Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.03.2002
Aktenzeichen: 7 U 140/2001
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO


Vorschriften:

ZPO § 241 Abs. 1
ZPO § 81
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 11
ZPO § 711
EGZPO § 26 Nr. 8
Auch in einem dem Anwaltszwang unterliegenden Rechtsstreit können die Parteien persönlich eine materiellrechtlich verbindliche Vereinbarung über die Rücknahme der Klage treffen. Wird die Klage, zu deren Rücknahme sich der Kläger verpflichtet hat, vereinbarungswidrig fortgeführt, ist die Klage auf entsprechenden Einwand des Gegners als unzulässig abzuweisen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. Mai 2001 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn ihrer Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das Urteil beschwert den Kläger mit 94.638,55 EUR.

Tatbestand:

Der Kläger hat mit der Beklagten am 19. und 26.10.1998 über den Betrieb von 29.500 Hemden, die der Kläger erworben hatte, verhandelt. Die Beklagte hat diese Hemden zum Stückpreis von 10,50 DM zuzüglich Mehrwertsteuer verkauft, wobei Lieferung und Verpackung an den Kunden der Beklagten der Kläger übernommen hatte. Die Beklagte erlöste bei ihrem Kunden nach Abzug eingeräumter Skonti 326.014,44 DM.

Die Parteien schlossen am 2.3.1999 nach Klageerhebung eine Vereinbarung, gemäß deren Ziff. 1 die Parteien sich über alle Streitpunkte bezüglich Inhalt und Abwicklung der Vereinbarung vom 26.10.1998 geeinigt hatten und gemäß deren Ziff. 2 der Kläger sich unter anderem verpflichtete, die vorliegende Klage zurückzunehmen. Am selben Tage erhielt der Kläger von der Beklagten fünf vordatierte Schecks mit einer Gesamtsumme von 90.000,00 DM, nachdem die Beklagte zuvor bereits 40.000,00 DM an den Kläger bezahlt hatte.

Der Kläger behauptet, mit der Beklagten sei vereinbart worden, dass sie pro verkauftes Hemd 0,50 DM Provision erhalte, der Erlös aus dem Verkauf aber ihm, dem Kläger, zustehe. Die Vereinbarung vom 2.3.1999 sei unbestimmt und unwirksam. Der Kläger hat diese Vereinbarung angefochten. Jedenfalls sei vereinbart worden, dass dem Kläger die gesamte Klageforderung bezahlt werde. Vorher sei er nicht verpflichtet, die Klage zurückzunehmen. Die Schecks seien ihm nur zur Sicherheit gegeben worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihn 271.264,44 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 17.2.1999 abzüglich geleisteter 86.167,53 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, sie habe mit dem Kläger vereinbart, an ihn 3,50 DM pro Hemd zu bezahlen. Der Weiterverkauf der Ware sei aber auf ihren, der Beklagten, Namen, und ihre Rechnung gegangen. Gegenstand der Vereinbarung vom 2.3.1999 sei gewesen, dass der Kläger, wie geschehen, die Beträge aus den vordatierten Schecks erhalte und die Klage zurücknehme.

Das Landgericht hat über den Inhalt der den Verkauf der Hemden betreffenden Vereinbarung Beweis erhoben. Aufgrund der Beweisaufnahme ist es zu der Überzeugung gelangt, dass die Behauptungen des Klägers über die bezüglich der Hemden getroffenen Vereinbarungen zutreffen. Es hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Am 18.1.2001 ist die Beklagte, nachdem ein gegen sie gerichtetes Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet worden ist, wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht worden.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Zur Begründung der Berufung führt die Beklagte an, das Landgericht habe zu Unrecht die Vereinbarung vom 2.3.1999 nicht berücksichtigt. Außerdem rügt die Beklagte die Beweiswürdigung des Landgerichts.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Die Bedenken des Klägers gegen die Parteifähigkeit der Beklagten und gegen ihre ordnungsgemäße Vertretung im Prozess sind unbegründet. Trotz ihrer Löschung im Handelsregister ist die Beklagte in dem zur Zeit ihrer Löschung anhängigen Prozess als parteifähig anzusehen. Denn nicht die Löschung als solche, sondern zusätzlich die Vermögenslosigkeit führen zum Ende der Parteifähigkeit. Solange aber aufgrund eines anhängigen Verfahrens die Möglichkeit besteht, dass die gelöschte Gesellschaft bei einem Obsiegen in dem anhängigen Verfahren einen Kostenerstattungsanspruch erlangt, kann sie nicht als vermögenslos behandelt werden. Dass infolge der Löschung das Amt des Geschäftsführers der Beklagten erloschen sein mag, ist im vorliegenden Anwaltsprozess bedeutungslos. Dass die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers endet, führt nach § 241 Abs. 1 ZPO zur Unterbrechung des Verfahrens, es sei denn, es handelt sich um einen Anwaltsprozess, § 246 Abs. 1 ZPO. Daraus ergibt sich, dass der Prozess auch ohne Rücksicht auf das Fehlen eines gesetzlichen Vertreters fortgesetzt werden kann und die Partei insoweit durch den Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß vertreten bleibt. Dass die Löschung vor Einlegung der Berufung erfolgt ist, begründet gleichfalls keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Vollmacht des für die Berufungsinstanz bestellten Prozessbevollmächtigten. Denn die Prozessvollmacht des erstinstanzlich bevollmächtigten Rechtsanwalts umfasst die Befugnis, der Partei einen Prozessbevollmächtigten für die Rechtsmittelinstanz zu bestellen, § 81 ZPO.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, weil die von dem Kläger weiter verfolgte Klage unzulässig geworden ist, nachdem er sich verpflichtet hatte, die Klage zurückzunehmen. Bedenken an der Wirksamkeit dieser Vereinbarung bestehe nicht.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Parteien eines dem Anwaltszwang unterliegenden Rechtsstreits materiellrechtlich bindende Vereinbarungen über die Zurücknahme von Klagen auch persönlich treffen können. Der für Prozesshandlungen bestehende Anwaltszwang beschneidet eine geschäftsfähige Person nicht in ihrer Möglichkeit, durch Vertrag mit dem Prozessgegner Verpflichtungen über ihr Prozessverhalten einzugehen. Hält sie sich nicht an eine in dieser Hinsicht wirksam eingegangene Verpflichtung, kann der Vertragspartner diesen Wege der Einrede geltend machen. Wenn eine Partei vereinbarungswidrig eine Klage, zu deren Rücknahme sie sich verpflichtet hat, fortführt, ist die Klage auf den entsprechenden Einwand des Gegners als unzulässig abzuweisen (BGH Urteil vom 13.2.1989 II ZR 110/88 BGHR ZPO § 269 Vereinbarung 1; BGH NJW 64, 549 f.; Zöller-Greger ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rdn. 32; § 269 Rdn. 3).

Der Senat, der dieser Rechtsprechung folgt, hat aufgrund der vorgelegten schriftlichen Vereinbarung keine Zweifel, dass sich der Kläger verpflichtet hat, die Klage zurückzunehmen. Die Vereinbarung ist inhaltlich nicht unbestimmt. Die Parteien haben auch eindeutig vorgetragen, welches nach ihrer Behauptung der Inhalt der allgemein gehaltenen Ziff. 1 der Vereinbarung sein sollte. Aufgrund dessen steht jedenfalls fest, dass sich der Kläger verpflichtet hat, die Klage zurückzunehmen. Zweifelhaft kann nur sein, ob er verpflichtet war, die Klage Zug um Zug gegen Erbringung einer noch ausstehenden Gegenleistung zurücknehmen musste. Da aber der Kläger entgegen einer urkundlich ohne Einschränkungen vereinbarten Pflicht zur Klagerücknahme ein Gegenrecht geltend machen will, ist er beweisbelastet für den Umstand, dass das Gegenrecht besteht (Baumgärtel- Strieder, § 320 BGB Rdn. 1, 2). Es steht damit zu seiner Beweislast, dass die Streitbeilegung anlässlich der Vereinbarung am 2.3.1999 darin bestand, dass er sich zur Klagerücknahme nur Zug um Zug gegen Begleichung der gesamten Klageforderung durch die Beklagte bereiterklärt hat. Für diese Behauptung hat der Kläger aber keinen Beweis angetreten.

Die weiteren von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in dem Schriftsatz vom 27.4. 1999 gegen die Wirksamkeit der Vereinbarung vom 2.3.1999 vorgebrachten Einwände sind unbegründet. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger getäuscht worden ist. Auch für eine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung gibt es keine Anzeichen, ebenso wenig dafür, dass die Beklagte eine geschäftliche Unerfahrenheit des Klägers in sittenwidriger Weise ausgenutzt haben sollte.

Es steht auch fest, dass die Beklagte den Teil der Vereinbarung, den sie selbst zugestanden hat, nämlich die Zahlung weiterer 90.000,00 DM, erfüllt hat. Die entsprechende Behauptung der Beklagten hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in erster Instanz zugestanden. Ihr entspricht auch der zuletzt gestellte Antrag des Klägers.

Demgemäß war auf die Berufung der Beklagten die Klage als unzulässig abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Festsetzung der Beschwer erfolgte im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EGZPO.



Ende der Entscheidung

Zurück