Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen haben mit Schriftsatz vom 04.11.2004 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der es der Antragsgegnerin untersagt werden sollte,

1.) sowohl Abschleppaufträge anzunehmen als auch Abschleppungen und Bergungen vorzunehmen, ohne dass vorher der Abzuschleppende ausdrücklich darüber belehrt wurde, dass der ... die Abschleppkosten nur dann übernimmt, wenn ein ...-Vertragspartner abschleppt und die Antragsgegnerin selbst nicht mit dem ... abrechnen darf und der Abzuschleppende daher die Kosten der Abschleppung selbst zu tragen hat;

2.) dritten Personen, die im Besitz einer ...-Mitgliedschaft sind und Abschleppleistungen jedweder Art benötigen mit dem Ziel der Erlangung des Abschleppauftrages in jeglicher Form zu bedrängen, zu beeinflussen und über die Nichtabrechnungsmöglichkeit der Abschleppleistungen mit dem ... hinwegzutäuschen.

Auf einen - offenbar fernmündlich erteilten - Hinweis des Landgerichts änderten die Antragstellerinnen ihr Petitum und beantragten anstatt der zunächst gestellten Anträge mit Schriftsatz vom 05.11.2004, es der Antragsgegnerin zu untersagen, wahrheitswidrig gegenüber dritten Personen, insbesondere gegenüber abzuschleppenden Personen zu behaupten, dass die Antragsgegnerin berechtigt sei für den ... abzuschleppen und mit dem ... direkt die Abschleppleistungen abrechnen kann.

Das Landgericht entsprach diesem Antrag mit Beschluss vom 08.11.2004, erlegte den Antragstellerinnen jedoch unter Verweis auf § 269 Abs. 3 ZPO 2/3 der Kosten auf.

Gegen die Kostenentscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerinnen vom 22.11.2004, der das Landgericht unter Hinweis auf § 99 Abs. 1 ZPO nicht abgeholfen hat. Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, ihr neuer Antrag sei nicht als Klagerücknahme zu werten; jedenfalls sei es unbillig, ihnen 2/3 der Kosten aufzuerlegen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig (§§ 269 Abs. 3 S. 5, 567 Abs. 2 ZPO).

Zwar ist grundsätzlich die Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird, § 99 Abs. 1 ZPO. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes sieht das Gesetz jedoch in den §§ 99 Abs. 2, 91 a Abs. 2 ZPO vor. Es handelt sich dabei um Fälle, in denen die Kostenentscheidung nicht von einer Entscheidung in der Hauptsache abhängt. Der Bundesgerichtshof hat die in diesen Fällen vorgesehene Beschwerde auch bei sogenannten Mischentscheidungen zugelassen, bei denen das Gericht einheitlich über die gesamten Kosten entschieden hat, obwohl die Kostenentscheidung zum Teil dem Ergebnis der Sachentscheidung folgt und sich nur zum Teil auf § 91 a oder § 93 ZPO stützt; allerdings soll dann lediglich die zu dem erledigten oder anerkannten Teil gehörige Kostenentscheidung angegriffen werden können (BGHZ 40, 265, 270; Stein/Jonas-Bork, ZPO 22. Aufl., § 99 Rn. 13). Stets bleibt das Beschwerdegericht an die (teilweise) Kostenverteilung, die aufgrund der Hauptsacheentscheidung ausgesprochen wurde, gebunden.

Die Durchbrechung des Grundsatzes des § 99 Abs. 1 ZPO ist gleichfalls gerechtfertigt, wenn das Gericht bei teilweiser Rücknahme einer Klage oder eines Verfügungsantrages abschließend über die Kosten entschieden hat und nur der sich auf die Teilrücknahme stützende Kostenausspruch angegriffen werden soll (Beschluss des Senats vom 20.09.1984, Az. 6 W 89/84, S. 3; OLG Düsseldorf FamRZ 1982, 723; LG Freiburg NJW 1977, 2217; MünchKomm (ZPO) - Lüke § 269 Rn. 60). Denn auch in diesem Fall ist die Kostenentscheidung gemäß § 269 Abs. 3 S. 5 ZPO anfechtbar und die Nachprüfung des auf die Klagerücknahme gestützten Kostenausspruchs unabhängig von dem Ergebnis einer Sachentscheidung möglich und nicht durch diese vorweggenommen. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - die Frage streitig ist, ob der Tatbestand einer Klagerücknahme überhaupt erfüllt ist. Denn auch, soweit diese Feststellung in dem die einstweilige Verfügung erlassenden Beschluss inzident getroffen wurde, handelt es sich um eine Entscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO (BGH NJW-RR 1993, 1470; NJW 1978, 1585; MünchKomm (ZPO) - Lüke § 269 Rn. 35; Rosenberg-Schwab-Gottwald, Zivilprozessrecht 16. Aufl. § 129 Rn. 40), die im Wege der sofortigen Beschwerde gemäß § 269 Abs. 3 S. 5 ZPO angreifbar ist (in der Entscheidung NJW 1978, 1585 behandelte der BGH die Beschwerde als unstatthaft, weil sie sich gegen den Beschluss eines Oberlandesgerichts richtete).

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat in dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 05.11.2004 mit Recht eine Klagerücknahme gesehen, da es sich bei dem dort gestellten Antrag nicht etwa um eine Umformulierung der ursprünglichen Anträge, sondern um ein aliud handelt. Während der ursprünglich zu 1.) gestellte Verfügungsantrag darauf gerichtet war, der Antragsgegnerin gegenüber ...-Mitgliedern, deren Fahrzeuge abgeschleppt werden müssen, bestimmte Informationspflichten aufzuerlegen, zielte der zu 2.) gestellte Verfügungsantrag darauf ab, es der Antragsgegnerin zu verbieten, diese ...-Mitglieder zu bedrängen und zu beeinflussen. Beide Anträge gaben den Kern des in der Antragsbegründung dargelegten Wettbewerbsverstoßes nicht wieder. Erst der mit Schriftsatz vom 05.11.2004 gestellte Antrag trägt der dargelegten Verletzungshandlung Rechnung, indem er auf die wahrheitswidrige Behauptung der Antragsgegnerin abstellt, sie sei berechtigt für den ... Fahrzeuge abzuschleppen.

Die Antragstellerin hat also die ursprünglich gestellten Anträge vollständig zurückgenommen und hatte mit ihrem dritten Antrag Erfolg. Daher hat das Landgericht die Kosten des Eilverfahrens mit Recht den Antragstellerinnen zu 2/3 auferlegt. Das Beschwerdegericht ist an der Überprüfung der Kostenverteilung nicht dadurch gehindert, dass es die auf dem Sachurteil beruhende Kostenverteilung nicht nachprüfen darf. Denn der Senat übernimmt die auf der Sachentscheidung basierende Kostenentscheidung, wonach die Antragsgegnerin gemäß § 91 ZPO sämtliche Kosten zu tragen hat, soweit nicht infolge der Antragsrücknahme nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO die Kosten den Antragstellerinnen aufzuerlegen sind. Zwar könnte eine andere Gewichtung des wertmäßigen Umfanges des zurückgenommenen Verfügungsantrages zu einer Änderung der Quoten des Kostenausspruchs führen; gleichwohl würde davon nicht die Kostenentscheidung der nicht angefochtenen Sachentscheidung berührt (Beschluss des Senats vom 20.09.1984, Az. 6 W 89/84, S. 5).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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