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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.06.2001
Aktenzeichen: 7 U 22/01
Rechtsgebiete: ZPO, MBKK 94


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
MBKK 94 § 4 Nr. 5
MBKK 94 § 5 Nr. 1
Einem Versicherungsnehmer, der sich ohne schriftliche Zustimmung des Versicherers in eine "gemischte Anstalt" (hier: eine psychosomatische Klinik) begibt, ist der Nachweis abgeschnitten, dass er keine Kurmaßnahme, sondern eine medizinisch gebotene Heilbehandlung in Anspruch genommen hat.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit ...

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Berufung der Klägerin gegen das am 5. Januar 2001 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt 14.555,-- DM. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg, denn das Landgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Beklagte beruft sich zu Recht auf den Leistungsausschluß nach § 4 Nr. 5 MBKK 94.

Unstreitig handelt es sich bei der Psychosomatischen Klinik B. N./S. um eine sogenannte gemischte Anstalt im Sinne dieser Bestimmung, so daß eine Leistungspflicht nur dann besteht, wenn die Beklagte vor Beginn der Behandlung die tarifliche Leistung schriftlich zugesagt hätte, was nicht der Fall ist. Die Beklagte hat im Gegenteil die Kostenübernahme vor Behandlungsbeginn ausdrücklich abgelehnt und ist auf die Gegenvorstellung des Klägers bei dieser Ablehnung geblieben.

Bedenken gegen die Wirksamkeit der Bestimmung des § 4 Nr. 5 MBKK 94 bestehen nicht. Nach einhelliger Auffassung (vgl. BGH in VersR 1971.949; BGH in VersR 1983.576; OLG Karlsruhe in VersR 1990.37; OLG Hamm in r + s 1992.64; OLG Stuttgart in VersR 1999.1364; Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 2. Aufl. MBKK § 4 Rdnr. 119), der sich der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (vgl. 7 U 226/96 in OLGR 1998.116; 7 U 76/96 und 7 U 201/99), enthält § 4 Nr. 5 MBKK 94 eine Risikobegrenzung, die den Versicherer davor schützen soll, wegen einer als Krankenhausbehandlung deklarierten Kur- oder Rehamaßnahme in Anspruch genommen zu werden (vgl. OLG Hamm in r + s 1992.64), für die nach § 5 Nr. 1 d MBKK 94 Versicherungsschutz nicht besteht. Gerade weil in einer gemischten Klinik die Feststellung erschwert ist, ob es sich um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung und damit um den Versicherungsfall oder aber um einen Kur- oder Sanatoriumsaufenthalt handelt, besteht für den Versicherer ein berechtigtes Interesse daran, dieses erhöhte Risiko dadurch zu begrenzen, daß er sei- ne Leistungspflicht von einer vorübergehenden Prüfung und einer in sein Ermessen gestellten Zusage abhängig macht (vgl. BGH in VersR 1983.576; OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Hamm a.a.O. sowie die o.a. Senatsentscheidungen mit Nachweisen), so daß weder unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Überraschung (§ 3 AGBG) noch der einer unangemessenen Benachteiligung (§ 9 AGBG) Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung bestehen (vgl. Senatsentscheidung in OLGR 1998.116 mit Nachweisen sowie OLG Oldenburg in NJW-RR 1998.894; OLG Nürnberg in NJW-RR 1995.1055).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Beklagte vorliegend nicht nach Treu und Glauben gehindert, sich auf den Ausschluss der Leistung zu berufen. Soweit die Klägerin meint, die verordnete Behandlung sei medizinisch notwendig gewesen, so daß die Beklagte auf den rechtzeitigen Antrag die Kostenübernahme hätte erklären müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Sinn und Zweck des Erfordernisses der vorherigen Zustimmung ist zu vermeiden, daß im Einzelfall eine nachträgliche und deshalb schwierige Überprüfung dieser Frage durch den Versicherer erforderlich wird (vgl. OLG Karlsruhe in VersR 1990.37; OLG München in VersR 1983.361). Danach ist einem Versicherungsnehmer, der sich ohne schriftliche Zustimmung des Versicherers zur Behandlung in eine gemischte Anstalt begibt, der Nachweis abgeschnitten, daß er keine Kur- oder Rehamaßnahme, sondern eine medizinisch notwendige Heilbehandlung in Anspruch genommen hat (vgl. Prölss in Prölss/Martin, 26. Aufl., § 4 MBKK 94 Rdnr. 23 m.N.).

Auch geht der Vorwurf der Klägerin, die Beklagte habe ihr Ermessen missbräuchlich ausgeübt, fehl. Von einem Ermessensmißbrauch könnte allenfalls gesprochen werden, wenn sich die Beklagte bei ihrer Beurteilung, ob die Behandlung der Klägerin in der gemischten Anstalt medizinisch notwendig und geboten war, von krass fehlerhaften bzw. abwegigen Überlegungen hätte leiten lassen und sich dies ihr hätte aufdrängen müssen (vgl. OLG Köln in r + s 1993.231), was nicht der Fall ist. Sowohl aus der ärztlichen Verordnung des Dr. F. vom 13. März 200 als auch aus dem später erstellten Therapieplan ist zu entnehmen, daß die Klägerin auch außerhalb einer Akutbehandlung liegende Therapieformen wie Autogenes Training, Schwimmen, Ergometer etc. in Anspruch genommen hat, also Leistungen, für die die Beklagte nicht leistungspflichtig ist. Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, daß die Entscheidung der Beklagten in ganz offenkundiger Weise gegen Sinn und Zweck der versicherungsrechtlichen Bestimmungen verstoßen hätte (vgl. hierzu Prölss a.a.O. m.N.). Auf die Frage ob und gegebenenfalls wessen sachkundiger Beratung sich die Beklagte bei dieser Entscheidung bedient hat, kommt es nicht an, so daß dem nicht nachzugehen war.

Schließlich kann auch unter dem Gesichtspunkt der von der Klägerin angeführten Selbstbindung der Beklagten ein Ermessensmißbrauch nicht festgestellt werden. Es mag sein, daß die Beklagte im Jahre 1996 unter ähnlichen oder gleichen Voraussetzungen ihre Zustimmung zur Kostenübernahme einer Behandlung in einer gemischten Klinik erklärt hat, doch führt dies nicht dazu, daß sie fortan in stets gleicher Weise verfahren müßte. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung 7 U 201/99 klargestellt, daß der Versicherer das Recht hat, von Fall zu Fall neu zu entscheiden, ob er eine Kostenübernahmeerklärung erteilen will oder nicht (vgl. auch Bach/Moser, a.a.O. Rdnr. 130; OLG Nürnberg in r + s 1996.283).

Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Beklagte durch entsprechendes Verhalten oder Erklärungen bei der Klägerin den Eindruck erweckt hätte, sie werde die Kosten übernehmen (vgl. Bach/Moser, a.a.O.), doch trifft dies nicht zu, da die Beklagte vor Behandlungsbeginn eine Kostenübernahme ausdrücklich abgelehnt hatte. Einer der sonstigen in der Rechtsprechung anerkannten Übernahmetatbestände wie Notfalleinweisung, fehlende anderweitige Behandlungsmöglichkeit etc. (vgl. Bach/Moser, a.a.O.) liegt ebenfalls nicht vor, so daß die Berufung mit den Nebenentscheidungen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO zurückzuweisen war.

Ende der Entscheidung

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