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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 12.09.2001
Aktenzeichen: 7 U 120/00
Rechtsgebiete: VVG, ZPO


Vorschriften:

VVG § 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Auf die Beendigung des Gebäudeversicherungsmonopols und auf das bestehende Sonderkündigungsrecht mußte von der öffentlichen Versicherungsanstalt nach Abschaffung des Monopols nicht hingewiesen werden.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit ...

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. August 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 26.05.2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 15.000,00 abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn ihrer Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die zu erbringenden Sicherheiten können durch schriftliche, selbstschuldnerische, unwiderrufliche und unbefristete Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen in der EG zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

Das Urteil beschwert die Klägerin mit DM 207.835,00.

Tatbestand:

Die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgänger waren bei der HBVA D. mit ihrem landwirtschaftlichen Anwesen gegen Feuerschäden zum Zeitwert versichert. Der Zeitwert nach Baupreisen von 1914 war in der Revisionsschätzung im Jahr 1983 mit DM 50.950,00 ermittelt worden. Dieser Betrag bildet sowohl das Umlagekapital, nach dem die Höhe der Beiträge ermittelt wird, wie auch die Versicherungssumme, nach der die Zeitwertentschädigung, fortgeschrieben um die im Baupreisindex der Brandversicherungskammer festgehaltene Entwicklung der Baupreise, berechnet wird (vgl. Art. 38 d. Gesetzes Die Brandversicherungsanstalt für Gebäude betreffend vom 28.09.1890 und Art. 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Abänderung des Gesetzes Die Brandversicherungsanstalt für Gebäude betreffend, vom 11.09.1924).

Aufgrund des Gesetzes zur Abschaffung der Gebäudefeuerversicherungsmonopole (GVBl. 93, 352) wurden die öffentlich-rechtlichen Versicherungsverhältnisse in privatrechtliche Vertragsverhältnisse umgewandelt. Sie bestanden als Versicherungsverhältnisse auf unbestimmte Zeit mit einem Sonderkündigungsrecht erstmals zum 31.12.1994 fort. Nach der Umwandlung sollten für die Versicherungsverhältnisse unter Beibehaltung des bisherigen Versicherungsschutzes das VVG und von der Aufsichtsbehörde genehmigte Bedingungen maßgebend sein (Art 2 § 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 27.07.1993).

Nach dieser Vorschrift waren die Versicherungsnehmer auch auf das Sonderkündigungsrecht hinzuweisen. Als Rechtsfolge des Unterbleibens des Hinweises ist bestimmt, dass der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis jederzeit, spätestens zum 31.12.1995, mit einer Frist von drei Monaten kündigen konnte.

In dem letzten, aufgrund der bisherigen Rechtslage erstellten Beitragsbescheid vom 01.04.1994 (Bl. 191 d. A.) ist als Umlagekapital der Betrag von DM 50.950,00 genannt. Auf der Rückseite des Beitragsbescheids wird darauf hingewiesen, dass das Umlagekapital der Versicherungssumme nach Baupreisen vom 01.08.1914 entspreche, dass zum Ausgleich der Verteuerung der Baukosten bei Wiederherstellung beschädigter Gebäude ein Teuerungszuschlag gewährt werde, dessen Höhe den jeweiligen Baupreisen angepasst sei. Dabei werde die Abnutzung berücksichtigt (Zeitwertversicherung). Auf Antrag könne Neuwertversicherung gewährt werden. In der Prämienrechnung vom 23.01.1995 (Bl. 192 d. A.), mit der erstmals die Versicherungsprämie nach Umwandlung in ein privatrechtliches Versicherungsverhältnis verlangt wird, befindet sich auf der Vorderseite der Hinweis "Gebäudefeuerversicherung zum Zeitwert". Auf der Rückseite der Rechnung wird unter 1. unter der Überschrift "gleitende Neuwertversicherung von Gebäuden" darauf hingewiesen, dass die Versicherung von Gebäuden zum gleitenden Neuwert den Vorteil habe, dass sie sich aufgrund der Vertragsbestimmungen stets den Baukostenschwankungen anpasse. Sofern die Versicherungssumme in Preisen des Jahres 1914 dem ortsüblichen Neubauwert des Gebäudes in seinem jetzigen Ausbau entspreche, werde dadurch die für den Versicherungsnehmer nachteilige Unterversicherung vermieden. In den folgenden Hinweisen wird erläutert, wie die Prämie in der gleitenden Neuwertversicherung ermittelt wird, nämlich durch Vervielfältigung der Versicherungssumme 1914 mit dem gleitenden Neuwertfaktor. Die mit der Rechnung vom 23.01.1995 angeforderte Prämie beträgt DM 965,10. Der mit der Rechnung vom 01.04.1994 angeforderte Beitrag zur Gebäudebrandversicherung für das Jahr 1994 betrug DM 704,50.

In der Prämienrechnung vom 09.12.1995 für das Jahr 1996 wird als Versicherungssumme 1914 alt: DM 50.950,00, neu: DM 57.400,00 angegeben. Ferner wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der Erhöhung des gleitenden Neuwertfaktors (§ 3 SGlN 88) von 24,6 für 1995 auf 25,3 ab 01.01.1996 der Beitrag sich geändert habe. Es werden DM 992,50 in Rechnung gestellt. Einen Hinweis auf den Grund der Änderung der Versicherungssumme enthält die Beitragsrechnung nicht. Auf der Rückseite sind die selben Hinweise wie in der Rechnung für 1995 enthalten.

Der in der Vorjahresrechnung noch enthaltene Hinweis, es handele sich um eine Zeitwertversicherung, ist nicht mehr wiedergegeben.

Die Beitragsrechnungen für die Jahre 1997 und 1998 geben als Versicherungssumme jeweils DM 57.400,00 an, enthalten Hinweise auf Änderungen des gleitenden Neuwertfaktors und daraus resultierende Beitragsanpassungen und im übrigen im wesentlichen die selben Hinweise auf der Rückseite wie die Rechnung für das Jahr 1995.

Die Beklagte hat zur Erläuterung der Rechtslage nach der Beendigung des Feuerversicherungsmonopols an ihre Versicherungsnehmer Hinweisschreiben versandt, wegen deren Inhalts auf die Akten (Bl. 90, 91, 151) Bezug genommen wird. Zur Erläuterung der Veränderung der Versicherungssumme ab dem Jahr 1996 hat sie den Rechnungen für das Jahr 1996 ein Erläuterungsschreiben beigefügt. Auch darauf wird Bezug genommen (Bl. 199 d A.). Die Klägerin bestreitet, diese Schreiben erhalten zu haben.

Auf dem Anwesen der Klägerin ist es am 24.06.1998 zu einem Brandschaden gekommen. Die Beklagte hat DM 309.895,00 als Zeitwertentschädigung geleistet.

Unter dem 11.08.1998 wurde der Klägerin ein Versicherungsschein erteilt, der auf die AFB 87 verweist und, wie unter den Parteien unstreitig ist, verlautbart, dass eine Zeitwertversicherung genommen ist. Unter dem 19.01.1999 wurde ein neuer Versicherungsschein erteilt, in dessen Anlage als Versicherungsform "gleitender Zeitwert" genannt ist.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Differenz zu der von ihr behaupteten Neuwertentschädigung. Sie hält die Beklagte für schadenersatzpflichtig, weil sie sie weder über das Sonderkündigungsrecht noch darüber aufgeklärt habe, dass nur eine Zeitwertversicherung bestehe. Die Erwähnung des gleitenden Neuwertfaktors auf den Prämienrechnungen habe sie, die Klägerin, in den Glauben versetzt, über eine Neuwertversicherung zu verfügen. Dafür spreche auch die ohne Erläuterung erhöhte Versicherungssumme. Der Klägerin und ihrem Steuerberater sei auch von Mitarbeitern der Beklagten nach dem Versicherungsfall zunächst eine Auskunft dahin erteilt worden, dass eine Neuwertversicherung bestehe.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 207.835,00 nebst 4 % Zinsen seit Zustellung der Klageschrift zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie ist der Auffassung, eine Beratungspflicht habe nicht bestanden, weil zur Beratung kein Anlass gegeben gewesen sei. Die vertraglichen Grundlagen seien unverändert geblieben, weil eine Versicherung zum Zeitwert wie zu Zeiten der Monopolversicherung bestanden habe. Der Hinweis auf den gleitenden Neuwert habe nur Bedeutung im Rahmen der Errechnung der Prämienhöhe. Zur Änderung der Versicherungssumme für das Jahr 1996 sei es gekommen, weil die Beklagte den von der Brandversicherungskammer bislang verwandten, eigenen Baukostenindex durch den in der Feuerversicherungswirtschaft üblichen Index ersetzt habe. Der bisher von der Brandversicherungskammer verwendete Index sei höher gewesen als derjenige des statistischen Bundesamtes. Deshalb seien auch die Versicherungssummen geringer gewesen. Deshalb seien die Versicherungssummen bei den bisherigen öffentlich-rechtlichen Versicherungsverhältnissen nicht mit den Summen anderer Versicherungsunternehmen vergleichbar gewesen. Die Änderung sei aus Gründen der Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit vorgenommen worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Gegen dieses ihr am 07.07.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 07.08.2000 eingelegte Berufung der Klägerin, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 07.10.2000 am 27.09.2000 begründet hat.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, sie müsse von der Beklagten so gestellt werden, als ob sie eine Neuwertversicherung genommen habe, weil die Beklagte es versäumt habe, sie auf das Sonderkündigungsrecht hinzuweisen. Wäre ein solcher Hinweis erfolgt, hätte sich die Klägerin bei einem anderen Sachversicherer über die verschiedenen Versicherungsmöglichkeiten informiert und dabei eine Neuwertversicherung abgeschlossen. Gesteigerte Hinweispflichten ergäben sich auch daraus, dass die Rechtslage infolge der Deregulierung unklar gewesen sei. Solche Hinweispflichten bestünden ohnehin im Bereich der Gebäudeversicherung, in dem ein versicherungstechnischer Laie regelmäßig auf Beratung über die Grundlagen des Versicherungsschutzes angewiesen sei. Eine Vertragsverletzung sei auch in der Erstellung unklarer Prämienrechnungen zu sehen. Denn nur im Jahr 1995 sei auf die Zeitwertversicherung hingewiesen worden, in den nachfolgenden Jahren dagegen sei dieser Hinweis entfallen, andererseits ­ verwirrend ­ auf den Neuwertfaktor hingewiesen worden. Der Eindruck, es bestehe eine Neuwertversicherung, sei auch dadurch entstanden, dass Erläuterungen zur Erhöhung der Versicherungssumme auf DM 57.400,00 nicht gegeben worden seien. Auch die Hinweise auf der Rückseite der Prämienrechnungen erweckten den Eindruck, es handele sich um eine Neuwertversicherung.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin DM 207.835,00 nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basisdiskontsatz seit Zustellung der Klageschrift zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten weder unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes noch unter dem Gesichtspunkt der Erfüllungshaftung wegen unzutreffender Angaben über den Umfang des Versicherungsverhältnisses verlangen, so gestellt zu werden, als ob eine Versicherung zum Neuwert bestünde.

Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin die zur Aufklärung über das Sonderkündigungsrecht infolge der Abschaffung des Gebäudeversicherungsmonopols bestimmten Hinweisschreiben der Beklagten erhalten hat. Selbst wenn die Beklagte es schuldhaft versäumt hätte, für eine Unterrichtung der Klägerin über das Sonderkündigungsrecht zu sorgen, ergäbe sich daraus nicht der geltend gemachte Schadenersatzanspruch. Die Beendigung des Gebäudefeuerversicherungsmonopols und die Fortführung der Versicherungsverhältnisse als privatrechtliche ist in Hessen eine allgemein bekannte Tatsache, von der auch die Klägerin Kenntnis hatte. Gegenteiliges hat die Klägerin jedenfalls nicht behauptet. Der Senat geht ferner davon aus, dass die Kündbarkeit privatrechtlicher Versicherungsverhältnisse eine allgemein bekannte Tatsache ist. Da der Versicherungsfall erst 1998 eingetreten ist, waren mehrere Versicherungsperioden, zu denen die Klägerin auch ohne das Sonderkündigungsrecht hätte kündigen können, bereits abgelaufen. Daraus folgt, dass der möglicherweise unterlassene Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht nicht kausal dafür gewesen ist, dass die Klägerin keine andere Feuerversicherung abgeschlossen hat.

Auch daraus, dass die Beklagte der Klägerin nach Umwandlung des Versicherungsverhältnisses in ein privatrechtliches und der daraus folgenden Anwendbarkeit des Versicherungsvertragsgesetzes entgegen § 3 VVG keinen Versicherungsschein erteilt hat, ergibt sich der geltend gemachte Anspruch nicht. Aus der Nichterteilung eines Versicherungsscheins kann sich für die Klägerin keine Fehlvorstellung über Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes ergeben haben. Sie kann allenfalls gemeint haben, im bisherigen Umfang versichert zu sein. Dies trifft nach der gesetzlichen Regelung des Gesetzes vom 27.07.1993 auch zu. Dass die Klägerin gemeint hat, bereits zu Monopolzeiten über eine Neuwertversicherung verfügt zu haben, wird von ihr nicht behauptet. Etwaige Fehlvorstellungen der Zwangsversicherten über den Umfang der Versicherung zu Monopolzeiten dürften der Beklagten auch nicht zuzurechnen sein. Im übrigen verlautbarte der letzte den Monopolzeitraum betreffende Beitragsbescheid für das Jahr 1994 in den auf der Rückseite enthaltenen Hinweisen ausdrücklich, dass es sich um eine Zeitwertversicherung handele, wobei erläutert wurde, dass im Schadensfall der Gebäudewert unter Berücksichtigung der Abnutzung ersetzt werde. Unmissverständlich wurde auch darauf hingewiesen, dass auf Antrag Neuwertversicherung gewährt werden könne. Die berechtigte Erwartung der Klägerin, infolge der Abschaffung des Monopols keinen anderen Versicherungsschutz als bisher zu erhalten, kann dem gemäß nur dahin gegangen sein, zum Zeitwert versichert zu sein. Dass kein Versicherungsschein erteilt wurde, kann an dieser Vorstellung nichts geändert haben.

Die Beklagte war auch nicht aus Anlass der Beendigung des Gebäudeversicherungsmonopols verpflichtet, ihre Versicherungsnehmer über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Feuerversicherungsformen zu belehren.

Eine Beratungspflicht kann im allgemeinen nur angenommen werden, wenn das Verhalten des Versicherungsnehmers bzw. Antragstellers Anlass dafür gibt. Die Klägerin hat jedoch im vorliegenden Fall bis zum Eintritt des Versicherungsfalles der Beklagten zur Erteilung von Beratung keinen Anlass gegeben, weil sie über bei ihr etwa bestehende Unklarheiten hinsichtlich des Umfangs der Versicherung keine Anfrage gehalten hat.

Eine spontane Beratungspflicht wird bei der Feuerversicherung angenommen, wenn der vom Versicherungsnehmer anzugebende Versicherungswert auf der Basis der Baupreise 1914 zu ermitteln ist. Denn diese Ermittlung ist schwierig und nur für Fachleute verständlich, so dass der Versicherer den Antragsteller auf diese Schwierigkeiten hinweisen und ggf. die Zuziehung eines Sachverständigen empfehlen muss (BGH r + s 89, 59). Bei der Aufnahme eines Antrags auf Feuerversicherung ist ferner eine sachgerechte Aufklärung des Antragstellers darüber erforderlich, welche Werte (Zeitwert, Neuwert, gemeiner Wert) für die Versicherung maßgeblich sind. Erst nach dieser Aufklärung obliegt es dem Antragsteller in eigener Verantwortung, die richtigen Werte mitzuteilen (OLG Köln r + s 97, 93). Ferner muss der Versicherer auf den Zusammenhang zwischen einer bestimmten Versicherungssumme und der gewählten Versicherungsform hinweisen (OLG Hamm r + s 97, 30). Römer (VersR 98, 1319 f.) verallgemeinert diese Grundsätze dahin, dass der Versicherer, der die von ihm angebotenen Versicherungsformen am besten kennt, zur Beratung über die Vor- und Nachteile einzelner Tarife und über die Grundfragen des Unterschieds von Neuwert, Zeitwert, gemeinem Wert und gleitendem Neuwert verpflichtet ist.

Ob dieser Verallgemeinerung uneingeschränkt beigepflichtet werden kann, kann offen bleiben. Ersichtlich habe diese Beratungspflichten Bedeutung für die Ermittlung der richtigen Versicherungssumme, um eine Unterdeckung zu vermeiden. Der prinzipielle Unterschied zwischen einer Versicherung zum Zeitwert und zum Neuwert ist nach Einschätzung des Senats dagegen in seinen Grundzügen allgemein bekannt, so das der Versicherer ohne erkennbaren Anlass nicht darauf hinweisen muss, dass derartige unterschiedliche Versicherungsformen möglich sind. Dass auch der Klägerin der grundsätzliche Unterschied zwischen Zeitwert- und Neuwertversicherung geläufig war, ergibt sich bereits daraus, dass sie selbst behauptet, infolge der Hinweise auf den Rechnungen von einer Neuwertversicherung ausgegangen zu sein. Im übrigen ist dieser Unterschied in seinen Grundzügen in dem Beitragsbescheid für das Jahr 1994 erläutert. Die Beklagte konnte dem gemäß als Kenntnisstand ihrer Versicherungsnehmer voraussetzen, dass sie den grundsätzlichen Unterschied zwischen Zeitwert- und Neuwertversicherung kannten und ihnen bewusst war, dass sie ­ zu Monopolzeiten ­ auf Antrag Neuwertversicherung erhalten konnten. Unter diesen Umständen stellt der Übergang vom öffentlich-rechtlichen zum privatrechtlichen Versicherungsverhältnis kein Ereignis dar, dass der Beklagten ohne konkreten Anhalt Anlass geben musste, ihre Versicherungsnehmer darüber zu belehren, dass sie auch Versicherungsschutz in anderen Versicherungsformen erhalten konnten.

Schließlich haben auch die Prämienrechnungen für die Jahre 1996 und später bei der Klägerin nicht den Eindruck erwecken können, es bestehe nunmehr Versicherungsschutz zum Neuwert. Der Klägerin ist zuzugeben, dass die Anpreisung der Vorzüge der gleitenden Neuwertversicherung und die Bezugnahme auf allgemeine Versicherungsbedingungen wie VGB und SGlN, die nur für die gleitende Neuwertversicherung Bedeutung haben, in den Hinweisen auf der Rückseite der Rechnungen einen Versicherungsnehmer zu der Annahme bewegen können, es bestehe eine gleitende Neuwertversicherung. Ebenso missverständlich ist die nicht näher erläuterte Erhöhung der Versicherungssumme in der Rechnung des Jahres 1996 und die wiederholte Erläuterung der Prämienerhöhung durch Bezugnahme auf den gleitenden Neuwertfaktor. Ein verständiger Versicherungsnehmer wird sich aber auch sagen, dass Änderungen des Inhalts einer Versicherung in der Regel nicht ohne seine Veranlassung erfolgen, dass sie auch nicht lediglich in der Prämienrechnung, sondern in einem Versicherungsschein verlautbart werden und dass schließlich die erhebliche Ausweitung des Versicherungsschutzes von der Zeitwert- auf eine Neuwertversicherung mit einer entsprechenden Prämienerhöhung einhergehen muss. Dass die in der Rechnung für 1996 mitgeteilte Prämienerhöhung aus Anlass einer Erweiterung des Versicherungsschutzes vorgenommen sein könnte, konnte die Klägerin nicht annehmen, nachdem in den Folgejahren ohne Veränderung der Versicherungssumme und wiederum mit Bezug auf den gleitenden Neuwertfaktor die Prämie mehrfach erhöht wurde. Insbesondere gab es für die Klägerin auch keinen Anlass, die missverständlichen Hinweise und die Erhöhung der Versicherungssumme als Verbesserung des Versicherungsschutzes infolge der Beendigung des Monopols zu verstehen. Denn insbesondere die Rechnung für das Jahr 1995 stellte unmissverständlich dar, dass weiterhin nur eine Versicherung zum Zeitwert bestand. Dem gemäß konnte die Klägerin auch nicht annehmen, die Erhöhung der Versicherungssumme sei eine Folge der Beendigung des Monopols. Die Rechnung für das Jahr 1995 enthält im übrigen auf der Rückseite die selben Hinweise auf die gleitende Neuwertversicherung wie die Rechnungen der Folgejahre. Wenn aber in der Rechnung von 1995 klargestellt war, dass nach wie vor eine Zeitwertversicherung bestehe, konnten die Hinweise auf der Rückseite allenfalls noch Unklarheiten hervorrufen. Solche Unklarheiten hätten der Klägerin Anlass geben können, bei der Beklagten nachzufragen. Einem verständigen Versicherungsnehmer konnte sich aber insgesamt nicht der positive Eindruck aufdrängen, es bestehe nunmehr eine Versicherung zum Neuwert. Hat dem gemäß die Beklagte nicht den ihr zurechenbaren Anschein eines umfangreicheren Versicherungsschutzes als des tatsächlich Bestehenden erweckt, so bestand für sie ohne Rückfragen der Klägerin auch keine Pflicht, über den Inhalt des Versicherungsverhältnisses nochmals ausdrücklich zu belehren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.



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