Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 16.08.2000
Aktenzeichen: 7 U 139/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 811 Nr. 5
ZPO § 543
BGB § 992
BGB § 823
Da im Bäckereigewerbe Öfen zur Herstellung von Brot und Backwaren für die Berufsausübung notwendig und prägend sind, kann ihre Unpfändbarkeit nicht mit der Begründung verneint werden, die Nutzung der Öfen habe zu einer kapitalistischen Arbeitsweise geführt, die § 811 Nr.5 ZPO unanwendbar mache. Veräußert der Vermieter in vermeintlicher Ausübung eines in Wahrheit nicht entstandenen Vermieterpfandrechts die Öfen freihändig, stellt dies eine verbotene Eigenmacht sowie eine zum Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlung dar.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 139/99

2/20 O 35/99 LG Frankfurt am Main

Verkündet am 16.8.2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.06.1999 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 30.696,67 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 04.10.1998 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen; die Berufung wird im übrigen zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte ist mit 30.696,67 DM beschwert.

Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat auch Erfolg.

Der Kläger kann von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe des geforderten Betrages gemäß §§ 992, 823 BGB verlangen, da er sich durch die Veräußerung beider Öfen den Besitz hieran durch verbotene Eigenmacht verschafft hat und damit dem Kläger einen Schaden jedenfalls in Höhe des erzielten Verkaufserlöses zugefügt hat. Aufgrund des unstreitigen Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass der Kläger nach Zahlung aller Raten an den Lieferanten der Öfen und aufgrund des Sicherungsübereignungsvertrages mit dem Streitverkündeten schließlich das Sicherungseigentum an den Öfen erlangt hat. Der erwähnte Vertrag vom 28. Mai 1994 hatte zwar zunächst noch nicht zur Folge, dass der Kläger Sicherungseigentum erlangen konnte, weil zum damaligen Zeitpunkt noch die Lieferantin der Öfen, die Firma Backofenbau in A., sich das Eigentum bis zur Zahlung der letzten Rate vorbehalten hatte, was unstreitig auch der Kläger wußte, so dass schon deshalb auch ein Eigentumserwerb des Klägers kraft guten Glaubens ausschied. Der Senat würdigt die Vereinbarung vom 28. Mai 1994 dahin, dass der Streitverkündete als Vorbehaltskäufer und der Kläger sich darüber geeinigt hatten, dass der Streitverkündete als Berechtigter das ihm zustehende Anwartschaftsrecht an den Öfen überträgt und, nicht als eine Verfügung des Streitverkündeten als Nichtberechügter über die nicht in seinem Eigentum stehenden Öfen, nach der ein Eigentumserwerb des Klägers erst im Zeitpunkt der Zahlung der letzten Kaufpreisrate an die Lieferantin der Öfen gewollt war (§ 185 Abs. 2 Satz 1 BGB). Eine solche rechtliche Konstruktion sieht der Senat als gekünselt an und geht davon aus, dass es dem Willen der Parteien allein entsprach, dass der Streitverkündete als Berechtigter über das Anwartschaftsrecht verfügte (vgl. auch BGHZ 28, 16 (22); BGHZ 35, 85 (87); BGH LM § 929 BGB Nr. 1 1; Raiser "Dingliche Anwartschaften", 1961, S. 23; Serick "Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung", Bd. 1 § 11 III 1; Münchener Kommentar "Bürgerliches Gesetzbuch", § 455 Rdn. 57 m. w. N.; Staudinger-Honsell "Bürgerliches Gesetzbuch", 13. Aufl., § 455 Rdn. 38).

Durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Vereinbarung des Klägers mit dem Streitverkündeten lassen sich nicht daraus herleiten, dass die danach vorliegende Übertragung des Anwartschaftsrechtes der Sicherung einer Forderung des Klägers lediglich 30.000,00 DM bei einem Verkehrswert der Öfen von 184.000,00 DM diente. Hieraus kann nicht gefolgert werden, dass die Übertragung wegen einer Übersicherung nach § 138 Abs. 1 oder Abs. 2 nichtig gewesen ist. Da der Sicherungsgeber bei einer deutlichen Übersicherung entweder aufgrund einer Auslegung des Sicherungsvertrages oder nach § 242 BGB einen gesetzlichen Freigabeanspruch hat, kann eine Übersicherung allein nicht ausreichend sein, hierauf die Annahme einer Nichtigkeit der Vereinbarung zu stützen (vgl. BGHZ 124, 371 (375); BGH BB 1995, 556 (558), BGH NJW 1994, 1796 (1797); OLG Hamm NJW 1994, 2623). Auch die weiteren Umstände der Vereinbarung vom 28. Mai 1994 erlauben nicht die Feststellung, dass eine Nichtigkeit anzunehmen ist. Sowohl die Tatsache, dass es sich um eine Vereinbarung zwischen nahen Angehörigen handelte, die Übertragung des Anwartschaftsrechtes geeignet war, im Falle des geschäftlichen Scheiterns des Neffen des Klägers es dem Kläger zu ermöglichen, den Zugriff von Gläubigern des Streitverkündeten abzuwehren und die Öfen selbst für den eigenen Gewerbebetrieb einzusetzen, genügt nicht, hierauf die Feststellung einer Nichtigkeit wegen gewollter Schädigung von Gläubigem des Streitverkündeten zu stützen, da das Sicherungsinteresse des Klägers die Wahl dieser Gestaltungsform rechtfertigte, deren Nachteile für Dritte durch den bestehenden Freigabeanspruch gemindert wurden. Die freihändige Veräußerung der Ofen durch den Beklagten stellte sich damit als Verletzung des inzwischen dem Kläger zustehenden Eigentums dar, wobei sich der Beklagte darüber hinaus durch verbotene Eigenmacht gegenüber dem Kläger in den Besitz der Öfen gesetzt hatte. Die Veräußerung der Öfen stellte sich damit auch als deliktisches Verhalten gemäß §§ 823, 992 BGB dar. Dieses Verhalten ist nicht durch ein dem Beklagten zustehendes Vermieterpfandrecht gerechtfertigt. Der Senat braucht nicht dazu Stellung zu nehmen, ob die Entstehung eines Vermieterpfandrechtes des Beklagten daran scheiterte, dass bereits vor Einbringung der Öfen in die Mieträume der Beklagte ein Anwartschaftsrecht hieran erworben hatte, damit die Öfen nicht von dem Vermieterpfandrecht erfaßte Sachen des Mieters darstellten (vgl. auch Sehck a.a.0. Bd. 2, 13; Vortmann ZIP 1988, 626 (627); Weber-Rauscher NJW 1988, 1571). Das bedarf deshalb keiner Klärung, weil jedenfalls zum Zeitpunkt der Übertragung des Anwartschaftsrechtes auf den Kläger die Öfen deshalb nicht dem Vermieterpfandrecht unterfielen, weil sie damals unpfändbare Sachen waren (§ 559 S. 3 BGB in Verbindung mit §§ 811 Nr. 5 ZPO). Der Senat geht allerdings davon aus, dass gegen die Entstehung des Vermieterpfandrechts nicht mit Aussicht auf Erfolg eingewandt werden kann, dass im Zeitpunkt der Einbringung der Öfen der Mieter des Beklagten noch nicht deren Eigentümer gewesen ist. Da ein Vermieterpfandrecht auch an Anwartschaftsrechten möglich ist, sich nach Eintritt der Bedingung für die Entstehung des Vollrechtes entsprechend § 1287 BGB als Pfandrecht an diesem fortsetzt, hätte dies noch kein durchgreifendes Bedenken gegen die Annahme der Entstehung eines Vermieterpfandrechtes begründet (vgl. BGH NJW 1965,1475; Reinicke MDR 1959, 613 (615); von Lübtow JuS 1963, 171 (175); Brox JuS 1984, 657 (663).

Zum Zeitpunkt der Übertragung des Anwartschaftsrechtes auf den Kläger stellten die Öfen unpfändbare Sachen im Sinne des § 811 Nr. 5 ZPO dar, so dass an ihnen kein Vermieterpfandrecht entstehen konnte (§ 559 S- 3 BGB). Sie stellten Gegenstände dar, die es dem Schuldner ermöglichten, seine Arbeitskraft für sich und seine Familie einzusetzen, ihm erlaubten, im Wettbewerb bestehen zu können und deren Einsatz branchenüblich und notwendig ist (vgl. auch BGH NJW 1993, 921 (922); Stein-Jonas-Münzberg "ZPO", 21. Aufl., § 811 Rdn. 42; Schuschke/Walker ZPO", § 811 Rdn. 25). Da der Ein- satz von Öfen zur Herstellung von Brot und Backwaren im Bäckereigewerbe einerseits üblich, andererseits prägend für die Berufsausübung die Tätigkeit des Bäckers ist, kann eine Unpfändbarkeit der Ofen auch nicht mit der Begründung verneint werden, die Nutzung der Öfen habe zu einer kapitalistischen Arbeitsweise geführt, die zur Unanwendbarkeit des § 811 Nr. 5 ZPO geführt habe (vgl. auch Münchener Kommentar - Schilken ZPO", § 811 Rdn. 27; Stein-Jonas-Münzberg a.a.0. § 811 Rdn. 46; Zöller-Stöber ZPO", 21. Aufl., § 811 Rdn. 25). Der Senat kann es offen lassen, ob nach der behördlichen Untersagung der Berufstätigkeit des Streitverkündeten die Öfen nicht mehr als unpfändbare Sachen anzusehen gewesen sind, weil nunmehr der Schutzzweck des § 811 Nr. 5 ZPO entfallen war. Das bedarf deshalb keiner Klärung, weil die Übertragung des Anwartschaftsrechtes auf den Kläger und der mit der Zahlung der letzten Rate an den Lieferanten der Öfen erfolgte Erwerb des Eigentums an diesen in der Person des Klägers erfolgt ist. Damit stand dem Beklagten kein rechtfertigender Grund für eine freihändige Veräußerung der Öfen mehr zu. Damit kam es auch nicht darauf an, ob die freihändig erfolgte Veräußerung der Öfen auch deshalb rechtswidrig war, weil sie nicht unter Beachtung der §§ 1233 ff. BGB erfolgt ist, insbesondere nicht im Wege einer öffentlichen Versteigerung (§ 1235 Abs. 1 BGB).

Zinsen kann der Kläger nur in gesetzlicher Höhe beanspruchen, da er die bestrittene Inanspruchnahme von Bankkredit zu dem behaupteten Zinssatz nicht nachgewiesen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 11 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Bemessung der Beschwer orientiert sich am Ausmaß des Unterliegens des Beklagten in der Berufung.

Ende der Entscheidung

Zurück