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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 30.08.2000
Aktenzeichen: 7 U 201/99
Rechtsgebiete: MB/KK, ZPO
Vorschriften:
MB/KK § 4 Abs. 5 | |
ZPO § 543 Abs. 1 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
2/21 O 97/99 LG Frankfurt am Main
Verkündet am 30.8.2000
In dem Rechtsstreit ...
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts in Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. August 2000
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. Oktober 1999 - Aktenzeichen 2/21 0 97199 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger ist mit 12.172,79 DM beschwert. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat unstreitig eine gemischte" Klinikanstalt aufgesucht, also eine Einrichtung, in der sowohl Kur- oder Sanatoriumsbehandlungen als auch Krankenhausbehandlungen durchgeführt werden. Da er diese Einrichtung ohne Zustimmung der Beklagten aufgesucht hat, schuldet diese nach § 4 Abs. 5 der zwischen den Parteien vereinbarten MB/KK76 keine Versicherungsleistungen.
§ 4 Abs. 5 MB/KK ist nach allgemeiner Auffassung als Risikobegrenzung (OLG Köln RuS 1993, 231 bei juris; Prölss-Martin VVG, 26. Aufl., Rn 36 zu § 4 MB/KK) zu werten. Die Vorschrift ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass nach § 5 Abs. 1 lit. d MB/KK Kuroder Sanatoriumsbehandlungen nicht unter den Versicherungsschutz fallen. Gerade dann, wenn der Versicherungsnehmer in einer Mischklinik aufgenommen wird, ist die Abgrenzung im Einzelfall, ob dort eine solche Kur- oder Sanatoriumsbehandlung oder eine unter den Versicherungsschutz fallende Heilbehandlung erfolgt, regelmäßig mit erheblichen Überprüfungsschwierigkeiten und Beurteilungsrisiken verbunden. Angesichts dessen wäre selbst ein völliger Ausschluss des Versicherungsschutzes in den Versicherungsbedingungen für die Behandlung in solchen Einrichtungen nicht unbillig und ist es damit nicht zu beanstanden, dass es dem Versicherer durch § 4 Abs. 5 MB/KK freigestellt bleibt, ob er die Kosten für einen Aufenthalt in einer Mischklinik übernimmt oder nicht (OLG Köln RuS 1992, 388 bei juris). Aus diesem Grund bestehen auch gegen die Gültigkeit der Klausel keine Bedenken aus dem Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter den Gesichtspunkten einer unzulässigen Überraschung (§ 3 AGBG) bzw. einer unangemessenen Benachteiligung (§ 9 AGBG, vgl. zuletzt OLG Frankfurt OLGR 1998, 116 bei juris- OLG Oldenburg NJW-RR 1998, 894- OLG Nürnberg NJW-RR 1995, 1055 bei juris).
Allerdings hat die Beklagte dem Kläger in ihrem Schreiben vom 5. August 1998 mitgeteilt, sie wolle den Leistungsanspruch in einer gemischten Klinik in jedem Einzelfall prüfen, aus den bisher eingereichten Unterlagen könne sie die Notwendigkeit einer Behandlung in der Fachklinik Bad H. nicht erkennen sie benötige zwar weitere Angaben, es genüge ihr aber auch, wenn der Kläger ihr nach Behandlung eine Kopie des Entlassungsberichtes zuschicke. Mit diesem Schreiben hat die Beklagte unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sie zu einer nachträglichen Prüfung bereit ist und dass für ihre Entscheidung die medizinische Notwendigkeit der Behandlung maßgeblich sein soll. An dieser Erklärung muss sich die Beklagte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) festhalten lassen. Damit ist es ihr zum einen verwehrt, die Verweigerung der Kostenerstattung darauf zu stützen, dass sie ihre Zustimmung nicht bereits vor Behandlungsbeginn gegeben hat. Indem sie zum anderen zugesagt hat, in eine Prüfung einzutreten und sich für ihre Entscheidung an der Frage der medizinischen Notwendigkeit zu orientieren, hat sie darüber hinaus auf das ihr ansonsten zustehende freie Ermessen verzichtet. Deshalb ist der Kläger als Versicherungsnehmer nicht gehalten, zuerst auf eine vorherige Zustimmung zu klagen, sondern kann wie hier vorliegend auch nach Behandlungsabschluss noch die Klinikkosten geltend machen. Die Beklagte als Versicherung kann sich demgegenüber nicht auf die fehlende Zustimmung berufen, wenn sie diese hätte erteilen müssen.
Die Frage, ob die Beklagte ihre Zustimmung hätte erteilen müssen, richtet sich zunächst danach, ob sie mit ihrem Schreiben vom 5. August 1998 auf den ihr von der Bestimmung des § 4 Abs. 5 MB/KK eingeräumten Ermessensspielraum vollständig verzichtet hat oder ob sie ihren Ermessensspielraum lediglich beschränkt hat und zwar dahin, dass sie die in Aussicht gestellten Versicherungsleistungen nur bei vernünftigen Zweifeln an der medizinischen Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung verweigern kann. Hätte die Beklagte ausdrücklich zugesagt, die Behandlungskosten zu übernehmen, wenn die medizinische Notwendigkeit fest steht, so wäre eine weitgehende Selbstbindung eingetreten und ggf. die Beurteilung des Versicherers durch Sachverständige in- haltlich in vollem Umfang zu überprüfen. Eine derartige endgültige Zusage ist dem Schreiben der Beklagten vom 5. August 1998 jedoch nicht zu entnehmen. In ihm wird dem Kläger lediglich eine weitere Prüfung in Aussicht gestellt. Ein solches Verhalten aber ist dahin zu werten, dass der Versicherer die Beurteilung, der Notwendigkeit der Behandlung weiter seine Einschätzung überantwortet wissen will (OLG Köln RuS 1986, 321; 1989, 199 bei Juris; Versicherungsrecht 1983, 117; Prölss-Martin, VVG, 26. Aufl. Rn. Nr. 29 zu § 4 MB/KK). Dies ist insbesondere vor dem bereits angesprochenen Hintergrund zu sehen, dass § 4 Abs. 5 MB/KK dazu dient, den Versicherer dem Risiko zu entziehen, komplizierte Abgrenzungsfragen mit hohem Aufwand, ggf. sogar mit gerichtlicher Hilfe zu klären. Für ihn besteht keine Notwendigkeit und kein Anlass, sich diesen Vorteils zu begeben (OLG Hamm Versicherungsrecht 1982, 137). Hinzu kommt, dass die Beklagte in dem genannten Schreiben nicht nur allein von einer zu prüfenden medizinischen Notwendigkeit für die Behandlung gesprochen, sondern ausdrücklich erklärt hat, dass nach den vorliegenden Unterlagen keine medizinische Notwendigkeit gerade für eine Behandlung in der Fachklinik Bad H. zu erkennen ist. Dass es die Beklagte als medizinisch notwendig ansehen könne, ihn gerade in der gemischten Klinik Bad H. behandeln zu lassen, konnte dieser schwerlich annehmen. Es war mithin für ihn zu erkennen, dass die Entscheidung der Beklagten ein gewisses Wohlwollen / Ermessen voraussetzen würde.
Die Beklagte hat ihr gebundenes Ermessen bei der Frage, ob sie dem Kläger Versicherungsschutz gewährt, sachgerecht ausgeübt. Ihre Entscheidung, keine Leistungen zu gewähren ist nicht zu beanstanden, weil zumindest vernünftige Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit einer stationären Behandlung bestehen.
Gegen die Beklagte könne zwar auf den ersten Blick sprechen, dass sie in früheren Jahren bei im wesentlichen gleichen Krankenbild und Behandlungsumfang ihre Zustimmung jeweils erteilt hat. Allgemein wird aber in einem solchen Verhalten des Versicherers keine Zusage gesehen bzw. daraus keine Verpflichtung abgeleitet, sich in Zukunft ebenso zu verhalten (OLG Köln RuS 1998, 478 bei juris; OLG Nürnberg NJW-RR 1995, 1055 bei juris; OLG Hamm RuS 1994, 229 bei juris; LG Trier, RuS 1999, 341 bei juris, LG Osnabrück, RuS 1999, 340 bei juris; Prölss-Martin a.a.0. Rn 30 zu 4 MB/KK m.w.N.). Die Beklagte hat auch im vorliegenden Fall keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Vielmehr war dem Kläger, wie seine Anfragen nach der notwendigen" Kostenzusage zeigen, das Erfordernis der Zustimmung des Versicherers für den streitbefangenen Klinikaufenthalt bewusst. Darüber hinaus hatte die Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, jeden Einzelfall gesondert zu prüfen. Der Kläger musste sich mithin darauf einstellen, dass sie bei einem Grenzfall allein aufgrund "besserer" Erkenntnis zu anderen Ergebnissen gelangt. Gerade wenn nämlich ohne wesentliche Besserung des Krankenbildes über Jahre hinweg die gleichen Behandlungen in Anspruch genommen werden, legt dies den Schluss nahe, dass nicht eine stationäre Heilmaßnahme, sondern als Kurbehandlung die allgemeine Stärkung und Kräftigung und Erholung bezweckt wird.
Nachhaltig gegen die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung spricht jedenfalls, dass der Kläger nach dem von ihm vorgelegten Entlassungsbericht sich unmittelbar vor dem Aufenthalt in der Fachklinik Bad H. in einem anderen Krankenhaus hat wegen einer akuten Erkrankung behandeln lassen. Nach Abschluss dieses stationären Krankenhausaufenthalts ist aber für eine erneute Notwendigkeit zur stationären Behandlung nichts ersichtlich.
Darüber hinaus können alle Therapieformen und Medikamentierungen, die in dem Entlassungsbericht der Fachklinik Bad H. aufgeführt werden, jeweils für sich genommen, ambulant erfolgen, wie der Kläger selbst letztlich nicht abstreitet.
Danach ist die Entscheidung der Beklagten nachzuvollziehen und nicht als willkürlich zu verwerfen. Da nur ihr Ermessensgebrauch zu überprüfen ist, kann die weitergehende Frage, ob ihre Beurteilung im Ergebnis einer Prüfung durch einen Sachverständigen stand halten würde, offen bleiben. Entscheidend ist, dass ihre Beurteilung zumindest vertretbar erscheint.
Weiterhin kann der Beklagten nicht vorgehalten werden, sie habe ihre Entscheidung über die erbetene Kostenzusage über Gebühr verzögert bzw. durch ihr Schreiben dem Kläger die Möglichkeit genommen, vor Behandlungsbeginn in der Fachklinik Bad H. die Frage der Erstattungsfähigkeit verbindlich zu klären. Auf alle Anfragen des Klägers hat die Beklagte nämlich jeweils innerhalb weniger Tage geantwortet, während der Kläger seinerseits auf die von der Beklagten gestellten sachbezogenen und verständlichen Fragen ohne erkennbaren Grund nicht eingegangen ist. In ihrem Schreiben vom 5. August 1998 hat die Beklagte zudem weiterhin an die Beantwortung ihrer Fragen erinnert und lediglich erklärt, es würde ihr ausreichen, wenn der Kläger die Unterlagen erst nach dem Klinikaufenthalt einreiche. Mithin war dieser nicht gehindert, die Frage der Erstattungsfähigkeit rechtzeitig zu klären.
Schließlich sind zwar weitere Umstände denkbar, die es dem Versicherer nach Treu und Glauben verwehren können sich auf das Zustimmungserfordernis des § 4 Abs. 5 MB zu berufen. Das wird etwa bei einer Einlieferung in eine Klinik aufgrund eines Notfalles bejaht oder wenn der Behandlungszweck ausnahmsweise nur in der betreffenden Klinik erreicht werden kann (vergl. Prölss-Martin a. a. Ort der Rn. 33). Für derartige oder vergleichbare Sachlagen ist jedoch nichts vorgetragen oder ersichtlich.
Die Berufung ist mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Wert der Beschwer entspricht dem Betrag der zurückgewiesenen Forderung.
Ende der Entscheidung
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