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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 12.03.2003
Aktenzeichen: 7 U 50/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 315
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 50/02

Verkündet am 12.03.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Limburg vom 22.2.2002 abgeändert.

Das Versäumnisurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Limburg vom 3.11.2000 bleibt aufrecht erhalten.

Der Kläger hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die Parteien streiten um Nebenkostennachzahlungen für eine Arztpraxis, die der Beklagte von dem Kläger angemietet hat. Die geforderten Nachzahlungen betreffen die Abrechnungszeiträume 1995-1998.

Der Formularmietvertrag enthält in § 2 folgende Klauseln:

2.2 b) Während der Mietzeit kann der Vermieter einen geeigneten, angemessenen, einheitlich oder unterschiedlichen Umlegungsmaßstab zum Anfang eines Berechnungszeitraumes neu bilden. Wird der Verbrauch von Betriebskosten durch Messgeräte vom Kundendienst eines Unternehmens ermittelt, erfolgt die Umlegung nach der üblichen Verbrauchsermittlungs- und Abrechnungsweise des beauftragten Unternehmens.

2.3 Tritt durch Erhöhung oder Neueinführung von Betriebskosten eine Mehrbelastung des Vermieters ein, ist der Mieter verpflichtet, den entsprechenden Mehrbetrag vom Zeitpunkt der Entstehung an zu zahlen.

Für die Umlegung der Betriebskosten ist im Mietvertrag vereinbart, dass, soweit Zähler vorhanden sind, darüber abgerechnet wird. Die weiteren Nebenkosten sollen "auf die m2Praxisfläche umgelegt und abgerechnet" werden.

Diese Vereinbarung ist seit Beginn des Mietverhältnisses so gehandhabt worden, dass die Heizkosten, der Kalt- und Warmwasserverbrauch und Abwasser verbrauchsbezogen und, soweit einschlägig, nach den Vorschriften der Heiz-kostenVO, abgerechnet wurden. Die übrigen Kosten, insbesondere Abfall, Fahrstuhlkosten, Allgemeinstrom, Hausmeister, Hausreinigung, Gerätewartung und Bewachung - ein Posten, der erst im Lauf der Mietzeit dazu gekommen, im Mietvertrag aber noch nicht erwähnt ist - sowie Gebäudeversicherungen sind nach dem Flächenanteil der Praxis an der gesamten Fläche des Objekts, das neben Praxen noch andere gewerblich genutzte Räume und Wohnungen umfasst, umgelegt worden.

Mit Beschluss vom 31.10.1996 änderte die Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft den für die Betriebskosten der Gemeinschaft maßgeblichen Umlageschlüssel, der dem im Mietverhältnis der Parteien praktizierten entsprach, dahin ab, dass in Zukunft insbesondere bei den Nebenkostenarten Fahrstuhl, Allgemeinstrom und Müllgebühren eine stärkere Belastung der Praxen und gewerblichen Einheiten erfolgen sollte, indem z.B. 3/5 der Fahrstuhlkosten von vornherein den Praxen zugewiesen und unter diesen nach den Anteilen der einzelnen Praxen an der Gesamtfläche der Praxen verteilt werden sollte. Die Anwendung dieses Schlüssels beschloss die Eigentümergemeinschaft auch für die zurückliegenden Wirtschaftsjahre ab 1994.

Der Kläger erhielt in der Folgezeit Eigentümerabrechnungen, die auf der Grundlage dieses neuen Schlüssels erstellt waren, für die Jahr 1995-1998. Mit Abrechnung vom 7.6.1999 rechnete er auf der Grundlage dieser Eigentümerabrechnung mit dem Beklagten ab und gelangte unter Anwendung der neuen Schlüssel und unter Anrechnung der unstreitigen Vorauszahlungen des Beklagten zu Nachzahlungsforderungen vom DM 3.138,55 für 1995, DM 2.733,01 für 1996, DM 2.301,08 für 1997 und DM 1.882,07 für 1998, die den Gegenstand dieses Rechtsstreits bilden.

Das Landgericht hat die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen und auf den Einspruch des Klägers das Versäumnisurteil überwiegend aufgehoben und der Klage im wesentlichen statt gegeben.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der sich unter anderem dagegen wendet, dass bei der Nebenkostenabrechnung andere als die als umlagefähig vereinbarten Nebenkosten berücksichtigt und andere als die vereinbarten Umlageschlüssel angewendet werden.

Die Berufung des Beklagten ist begründet.

Der Kläger hat, ohne dazu berechtigt zu sein, der Nebenkostenabrechnung andere Schlüssel zugrunde gelegt, als sie im Mietvertrag vereinbart sind.

Die im Mietvertrag vereinbarte Umlage auf "m2Praxisfläche" bedeutet, wie sich ohne weiteres aus dem jahrelang unbeanstandet geübten Verfahren ergibt, eine Umlegung der Kosten nach dem Anteil der vom Beklagten angemieteten Praxisfläche an der Gesamtfläche aller Praxen, Gewerbeeinheiten und Wohnungen. Dass einzelne Kostenarten zu einem größeren Anteil nur unter den Mietern der Arztpraxen verteilt werden, stellt daher eine Abweichung von dem vertraglich vereinbarten Schlüssel dar.

Auf die Klausel 2.2 b) kann sich der Kläger dabei nicht berufen. Diese Klausel dürfte, weil eine Beschränkung der Abänderungsbefugnis auf sachliche Gründe nicht vorgesehen ist, vom Leitbild des § 315 BGB abweichen und deshalb eine unangemessene Benachteiligung auch eines Gewerberaummieters darstellen (vgl. BGH ZMR 1993, 263, 264 f. unter II. 1. c)). Jedoch kann dies letztlich offen bleiben.

Offenbleiben kann auch, ob dem Kläger unabhängig von dieser Klausel wegen einer erheblichen Änderung der Geschäftsgrundlage oder bereits nach Treu und Glauben (vgl. dazu Schmidt-Futterer-Langenberg, 8. Aufl., § 546 BGB Rdn. 209) das Recht zusteht, einen neuen Umlageschlüssel einzuführen. Eine solche Änderung könnte darin bestehen, dass der Kläger an den Beschluss der Wohnungseigentümer gebunden ist, ihn, weil der Beschluss den Grundsätzen ordnungsgemäßer Wohnungseigentumsverwaltung entsprochen haben mag - was das hier entscheidende Gericht freilich nicht zu prüfen hat -, nicht mit Aussicht auf Erfolg anfechten konnte, und deshalb die Geschäftsgrundlage, die der mietvertraglichen Vereinbarung der Umlageschlüssel zugrunde lag, entfallen ist. Denn bei der Vermietung einer Teileigentumseinheit werden die Mietvertragsparteien die Verteilung der Betriebskosten in der Regel an den in der Eigentümergemeinschaft geltenden Regeln ausrichten, damit sie für den Vermieter letztlich nur ein durchlaufender Posten sind.

Diese Fragen können deshalb offen bleiben, weil jedenfalls Änderungen des Verteilungsschlüssels nur für die Zukunft möglich sind, nicht aber für bereits abgelaufene Abrechnungsperioden. Dieser in Schrifttum und Rechtsprechung einhellig vertretenen Ansicht (Langenberg, aaO, Rdn. 210; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 7. Aufl., Rdn. 3112, jeweils mwNw.) schließt sich auch das hier erkennende Gericht an. Die einseitige Änderung bestehender Verträge ist stets in besonderem Maß von der Zumutbarkeit für den anderen Vertragsteil abhängig. Diese ist eher gegeben, wenn sich der Vertragspartner auf Änderungen noch einstellen kann. Dies gilt besonders im vorliegenden Fall. Der Beschluss der Wohnungseigentümer erfolgte im Jahr 1996 und sollte sich auch auf bereits abgelaufene Wirtschaftsjahre erstrecken. Der Kläger hat diese Änderungen, die er an den Beklagten als Mieter weitergeben wollte, aber weder sogleich noch mit der Übersendung der Abrechnungen im Jahr 1999 dem Beklagten erläutert, sondern ohne Erklärung über die damit beabsichtigte Änderung der vertraglichen Grundlagen in den Nachberechnungen die geänderten Schlüssel verwendet. Das ist dem Beklagten nicht zuzumuten.

Die Abrechnung auf der Grundlage der geänderten Schlüssel ist auch nicht mit Rücksicht auf die Klausel 2.3, nach der erhöhte oder neu eingeführte Betriebskosten an den Mieter weitergegeben werden können, zulässig. Jedenfalls nach dieser Klausel können zwar die im Mietvertrag nicht erwähnten Bewachungskosten umgelegt werden, denn es bestand, nachdem - wie das Landgericht festgestellt hat -Einbruchsdiebstähle vorgekommen waren, ausreichender Anlass für die Beauftragung eines Wachdiensts (vgl. OLG Celle NZM 99, 501 ff.). Eine Änderung vereinbarter Umlageschlüssel kann mit dieser Klausel aber nicht gerechtfertigt werden. Denn die von dem Kläger als Eigentümer zu tragenden Betriebskosten haben sich nicht wegen eines erhöhten Verbrauchs, wegen Teuerung oder der Einführung weiterer Kosten erhöht, sondern vor allem deshalb, weil die Umlageschlüssel geändert wurden. Soweit Kosten gestiegen sind, ist, weil zwischen den Parteien keine Pauschal- oder Festbeträge vereinbart sind, die Weitergabe von Kostensteigerungen ohnehin möglich. Die Änderung der Umlageschlüssel ist aber nicht Gegenstand der in der Klausel 2.3 getroffenen Regelung.

Die Nebenkostenabrechnung war dem gemäß anhand der unveränderten, im Mietvertrag vereinbarten Umlageschlüssel vorzunehmen. Bei einer derartigen Abrechnung ergeben sich für die Jahre 1995 - 1998 keine die jährlichen Vorauszahlungen übersteigenden Beträge. Dieses Rechenwerk im einzelnen auszuführen, besteht hier kein Anlass. Das Gericht hat den Kläger auf das Ergebnis seiner diesbezüglichen Berechnungen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben, die Berechnung selbst nachzuprüfen. Der Kläger hat danach keine Einwände mehr gegen das Zahlenwerk erhoben.

Da sich somit ein die Vorauszahlungen übersteigender Saldo nicht ergeben hat, musste die Klage erfolglos bleiben. Entsprechend war auf die Berufung des Beklagten das angefochtene Urteil abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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