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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 19.03.2003
Aktenzeichen: 7 U 150/02
Rechtsgebiete: ZPO, AGBG, BGB
Vorschriften:
ZPO § 314 | |
ZPO § 529 | |
AGBG § 9 | |
BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 19.03.2003
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15.8.2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts steuerte die Klägerin ihren bei der Beklagten kaskoversicherten Jetski am 16.6.1999 an der istrischen Küste gegen einen unter der Wasserlinie befindlichen Felsen, wobei der Bootskörper einen Riss von ca. 13 cm Länge erlitt. Das Fahrzeug kenterte; der Motor sprang nach dem Wideraufrichten nicht wieder an. Da für den 17.6.1999 die Heimreise nach Deutschland geplant war, wurde der Jetski verladen, ohne der Fehlfunktion des Motors weiter nachzugehen. Der Ehemann der Klägerin, der Zeuge K. O., brachte ihn am 20.6.1999 zur Vertragswerkstatt in R.. Die alsbaldige Untersuchung dort ergab, dass zwei der drei Kolben von eingedrungenem Salzwasser beschädigt und festgerostet waren. Die Beklagte hat nur die zur Reparatur des Rumpfschadens erforderlichen Kosten abzüglich der Selbstbeteiligung erstattet.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Erstattung auch der zur Erneuerung des Motors ihres Jetski erforderlichen Kosten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin den Jetski durch das Anfahren einer ihr unbekannten Bucht grob fahrlässig auf den Felsen gesteuert und dabei die Kenterung, die Ursache für das Eindringen des Salzwassers in den Motorraum gewesen sei, verursacht habe. Grob fahrlässig sei es auch, nicht sofort den im Handbuch gegebenen Hinweisen für den Fall des Eindringens von Wasser in den Motor nachzugehen. Wäre dies geschehen, hätte die Klägerin leicht erkennen können, dass Wasser in den Motor eingedrungen sei. Dies habe man durch einfache Handgriffe beheben und damit den Schaden vermeiden können.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.
Die Klägerin greift zunächst die Feststellung des Landgerichts an, sie selbst habe am 16.6.99 den Jetski gesteuert. Diese Feststellung widerspreche ihrem unter Beweis gestellten Vortrag im Schriftsatz vom 16.2.2001, wonach ihr Ehemann das Fahrzeug gesteuert habe (Bl. 76). Im übrigen sei das Einhalten einer Restgeschwindigkeit von 5-6 km/h, ohne die der Jetski nicht gesteuert werden könne, ebensowenig grob fahrlässig wie das Ansteuern einer unbekannten Bucht bei trübem Wasser in größerer Uferentfernung, denn der gesamte Küstenbereich um Rabac sei ein beliebtes Wassersportgebiet, die Nutzung der ufernahen Gewässer sei uneingeschränkt gestattet, Warnhinweise würden weder allgemein noch bezogen auf den Unfallort erteilt, gerade die angesteuerte Bucht hätten auch andere Urlauber mit Jetskis befahren. Die vielfache ähnliche Nutzung durch andere Urlauber habe der Klägerin den Eindruck vermitteln müssen, dass dies gefahrlos möglich sei. Der Unfall sei daher bei einer bestimmungsgemäßen Nutzung unter üblichen Nutzungsbedingungen erfolgt. Die Verwirklichung eines solchen typischen Schadensrisikos könne nicht grob fahrlässig sein.
Unzutreffend sei auch, dass das Landgericht der Klägerin vorhalte, sie habe gewarnt sein müssen, weil es wenige Tage vorher bereits zu einem ähnlichen Unfall gekommen sei. Denn dabei habe es sich nur darum gehandelt, dass der Jetski beim Versuch des Anlandens im Hafenbereich von einer Welle gegen einen am Ufer befindlichen Fels gedrückt worden und dabei einen unbedeutenden Riss am Bug erhalten habe, der mit einer Reparaturpaste wieder geflickt worden sei. Schließlich stelle das Landgericht überzogene Anforderungen an einen Versicherungsnehmer, wenn es verlange, dass die Klägerin damit habe rechnen müssen, dass Wasser in den Motor eingedrungen sei. In weiten Teilen der Bevölkerung bestünden entsprechende Vorstellungen nicht. Ebensowenig wie der Halter eines PKW müsse derjenige eines Jetski über dessen innere technische Funktionsweise unterrichtet sein. Jedenfalls habe auch die Klägerin bzw. ihr Mann nach dem Anlanden des Jetski kein in den Motorraum eingedrungenes Wasser festgestellt. Schließlich habe die Klägerin, indem sie bzw. ihr Mann den Jetski in die Fachwerkstatt gebracht hätten, und zwar nur vier Tage nach dem Unfall und verzögert nur durch die Heimreise, auch nicht nachlässig gehandelt, zumal sie auch nicht habe wissen müssen, dass infolge des eingedrungenen Seewassers ein gravierender Schaden am Motor bereits nach wenigen Tagen eintreten könne. Am Urlaubsort sei, soweit für sie erkennbar, eine Fachwerkstatt nicht vorhanden gewesen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Zwar liegt entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht ein Versicherungsfall auch vor, soweit der Motor infolge des eingedrungenen Salzwassers unbrauchbar geworden ist.
Die Wassersportfahrzeug-Kaskoversicherung ist eine Allgefahrenversicherung mit ausdrücklich in den Bedingungen aufgeführten Einschränkungen. Danach haftet der Versicherer für Schäden an der Maschinenanlage u.a. nur, wenn sie durch Unfall des Fahrzeugs verursacht worden sind. Der Versicherer leistet ferner keinen Ersatz für Schäden, verursacht durch Rost, Oxydation etc. Im vorliegenden Fall steht fest, dass Salzwasser in die Verbrennungsräume zweier Zylinder eingedrungen ist, und zwar über den Luftfilter, den Vergaser und offenstehende Ventile. Ursache dafür muss das Aufrichten des Jetski entgegen der vorgeschriebenen Richtung nach der Kenterung gewesen sein, wodurch Wasser in das Ansaugrohr gelangt ist. Da eine Kenterung infolge einer Grundberührung nicht zum gewöhnlichen Betrieb eines Jetski gehört, handelt es sich um einen Unfall, der letztlich zum Eindringen des Wassers in den Motor geführt hat. Der Ausschlussgrund des "Röstens" greift dagegen nur ein, wenn und soweit es sich bei den in dieser Klausel erwähnten Zersetzungs- und Verschleißprozessen um gewöhnliche, mit dem Betrieb des Fahrzeugs verbundene Vorgänge ohne Unfalleinwirkung handelt.
Nach Nr. 8 der hier vereinbarten AVB Wassersportfahrzeuge 1985 ist der Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer, der Fahrzeugführer oder ein Insasse den Schaden grob fahrlässig herbeiführt, leistungsfrei.
In der Berufungsinstanz ist davon auszugehen, dass die Klägerin, die Versicherungsnehmerin, den Jetski zum Unfallzeitpunkt selbst gesteuert hat. Die Klägerin bestreitet in der Berufungsinstanz zwar, das Fahrzeug bei dem Unfall geführt zu haben. Einen zulässigen Berufungsangriff gegen die Feststellung des Landgerichts, die Klägerin sei gefahren, hat die Klägerin aber nicht erhoben. Das Landgericht hält ausdrücklich schon im Tatbestand als unstreitig fest, dass die Klägerin gefahren ist. Dass diese Angabe in den Entscheidungsgründen nochmals aufgegriffen wird, macht sie nicht zu einer Feststellung im Sinne von § 529 ZPO, deren Bindungswirkung von etwaigen Zweifeln an ihrer Richtigkeit oder verfahrensfehlerfreiem Zustandekommen abhinge. Es handelt sich vielmehr unverändert um eine bloße Wiedergabe unstreitigen Parteivorbringens. Dessen Bindungswirkung beruht aber auf § 314 ZPO; darin enthaltenes Parteivorbringen kann nicht mit den die Bindungswirkung gemäß § 529 ZPO beseitigenden Rügen angegriffen werden. Der Tatbestand des angefochtenen Urteils ist auch nicht widersprüchlich. Er nimmt zwar Bezug auf den übrigen Inhalt der Schriftsätze. Er wird aber nicht dadurch widersprüchlich, dass im Schriftsatz vom 16.2.2001 der Ehemann der Klägerin als Fahrer bezeichnet ist. Denn die ausdrückliche Angabe im Tatbestand geht der nur ergänzenden Bezugnahme insoweit vor und besagt, dass in der letzten mündlichen Verhandlung anders als im Schriftsatz vom 16.2.2001 vorgetragen worden ist. Dafür bietet auch der Schriftsatz vom 16.3.2001 ausreichenden Anhalt, denn dort heißt es, die Klägerin habe in Begleitung der Zeugen die Bucht angesteuert (Bl. 94 d.A.). Das Bestreiten, gefahren zu sein, ist daher neues Vorbringen, für dessen Zulässigkeit nichts ersichtlich ist. Auch eine Tatbestandsberichtigung kann jetzt nicht mehr erfolgen.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist es daher unerheblich, dass die Klausel Nr. 8 der hier vereinbarten Versicherungsbedingungen, soweit sie dem Versicherungsnehmer grobfahrlässiges Verhalten des Fahrzeugführers, auch wenn er nicht Repräsentant des Versicherungsnehmers ist, zurechnet, gemäß § 9 AGBG bzw. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sein dürfte, weil darin eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers liegt (OLG Karlsruhe VersR 1999,1237 mNw.; vgl. auch OLG Köln OLGR 2000, 219).
Das Auffahren auf den Felsen erfolgte auch grob fahrlässig.
Jeder Schiffsführer muss sich vor dem Befahren eines unbekannten Reviers über örtliche Besonderheiten kundig machen. Er muss wissen, ob in dem Gebiet, das er befahren will, mit Untiefen zu rechnen ist. Im allgemeinen wird sich ein Schiffsführer zu diesem Zweck einer Seekarte bedienen oder die Auskunft verlässlicher, ortskundiger Personen einholen. Kann ein Wasserfahrzeug mangels Ausrüstung unbekannte Tiefen nicht ausloten und ist das Wasser so trübe, dass Felsen u.a. auch nicht erkannt werden können - was ohnehin allenfalls bei sehr langsamer Fahrt als ausreichende Vorsicht in Frage käme - und können wegen der Eigenart des Fahrzeugs Seekarten nicht mitgeführt werden, dürfen unbekannte Gewässer nicht befahren werden. Denn der Schiffsführer würde es andernfalls dem bloßen Zufall überlassen, ob er eine ausreichende Wassertiefe vorfindet oder nicht. Auf das Fehlen von Warnungen und das Nichtvorhandensein von Markierungstonnen kann sich niemand verlassen, zumal in Bereichen, die von der Berufsschifffahrt nicht genutzt werden, ohnehin mit derartigen Hinweisen in der Regel nicht zu rechnen ist. Auch der Umstand, dass eine Wasserfläche von ähnlichen Sportbooten befahren wird, entlastet den Schiffsführer nicht, denn es kann sich bei den anderen Fahrzeugen entweder um ebenso leichtsinnige Schiffsführer handeln oder aber um solche, die sich ortskundig gemacht haben und deshalb etwa vorhandene Untiefen vermeiden können (vgl. dazu OLG Bremen VersR 1977, 913; OLG Frankfurt VersR 1988, 243; OLG Köln OLGR 2000, 219). Diese Sorgfaltsanforderungen übersteigen weder das von jedem Führer eines Wassersportfahrzeugs zu fordernde Maß an Sorgfalt noch stellen sie besonders hohe Anforderungen. Sie sind im Gegenteil elementar und gehören zu den selbstverständlichen Grundregeln, die ein verantwortlicher Schiffsführer einhalten muss. Für ein nur zu Freizeitzwecken genutztes Fahrzeug gelten insoweit keine milderen Maßstäbe.
Der Umstand, dass das Verrosten des Motors mit der Kenterung als solcher noch nicht vollendet war, ist ohne Bedeutung. Die für den Eintritt des Versicherungsfalls entscheidende Kausalkette, die das vorschriftswidrige Aufrichten und das dadurch ermöglichte Eindringen von Wasser in die Kolben umfasst, ist dadurch angestoßen worden.
Grob fahrlässig war auch das Unterlassen von Schutzmaßnahmen nach dem Eindringen des Wassers. Zum selbstverständlichen Mindestbestand des Wissens des Betreibers eines mit einem Motor ausgerüsteten Wasserfahrzeugs gehört, dass in den Motor eingedrungenes Salzwasser den Motor in höchste Gefahr schwerer Korrosionsschäden bringt. Die der Klägerin bekannten Umstände ließen es als ernsthaft möglich erscheinen, dass Wasser in den Motor eingedrungen war. Denn der Motor lief bis zur Kenterung ohne Störung und sprang danach nicht mehr an. Selbst einem Laien drängt sich bei einem derartigen Ereignis die naheliegende Vermutung auf, die Störung könne darauf beruhen, dass Wasser in den Motor eingedrungen ist, da für eine mechanische, mit dem Aufprall auf den Felsen zusammenhängende Beschädigung des Motors keine Hinweise vorhanden waren und die Elektrik noch funktionierte. Letzteres steht aufgrund der Aussage des Zeugen K. O., der bekundet hat, der Anlasser habe funktioniert, fest. Dass die Klägerin bei einer Inspektion des Motorraums in der Bilge kein Wasser festgestellt haben will, zeigt, dass auch sie mit der Möglichkeit rechnete, es sei Wasser in den Motor eingedrungen.
Deshalb bestand für die Klägerin dringender Anlass, sich mit den Folgen eines solchen Ereignisses zu beschäftigen, und, wenn sie keine ausreichende Sachkenntnis hatte, das Handbuch zu Rate zu ziehen. Im Handbuch wird für den hier vorliegenden Fall, dass der Motor nicht anspringt, obwohl sich der Anlassermotor dreht, als eine mögliche Ursache beschrieben, dass Wasser in das Kurbelgehäuse eingedrungen sein könnte und zugleich auf weiterführende Hinweise Bezug genommen. In diesen weiterführenden Hinweisen werden einige wenige, einfache Handgriffe beschrieben, mit denen eingedrungenes Salzwasser aus den Kurbelgehäuse entfernt werden kann. Am Ende dieser Hinweise wird dazu aufgefordert, selbst nach Vornahme der vorgenannten Selbsthilfe sobald als möglich das Fahrzeug inspizieren zu lassen. Auch in dem Abschnitt über ein gekentertes Fahrzeug wird empfohlen, das Fahrzeug nach dem Anlassen des Motors an Land zu fahren und den Motor auf Wasserschäden überprüfen zu lassen. Diese naheliegenden Überlegungen, die von einem sorgfältigen Sportbootführer erwartet werden müssen, hat die Klägerin nicht angestellt. Dass die Klägerin bei der Inspektion des Motorraums kein Wasser feststellte, entband sie nicht von diesen Pflichten. Denn sie musste sich sagen, dass damit die Möglichkeit eines Wasserschadens am Motor nicht auszuschließen war, zumal in den Motorraum eingedrungenes Wasser, nachdem der Jetski an Land gezogen war, ebenso gut durch den Riss im Rumpf wieder abgelaufen sein konnte. Sie konnte sich auch nicht auf eine Inspektion in der Fachwerkstatt nach der Heimreise verlassen, sondern musste umgehend eine Werkstatt suchen, die an der dalmatischen Küste bei entsprechendem Bemühen sicherlich gefunden werden konnte, und erforderlichenfalls die Heimreise um einen Tag verschieben. Diese Notwendigkeit wäre der Klägerin, wenn sie die Hinweise des Handbuchs überhaupt zur Kenntnis genommen hätte, auch ohne weiteres bewusst geworden. Denn die Notwendigkeit einer Inspektion wird dort selbst für den Fall erwähnt, dass der Motor nach einer Kenterung wieder anspringt bzw. dass eingedrungenes Wasser mit Eigenhilfe wieder aus den Verbrennungsräumen entfernt wird. Da nach der Kenterung der Motor nicht wieder angesprungen war und die Klägerin auch keine Selbsthilfemaßnahmen ergriffen hatte, musste sie sich umso dringlicher zu einem sofortigen Werkstattbesuch aufgefordert sehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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