Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 12.02.2003
Aktenzeichen: 7 U 139/00
Rechtsgebiete: ZPO, VVG, AKB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1 a. F.
VVG § 1
AKB § 12 Nr. 1
AKB § 13
AKB § 13 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 139/00

Verkündet am 12.02.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das am 4. August 2000 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 25. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung weiterer 275,69 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Februar 1998 verurteilt wird.

Die weitergehende Anschlussberufung wird unter Abweisung der Klage zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 94 % und der Kläger 6 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a. F. abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen, die unselbständige Anschlussberufung des Klägers nur geringen Erfolg.

Dem Kläger steht aus der bestehenden Teilkaskoversicherung der geltend gemachte Anspruch auf Diebstahlsentschädigung gemäß §§ 1 VVG, 12 Nr. 1, 13 AKB zu. Er hat den in der Diebstahlsversicherung erleichterten Beweis des Diebstahlsgeschehens geführt. Die vom Landgericht angehörten Zeugen V. und M. Sr., J. S., D. G. und Ge. Ke. Dg. haben übereinstimmend und glaubhaft bestätigt, dass der Zeuge V. Sr., der Bruder des Klägers, das Fahrzeug in der Nacht zum 4. August 1997 vor dem Feriendomizil am B... in U... abgestellt und es am Morgen desselben Tages dort nicht mehr vorgefunden hat, was mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf Diebstahl schließen lässt.

Demgegenüber hat die Beklagte den ebenfalls erleichterten Beweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Diebstahl des Fahrzeugs nur vorgetäuscht war, nicht geführt. Zwar ist nach den Feststellungen des vom Landgericht angehörten Sachverständigen G... davon auszugehen, dass sich unter den vom Kläger vorgelegten vier Schlüssel nur ein Originalschlüssel befand und die drei übrigen nachgefertigt worden waren, so dass zum Originalschlüsselsatz insgesamt drei Schlüssel fehlen, doch kann hieraus schon deshalb nicht auf Vortäuschung geschlossen werden, weil der Kläger das Fahrzeug im Mai 1995 gebraucht gekauft hat und unwiderlegt behauptet, lediglich die von ihm vorgelegten drei Schlüssel erhalten zu haben, den vierten Schlüssel habe sein Bruder nachfertigen lassen. Aus dem ungeklärten Verbleib der drei fehlenden Originalschlüssel kann deshalb nicht mit erheblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich mindestens einer davon im Besitz des Klägers befunden hat und benutzt worden ist, den Diebstahl nur vorzutäuschen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht auch die Tatsache, dass der vom Bruder des Klägers beschaffte Nachschlüssel unzweifelhaft im mechanischen Kopierfräsverfahren hergestellt wurde und die vorgelegten drei übrigen Schlüssel nach den vom Kläger nicht bezweifelten Feststellungen des Sachverständigen G... keinerlei Abtastspuren aufwiesen, nicht mit erheblicher Wahrscheinlichkeit dafür, dass notwendigerweise ein weiterer Schlüssel existieren müsse, der als Duplizierungsvorlage gedient habe und deshalb Abtastspuren aufweise. Diese Beweisführung setzt voraus, dass eine Duplizierung im mechanischen Abtastverfahren zwangsläufig immer am abgetasteten Schlüssel Abtastspuren hinterlässt und deshalb ausgeschlossen werden kann, dass ein Bahnenschlüssel der vorliegenden Art im Abtastverfahren spurenfrei kopiert werden kann.

Ein solches spurenfreies Kopieren im mechanischen Abtastverfahren ist jedoch unter bestimmten, im vorliegenden Fall gegebenen Voraussetzungen möglich. Aufgrund der glaubhaften Bekundung des Inhabers des Sicherheits-Fachgeschäftes Gs..., in welchem der Schlüssel ausweislich der Quittung vom 17. Juli 1997 (Bl. 15 d. A.) gefertigt worden war, steht fest, dass die Duplizierung auf einer Kopier-Fräsmaschine des Fabrikats "S... Dg..." erfolgte. Diese ist nach den Feststellungen des Sachverständigen Sc... in der Erläuterung seines am 21. August 2001 mündlich erläuterten und unter dem 8. Januar 2002 schriftlich ergänzten Gutachtens nicht mit einem scharfkantigen Abtastmeißel, sondern einem runden Abtaststift ausgerüstet, der beim Abtastvorgang die Schließkurve des Bahnenschlüssels entlang geführt wird. Es leuchtet deshalb ein, dass bei geschickter und behutsamer Führung des Abtaststiftes die runde Oberfläche in den Einschnitten der Schließkurve weder Materialaufwerfungen noch Schürfspuren in den Oberflächenstrukturen hinterlässt, und auch auf der Flanke der Schließbahn Abtastspuren nicht gezeichnet werden, da der Abtaststift kontaktfrei über die Flanke geführt wird. Es ist für den Senat deshalb nachvollziehbar und überzeugend, dass der nach seinen Angaben seit 10 oder 11 Jahren als geprüfter Sachverständiger für Werkzeug und technische Formspuren mit Schloss- und Schlüsseluntersuchungen befasste Sachverständige wiederholt festgestellt hat, dass auf Maschinen der vorliegenden Bauart im mechanischen Kopierfräsverfahren abgetastete Schlüssel entweder in einzelnen Sektoren oder aber auch gänzlich spurenfrei geblieben sind, so dass das Fehlen von Abtastspuren nicht den Schluss erlaubt, dass kein Kopiervorgang stattgefunden habe, sondern auch der Schluss möglich ist, dass ein Kopiervorgang stattgefunden, aber keine Spuren gezeichnet hat. Diese Erkenntnis besteht, wie der Sachverständige in seiner schriftlichen Gutachtenergänzung durch mehrere Quellen und Veröffentlichungen belegt hat, seit Jahren, so dass sie nach Überzeugung des Senats nicht als bloße Einzelmeinung des Sachverständigen Sc... angesehen werden kann.

Entgegen der in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal dargelegten Auffassung der Beklagten war davon abzusehen, mit der bei der Fa. Gs... nach wie vor eingesetzten Kopierfräsmaschine "S... Dg..." durch Kopierversuche zu testen, ob ein spurenfreies Abtasten erzielbar ist oder nicht. Der Senat folgt der im mündlichen Gutachten vom 21. August 2001 (Bl. 319 d. A.) dargelegten Einschätzung des Sachverständigen Sc..., nach welcher es nicht sinnvoll ist, derartige Versuchsreihen zu starten, weil jeder einzelne Abtastvorgang von dem anderen deutlich unterschieden und damit eine Vergleichbarkeit nicht sichergestellt ist. Selbst wenn einem Bediener der Maschine heute ein spurenfreies Abtasten nicht gelänge, könnte der Senat nicht als bewiesen ansehen, dass im Jahre 1997 an dieser Maschine eine spurenfreie Duplizierung nicht stattgefunden hat und deshalb ein weiterer Schlüssel in der Hand des Klägers gewesen sein müsse. Nur wenn die Beklagte hierfür den Vollbeweis hätte führen können, käme ihr die Beweiserleichterung dahin zugute, dass das Verschweigen eines weiteren vorhandenen Schlüssels mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf Vortäuschung deutet.

Die Beklagte ist auch nicht wegen Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit oder wegen Verschweigens von Vorschäden leistungsfrei. Insoweit folgt der Senat der zutreffenden Begründung des Landgerichts und verweist auf die Darlegungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (§ 543 Abs. 1 ZPO a. F.).

Der Wiederbeschaffungswert des zu entschädigenden Fahrzeugs beläuft sich nach den überzeugenden und von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen S... auf 28.600.- DM. Hiervon sind jedoch bedingungsgemäß wegen Fehlens einer Wegfahrsperre ein Betrag von 2.860.- DM (= 10 %), sowie der vereinbarte Selbstbehalt von 300 DM abzusetzen und die nach § 13 Abs. 5 AKB zu erstattenden Sachverständigenkosten von 150 DM (vgl. hierzu BGH in VersR 1998.179) hinzuzusetzen, sodass der Kläger insgesamt Anspruch auf Zahlung von 25.590 DM bzw. 13.083,96 Euro hat.

Da das Landgericht lediglich 25.050,80 DM zugesprochen hat, war die Berufung zurückzuweisen und auf die Anschlussberufung des Klägers wie erkannt mit den Nebenfolgen aus §§ 286, 288 BGB, 92 Abs. 1, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO zu entscheiden.

Ende der Entscheidung

Zurück