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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 23.02.2005
Aktenzeichen: 7 U 113/04
Rechtsgebiete: BGB, VVG


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 548
BGB § 823
VVG § 67
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin hat im Regressweg die Beklagte auf Erstattung der Brandentschädigung in Anspruch genommen, die sie als Gebäudeversicherer an die Vermieterin der Beklagten erbracht hat. Ursache des ausgebrochenen Brandes war es, dass die Beklagte in den frühen Morgenstunden nach der Silvesternacht 2002 in ihrer Wohnung zwei Fondue-Töpfe mit Fett auf dem Gasherd in der Küche erhitzt hatte, während sie gemeinsam mit der Schwester ihres Lebensgefährten fünf Kinder ins Bett brachte. Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Forderung geltend gemacht, dass hierin ein für den Ausbruch des Brandes und die Entstehung des Schadens ursächliches grobes Fehlverhalten der Beklagten liege, während die Beklagte geltend macht, für sie sei es nicht vorhersehbar gewesen, dass das Fett überhitzt und in Brand geraten werde. Damit liege allenfalls leichte Fahrlässigkeit vor, so dass aufgrund stillschweigenden Regressverzichtes gegenüber der versicherten Vermieterin der Rückgriff der Klägerin ausgeschlossen sei.

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil vom 23.4.2004, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 177 ff. d.A. verwiesen wird, die Beklagte zur Zahlung von 21.017,53 € nebst Zinsen verurteilt und im übrigen die Klageforderung dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens erster Instanz zugrunde gelegt wissen will, dass das Landgericht zu Unrecht von einer subjektiv grob fahrlässigen Verursachung des Brandes durch sie ausgegangen sei. Nachdem der Lebensgefährte der Beklagten ihre Mutter nach Hause gebracht habe, habe die Beklagte erst zusammen mit der Zeugin Z1 den Wohnzimmertisch abgeräumt, die benutzten Teller in der Spülmaschine untergebracht und erst dann die Fondue-Töpfe erneut auf den Gasherd gestellt und erhitzt. Damit sei gegenüber der Annahme des Landgerichts ein Zeitraum für das Erhitzen von weniger als 10 Minuten anzusetzen gewesen. Selbst wenn eine objektiv grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles angenommen werde, müsste bei der Prüfung der subjektiven Entschuldbarkeit zugunsten der Beklagten berücksichtigt werden, dass ein früherer Erhitzungsvorgang der Fondue-Töpfe mit Fett auf kleiner Flamme nicht zum Sieden geführt habe. Daraus habe die Beklagte schließen dürfen, dass auch dieser Versuch gefahrlos verlaufen werde. Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht Wiesbaden auch ein "substantiiertes" Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der Höhe des Schadens vermisst. Dass die Beklagte die Höhe des Schadens mit Nichtwissen bestritten habe, sei zulässig gewesen, da diese Umstände weder Gegenstand ihrer Wahrnehmung noch sonstigen Erfahrungswissen gewesen seien.

Zur Begründung des Antrages auf Zurückweisung der Berufung bezieht sich die Klägerin auf ihre Darstellung, wonach die Beklagte die Herdplatten nicht auf Minimum-Stellung eingestellt habe, sondern auf die Mittelstellung zwischen Minimum und Maximum und bezieht sich hierzu auf die Vernehmung des Polizeioberkommissars Z2. Überdies habe die Beklagte im Ermittlungsverfahren zunächst sogar wahrheitswidrig bestritten, dass die Herdflammen eingeschaltet gewesen seien. Erst später habe sie angegeben, dass sie den Herd bereits eingeschaltet habe, als ihr Lebensgefährte ihre Mutter nach Hause gebracht habe. Unabhängig davon, wie lange das Öl unbeaufsichtigt erhitzt worden sei, liege damit in jedem Falle eine grobe Fahrlässigkeit vor. Das Landgericht sei auch mit Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte die Höhe des eingetretenen Schadens nicht substantiiert bestritten habe.

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat auch Erfolg. Der allein in Betracht kommende Anspruch der Klägerin aus § 67 VVG nach erfolgter Leistung der Entschädigung an ihre Versicherungsnehmerin i.V.m. §§ 280, 548 BGB und § 823 Abs. 1 BGB ist deshalb ausgeschlossen, weil die unten dargestellte Regresseinschränkung eingreift. Nachdem in der Berufung unstreitig geworden ist, dass die Klägerin Gebäudeversicherin der Vermieterin der Beklagten gewesen ist, ergeben sich keine Bedenken gegen die Aktivlegitimation der Klägerin, nachdem sie die Zahlung der Reparaturkosten an ihre Versicherungsnehmerin geleistet hat. Die ergänzende Auslegung des zwischen der Klägerin und ihrem Versicherungsnehmer bestehenden Gebäudeversicherungsvertrages ergibt einen konkludenten Regressverzicht des Versicherers für die Fälle, in denen der Wohnungsmieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat (vgl. BGH Recht und Schaden 2005, 64 ff.; BGHZ 145, 393 (397 ff.); BGH VersR 2002, 433; BGH VersR 2001, 856). Damit bedarf es keines Rückgriffs auf die sogenannte haftungsrechtliche Lösung, nach der die im Mietvertrag der Parteien wegen der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der anteiligen Kosten der Gebäudeversicherung im Wegen der ergänzenden Vertragsauslegung eine stillschweigende Beschränkung der Haftung des Mieters für die Verursachung versicherter Schäden auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu entnehmen ist (vgl. BGH Recht und Schaden 2005, 65 (66)). Da die Vermieterin ihre Gebäudeversicherung in Anspruch genommen hat und diese Leistungen erbracht hatte, bedarf es auch keines Eingehens darauf, ob die damit zugrunde zu legende versicherungsrechtliche Lösung dann nicht eingreift und die sogenannte haftungsrechtliche Lösung (vgl. hierzu BGHZ 131, 288, 292 ff.) anwendbar ist, wonach bei solchen Wohnungsmietverträgen, bei denen der Mieter anteilig die Kosten der vom Vermieter abgeschlossenen Feuerversicherung zu tragen hat, gleichfalls eine Reduktion der Haftung des Mieters auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit anzunehmen ist (vgl. hierzu BGH NJW 1996, 715; BGH NJW-RR 1990, 1175 (1176); OLG Hamm Neue Versicherungszeitschrift 2000, 237).

Der konkludente Regressverzicht des Versicherers gegen den Mieter im Rahmen der versicherungsrechtlichen Lösung würde nur dann nicht eingreifen, wenn von einer objektiv- und subjektiv grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles durch die Beklagte auszugehen wäre. Dies kann jedoch nicht zugrunde gelegt werden. Auch unter Zugrundelegung des Vorbringens der Klägerin steht es nicht fest, dass die Beklagte den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, d.h. in hohem Grade außer Acht lässt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem hätte einleuchten müssen. In subjektiver Hinsicht muss es sich um ein schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten gehandelt haben, das das gewöhnliche Maß erheblich übersteigt (vgl. BGH VersR 1989, 840; BGH VersR 1977, 465; OLG Köln Recht und Schaden 2000, 296; vgl. auch OLG Köln VersR 1991, 1266). Ausgangspunkt für die Bestimmung der groben Fahrlässigkeit ist ein "durch Gefahr, Ausbildung, Beruf und Alter geprägter Maßstab, der zunächst konkret festgestellt werden muss" (vgl. Terbille "Handbuch des Versicherungsrechts", § 2 Rdn. 525). Die Distanz von der gebotenen Sorgfaltsanforderung bis zur objektiven groben Fahrlässigkeit wird hierbei durch den Vergleich zwischen dem an sich gebotenen Handeln und einem Verhalten gekennzeichnet, das nicht einmal mehr das Elementarste beachtet hat, das in der konkreten Situation jedem als geboten einleuchten musste (vgl. Deutsch "Versicherungsvertragsrecht", Rdn. 201). Der Senat geht davon aus, dass grundsätzlich eine hohe Brandgefahr beim ungesicherten Erhitzen von Fett in einem Fondue-Topf auf einer Gasflamme besteht, so dass grundsätzlich an die Überwachung dieses Vorgangs strenge Anforderungen zu stellen sind. Da eine hohe Brandgefahr beim Erhitzen von Fett, sei es in einem Fondue-Topf oder in einer Friteuse, besteht, der Beklagten klar sein musste, dass unbeobachtet erhitztes Fett beim Erreichen des Siedepunktes erhebliche Brandrisiken mit sich bringen konnte (vgl. auch OLG Köln ZFS 1991, 140; OLG Köln VersR 1996, 1491; OGH Österreich ZFS 1994, 256), lag objektiv eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles vor. Der Senat geht davon aus, dass der Herd auf einer mittleren Stufe eingestellt gewesen ist, was die Klägerin behauptet und die Beklagte nicht mehr bestritten hat. Soweit die Beklagte zunächst angegeben hatte, der Herd sei auf kleiner Stufe eingestellt gewesen, hat sie auf Vorhalt des Berichts zur Brandstellenuntersuchung es nicht mehr ausgeschlossen, dass der Herd auf mittlerer Stufe eingestellt gewesen ist. Dagegen kann zur Begründung der groben Fahrlässigkeit nicht das Urteil des Oberlandesgerichts Köln (VersR 2002, 311) herangezogen werden, in dem es als objektiv grob fahrlässig bezeichnet worden ist, dass ein Koch eine offene Pfanne mit erhitztem Öl auf einem Gasherd mit offener Flamme unbeaufsichtigt gelassen hatte. Die Übertragung dieses Maßstabes auf den vorliegenden Fall scheitert daran, dass die Beklagte keine Gastwirtin gewesen ist, die Erhitzung in einer offenen Pfanne erfolgte, bei der leichter als in einem Topf eine Selbstentzündung des heißen Fettes und vor allem ein Ergießen des erhitzten Fettes über den Rand hinaus möglich und ein Brandausbruch deshalb denkbar gewesen ist.

Aus der danach vorliegenden objektiven groben Fahrlässigkeit kann jedoch nicht auf die Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen einer groben Fahrlässigkeit geschlossen werden. Das kann nicht allein mit dem Vorliegen eines Augenblickversagens verneint werden, das für sich gesehen - ohne Hinzutreten weiterer Umstände, keine tragfähige Begründung dafür abgibt, dass auf der subjektiven Seite ein Entschuldigungsgrund vorliegt (vgl. auch OLG Karlsruhe Recht und Schaden 1998, 162; Knappmann Recht und Schaden 1998, 250). Zu dem zugrunde zu legenden Augenblicksversagen treten jedoch Umstände hinzu, die geeignet sind, den Schuldvorwurf, der mit der Annahme subjektiver grober Fahrlässigkeit verbunden ist, herabzustufen und das momentane Versagen der nicht ausreichenden Überwachung der sich erhitzenden Fondue-Töpfe, in einem milderen Licht erscheinen lassen (vgl. auch BGH VersR 1992, 1085). Der Senat geht allerdings davon aus, dass es grundsätzlich im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO zulässig ist, vom äußeren Geschehensablauf oder vom Ausmaß des objektiven Pflichtenverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit zu schließen, "da sonst der tatrichterlichen Erkenntnis subjektiver Tatbestände in vieler Hinsicht lähmende Beschränkungen auferlegt werden" (Wernte "Schwerpunkte des Sachversicherungsrechts" S. 231). Dass die Beklagte die Fondue-Töpfe bei mittlerer Stufe unbeaufsichtigt auf dem Herd ließ, stellte ein entschuldbares Verhalten dar, da zu dem Augenblicksversagen die besonderen Umstände des Verhaltens, wie das Aufräumen nach einer Silvesterfeier und das Zubettbringen von fünf "aufgedrehten" Kindern hinzu kam. Angesichts dessen, dass ein früherer vorgenommener Erhitzungsversuch ohne Eintritt eines Brandes möglich gewesen war, die Beklagte damit der Ansicht sein durfte, die Aufräumarbeiten ebenso wie das Zubettbringen der Kinder vornehmen zu können, lag ein entschuldbarer Irrtum vor, der auch einem durchschnittlich sorgfältigen Versicherungsnehmer in der vergleichbaren Situation unterlaufen konnte, so dass er noch als ein den subjektiven Vorwurf minderndes Verhalten zu werten ist (vgl. OLG Köln ZFS 1991, 140).

Da die Gesamtwürdigung des Verhaltens der Beklagten ergibt, dass eine subjektiv grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles nicht gegeben gewesen ist, sind übergangsfähige Schadensersatzansprüche nicht gegeben, so dass die Klage abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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