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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 01.02.2006
Aktenzeichen: 7 U 204/04
Rechtsgebiete: VVG, BGB


Vorschriften:

VVG § 16
VVG § 16 I 3
VVG § 21
BGB § 286 I 2
BGB § 286 II Nr. 1
BGB § 288
Setzt eine Beamtenklausel voraus, dass der Versicherte krankheitsbedingt dienstunfähig ist und wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt oder entlassen wird, muss der durchschnittliche und verständige Versicherungsnehmer dies dahin verstehen, dass nicht allein der formale Akt der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ausreicht, vielmehr die Voraussetzungen der Dienstunfähigkeit gegeben sein müssen.
Gründe:

I)

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit Beamtenklausel geltend.

Der Kläger, der als ...beamter im Dienste des Landes Hessen tätig war, unterzeichnete am 19.1.1999 einen von der Außendienstmitarbeiterin der Beklagten - der Zeugin Z1 - ausgefüllten Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung, in welchem sämtliche Gesundheitsfragen mit "nein" beantwortet und hinsichtlich der Frage nach ärztlichen Behandlungen in den letzten fünf Jahren eine amtsärztliche Untersuchung ohne Befund angegeben wurde, wobei unstreitig ist, dass die Zeugin Z1 die Gesundheitsfragen dem Kläger vorgelesen hat.

Im September 2000 musste der Kläger sich wegen einer gedeckt perforierten Coecumdivertikulitis und akuter Appendicitis einer Operation unterziehen, bei welcher die Coecalklappe und Teile des Dünn- und Dickdarmes entfernt wurden. Seither leidet er an Unterbauchbeschwerden und chronischen Diarrhöen, die mit 5 bis 10-maligen plötzlichen Darmentleerungen pro Tag verbunden sind. Die nicht mehr zu kompensierende Darmirregulation führte reaktiv zu einer Angst- und Depressionsstörung; auf die Atteste von Dr. A vom Oktober 2003 und Dr. B vom 27.5.2003 (Bl. 21 / 22 d.A.) sowie das amtsärztliches Gutachten vom 6.4.2002 (Bl. 173 d.A.) wird Bezug genommen.

Mit Urkunde vom 18.6.2002 - ausgehändigt am 21.6.2002 - wurde der Kläger in den Ruhestand versetzt.

Nachdem der Kläger Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Versicherung beantragte, holte die Beklagte Auskünfte bei der Krankenkasse des Klägers ein und erklärte mit Schreiben vom 4.10.2002 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag gemäß § 16 VVG, da er eine seit 1993 bestehende Enterocolitis, seit November 1994 bestehende Lumbalgien und seit Dezember 1994 bestehende Herzrhythmusstörungen im Versicherungsantrag nicht angegeben habe. Mit Schreiben vom 23.10.2002 / 7.2.2003 teilte der Kläger mit, dass es sich bei der Enterocolitis um eine kurze Darmgrippe gehandelt habe und die Herzrhythmusstörungen keine organische Ursache gehabt, vielmehr auf beruflichem Stress beruht hätten; nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses seien derartige Beschwerden nie wieder aufgetreten. Wie bereits im Schreiben vom 4.10.2002 angekündigt holte die Beklagte weitere Auskünfte ein ;auf die Arztberichte vom 26.6.03 (Bl. 86 ff) vom 12.8.2003 (Bl. 83 ff d.A.) sowie den Arztbrief der kardiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. C und Kollegen vom 30.12.2994 (Bl. 85 ff d.A.) wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 16.10.2003 erklärte die Beklagte über den mit Schreiben vom 4.10.2002 hinaus die Anfechtung des Versicherungsvertrages.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung rückständiger sowie zukünftig fällig werdender Berufsunfähigkeits-Renten für die Zeit ab 1.8.2002 bis zur Vollendung seines 55. Lebensjahres unter Berücksichtigung einer jährlichen Erhöhung von 5 % bis zum Erreichen einer Jahresrente von 14.400,- DM sowie zusätzlich die Rückerstattung der für Juli bis Oktober 2002 geleisteten Beiträge.

Das Landgericht hat den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben zu den Angaben des Klägers hinsichtlich seines Gesundheitszustandes bei Antragsaufnahme durch Vernehmung der Zeugin Z1.

Durch Urteil vom 27.10.2004- auf dessen Inhalt (Bl. 177 ff d.A.) wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird - hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe den Versicherungsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten. Der Kläger habe wissentlich falsche Angaben zu gefahrerheblichen Umständen gemacht, idem er die seit 1986 bestehenden Arrhythmien, die 1990 festgestellte LV-Dilatation und die vom 1.12. 1994 bis 17.4.1995 bestehenden Herzrhythmusstörungen, die zu einer entsprechenden Krankschreibung sowie zum Aufsuchen eines Kardiologen geführt hätten, verschwiegen habe. Durch die Angabe, er sei in den letzten fünf Jahren nur von der Amtsärztin ohne Befund untersucht worden, habe er den Eindruck erweckt vollständig gesund zu sein. Tatsächlich hätten jedoch seit 1986 rezidivierende Vorerkrankungen bestanden, die zu einer Krankschreibung von mehr als vier Monaten geführt hätten und den Schluss zuließen, dass dem Kläger deren Bedeutung für den Abschluss des Versicherungsvertrages bewusst gewesen sei. Die Anfechtung sei auch noch rechtzeitig erfolgt, da die Beklagte erst durch das übersandte Schreiben des Kardiologen vom 30.12.1994 Kenntnis von der Schwere und dem Umfang der Herzbeschwerden erhalten habe.

Hiergegen wendet sich der Kläger - unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag - mit der Berufung.

Hinsichtlich der nicht angegebenen Lumbalgien verweist der Kläger darauf, dass es sich um einmalige Beschwerden gehandelt habe, die mit seinem damaligen Beruf als Sachbearbeiter bei der ... Versicherung in Zusammenhang gestanden hätten. Insofern habe keine Anzeigepflicht bestanden.

Hinsichtlich der Herzrhythmusstörungen rügt der Kläger, dass das Landgericht die im Jahre 1986 aufgetretenen Herzrhythmusstörungen herangezogen habe, obwohl sie außerhalb des erfragten Zeitraumes lägen. Zwischen den im Jahre 1986 aufgetretenen Herzrhythmusstörungen und denjenigen im Jahre 1994 habe auch keinerlei ursächlicher Zusammenhang bestanden. Eine seit 1986 dauerhaft auftretende Störung liege - entgegen den Ausführungen des Landgerichts - nicht vor. Die 1990 - nicht im Rahmen einer gezielten Untersuchung - festgestellte LV-Dilatation sei mit keinerlei Beschwerden verbunden gewesen. Insofern handele es sich nicht um einen anzeigepflichtigen Umstand.

Dass eine einmalige Magen-Darm-Grippe nicht anzeigepflichtig sei, sei offenkundig.

Das Landgericht habe den Umfang der Anzeigepflichten im Rahmen einer Berufsunfähigkeits-Versicherung verkannt und dem Kläger von vorneherein eine absichtliche Täuschung unterstellt, obwohl für eine dauerhafte Erkrankung des Herzens überhaupt keine Anhaltspunkte vorgelegen hätten.

Des weiteren sei das Landgericht zu Unrecht von einer fristgerechten Anfechtung ausgegangen. Die Beklagte habe offensichtlich bereits am 4.10.2002 hinreichende Kenntnis von den angeblich verschwiegenen Gesundheitsstörungen gehabt; es sei nicht davon auszugehen, dass der Rücktritt allein auf vagen Kenntnissen beruht habe. Dann aber sei die erst am 16.10.2003 erklärte Anfechtung nicht innerhalb der Jahresfrist erfolgt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Gießen vom 27.10.2004, zugestellt am 01.11.2004, mit dem Aktenzeichen: 2 O 547/03 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger für den Zeitraum vom 01.08.2002 bis zum 31.12.2003 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von insgesamt 10.474,31 Euro nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von jeweils 594,07 Euro seit dem 01.08.2002, dem 01.09.2002, dem 01.10.2002, dem 01.11.2002, dem 01.12.2002 und aus einem Betrag in Höhe von 625,33 Euro seit dem 01.01.2003, dem 01.02.2003, dem 01.04.2003, dem 01.05.2003, dem 01.06.2003, dem 01.07.2003, dem 01.08.2003, dem 01.09.2003, dem 01.10.2003, dem 01.11.2003, sowie dem 01.12.2003 zu zahlen.

2. an den Kläger für die Monate Juli, August, September und Oktober 2002 eine Beitragsrückerstattung in Höhe von insgesamt 144,60 Euro nebst 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. an den Kläger ab dem 01.01.2004 eine monatliche Dienstunfähigkeitsrente in Höhe von 656,59 Euro bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres des Klägers zuzüglich der dynamischen Erhöhung in Höhe von jährlich 5 % bis zu einer Jahresrente in Höhe von 14.400,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt - unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag - das angefochtene Urteil.

Die Ausführungen des Landgerichts, dass die Herzbeschwerden bereits seit 1986 bestünden, seien zutreffend. Wie der Kläger angesichts einer Krankschreibung an 138 Tagen sowie der zusätzlich festgestellten Dilatation seines Herzens davon ausgehe, es liege keine Verletzung der Anzeigepflicht vor, sei nicht nachvollziehbar. Auch die Lumbalgien seien anzugeben gewesen. Dem Versicherungsnehmer werde gerade keine Wertung abverlangt, vielmehr müsse er aufgrund der weiten Fragestellung schlichtweg jede Beschwerde oder Gesundheitsstörung, die sich nicht als Bagatelle darstelle, angeben.

Die Anfechtungsfrist sei gewahrt, da die Voraussetzungen der Anfechtung andere als beim Rücktritt seien. Von einem vorsätzlichen Verschweigen habe sie erst aufgrund des kardiologischen Berichts vom 30.12.1994 ausgehen können, der ihr - unstreitig - erst im September 2003 zugegangen sei.

Im übrigen verweist sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag zur Auslegung der vereinbarten Beamtenklausel bzw. auf ihr Bestreiten des Vorliegens einer Dienstunfähigkeit.

II)

Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf bedingungsgemäße Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu, da er krankheitsbedingt dienstunfähig geworden und zum 1.7.2002 in den Ruhestand versetzt worden ist. Der Anspruch ist weder infolge Rücktritts noch durch Anfechtung entfallen.

Der Kläger ist berufsunfähig im Sinne des § 2 (7) der Allgemeinen Bedingungen für die ... Berufsunfähigkeitsversicherung nach Tarif IBU2000. Danach liegt Berufsunfähigkeit auch vor, wenn die versicherte Person als Beamter infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig ist und wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt oder entlassen wird.

Nach der vorliegend vereinbarten Klausel begründet zwar - anders als nach den herkömmlichen Beamtenklauseln (vgl. hierzu Voit, Berufsunfähigkeitsversicherung, Rz. 266 ff) - allein die Versetzung in den Ruhestand keine unwiderlegliche Vermutung der Berufsunfähigkeit. Die vorliegende Beamtenklausel enthält zwei Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich dass der Versicherungsnehmer krankheitsbedingt dienstunfähig und wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt oder entlassen worden sein muss, was aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmer dahingehend zu verstehen ist, dass nicht allein der formale Akt der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ausreicht, vielmehr die Voraussetzungen der Dienstunfähigkeit tatsächlich auch gegeben sein müssen. Gestützt wird diese Auslegung dadurch, dass nach § 5 (1) c der Tarifbedingungen für Tarif IBU2000 ausführliche Berichte der Ärzte vorzulegen sind, was - wie § 5 (1) d zeigt - auch für den Beamten gilt, der "zusätzlich" die Urkunde des Dienstherrn über die Versetzung in den Ruhestand vorzulegen hat. Abweichend zu § 2 (1) der Allgemeinen Bedingungen, in welchem allgemein - also für den nicht beamteten Versicherungsnehmer - das Vorliegen vollständiger Berufsunfähigkeit definiert wird, fehlt allerdings in § 2 (7) der Zusatz, dass die infolge körperlicher Gebrechen etc. eingetretene Dienstunfähigkeit "ärztlich nachzuweisen ist". Aus dieser unterschiedlichen Klauselgestaltung folgt, dass dem Versicherer zwar ein Nachprüfungsrecht der Entscheidung des Dienstherrn eingeräumt, von dem Versicherungsnehmer aber nicht der positive Nachweis der Voraussetzungen der Dienstunfähigkeit verlangt wird. § 2 (7) ist insofern als widerlegbare Vermutung der Dienstunfähigkeit im Falle vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand auszulegen (vgl. OLG Nürnberg VersR 2003, 1028).

Zweifel an der Dienstunfähigkeit hat die für eine Widerlegung der Vermutung darlegungs- und beweispflichtige Beklagte jedoch in keiner Weise aufgezeigt. Wie sich aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 6.4.2002 ergibt, begründen die körperlichen und seelischen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Klägers infolge der im September 2000 stattgehabten Operation seine allgemeine Dienstunfähigkeit, die auch einen anderweitigen Einsatz außerhalb des Vollzuges ausschließt. Dass der Kläger infolge der Operation an einer nicht mehr zu kompensierenden Darmirregulation und einer reaktiven Angst- und Depressionsstörung leidet, wird auch durch die Atteste von Dr. A und Dr. B belegt. Von ihrem Recht, weitere ärztliche Untersuchungen gemäß § 5 (2) der Tarifbedingungen für Tarif IBU2000 zu verlangen, hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Zweifel an den getroffenen medizinischen Feststellungen werden von der Beklagten nicht aufgezeigt. Ihr Vortrag beschränkt sich vielmehr auf ein pauschales Bestreiten des Vorliegens bedingungsgemäßer Dienstunfähigkeit, was ebenso wie ihre pauschale Behauptung - es sei ausgeschlossen, dass nicht irgendeine andere Planstelle außerhalb des ...dienstes für den Kläger gefunden werden könnte, angesichts der getroffenen Beweislastregel unzureichend ist. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Dienstfähigkeit des Klägers bestand daher keine Veranlassung.

Danach ist von einer Dienstunfähigkeit des Klägers auszugehen, so dass dem Kläger ein Anspruch auf bedingungsgemäße Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung gegenüber der Beklagten zusteht.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sie wegen Nichtangabe gefahrerheblicher Umstände vom Versicherungsvertrag habe zurücktreten bzw. diesen wegen arglistiger Täuschung habe anfechten können. Soweit überhaupt von einem Verschweigen gefahrerheblicher Umstände auszugehen ist, scheitert die Leistungsfreiheit der Beklagten infolge Rücktritts jedenfalls an § 21 VVG, hinsichtlich der Anfechtung an den subjektiven Voraussetzungen der Arglist.

Sowohl der Rücktritt als auch eine Anfechtung setzen voraus, dass der Kläger einen ihm bekannten gefahrerheblichen Umstand bei Vertragsschluss nicht angegeben hat, wobei gemäß §§ 16 I 3 VVG Umstände, nach denen der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, im Zweifel als gefahrerheblich gelten (§ 16 I 3 VVG).

Der Kläger hat im Versicherungsantrag die Frage : Leiden oder litten Sie in den letzten 10 Jahren an Krankheiten, gesundheitlichen Störungen oder Beschwerden ? (z.B. des Herzens, der Wirbelsäule, der Verdauungsorgane ...) verneint und hinsichtlich der weiteren Frage : Sind Sie in den letzten 5 Jahren ärztlich untersucht, behandelt oder beraten worden ? lediglich eine amtsärztliche Untersuchung ohne Befund angegeben, obwohl er ausweislich der Auskunft der Krankenkasse im Jahre 1993 wegen Enterocolitis und 1994/5 wegen Lumbalgien sowie wegen Herzrhythmusstörungen krankgeschrieben und im Jahre 1990 bei ihm eine LV-Dilatation festgestellt worden war. Aufgrund der weit gefassten Fragestellung ist danach von einer Anzeigepflichtverletzung auszugehen soweit Gesundheitsstörungen verschwiegen wurden, die nicht offenkundig belanglos waren oder alsbald vergingen (vgl. BGH VersR 1994, 711).

Ausweislich der Auskunft der Krankenkasse war der Kläger vom 1.2. bis 3.2.1993 wegen Enterocolitis - d.h. einer Darmentzündung - krankgeschrieben. Der Kläger hat jedoch behauptet, es habe sich um eine ganz normale Magen-Darmgrippe gehandelt, wofür auch die kurze Dauer der Krankschreibung spricht. Dass der Kläger tatsächlich nicht an einer als Bagatelle anzusehenden Darmgrippe gelitten hat und er darüber hinaus auch Kenntnis von der Diagnose "Darmentzündung" hatte, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht dargetan. Eine Anzeigepflichtverletzung liegt danach nicht vor.

Gleiches gilt soweit der Kläger nicht angegeben hat, dass er 1994/5 an Lumbalgien gelitten hat. Der Kläger war nur zweimal kurzfristig - nämlich vom 8.11. bis 11.11.1994 und vom 3.7. bis 14.7.1995 - wegen Lumbalgien krankgeschrieben. Zur Ursache, Behandlung etc. der Lumbalgien hat die Beklagte ihrerseits nichts vorgetragen. Nach dem Vortrag des Klägers handelte es sich um "ganz normale Kreuzschmerzen", die im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Sachbearbeiter standen und später nie mehr aufgetreten sind. Angesichts dessen sind die Lumbalgien als nicht anzeigepflichtige Bagatellen anzusehen.

Ob die seit 1990 bekannte LV-Dilatation anzugeben war, erscheint mangels näherer Darlegung des Befundes seitens der Beklagten zumindest zweifelhaft. Es handelt sich zwar um eine gesundheitliche Störung, Krankheitswert kam dieser aber nicht zu, da - wie die Beklagte selbst in ihrem Anfechtungsschreiben ausgeführt hat - eine "LV-Dilatation bei regelrechter Funktion" vorliegt. Ob es sich insoweit um eine erhebliche, kontrollbedürftige Normabweichung handelt, ist unklar. Wie der Kläger ausgeführt hat, handelt es sich um einen zufällig - nicht im Rahmen einer gezielten Untersuchung - erhobenen Befund; Beschwerden seien nie aufgetreten. Geht man in Hinblick auf die weit gefasste Fragestellung davon aus, dass grundsätzlich eine Anzeigepflicht bestand, dann fehlt es jedenfalls an der Gefahrerheblichkeit. Die Gefahrerheblichkeit einer Herzerweiterung bei regelrechter Funktion liegt nicht auf der Hand, so dass die Beklagte ihre Risikoprüfungsgrundsätze hätte darlegen müssen.

Grundsätzlich anzeigepflichtig war demgegenüber der Umstand, dass der Kläger in der Zeit vom 1.12.1994 bis 17.4.1995 wegen Herzrhythmusstörungen krankgeschrieben und in ärztlicher Behandlung war.

Soweit der Kläger darauf verweist, dass den Herzrhythmusstörungen keine körperliche Erkrankung zugrunde gelegen habe, diese vielmehr durch Mobbing an seinem alten Arbeitsplatz bedingt gewesen seien, was durch den Bericht von Dr. A vom 26.6.2003 bestätigt wird, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung der Anzeigepflicht. Auch psychosomatische Herzbeschwerden stellen - zumal wenn sie zu einer längeren Krankschreibung führen - keine offensichtlich belanglose Bagatalle dar. Aufgrund der weit gefassten Fragestellung waren nicht nur Krankheiten, sondern auch weit weniger ausgeprägte Beschwerden und Störungen anzugeben. Dass der Kläger die Herzrhythmusstörungen nicht als relevant angesehen hat, ist daher unerheblich, da ihm eine Wertung gerade nicht abverlangt wurde.

Soweit die Beklagte sich darüber hinaus in ihrem Anfechtungsschreiben vom 16.10.2003 darauf berufen hat, dass der Kläger seit 1986 - also dauerhaft und nicht nur einmalig stressbedingt 1994/5 - an Arrhythmien gelitten und auch insofern seine Anzeigepflicht verletzt habe, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Die Beklagte stützt sich insoweit allein auf die völlig vage Formulierung im Arztbericht des Kardiologen vom 30.12.2994, in welchem es heißt, "bereits wohl seit 1986 waren Arrhythmien aufgefallen". Entsprechende Nachforschungen hat die für eine Anzeigepflichtverletzung darlegungs- und beweispflichtige Beklagte jedoch nicht angestellt. Nach dem Vortrag des Klägers handelte es sich um einmalig im Jahre 1986 aufgefallene, nicht behandlungsbedürftige Arrhythmien. Insofern lagen die Beschwerden außerhalb des erfragten Zeitraumes.

Auszugehen ist daher allein von der Nichtangabe vorübergehender, psychisch - nämlich durch Mobbing am Arbeitsplatz - verursachter Herzrhythmusstörungen, deren Gefahrerheblichkeit der Kläger bestritten hat. Zwar hat die Beklagte insofern behauptet, bei Bekanntsein der psychosomatischen Herzbeschwerden hätte sie den Vertrag nur mit einer entsprechenden Ausschlussklausel angenommen. Eine konkrete Darlegung ihrer Risikoprüfungsgrundsätze erfolgte jedoch nicht. Ob insoweit von einer auf der Hand liegenden Gefahrerheblichkeit auszugehen ist, ist nach Auffassung des Senates zumindest fraglich. Die Entwicklung von somatischen Beschwerden aufgrund von "Mobbing" am Arbeitsplatz, erscheint durchaus nachvollziehbar und dürfte nicht ohne weiteres auf ein erhöhtes Risiko in Form von psychosomatischen Erkrankungen schließen lassen. Letztlich kann diese Frage jedoch dahingestellt bleiben.

Selbst wenn man in Hinblick auf die psychosomatischen Herzbeschwerden im Jahre 1994/5 von einer Anzeigepflichtverletzung ausgeht, scheitert eine Leistungsfreiheit infolge Rücktritts jedenfalls an § 21 VVG, da die verschwiegenen Beschwerden nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles waren. Gemäß § 21 VVG bleibt der Versicherer im Falle des Rücktritts zur Leistung verpflichtet, wenn der Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt ist, keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls und auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat. Die Dienstunfähigkeit des Klägers ist aufgrund der nicht mehr zu kompensierenden Darmirregulation als Folge der Operation im September 2000 sowie der reaktiv hierdurch entstandenen Angst- und Depressionsstörung eingetreten. Da eine reaktive Angst- und Depressionsstörung vorliegt, besteht auch keine Mitursächlichkeit der nicht angegebenen psychosomatischen Beschwerden. Für die Einholung eine Sachverständigengutachtens besteht danach kein Anlass. Der Rücktritt führt nicht zu einer Leistungsfreiheit der Beklagten.

Des weiteren sind aber auch die subjektiven Voraussetzungen der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht gegeben.

Arglist setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer - zumindest bedingt - vorsätzlich falsche Angaben macht. Der Versicherungsnehmer muss in dem Bewusstsein gehandelt haben, dass der Versicherer bei Kenntnis des wahren Sachverhalts den Antrag gar nicht oder nur zu anderen Bedingungen angenommen hätte (Römer, VVG-Komm., 2. Aufl., § 22 Rz.3). Der Nachweis der Arglist - der dem Versicherer obliegt - ist in der Regel nur durch Indizien zu führen, wobei wichtigste Indizien Art, Schwere und Zweckrichtung der Falschangaben sind (vgl. Römer, a.a.O., § 22 Rz. 6).

Das Verschweigen der psychosomatischen Herzbeschwerden lässt vorliegend nicht darauf schließen, dass der Kläger hierbei in dem Bewusstsein handelte, bei Angabe der Beschwerden werde die Beklagte den Versicherungsantrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen. Die ärztlichen Untersuchungen hatten gerade ergeben, dass keine Herzerkrankung vorlag. Es handelte sich vielmehr um stressbedingte Beschwerden aufgrund von Problemen am Arbeitsplatz. Der Kläger war zwar längere Zeit (4 1/2 Monate) krank geschrieben. Bei Antragstellung war für ihn die ganze Sache jedoch abgeschlossen, da nach seinem Arbeitsplatzwechsel nie wieder Beschwerden aufgetreten sind. Angesichts dessen, dass es zumindest zweifelhaft erscheint, ob bei derartigen vorübergehenden, psychosomatischen Beschwerden, die auf einer nachvollziehbaren Belastungssituation beruhen, objektiv von einer auf der Hand liegenden Gefahrerheblichkeit auszugehen ist, kann erst recht nicht darauf geschlossen werden, der Kläger habe die Herzbeschwerden im Bewusstsein ihrer Gefahrerheblichkeit verschwiegen.

Im übrigen ist die Anfechtung auch nicht rechtzeitig - binnen Jahresfrist ab Kenntnis von der Täuschung - erklärt worden (§124 BGB). Sichere Kenntnis von den verschwiegenen psychosomatischen Herzrhythmusstörungen und der insoweit erfolgten Krankschreibung hatte die Beklagte schon aufgrund der Auskunft der Krankenkasse im September 2002. Aus dem ihr sodann im September 2003 zugegangenen Bericht des Kardiologen ergab sich lediglich zusätzlich der vage Verdacht, dass der Kläger bereits seit geraumer Zeit an Arrhythmien gelitten hat, dem die Beklagte nicht weiter nachgegangen ist und auf den eine Anzeigepflichtverletzung nicht gestützt werden kann.

Danach ist die Beklagte zur bedingungsgemäßen Leistung aus der Berufsunfähigkeitsversicherung verpflichtet.

Gemäß § 1 (3) der Tarifbedingungen für Tarif IBU2000 entsteht der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente frühestens mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist, vorliegend also zum 1.7.2002. Dem Kläger steht danach der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der Beiträge für die Monate Juli bis Oktober 2002 sowie der ab 1.8.2002 geltend gemachte Anspruch auf rückständige Berufsunfähigkeits-Renten zu, der allerdings der Höhe nach auf 594,07 Euro beschränkt ist, da gemäß § 5 der Besonderen Bedingungen für die Beamten-Endalter-Klausel das Recht auf Erhöhungen erlischt, wenn die versicherte Person berufsunfähig geworden ist. Ebenso steht dem Kläger der bis zum Ablaufdatum geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der künftig fällig werdenden Renten zu. Gemäß § 1 (1) der Tarifbedingungen sind die Renten monatlich im voraus zu entrichten.

Soweit der Kläger die Zahlung einer erhöhten - über den Betrag von 594,07 Euro hinausgehenden - Rente begehrt hat, war die Klage abzuweisen.

Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz stehen dem Kläger gemäß §§ 286 I 2, II Nr.1, 288 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verzuges zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II Nr.1 ZPO, die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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