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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 05.10.2006
Aktenzeichen: 7 U 215/04
Rechtsgebiete: AVBR 1992, VVG


Vorschriften:

AVBR 1992 § 10
VVG § 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Hausratversicherung genommen und ist zudem Versicherte in einer bei der Beklagten bestehenden Reisegepäckversicherung. Sie begehrt Versicherungsleistungen mit der Behauptung, ihr seien während einer Reise nach O3 am 06.06.2003, dem Freitag vor Pfingsten, gegen 13.30 Uhr am Hafen von O2 zwei wertvolle Taschen, in denen sich ihr gesamter Schmuck mit einem Wert von 250.000 €, wertvolle Brillen, 5.000 € Bargeld, ein Handy im Wert von 550 € und anderes mehr befunden hätten (Aufstellungen Bl. 5/6, 31-33, 44/45 und Bl. 391- 404 d.A.), entwendet worden. Der Hausratversicherung der Klägerin liegen als Allgemeine Bedingungen die AVAR E 26-0, als Besondere Bedingungen die ARH E 26-1 und schließlich noch die Besonderen Bedingungen für die Versicherung von Elementarschäden zugrunde. Wegen des Inhalts der Klauselwerke wird auf Bl. 281-286 (AVAR E 26-0), Bl. 267-271 (ARH E 26-1) und Bl. 271 d.A. (Besondere Bedingungen für die Versicherung von Elementarschäden) Bezug genommen. Nach Nrn 1. und 3. ARH E 26-1 ist der private Hausrat gegen Zerstörung, Beschädigung oder Abhandenkommen als Folge aller Gefahren versichert, und zwar weltweit auch außerhalb eines vereinbarten Versicherungsortes. Als Versicherungsorte sind ein Haus der Klägerin in O5 und eine Wohnung der Klägerin in O3 vereinbart. Versicherungsnehmerin der Reisegepäckversicherung ist die A GmbH, Versicherte sind vier Personen, darunter die Klägerin. Der Reisegepäckversicherung liegen die AVBR 1992 Fassung Januar 1995 - zugrunde, wegen deren Wortlauts auf Bl. 292-295 d.A. Bezug genommen wird.

Die Klägerin meldete den behaupteten Schadensfall vom 06.06.2003 am 10.06.2003, dem Dienstag nach Pfingsten, telefonisch einem Agenten der Beklagten. Ebenfalls am 10.06.2003 erstattete sie bei der Polizei in O1 (O3) Anzeige. Am 27.07.2003 erstellte sie eine schriftliche Schadensanzeige für die Beklagte (Bl. 87-89 d.A.), der sie das polizeiliche Protokoll und eine Liste der als entwendet behaupteten Schmuckstücke beifügte (Bl. 31-33 d.A.). Bei Erstattung der polizeilichen Anzeige und gegenüber einem von der Beklagten beauftragten Ermittler gab die Klägerin an, dass ihr Begleiter, der Zeuge Z1, am Hafen von O2 zum Schalter der Fährgesellschaft gegangen sei, während sie auf dem Beifahrersitz des PKWs des Zeugen Z1 sitzen geblieben sei. Ein junger Mann habe die Beifahrertüre aufgerissen, sie mit einem Messer bedroht und ihr Beauty-Case, in dem sich u.a. ihr Schmuck und Bargeld befunden hätten und das zwischen ihren Füßen gestanden habe, an sich genommen. Er sei davon gelaufen; sie habe ihn verfolgt und um Hilfe gerufen. Während dessen müsse ein weiterer Täter eine zweite ihr gehörende, vor dem Fahrersitz abgestellte Tasche sowie eine dem Zeugen Z1 gehörende Tasche an sich genommen haben müsse. In der Schadensanzeige vom 22.07.2003 hat die Klägerin hingegen angegeben, dass, während sie sich noch im Fahrzeug befunden habe, ein zweiter Täter die Fahrertüre aufgerissen und ihre zweite Tasche sowie die Herrn Z1 gehörende an sich genommen habe. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 28.08.2003 Leistungen abgelehnt mit der Begründung, die Klägerin habe ihre Wahrheitspflicht verletzt, weil sie unterschiedliche Sachverhaltsdarstellungen abgegeben habe.

In der Klageschrift hat die Klägerin einen Tathergang behauptet, wie sie ihn u.a. auch bei der polizeilichen Anzeige geschildert hatte. Sie hat behauptet, dass es ihr bei einer späteren Fahrt nach O3 gelungen sei, in O2 eine Augenzeugin des Vorfalls vom 06.06.2003 ausfindig zu machen, Frau Z2. Die Klägerin hat für den "verübten Raub (äußeres Tatgeschehen)" Beweis durch Vernehmung der Zeugin Z2 angeboten (Seite 7 der Klageschrift, Bl. 7 d.A.). In der Replik hat sie sich nochmals zum Beweis dafür, dass sie, wie in der Klageschrift geschildert, ausgeraubt und überfallen worden sei, auf das Zeugnis von Frau Z2 bezogen (Seite 2 des Schriftsatzes vom 24.05.2004, Bl. 111 d.A.). Sie hat weiter behauptet, die Polizei in O2 habe darauf hingewiesen, dass eine Strafanzeige auf O3 erstattet werden solle, wo aber am 07.06.2003 die Polizei in O1 nur Bereitschaftsdienst versehen, die Entgegennahme einer Anzeige verweigert und ihr bedeutet habe, am 09.06.2003 wieder zu kommen. Am 09.06.2003 sei ihr auf dem Polizeirevier ein Formular ausgehändigt worden, welches sie habe ausfüllen und am 10.06.2003 abgeben sollen. Nachdem die Beklagte in der Klageerwiderung die von ihr angenommene Leitungsfreiheit erstmals auch damit begründet hatte, dass die Klägerin keine spezifizierte Stehlgutliste bei der Polizei in Land 1 eingereicht habe, hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie schon in der Strafanzeige vom 10.06.2003 darauf hingewiesen habe, dass ihr eine Aufstellung sämtlicher gestohlener Schmuckstücke erst nach Rücksprache mit ihrem Juwelier in O4 möglich sei (Seite 11 des Schriftsatzes vom 24.05.2004, Bl. 119 d.A.). Sie hat weiter behauptet, dass die telefonische Schadensmeldung bei dem Agenten der Beklagten wegen der Feiertage nicht vor dem 10.06.2003 habe erfolgen können. Der Agent habe das Formular für die schriftliche Schadensanzeige erst Ende Juli 2003 bei der Klägerin vorbeigebracht, weshalb die schriftliche Schadensanzeige nicht früher habe ausgefüllt werden können.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 63.481,05 € nebst 5% Verzugszinsen über dem Basiszinssatz aus 60.981,05 € seit dem 28.02.2003 sowie aus 2.500 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 25.05.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Eintritt des Versicherungsfalles bestritten und dabei insbesondere eine Unredlichkeit der Klägerin sowie des Zeugen Z1 geltend gemacht, die sie daraus hat herleiten wollen, dass beide eine ungewöhnlich hohe Zahl von Versicherungsfällen gemeldet hätten und der Zeuge Z1 mehrfach vorbestraft sei. Weiter hat sich die Beklagte nach § 61 VVG für leistungsfrei gehalten und hierbei die Auffassung vertreten, die Klägerin habe grob fahrlässig gehandelt, sofern sie ihren gesamten Schmuck mitgenommen habe. Weiter hat die Beklagte Leistungsfreiheit nach § 6 Abs. 3 VVG geltend gemacht. Die Klägerin habe den Tathergang widersprüchlich geschildert, habe weder die Strafanzeige noch die Schadensanzeige unverzüglich erstattet und darüber hinaus eine Stehlgutliste bei der Polizei nicht und bei der Beklagten verspätet eingereicht.

Zur Ergänzung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin den Versicherungsfall nicht schlüssig dargetan und nicht ausreichend unter Beweis gestellt habe. Es hat ohne Anhörung der Klägerin angenommen, dass der Klägerin keine Redlichkeitsvermutung zugute komme, hat dabei den unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin, warum sie erst am 10.06.2003 Strafanzeige erstattet habe, als nicht plausibel angesehen und die Häufung von Versicherungsfällen sowie eine angenommene Unredlichkeit des Zeugen Z1 zu Lasten der Klägerin berücksichtigt. Den Beweisantritt für das äußere Tatgeschehen hat das Landgericht als unzureichend erachtet, weil die Klägerin nicht deutlich gemacht habe, welches Geschehen im Einzelnen die Zeugin Z2 gesehen haben solle und welche Vorgänge die Zeugin überhaupt habe wahrnehmen können. Hilfsweise hat das Landgericht noch darauf abgestellt, dass die Beklagte nach § 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei sei, weil die Klägerin den Tathergang widersprüchlich geschildert habe.

II.

Gegen dieses am 03.11.2004 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 25.11.2004 eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Sie rügt fehlerhafte Rechtsanwendung, insbesondere Verfahrensfehler, und Fehler in den Tatsachenfeststellungen des Landgerichts. Aus dem erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin habe sich ergeben, dass die Zeugin Z2 für den gesamten Tathergang benannt worden sei. Soweit das Landgericht, wie in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dieses Klägervorbringen als nicht ausreichend angesehen habe, hätte es die Klägerin hierauf hinweisen müssen, was es indessen unterlassen habe. Da die Klägerin eine neutrale Zeugin benannt habe, komme es auf die Erwägungen des Landgerichts zur angeblichen Unredlichkeit der Klägerin, die im Übrigen unhaltbar seien, nicht an. Soweit das Landgericht dem Vortrag der Klägerin, warum sie erst am 10.06.2003 Strafanzeige erstattet habe, nicht gefolgt sei, habe es Beweisangebote der Klägerin übergangen. Schließlich habe das Landgericht zu Unrecht Leistungsfreiheit der Beklagten nach § 6 Abs. 3 VVG angenommen. Es habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin den Vorfall gegenüber dem von der Beklagten eingeschalteten Ermittler so, wie zuvor bei der spanischen Polizei und wie später in der Klageschrift, geschildert habe. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass es auf den Zeitpunkt des Auftauchens des zweiten Täters ankommen könnte, weshalb grobe Fahrlässigkeit ausscheide. Im Übrigen sei, was die Klägerin näher ausführt, eine abweichende Schilderung in der Schadensanzeige ohne Einfluss auf die Feststellungen der Beklagten geblieben und fehle es an einer Relevanz der Ungenauigkeit der Schadensanzeige.

Erstmals bei ihrer informatorischen Anhörung im Termin vom 18.05.2006 und vertiefend in dem nachfolgenden Schriftsatz vom 14.06.2006 behauptet die Klägerin, dass sie (so in der Anhörung vom 18.05.2006) bzw. der Zeuge Z1 (so im Schriftsatz vom 14.06.2006) am 10.06.2003 ein zweites Mal das Polizeirevier in O1 aufgesucht und dabei, nach einem Telefonat mit ihrem in O4 ansässigen Juwelier, eine Auflistung der als entwendet behaupteten Schmuckstücke sowie anderer als entwendet behaupteter Gegenstände abgegeben haben. Weiter behauptet die Klägerin, dass die spanische Polizei darauf hin keine Ermittlungserfolge erzielt habe. Sie meint, dass dieses neue Vorbringen zuzulassen sei, weil in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils nicht auf eine unterlassene Vorlage einer Stehlgutliste abgestellt worden sei und das Landgericht verfahrensfehlerhaft nicht auf die Erheblichkeit dieses Gesichtspunktes hingewiesen habe. Hilfsweise stellt die Klägerin darauf ab, dass ihr hinsichtlich eines Unterlassens der Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei keine grobe Fahrlässigkeit zur Last falle. Sie meint, dass von dem Versicherungsnehmer nicht die Kenntnis der Versicherungsbedingungen erwartet werden könne und dass die Agentur der Beklagten anlässlich der telefonischen Schadensmeldung auf die Obliegenheit der unverzüglichen Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei hätte hinweisen müssen. Schließlich ist die Klägerin der Auffassung, dass die Beklagte sich nicht mit Erfolg auf Leistungsfreiheit wegen einer Verletzung der Obliegenheit der unverzüglichen Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei berufen könne, weil sie die Beklagte zum einen nicht rechtzeitig die Kündigung nach Nr. 17.2 der AVAR E 26-1 erklärt habe und zum anderen dadurch konkludent auf die Geltendmachung der Obliegenheitsverletzung verzichtet habe, dass sie ihre Leistungsablehnung nicht darauf gestützt habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt, Az: 2/4 O 70/04, verkündet am 29.10.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 63.481,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 60.981,05 € seit dem 28.08.2003 sowie aus 2.500,00 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 24.05.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Zum einen ist sie mit dem Landgericht der Auffassung, dass der Vortrag der Klägerin zum Hergang der behaupteten Beraubung nicht ausreichend substantiiert und nicht schlüssig sei, zum anderen meint sie aber, dass der Vortrag der Klägerin komplex sei und die Klägerin deshalb im Einzelnen hätte angeben müssen, für welche Elemente ihres Vorbringens sie die Zeugin Z2 benenne. Nach Ansicht der Beklagten hätte die Klägerin auch darlegen müssen, wo sich die Zeugin befunden habe, weshalb sie den behaupteten Vorgang habe wahrnehmen können, und welche Teile des Geschehens sie beobachtet habe. Die Beklagte rügt die Verspätung des letzten Vorbringens der Klägerin zur Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei, das sie für nicht zulassungsfähig hält und im Übrigen bestreitet.

Zur Ergänzung des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die im zweiten Rechtzug gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Mit Beschluss vom 24.01.2006 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden. In den Terminen vom 18.05.2006 und 07.09.2006 ist die Klägerin informatorisch gehört worden. Wegen der von ihr abgegebenen Erklärungen wird auf die Terminsprotokolle Bezug genommen.

III.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, weil das Landgericht die Klage im Ergebnis zu recht abgewiesen hat.

Allerdings trägt die vom Landgericht gegebene Hauptbegründung die Klageabweisung nicht. In der Klageschrift hat die Klägerin einen Sachverhalt behauptet, aus dem sich schlüssig ein Abhandenkommen der Gepäckstücke i.S. der Nr. 1 der ARH E 26-1 bzw. des § 2 Nr. 2 a) der AVBR 1992, die im Übrigen dem Landgericht nicht bekannt waren, ergibt. Diese Behauptungen hat die Klägerin in das Wissen der Zeugin Z2 gestellt, was sie spätestens in der Replik mit wünschenswerter Deutlichkeit klargestellt hat. Von der Zeugenbeweis antretenden Partei kann grundsätzlich keine Angabe darüber verlangt werden, wie der Zeuge die in sein Wissen gestellte Tatsache erfahren hat, soweit es nicht um den Beweis einer bei einem Dritten eingetretenen inneren Tatsache geht (BGHZ 87, 227 ff. Rn 25 im juris-Ausdruck; BGH WM 1996, 1265 ff. Rn 17 im juris-Ausdruck). Ob der Zeuge die Tatsache überhaupt wahrnehmen konnte und ob er sie tatsächlich wahrgenommen hat, ist erst im Rahmen der Beweiswürdigung zu beurteilen. Mithin durfte das Landgericht ohne eine Vernehmung der Zeugin Z2 nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass der Eintritt des Versicherungsfalls nicht festgestellt werden könne.

Gleichwohl hat die Berufung auch dann keinen Erfolg, wenn die von der Klägerin behauptete Entwendung als wahr unterstellt wird, weil jedenfalls die Beklagte in der Hausratversicherung nach Nr. 18.1 b) ARH 26-1 i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG und in der Reisegepäckversicherung nach §§ 10 Nr. 3 der AVBR 1992, 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei ist. Denn auch wenn zugunsten der Klägerin weiter unterstellt wird, dass ihr die Erstattung einer Anzeige bei der spanischen Polizei vor dem 10.06.2003 objektiv nicht möglich war, muss der Entscheidung des Berufungsgerichts doch zugrunde gelegt werden, dass die Klägerin entgegen Nr. 18.1. b) ARH 26-1 und § 10 Nr. 3 AVBR 1992 eine Stehlgutliste nicht unverzüglich bei der Polizei vorgelegt hat. Die polizeiliche Anzeige vom 10.06.2003 enthält ausweislich der Übersetzung (Bl. 18/19 d.A.) keine nähere Beschreibung irgendeines der hier als entwendet unterstellten echten Schmuckstücke und im Übrigen keinerlei Erwähnung des Modeschmucks mit einem behaupteten Wert von immerhin ca. 2.650,00 € (vgl. Bl. 5 und 399/400 d.A). Mit den Angaben in der Strafanzeige hat die Klägerin daher ihren Obliegenheiten nach Nr. 18.1. b) und d) ARH 26-1 und nach § 10 Nr. 3 AVBR 1992 objektiv noch nicht genügt.

Die erstmals im zweiten Rechtszug aufgestellte Behauptung der Klägerin, dass der Polizei in O1 noch am 10.06.2003 eine Liste der entwendeten Schmuckstücke sowie anderer entwendeter Gegenstände übergeben worden sei, ist nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Eine Zulassung nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO scheidet aus, weil weder die Obliegenheit zur unverzüglichen Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei von allen Verfahrensbeteiligten übersehen worden ist noch das Landgericht schon vor Erlass seines Urteils zu erkennen gegeben hat, dass es diesen Gesichtspunkt für unerheblich erachte (vgl. zu diesen Zulassungsvoraussetzungen BGH BB 2006, 1707 ff. Rn 178 im juris-Ausdruck). Eine Hinweispflicht des Landgerichts hätte allenfalls dann bestanden, wenn offenkundig gewesen wäre, dass die Klägerseite die Einwendungen der Beklagten nicht zutreffend aufgenommen hatte (vgl. BGH NJW-RR 2002, 1247, 1248). Dies war vorliegend nicht der Fall, da die Klägerin das Vorbringen der Beklagten in der Replik aufgegriffen hat, indem sie geltend gemacht hat, dass sie schon in der Strafanzeige darauf hingewiesen habe, dass ihr eine Aufstellung sämtlicher gestohlener Schmuckstücke erst nach Rücksprache mit ihrem Juwelier in O4 möglich sei (Seite 11 des Schriftsatzes vom 24.05.2004, Bl. 119 d.A.). Damit hat die Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie das Unterlassen der Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei nicht in Abrede stellt. Das Landgericht hätte u.U. auch dann einen Hinweis erteilen müssen, wenn sich das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 24.05.2004 als lückenhaft oder ergänzungsbedürftig dargestellt hätte (vgl. BGH BGHR 2002, 1114 f. Rn 13 im juris-Ausdruck). Indessen hatte das Landgericht keinerlei Anlass anzunehmen, dass die Klägerin möglicherweise eine Stehlgutliste bei der Polizei auf O3 vorgelegt, dies aber in der Replik nicht vorgetragen haben könnte. Vielmehr musste das Landgericht davon ausgehen, dass die Klägerin, sofern sie die Vorlage einer Stehlgutliste hätte wahrheitsgemäß vortragen können, dies auch getan hätte. Dem Berufen der Klägerin auf das Erfordernis einer Rücksprache mit ihrem Juwelier war jedoch zu entnehmen, dass die Klägerin die unverzügliche Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei nicht hat vortragen wollen. Das neue Vorbringen der Klägerin ist auch nicht nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Zwar hat das Landgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die Klageabweisung nicht auf eine Verletzung von Obliegenheiten nach Nr. 18.1. b) und d) ARH 26-1 und nach § 10 Nr. 3 AVBR 1992 gestützt. Doch setzt der Zulassungsgrund nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO auch voraus, dass die Rechtsansicht des erstinstanzlichen Gerichts den Sachvortrag der Partei beeinflusst und mitursächlich dafür geworden ist, dass Vorbringen in die Berufungsinstanz verlagert wird (BGH BB 2006, 1707 ff. Rn 17 f. im juris-Ausdruck). Es ist nicht ersichtlich, dass das Landgericht in der Schlussverhandlung erster Instanz oder zuvor zu erkennen gegeben hätte, dass es die Frage der unverzüglichen Vorlage einer Stehlgutliste für unerheblich halte. Schließlich ist das neue Vorbringen auch nicht nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zuzulassen. Hat eine Partei von ihr darzulegende Umstände in erster Instanz nicht vorgebracht, obwohl diese Umstände und auch deren Bedeutung ihr zumindest hätten bekannt sein müssen, so beruht die unterlassene Geltendmachung auf Nachlässigkeit i.S. von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO (BGH VersR 2004, 1472, 1474). Es ist weder von der Klägerin dargetan worden noch sonst ersichtlich, weshalb die Klägerin nicht imstande gewesen sein sollte, auf das Vorbringen in der Klageerwiderung hin schon im ersten Rechtszug vorzutragen, dass der Polizei am 10.06.2003 eine Stehlgutliste vorgelegt worden sei. Mithin ist der Entscheidung im zweiten Rechtszug zugrunde zu legen, dass die Klägerin keine Stehlgutliste bei der Polizei eingereicht hat. Damit hat sie ihre Obliegenheiten nach Ziff. 18.1 b) ARH 26-1 und nach § 10 Nr. 3 AVBR 1992 objektiv verletzt.

Jedenfalls die Vermutung grober Fahrlässigkeit hat die Klägerin nicht entkräftet. Zwar kann zweifellos nicht erwartet werden, dass ein Versicherungsnehmer auch auf Reisen die Versicherungsbedingungen zur Hand hat oder sie ihm anderweitig präsent sind. Doch ist von dem Versicherungsnehmer zu erwarten, dass er sich bei Eintritt des Versicherungsfalles Kenntnis vom Inhalt der Vertragsbedingungen und auch von seinen Obliegenheiten verschafft. Unterlässt er dies und verletzt er deshalb Obliegenheiten, so handelt er grob fahrlässig (OLG Köln VersR 2005, 1531, 1532; RuS 1992, 316 und VersR 1986, 906; OLG Hamm VersR 1992, 489 f. Rn 14 im juris-Ausdruck und VersR 1973, 339). Gegen eine Entkräftung der Vermutung zumindest grober Fahrlässigkeit der Klägerin insoweit spricht vorliegend auch, dass die Klägerin ihrem Vortrag zufolge in der Lage war, am 10.06.2003 mit einem Agenten der Beklagten zu telefonieren, und dass der Zeuge Z1 sogar in der Lage war, vor dem 12.06.2003 auf O3 ein Fax der Beklagten zu empfangen und von dort am 12.06.2003 eine Schadensanzeige an die Beklagte zu faxen (vgl. Bl. 95 und 30 d.A.). Daher ist nicht ersichtlich, dass es der Klägerin unmöglich gewesen sein könnte, sich nach dem Inhalt ihrer Obliegenheiten zu erkundigen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Versicherer nicht gehalten, den Versicherungsnehmer spontan über dessen Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls zu unterrichten (KG RuS 2003, 199; OLG Hamm VersR 1992, 489 f. Rn 14 im juris-Ausdruck m.weit.Nachw. und VersR 1973, 339; OLG Koblenz VersR 1988, 25, 26). Daher steht auch die von der Klägerin behauptete fehlende Unterrichtung über die Obliegenheit durch die Agentur B der nach § 6 Abs. 3 VVG zu vermutenden groben Fahrlässigkeit der Klägerin nicht entgegen.

Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Obliegenheitsverletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung noch auf den Umfang der der Beklagten obliegenden Leistung gehabt hat. Die Obliegenheit, unverzüglich eine Stehlgutliste bei der Polizei einzureichen, soll zum einen der raschen Sachfahndung dienen, zum anderen aber auch einem Aufbauschen des Schadens durch den Versicherungsnehmer vorbeugen (OLG Frankfurt NVersZ 2001, 37 ff. Rn 10 im juris-Ausdruck; OLG Köln NVersZ 2000, 531 f. Rn 43 im juris-Ausdruck; OLG Köln NVersZ 2000, 287 f. Rn 3 im juris-Ausdruck; OLG Hamm VersR 1995, 289 f. Rn 14 im juris-Ausdruck - jeweils zur Hausratversicherung; OLG Köln VersR 2005, 1531, 1532 und OLG Hamm VersR 1987, 153 - jeweils zur Reisegepäckversicherung).

Eine Folgenlosigkeit in Bezug auf die Vertragsgefahr - Aufbauschen des Schadens - wäre bewiesen, wenn die Klägerin den Nachweis erbrächte, dass die als entwendet behaupteten Gegenstände tatsächlich entwendet wurden (vgl. BGH VersR 1999, 1004 ff. Rn 11 im juris-Ausdruck). Insoweit hat die Klägerin auch Beweis angeboten, der jedoch nicht zu erheben ist.

Denn es ist nicht ausreichend dargelegt, dass - den Eintritt des Versicherungsfalls in beiden Versicherungen unterstellt das Unterlassen der unverzüglichen Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei ohne Einfluss auf den Umfang der der Beklagten obliegenden Leistung gewesen wäre. Insoweit hat der erstmals im zweiten Rechtszug gehaltene Vortrag, die Polizei habe nach Vorlage einer Stehlgutliste am 10.06.2003 keine Sachfahndungsmaßnahmen ergriffen, unberücksichtigt zu bleiben. Da das Vorbringen, am 10.06.2003 sei eine Stehlgutliste eingereicht worden, nicht zuzulassen ist, ist auch dem Vortrag, dass daraufhin nichts veranlasst worden sei, die Grundlage entzogen. Bei den als entwendet behaupteten echten Schmuckstücken handelt es sich keinesfalls um Massenware, die nicht hinreichend individualisiert werden könnte. Aus der von der Klägerin bei der Beklagten eingereichten Stehlgutliste ergibt sich vielmehr das Gegenteil. Jedenfalls wenn entwendete Gegenstände keine Massenware darstellen, kann nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, dass im Falle der unverzüglichen Einreichung einer Stehlgutliste bei der Polizei eine Sachfahndung eingeleitet worden wäre und Erfolg gehabt hätte (OLG Köln VersR 2005, 1531, 1532 und NVersZ 2000, 287 f. Rn 14 im juris-Ausdruck; KG RuS 2003, 199, 201; OLG Frankfurt NVersZ 2001, 37 ff. Rn 13 im juris-Ausdruck m.weit.Nachw.; OLG Hamm VersR 1992, 489 f. Rn 20 im juris-Ausdruck; weiter gehend OLG Koblenz VersR 1988, 25, 26: selbst bei Massenware ist ein Fahndungserfolg nicht auszuschließen). Auch im vorliegenden Fall wäre ein Fahndungserfolg nicht auszuschließen gewesen. Dann hätte sich die - hier unterstellte Leistungspflicht der Beklagten um den Wert der sichergestellten Stücke vermindert. Mithin steht eine Folgenlosigkeit der grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung nicht fest.

Es ist der Beklagten nicht verwehrt, sich auf Leistungsfreiheit wegen dieser Obliegenheitsverletzung zu berufen. Stützt der Versicherer seine vorprozessuale Leistungsablehnung auf die Verletzung einer bestimmten Obliegenheit, so steht es ihm weiterhin offen, jedenfalls alsbald im ersten Rechtszug die Verletzung weiterer Obliegenheiten geltend zu machen (OLG Düsseldorf VersR 1993, 425; OLG Schleswig VersR 1994, 169; OLG Karlsruhe VersR 1994, 1183). Die Beklagte hat sich bereits in der Klageerwiderung auf eine Verletzung der Obliegenheiten nach Ziff. 18.1 b) ARH 26-1 und nach § 10 Nr. 3 AVBR 1992 berufen.

Die Leistungsfreiheit der Beklagten in der Hausratversicherung wegen der Verletzung der Obliegenheit nach Ziff. 18.1 b) ARH 26-1 setzt eine Kündigung des Versicherungsvertrags nach Ziff. 17.2. Abs. 1 ARH 26-1 nicht voraus. Ziff. 17 ARH 26-1 betrifft Obliegenheiten, die vor dem Versicherungsfall zu erfüllen sind, darüber hinaus solche zur Verminderung bzw. Verhütung einer Gefahr, während Ziff. 18 ARH 26-1 Obliegenheiten betrifft, die im oder nach dem Versicherungsfall zu erfüllen sind . Dies ergibt sich mit der wünschenswerten Klarheit bereits aus den Überschriften beider Klauseln. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird bei verständiger Lektüre der Klauseln ohne weiteres erkennen, dass die Verweisung auf Ziff. 18 ARH 26-1 am Ende von Ziff. 17.1. ARH 26-1 sich nur auf die dort unmittelbar angesprochenen, zur Schadensminderung erforderlichen sofortigen Maßnahmen bezieht. Weiter ergibt sich für ihn bereits aus den hervorgehobenen Zwischenüberschriften der Ziff. 18 ARH 26-1, dass sich Regelungen über die zur Schadensminderung erforderlichen sofortigen Maßnahmen in Ziff. 18.2. ARH 26-1 finden. Damit kann schließlich nicht zweifelhaft sein, dass in Ziff. 17 ARH 26-1 getroffene Bestimmungen für die in Ziff. 18.1. b) ARH 26-1 geregelten Obliegenheiten keine Geltung beanspruchen.

Da ihre Berufung keinen Erfolg hat, hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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