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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 16.08.2000
Aktenzeichen: 7 U 186/99
Rechtsgebiete: AVB-RK, VVG, ZPO


Vorschriften:

AVB-RK § 4 Abs. 3 a
AVB-RK § 4 Abs. 1
AVB-RK § 6 Abs. 1 a
VVG § 67 Abs. 1 Satz 3
ZPO § 543
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
In der Auslandskrankenversicherung sind die Kosten des Rücktransports zu erstatten, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht, eine ausreichende Versorgung am Unfallort nicht gewährleistet ist und die Notwendigkeit des Rücktransports ärztlich angeordnet ist.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 186/99

9 O 183/98 Landgericht Wiesbaden

Verkündet am 16.8.2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil, der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 15.09.1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte ist mit DM 32.074,60 beschwert. Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes Wird gern. § 543 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Das Landgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte in zugesprochener Höhe aufgrund der mit dem Kläger geschlossenen Auslandskrankenversicherung verpflichtet ist, dem Kläger die geltend gemachten Rücktransportkosten in Höhe von DM 32.064,70 zu erstatten. Diese Verpflichtung folgt aus der Vertragsinhalt gewordenen Bestimmung des § 4 Abs. 3 a AVB-RK, wonach die Beklagte die Kosten für einen medizinisch notwendigen und ärztlich angeordneten Rücktransport zu ersetzen hat, sofern Gefahr für Leib und Leben besteht und im Aufenthaltsland eine ausreichende medizinische Versorgung nicht gewährleistet ist. Von dem Vorliegen dieser Voraussetzungen ist aufgrund des unstreitigen Sachverhalts auszugehen.

Dass wegen der Unfallfolgen eine medizinisch notwendige Heilbehandlung geboten war, ist zwischen den Parteien unstreitig. Da der Kläger beim Absturz des Hubschraubers sich neben leichteren Verletzungen Brüche des Lendenwirbels LWK 2 sowie eine Fraktur am rechten Fuß zugezogen hatte, war zur Behebung dieser Unfallfolgen Heilbehandlung geboten, deren Kosten die Beklagte aufgrund des abgeschlossenen Versicherungsvertrages zu erstatten hatte (vgl. §§ Abs. 1 und 2, 4 Abs. 1 AVB/RK).

Über den Umfang der hierdurch ausgelösten Leistungsptlicht der Beklagten gem. § 4 Abs. 1 AVB-RK hinaus, wonach u. a. Unterkunft, Verpflegung, ärztliche und sonstige medizinisch notwendige Behandlung in einem Krankenhaus des Aufenthaltsortes sowie der notwendige Transport zur stationären Heilbehandlung in das nächste erreichbare Krankenhaus oder zunächst erreichbaren Arzt zu erstatten war, löste die medizinisch notwendige Heilbehandlung auch einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten eines Rücktransportes aus. Das ergibt sich aus § 4 Abs. 3 a AVB-RK. Danach waren die durch einen medizinisch notwendigen und ärztlich angeordneten Rücktransport an dem vor Beginn des Versicherungsvertrages bestehenden ständigen Wohnsitz einschließlich der Aufwendungen für eine Begleitperson entstehenden Kosten zu erstatten, da für den Kläger aufgrund der Unfallverletzung eine Gefahr für Leib und Leben bestand. Der nach § 6 Abs. 1 a AVB-RK hierfür zu führende Nachweis ist erbracht, da sich der Bescheinigung des Schiffarztes des Forschungsschiffes Polarstern, Dr. M. vom 11..12.1997 entnehmen lässt, dass die medizinische Notwendigkeit des Rücktransports vorlag. Der Schiffsarzt hatte in seiner Stellungnahme ausgeführt, er habe es für dringlich indiziert erachtet, die Patienten, damit auch den Piloten des verunglückten Hubschraubers, nach Ablauf von zwei bis drei Wochen nach Deutschland zu verlegen, damit die weitere Behandlung, ggf. die Rehabilitation in die Wege geleitet werden könne. Dass eine Gefahr für Leib und Leben des Klägers bestanden hat, ohne dass der Schiffsarzt dies wörtlich Ausfuhren müsste, ergibt sich aus dem Passus seines Schreibens, wonach die erforderliche Diagnostik in Deutschland zu erfolgen habe und es unvertretbar sei, einer einzelnen verletzten Person die weitere Diagnostik und Therapie, die sich noch über mehrere Wochen hinziehen könne, 10000 km vom Heimatland zuzumuten. Früher sei ein regulärer Linienflug in sitzender Position nicht möglich. Soweit die Beklagte in Zweifel gezogen hat, dass die Bescheinigung des Schiffarztes die nach den Tarifbedingungen zwingend erforderliche ausdrückliche ärztliche Anordnung des Rücktransports enthalte, hat sie den Erklärungsinhalt der Bescheinigung verkannt. Angesichts des Hinweises des Schiffsarztes, wonach für den Kläger ein Risiko begleitender Komplikationen, die eine tiefe Beinvenenthrombose, eine Lungenentzündung oder ein paralytischer Ileus bestünde, er es deshalb für dringlich indiziert erachte, den Patienten nach Deutschland zu verlegen, war es entbehrlich, dass der die Bescheinigung ausstellende Arzt zusätzlich ausdrücklich das Wort Anordnung gebrauchte. Die Anordnung lag vielmehr darin, dass er es im medizinisch gebotenen Interesse des Patienten, damit für medizinisch notwendig hielt, den Patienten nach Ablauf von zwei bis drei Wochen nach Deutschland zu verlegen und dort die erforderliche Diagnostik und die darauf aufbauende Therapieleistungen zu erbringen.

Auch die weitere Voraussetzung der Erstattbarkeit der Kosten des Rücktransports liegen vor, da nach dem unstreitigen Sachverhalt im Aufenthaltstand eine ausreichende medizinische Versorgung nicht gewährleistet gewesen ist. Da sich der Unfall in der Antarktis ereignet hatte, die damit das Aufenthaltsland darstellte, und nach dem unstreitigen Sachverhalt in der Antarktis eine ausreichende medizinische Versorgung des Klägers nicht gewährleistet werden konnte, war der Rücktransport danach geboten. In Anbetracht der Art und Schwere der Erkrankung lag eine medizinische Notwendigkeit eines Rücktransports aus der Antarktis in das Heimatland des verletzten Klägers vor (vgl. auch Nies Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht, 2000, 305 ff.; vgl. auch AG Stuttgart Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht 2000, 332). Damit kommt es nicht auf die breite Darstellung der Beklagten an, ob etwa eine ärztliche Behandlung mit einem Standard, der dem der BRD entsprach, in Chile gewährt werden konnte, da Chile nicht das Aufenthaltsland war, in dem ggf. eine Behandlung für den Kläger zumutbar war.

Der Senat weist darauf hin, dass selbst dann, wenn angenommen werden sollte, dass eine Behandlung in Chile wegen Vergleichbarkeit des medizinischen Standards mit einer Behandlung in Deutschland angenommen werden sollte, gleichwohl von einer Erstattbarkeit der Kosten des Rücktransports auszugehen wäre. Der Senat folgt den Erwägungen in den Entscheidungen des OLG Düsseldorf vom 28.03.1995 (VersR 1996, 1402) wie den Erwägungen OLG Frankfurt - 22. ZS - v. 16.12.1993 (OLGR 1994, 42 = r + s 1994, 150 f.), dass unabhängig von einer etwaigen medizinischen Unterversorgung im Ausland ein Rücktransport mittels eines Ambulanzflugzeuges allein aufgrund des Krankheitsbildes und des Alters des Klägers erstattbar war und darüber hinaus der Versicherer sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen kann, ein Rücktransport des Erkrankten aus dem Ausland sei weder medizinisch notwendig noch ärztlich angeordnet gewesen, wenn die Kosten, die er für die ärztliche Heilbehandlung im Ausland zu erstatten gehabt hätte, ähnlich hoch seien wie die Kosten des Rücktransportes in die BRD, wo der Versicherer angesichts einer etwaigen, von der Beklagten angenomme- nen Eintrittspflicht der Berufsgenossenschaft keine Kosten für die Heilbehandlung zu erbringen gehabt hätte.

Auch die Höhe der zu erstattenden geltend gemachten Kosten ist nicht zu beanstanden. Die Höhe der von dem Kläger aufgewandten Kosten ist durch die vorgelegten Urkunden im Original nachgewiesen worden. Die von der Beklagten nicht angegriffene Darstellung des Klägers in dem Schriftsatz vom 10.03.1999 hat in nicht zu beanstandender Weise den zu erstattenden Betrag zum Tageskurs von chilenischen Pesos und von US-$ umgerechnet und ist auf diese Weise zu einem Gesamtrechnungsbetrag gelangt, der der Höhe des zuzusprechenden Betrages entspricht.

Soweit die Beklagte hinsichtlich der Höhe darauf abstellt, die Krankenhauskosten in Santiago seien deshalb entbehrlich gewesen, weil der Kläger auch einem Hotelaufenthalt mit wesentlich niedriger entstehenden Kosten hätte wählen können, vermag der Senat dieser Argumentation nicht zu folgen. Angesichts des oben dargestellten Beschwerdebildes des Klägers bestand für den Kläger weder die Möglichkeit, noch die Zumutbarkeit, zu versuchen, in einem Hotel unterzukommen. Vielmehr war es, schon wegen möglicher Komplikationsgefahren und einer Notwendigkeit ständiger ärztlicher Überwachung geboten, dass der Kläger bei seinem Zwischenaufenthalt in Chile unter ärztlicher Kontrolle in einem Krankenhaus blieb.

Die Beklagte kann auch nicht eine Reduzierung der zu erstattenden Kosten mit der Begründung verlangen, dass der Kläger die Kosten eines regulären Rückfluges sich anrechnen lassen müsse. Dem Landgericht ist darin beizupflichten, dass den Versicherungsbedingungen nicht entnommen werden kann, dass lediglich die Mehrkosten eines Rückfluges von der Auslandskrankenversicherung zu erstatten seien. Angesichts dessen kommt es nicht darauf an, dass der Kläger mit seinem Arbeitgeber vereinbart hatte, dass von Kapstadt aus der Rückflug von seinem Arbeitgeber gezahlt worden wäre.

Eine Kürzung des zu erstattenden Betrages kann auch nicht hinsichtlich der Position "Handling Fee" und bzgl.. der Kosten der Polizistin T. beansprucht werden. Der Senat braucht nicht zu klären, ob abweichend von diesen Rechnungen auch Leistungen gegenüber dem bei dem Unfall verletzten, zugleich mit dem Kläger von der Antarktis bis nach Santiago transportierten Piloten des Hubschraubers erbracht worden sind. Selbst wenn die Rechnung Leistungen erfasste, die beide verletzten Personen betrafen, ergab sich hieraus nicht eine, von der Beklagten angenommene Kürzungsmöglichkeit auf die Hälfte des Rechnungsbetrages. Da der Kläger in jedem Falle betreut und bewacht werden musste, ist es unerheblich, ob die Betreuungs- oder Begleitpersonen zugleich dem mit transportierten Piloten gegenüber Leistungen erbracht haben. In beiden Fällen blieb die Höhe der Kosten, die durch die Betreuung entstanden, unverändert.

Schließlich ist der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Rücktransportkosten nicht nach § 67 Abs. 1 Satz 3 VVG ausgeschlossen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass der Kläger einen etwaigen Anspruch gegen einen Dritten oder ein zur Sicherung seines Anspruchs dienendes Recht aufgegeben hat, so dass die Beklagte deshalb von ihrer Ersatzpflicht insoweit frei geworden ist, als sie aus dem Anspruch oder dem Recht hätte Ersatz verlangen können. Es kann auf sich beruhen, ob die von der Beklagten eingenommene Rechtsposition, wonach die für den Kläger zuständige Berufsgenossenschaft verpflichtet gewesen sei, nicht nur die Kosten für den Transport zwischen dem Flughafen Hamburg und dem Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus zu erstatten, sondern bei Eintritt von Arbeitsunfällen im Ausland auch für die dort sich ereigneten Arbeitsunfälle mit der Folge eintrittspflichtig gewesen ist, dass sie auch die Kosten eines Rücktransports zu erstatten hatte. Ob die für den Kläger zuständige Berufsgenossenschaft eine Auslandsversicherung gegen Unfälle eingerichtet hatte, und ob eine solche Versicherung dazu führte, dass auch die Kosten eines Rücktransports zu erstatten wären, kann auf sich beruhen. Das bedarf deshalb keiner Klärung, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, dass dem Kläger vorgeworfen werden kann, Regressansprüche der Beklagten durch Erlass, Verzicht Vergleich oder die Abtretung etwaiger Entschädigungsansprüche vorsätzlich aufgegeben zu haben (vgl. hierzu OLG Celle VersR 1965, 349 (350); Bruck/Möller/Sieg VVG", 8. Aufl. § 67 Anm. 73 und 7; Honsell/Baumann Berliner Komm. zum VVG", § 67 Rn. 117; Römer/Langheid "VVG", § 67 Rn. 41). Die Beklagte hat ihrer Darlegungslast hinsichtlich des von ihr behaupteten Tatbestandes der Aufgabe solcher Ansprüche einschließlich des Vorsatzes des Versicherungsnehmers nicht genügt, so dass der Leis- tungsausschlussgrund des § 67 Abs. 1 Satz 3 VVG nicht angenommen werden kann (vgl. auch Bruck/Möller/Sieg, a.a.0. § 67 Anm. 81; Baumgartl/Prölss "Handbuch der Beweislast", Bd. V § 67 VVG Rn. 3, Honsell/Baumann, a.a.0., § 67 Rn. 119).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Bemessung der Beschwer orientiert sich am Ausmaß des Unterliegens der Beklagten in der Berufung.



Ende der Entscheidung

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