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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 11.01.2006
Aktenzeichen: 7 U 169/04
Rechtsgebiete: AHB


Vorschriften:

AHB § 4 I Nr. 6
1. Der Deckungsausschluss nach § 4 I Nr. 6 AHB erfasst nur Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind.

2. Bei Schäden an fremden unbeweglichen Sachen greift dieser Ausschluss allerdings nur insoweit ein, als diese unmittelbar Gegenstand der Tätigkeit des Versicherungsnehmers sind.


Gründe:

I.

Die Kläger haben sich in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Dachdecker betätigt. Bei der Beklagten haben sie eine Betriebs-Haftpflichtversicherung eingedeckt, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 107 d.A. verwiesen wird. Sie haben Deckung für einen Haftpflichtfall vom ...8.2001 begehrt. Die Kläger hatten für ihren Auftraggeber in O1 Bedachungsarbeiten ausgeführt, die sie am ...8.2001 abschlossen. An diesem Tage legten sie auch Schlussrechnung. Nachdem der Bauherr die Kläger bat, ergänzende Arbeiten vorzunehmen, nahmen dies zwei Mitarbeiter der Kläger vor. Sie verschweißten im Dachrinnenbereich Folien, die als Anschlussstreifen zur Dachrinne dienten. Kurz nach 17.00 Uhr räumten die Mitarbeiter der Kläger nach Abschluss der von ihnen erbrachten Arbeiten die Baustelle und verließen das Objekt. Gegen 17.50 Uhr entdeckte ein anderer Handwerker, dass ein Schwelbrand im Bereich der Arbeiten der Kläger ausgebrochen war. Der Brand konnte gelöscht werden. Die Feuerversicherung des Bauherrn regulierte die dem Bauherrn entstandenen Schäden mit einem Aufwand von 15.569,00 €. Sie machte diesen Betrag gegen die Kläger geltend und erstritten ein Urteil über 9.992,40 €. Zuvor hatte die Beklagte Zahlung an die Versicherung des Bauherrn von 5.643,31 € geleistet. Die Beklagte lehnte Deckung hinsichtlich des von dem Bauherrn gegen die Kläger erstrittenen Urteilsbetrages und der im Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten weiteren Beträge und der eigenen Prozessführungskosten des Klägers ab. Die Beklagte hat zur Begründung ihrer Ablehnung ausgeführt, als Haftpflichtversicherer deshalb nicht eintrittspflichtig zu sein, weil eine Abnahme der Bauleistungen der Kläger nicht stattgefunden habe. Die vertragliche, noch ausstehende Erfüllung der Leistung sei nicht Gegenstand der Haftpflichtdeckung, so dass der Anspruch ausgeschlossen sei. Das Landgericht hat durch Urteil vom 26.8.2004 die Klage abgewiesen und sich zur Begründung darauf bezogen, das durch Tätigkeit der Mitarbeiter der Kläger beschädigte Dach sei unmittelbar Gegenstand der Tätigkeit des Kläger gewesen, so dass die Beklagte nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 AHB leistungsfrei sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, die unter Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen S1, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 72 ff. d.A. verwiesen wird, anführen, Gegenstand der Schadenspositionen seien keine Werkleistungen gewesen, die Bestandteil des den Klägern von dem Bauherrn A erteilten Auftrages gewesen seien. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Kläger hat Erfolg. Den Klägern steht gegen die Beklagte aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages gemäß § 1 VVG i.V.m. § 1 Nr. 1 AHB ein Deckungsanspruch zu, da während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages ein Schadensereignis eingetreten ist, das die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen zur Folge hatte und für diese Folgen die Kläger auch grundsätzlich nach Bestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten, dem Bauherren und dessen Rechtsnachfolgerin auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden sind. Für die Schäden hafteten die Kläger als Werkunternehmer, da ihnen das Verschulden des Erfüllungsgehilfen im Rahmen des zwischen dem Bauherrn und ihnen bestehenden Werkvertrages zuzurechnen ist (§§ 325, 326, 278 BGB a.F.). Dem Gutachten des Sachverständigen S1 lässt sich der Umfang der Wiederinstandsetzung der Arbeiten entnehmen. Da die Kläger inzwischen die ihnen entstandenen Aufwendungen und Kosten in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Wiesbaden gegenüber der ...versicherung ausgeglichen haben, die nach § 67 VVG aufgrund der von ihnen bewirkten Zahlung an den Bauherrn Inhaberin der Schadensersatzforderung geworden ist, können die Kläger nunmehr gemäß § 154 VVG Entschädigung in Form der Erstattung der geleisteten Zahlungen beanspruchen.

Die Beklagte ist auch nicht leistungsfrei geworden. Eine Leistungsfreiheit der Beklagten gemäß § 4 I Nr. 6 letzter Absatz AHB, wonach die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung ist, greift nicht ein. Mit der begehrten Deckung haben die Kläger keine Erfüllungssungssurrogate geltend gemacht, sondern Deckung von Mangelfolgeschäden, für die sie eintrittspflichtig gewesen sind. Nach dem Gutachten des Sachverständigen S1 sind infolge der Schweißarbeiten der Mitarbeiter der Kläger an anderen Rechtsgütern des Vertragsgläubigers der Kläger eingetreten, die nicht als vom Erfüllungsinteresse aufgrund des zwischen dem Bauherren und den Klägern begründeten Werkvertragsverhältnisses umfasst anzusehen sind und deshalb vom Versicherungsschutz umfasst sind. Der Sachverständige S1 hat in seinem von beiden Parteien nicht in Zweifel gezogenen Gutachten angeführt, dass zur Wiederinstandsetzung der Beeinträchtigungen die Dachabdichtung auf der vorderen Satteldachhälfte aufzunehmen, die schadhaften Sparren auszuwechseln waren, die durch die starke Hitzeeinwirkung beschädigte Brandwand zu erneuern war und anschließend der Dachaufbau einschließlich der Brandwandmauerabdeckung wieder herzustellen sei. Schließlich sei durch den Löschwassereinsatz der Feuerwehr es zu Feuchtigkeitsschäden an der Decke in der Küche der Dachgeschosswohnung gekommen und durch die Feuerwehr die große Massivholzeingangstüranlage der Dachgeschosswohnung bei dem gewaltsamen Öffnen so stark beschädigt worden, dass eine Wiederinstandsetzung nicht möglich und die Türanlage auszuwechseln sei. Weiterhin sei zur Beseitigung der Rauch- und Rußfahnen an der Giebelwand infolge des Brandereignisses eine Oberflächenreinigung vorzunehmen. Da alle diese Arbeiten keine Erfüllungssurrogate darstellen, sondern Schäden an Gegenständen, die nicht Gegenstand des werkvertraglichen Leistungsversprechens der Kläger gewesen sind, sind die Arbeiten als Schadensbehebungsarbeiten für Mangelfolgeschäden vom Versicherungsschutz umfasst (vgl. auch Späte "Haftpflichtversicherungsrecht", 3. Aufl., § 4 Rdn. 178 m.w.N.). Aus diesem Grunde besteht auch kein Deckungsausschluss gemäß § 4 II, 5 AHB, da die wesentlichen Schäden nach den Feststellungen des Sachverständigen S1 durch "Weiterfressen" im Dachbereich entstanden sind, jedenfalls nicht sich an den von den Versicherungsnehmern hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen auswirken.

Schließlich ist ein Deckungsausschluss nach § 4 I 6 b AHB nicht eingetreten. Danach sind nicht gedeckt Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind. Bei Schäden an fremden unbeweglichen Sachen greift dieser Ausschluss allerdings nur insoweit ein, als diese Sachen oder Teile unmittelbar Gegenstand der Tätigkeit der Kläger gegeben sind. Die als Bearbeitungsschadensklausel zu verstehende Risikoausschlussklausel trägt dem Gedanken Rechnung, dass der Versicherungsnehmer durch unmittelbares Bearbeiten bestimmter Sachen diese in erhöhtem Maße der Gefahr einer Beschädigung aussetzt (vgl. auch OLG Köln NJW-RR 1987, 1052 (1053). Gegenstand der Bearbeitung der Mitarbeiter der Kläger war die Dachfolie, die angeschweißt worden ist, für die keine Entschädigung geltend gemacht wird. Schaden ist an anderen unbeweglichen Sachen eingetreten, nämlich den Gebäudeteilen, die über das Grundstück eine massive Verbindung mit dem Erdboden hatten und deshalb als unbewegliche Sachen anzusehen sind. Soweit der Brand übergegriffen hatte, griff er auf Sachen über, die nicht als Ausschlussobjekt im Sinne der Risikoausschlussklausel zu bezeichnen sind. Sie waren nicht Teile einer unbeweglichen Sache, auf die eingewirkt werden sollte (vgl. auch BGH VersR 1970, 609; OLG Hamm VersR 1971, 261; OLG Köln ZFS 1988, 88; LG Düsseldorf ZFS 1989, 173).

Eine zum Eingreifen der Risikoausschlussklausel führende Einwirkung auf die gefährdeten auch schließlich beschädigten Gegenstände war auch nicht zwangsläufig mit den Schweißarbeiten verbunden. Vielmehr führten die Schweißarbeiten durch nicht gewollte Einwirkungen dazu, dass ein Schwelbrand aufgetreten ist. Das genügt nicht, von einem Eingreifen des Risikoausschlusses auszugehen. Das zeigen die in der Rechtsprechung entschiedenen Beispiele von entstehenden Bränden aus der Ausführung von Schweißarbeiten. So ist etwa bei Schweißarbeiten in einem Kühlhaus der durch Schweißbrennperlen beschädigte Plattenbelag nicht als Ausschlussobjekt angesehen worden, auf den zwangsläufig eingewirkt werden sollte (vgl. BGH VersR 1966, 434; OLG Frankfurt VersR 1966, 1973; OLG Celle VersR 1963, 1215). Bei Schweißarbeiten ist auch weder das dem Funkenflug ausgesetzte Stroh noch das dadurch in Brand gesetzte Haus Ausschlussobjekt (vgl. BGH VersR 1970, 609 sowie Späte a.a.O. § 4 Rdn. 141 mit zahlreichen weiteren Beispielen. Eine in Kauf genommene Einwirkung der für eine Brandentstehung geeigneten Schweißarbeiten kann auch nicht mit der Begründung in Anspruch genommen werden, dass eine räumliche Nähe leicht entzündbarer Stoffe zu der Bearbeitung der Dachfolie bestand. Hiervon könnte nur ausgegangen werden, wenn aufgrund der bestehenden räumlichen Nähe eine Gefährdung weiterer unbeweglicher Teile des Hauses bestand, was vorliegend nicht der Fall ist (vgl. Späte a.a.O. § 4 Rdn. 141). Es war nicht offenkundig, dass mit dem Anschweißen der Dachfolie eine zwangsläufige Gefährdung der Hausteile, die schließlich von der Brandeinwirkung erfasst wurden, bestand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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