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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 16.05.2001
Aktenzeichen: 7 U 111/00
Rechtsgebiete: StPO, VVG, BGB, AKB, AFB, ZPO


Vorschriften:

StPO § 153 Abs. 2
VVG § 12 Abs. 1 S. 1
VVG § 12 Abs. 1 S. 2
VVG § 12 Abs. 2
BGB § 198
AKB § 15 Abs. 1
AKB § 15 Abs. 1 S. 1
AFB 87 § 16 Nr. 5
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Für den Beginn der zweijährigen Verjährung des Anspruchs aus einer Fahrzeugversicherung (§ 12 Abs.1 S.1 VVG) ist im Falle strafrechtlicher Ermittlungen (wg. Vortäuschung einer Straftat) nicht auf den formellen Abschluss des Ermittlungsverfahrens, sondern auf die Beendigung der polizeilichen Erhebungen und den Schluss des darauf folgenden Jahres abzustellen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit ...

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Berufung des Klägers gegen das am 9. Juni 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt 12.000,-- DM.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt aus der am 5. März 1992 abgeschlossenen Fahrzeugversicherung Diebstahlsentschädigung für den im November 1991 als Neufahrzeug für 28.708,85 DM erworbenen PKW Citroen ZX mit der Behauptung, dieses Fahrzeug sei am 18. Juli 1992 vor seiner damaligen Wohnung in R. abgestellt und am nächsten Morgen nicht mehr vorgefunden worden (Beweis: Zeugnis der Ehefrau). Das Fahrzeug wurde am 7. August 1992 unfallbeschädigt aus dem Osthafenbecken geborgen, die kriminaltechnische Untersuchung ergab, daß alle Schlösser intakt und Diebstahlspuren nicht vorhanden waren. Ein gegen den Kläger wegen des Verdachts der Vortäuschung einer Straftat eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Nachdem die Beklagte unter dem 22. Oktober 1992 eine Fahrzeugbewertung eingeholt und die Ermittlungsakte im Mai 1993 eingesehen hatte, lehnte sie mit Schreiben vom 5. September 1994 - zugegangen am 13. September 1994 - ihre Leistungspflicht mit der Begründung ab, der Diebstahl sei nicht nachgewiesen.

Mit dem am 24. Dezember 1996 eingegangenen Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides beanspruchte der Kläger auf die Neuwertentschädigung einen Teilbetrag von 12.000,-- DM und hat nach Abgabe an das Landgericht unter Erhöhung des Klagebetrages beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 28.708,85 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 1. September 1992 zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat unter Hinweis auf widersprüchliche Angaben des Klägers sowie seiner wirtschaftlichen Lage und der erheblichen Unfallbeschädigung des versenkten Fahrzeugs ein Diebstahlsgeschehen bestritten und sich zudem auf Verjährung berufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger den Anspruch lediglich in der mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Betrage von 12.000,-- DM nebst Zinsen weiter und ist der Auffassung, die zweijährige Verjährungsfrist habe erst mit Ablauf des Jahres, in welchem das Ermittlungsverfahren abgeschlossen worden sei, also am 1. Januar 1995 zu laufen begonnen und sei durch den Mahnbescheidsantrag vom 24. Dezember 1996 rechtzeitig unterbrochen worden.

Der Kläger beantragt, unter teilweise Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zur Zahlung von 12.000,-- DM nebst 12 % Zinsen seit dem 1. September 1992 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und hält in der Sache selbst das Bestreiten eines Diebstahlsgeschehens aufrecht.

Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Darmstadt 5 Js 39006.0/92 war zu Informationszwecken Gegenstand der Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg, denn die geltend gemachte Klageforderung ist verjährt.

Der Anspruch auf Diebstahlsentschädigung aus der Kraftfahrtversicherung unterliegt der zweijährigen Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 S. 1 VVG, die nach § 12 Abs. 1 S. 2 VVG mit dem Schluß des Jahres zu laufen beginnt, in welchem die Leistung verlangt werden kann. Damit wird nicht wie in § 198 BGB an die Entstehung des Anspruchs, sondern an die Fälligkeit angeknüpft, die sich in der Kraftfahrtversicherung nach § 15 Abs. 1 AKB richtet. Danach ist die Entschädigungsleistung innerhalb zwei Wochen nach ihrer Feststellung zu zahlen, die sich entgegen der Auffassung von Stiefel (in Stiefel/Hofmann, 17. Aufl. § 15 AKB Rn. 1) nicht ausschließlich auf die Höhe beschränkt, da § 15 Abs. 1 S. 1 AKB eine derartige Einschränkung nicht entnommen werden kann (vgl. hierzu OLG Hamm in VersR 1991.1369 sowie in VersR 1992.230), sondern auch die Feststellung zum Anspruchsgrund einschließt. Damit sind alle Erhebungen einzubeziehen, die ein durchschnittlich sorgfältiger Versicherer dieses Versicherungszweiges benötigt, um den Versicherungsfall abschließend zu prüfen und entscheiden zu können (vgl. Römer in Römer/Langheid, § 11 VVG Rn 5; Prölss in Prölss/Martin, 26. Aufl. § 11 VVG Rn. 3; Gruber in Berliner Kommentar § 11 VVG Rn. 8). Hierzu gehört auch die Frage, ob überhaupt der Versicherungsfall gegeben oder dieser nur vorgetäuscht ist (vgl. OLG Hamm in VersR 1991.1369).

Da diese Frage vorliegend den Gegenstand eines behördlichen Ermittlungsverfahrens gebildet hat, sind die dort erhobenen Beweise und tatsächlichen Feststellungen zu den notwendigen Erhebungen zu rechnen (vgl. Bruck/Möller, 8. Aufl. § 11 VVG Anm. 7; Römer, a.a.O. Rn. 7; OLG Hamm in VersR 1991.1369 und in VersR 1992.230; OLG Köln in r + s 1995.265). Maßgeblich für den Eintritt der Fälligkeit ist dabei, daß der Versicherer durch Einbeziehung der im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweise zu einer fundierten Entscheidung gelangen kann und nicht, auf welche Weise die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren förmlich abschließt, was ohnehin auf besonderen, im Versicherungsrecht nicht brauchbaren Verfahrensgrundsätzen (z. B. in dubio pro reo") beruht. Deshalb ist für den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt abzustellen, in welchem die Beklagte Gelegenheit hatte, durch Akteneinsicht das Ermittlungsergebnis für ihre Entscheidung nutzbar zu machen (vgl. OLG Hamm in VersR 1987.1129; Gruber a.a.O. Rn. 11; Römer a.a.O. Rn. 7 und auch OLG Hamm in VersR 1992.230 und in VersR 1991.1369). Dies war im Mai 1993 der Fall (vgl. Bl. 72, 88 der Ermittlungsakte). Zu diesem Zeitpunkt war das aus dem Osthafen geborgene Fahrzeug (Bericht Bl. 10 EA) samt Schlüssel fotografiert (Lichtbilder Bl. 15 ff EA) und kriminaltechnisch untersucht (Untersuchungsbericht Bl. 24 EA), der Kläger (Bl. 40 ff EA) und seine Ehefrau (Bl. 36 ff EA) polizeilich vernommen und das Ermittlungsergebnis im Bericht Bl. 51 EA zusammengefasst worden. Weitere Erkenntnisse haben sich danach nicht mehr ergeben, so daß die Beklagte im Mai 1993 den Kenntnisstand hatte, der sie 15 Monate später zur Leistungsablehnung veranlaßte. Zu diesem Zeitpunkt waren auch Erhebungen der Beklagten zur Höhe abgeschlossen, das Bewertungsgutachten wurde im Oktober 1992 erstellt (Bl. 83 d. A.).

Da nicht ersichtlich ist, daß die Beklagte nach erfolgter Akteneinsicht noch eigene Untersuchungen durchführen lassen wollte, hätte sie im Mai 1993 die Leistung mit der gleichen Begründung wie im Schreiben vom 05. September 1994 ablehnen können. Daß sie dies über einen Zeitraum von 15 Monaten bis nach der förmlichen Einstellung des Verfahrens hinauszögerte, ändert nichts daran, daß die Fälligkeit zu dem Zeitpunkt eintrat, in welchem die Erhebungen beendet waren und die Ablehnung hätte erfolgen können (vgl. Gruber a.a.O. Rn. 15 m.N.).

Soweit vereinzelt auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens abgestellt wird (vgl. BGH in VersR 1991.331; OLG Köln in r + s 1995.265), handelt es sich um Fallgestaltungen aus der Feuerversicherung, in der in § 16 Nr. 5 AFB 87 ausdrücklich ein Leistungsverweigerungsrecht bis zum Abschluß des Ermittlungsverfahrens eingeräumt wird. Diese nach AGBG unbedenkliche Regelung (vgl. Gruber, a.a.O. Rn. 11) trägt den besonderen Risiken in der Feuerversicherung Rechnung und hätte keiner ausdrücklichen Statuierung bedurft, wenn Fälligkeit ohnehin erst mit Abschluß des jeweiligen Ermittlungsverfahren eintreten würde.

Da somit die zweijährige Verjährung Ende des Jahres 1993 zu laufen begann, war ihr Ablauf gemäß § 12 Abs. 2 VVG bis zum Zugang des Ablehnungsschreibens am 13. September 1994 gehemmt mit der Folge, daß die Verjährung am 13. September 1996 ablief, ohne daß Unterbrechung eingetreten wäre.

Die Berufung war daher mit den Nebenfolgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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