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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 28.08.2002
Aktenzeichen: 7 U 72/99
Rechtsgebiete: BUZ


Vorschriften:

BUZ § 2 Abs. 3
BUZ § 7
Das Vorliegen eines mehlstauballergischen Asthma kann zur Berufsunfähigkeit der Inhaberin einer Gaststätte führen. Das Tragen einer Staubmaske in einem von den Besuchern einzusehenden Teil der Gaststätte ist unzumutbar.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 72/99

Verkündet am 28.8.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.6.2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 15.3.1999 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlußberufung der Klägerin und unter Einbeziehung der in dem angefochtenen Urteil zuerkannten Beträge wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin

1. 19.032,58 € nebst 4% Zinsen aus jeweils 1.903,28 € seit 1.12.1996, 1.3., 1.6., 1.9. und 1.12.1997 sowie 1.3., 1.6., 1.9. und 1.12.1998 zu zahlen;

2. 24.742,63 € nebst 4 % Zinsen aus jeweils 1.903,28 € seit 1.3., 1.6., 1.9. und 1.12.1999, aus 1.268,85 € seit 1.3.2000 sowie nebst 8,42 % Zinsen aus 634,43 € seit 1.5.2000 und aus 1.903,28 € seit 1.6.2000 sowie 9,26 % Zinsen jeweils aus 1.903,28 € seit 1.9., 1.12.2000,1.3.2001, 1.6.2001 sowie 8,62 % Zinsen aus 1.903,28 € seit 1.9.2001 und aus 634,43 € seit 1.12.2001 sowie 7,57% Zinsen aus 1.268,85 € seit 1.1.2002 und aus 1.903,28 € seit 1.3.2002 zu zahlen;

3. ab 1.6.2002 bis 1.11.2014 vierteljährlich im voraus 1.903,28 € zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Beginn ihrer Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung anstehenden Betrages leistet.

Das Urteil beschwert den Beklagten mit 32.355,74 €.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Sie schloß mit dem Beklagten für die Zeit vom 1.11.1989 bis 1.11.2014 eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Der Jahresbetrag der Rente war mit DM 14.890 vereinbart, die vierteljährlich im voraus, erstmals anteilig bis zum Ende eines laufenden Versicherungsvierteljahres zu zahlen war.

Bei Vertragsabschluß war die Klägerin Inhaberin und Geschäftsführerin einer Pizzeria. Im Jahre 1998 hat die Klägerin den alten Betrieb aufgegeben und eine neue Gaststätte, gleichfalls eine Pizzeria eröffnet. In diesem Betrieb arbeiten neben der Klägerin ein vollzeitbeschäftigter Pizzabäcker, zwei Teilzeitkräfte mit je 10 Stunden, drunter der Sohn der Klägerin, als Bedienung und eine weitere Teilzeitkraft für Küchenarbeiten:

Im Juni 1996 stellte ein Facharzt bei der Klägerin eine Mehlstauballergie fest.

Die Klägerin behauptet, sie leide unter mehlstauballergischem Asthma (Bäckerasthma) und sei deshalb berufsunfähig. Sie habe bisher zu 70 % in der Küche und zu 30 % in der Bedienung an der Theke und kaufmännisch gearbeitet. Von ihrer durchschnittlichen Arbeitszeit von 10-14 Stunden sei täglich eine Stunde auf die Buchführung und alle 2-3 Tage eine Stunde für Einkäufe angefallen. Ihr sei jegliche Tätigkeit als Wirtin untersagt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 11.167,47 DM nebst 4 % Zinsen aus jeweils 1.240,83 DM seit dem 1.9.1996, 1.10.1996, 1.11.1996, 1.12.1996, 1.1.1997, 1.2.1997, 1.3.1997, 1.4.1997 und 1.5.1997 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, ab dem 1.6.1997 bis zum 1.11.2014 an die Klägerin eine monatliche Rente von mindestens 1.214,83 DM monatlich im voraus zu zahlen;

3. den Beklagten zu verurteilen, die der Klägerin ab 1.6.1997 zu gewährenden Rentenleistungen mit 4 % zu verzinsen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er bestreitet die Erkrankung der Klägerin und behauptet, die Klägerin sei auch abgesehen davon nicht berufsunfähig. Sie könne ihren Betrieb so einrichten, dass eine nennenswerte Mehlstaubbelastung im Gastraum nicht auftrete. In dem neuen Betrieb seien der Raucherbereich und der Nichtraucherbereich getrennt. Im Nichtraucherbereich stehe die Theke, wo die Klägerin arbeiten und insbesondere die Bestellungen außer Haus entgegennehmen und organisieren könne. In dem neuen Betrieb könnten über 80 Gäste gleichzeitig bedient werden. Ein Betrieb in dieser Größenordnung erfordere erhebliche organisatorische und buchhalterische Arbeiten, durch die die Klägerin vollzeitig beschäftigt sei. Da die Klägerin keine qualifizierte Berufsausbildung besitze, könne sie jede Tätigkeit einer ungelernten Kraft ausüben, insbesondere könne sie ein Speiserestaurant pachten oder als Angestellte in einer Gaststätte den selben Bruttoverdienst wie zuvor erzielen. In dem Nichtraucherraum des neuen Betriebes seien Tabakrauch und Mehlstaub nicht anzutreffen.

Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Arztes für innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Prof. Dr. G. der Klage im wesentlichen stattgegeben.

Gegen dieses dem Beklagten am 18.3.1999 zugestellte Urteil richtet sich seine am 19.4.1999, einem Montag, eingelegte Berufung, die er am 14.5.1999 begründet hat.

Die Berufung rügt, dass die Klägerin die konkrete Ausgestaltung ihrer beruflichen Tätigkeit nicht dargelegt habe, so dass den in dem Gutachten getroffenen Aussagen über die Unfähigkeit der Klägerin, ihrer bisherigen Tätigkeit nachzugehen, die erforderlichen Grundlagen fehlten. Dem Gutachten fehle auch ein Nachweis, dass die Klägerin allergisch gegen Tabakrauch und andere Substanzen reagiere. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, durch Umorganisation ihres Betriebes keine Beschäftigungsmöglichkeit für sich schaffen zu können. Sie habe auch nicht klargestellt, dass es nicht möglich sei, die Ausbreitung von Mehlstaub im Gastraum zu vermeiden. Im Nichtraucherbereich des neuen Betriebes seien weder Mehlstaub, Zigaretten- oder Pfeifenrauch in meßbarem Umfang vorhanden. Die Tenorierung des angefochtenen Urteils behalte der Beklagten nicht das Recht zur bedingungsgemäßen Überprüfung der Berufsunfähigkeit vor. Die Klägerin sei auch in der neuen Gaststätte vollschichtig während der Öffnungszeiten im Thekendienst und abends an der Kasse tätig. Sie leide jedenfalls nicht mehr unter so erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen, dass ihr die Berufsausübung unmöglich sei.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Gießen vom 15.3.1999 die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit der Anschlußberufung macht die Klägerin im Laufe des Rechtsstreits fällig gewordene Rentenbeträge nebst Zinsen geltend. Unter Einbeziehung der im erstinstanzlichen Urteil zuerkannten Beträge und nach deren Umrechnung in Euro beantragt sie,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin

I) 19.032,58 € nebst 4% Zinsen aus jeweils 1.903,28 € seit 1.12.1996, 1.3., 1.6., 1.9. und 1.12.1997 sowie 1.3., 1.6., 1.9. und 1.12.1998 zu zahlen;

II) 24.742,63 € nebst 4 % Zinsen aus jeweils 1.903,28 € seit 1.3., 1.6., 1.9. und 1.12.1999, aus 1.268,85 € seit 1.3.2000 sowie 8,42% Zinsen aus 634,43 € seit 1.5.2000 und aus 1.903,28 € seit 1.6.2000 sowie 9,26 % Zinsen jeweils aus 1.903,28 € seit 1.9., 1.12.2000, 1.3.2001, 1.6.2001 sowie 8,62 % Zinsen aus 1.903,28 € seit 1.9.2001 und aus 634,43 € seit 1.12.2001 sowie 7,57 % Zinsen aus 1.268,85 € seit 1.1.2002 und aus 1.903,28 € seit 1.3.2002 zu zahlen;

III) ab 1.6.2002 bis 1.11.2014 vierteljährlich im voraus 1.903,28 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Anschlußberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Die von der Beklagten für möglich gehaltene Rauchabzugseinrichtung verhindere nicht das Entstehen von Rauch, sondern diene allenfalls dessen beschleunigtem Abzug. Nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen führe jede körperliche Tätigkeit für die Klägerin zu Atemnot, so dass ihr deshalb eine Tätigkeit an der Theke verschlossen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Professor Dr. G. eingeholt und den Sachverständigen persönlich angehört. Auf die Stellungnahme vom 30. Dezember 2001 und die Sitzungsniederschrift über die persönliche Anhörung des Sachverständigen vom 19.6.2002 wird wegen des Ergebnisses dieser Beweiserhebung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Die Klägerin kann die vereinbarte, vierteljährlich im voraus zu zahlende Rente wegen Berufsunfähigkeit verlangen, weil sie auf Grund ihrer Asthmaerkrankung zu mindestens 50 % voraussichtlich dauernd außerstande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die auf Grund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.

Auf Grund der glaubhaften Angaben der Klägerin bei ihrer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 26. Oktober 2000 ist der Senat davon überzeugt, dass sich die berufliche Tätigkeit der Klägerin so dargestellt hat, dass sie während der Öffnungszeiten der Pizzeria (täglich außer Mittwoch 11.00 bis 14.30 Uhr und 17.00 Uhr bis zirka 22.00 Uhr) in der Küche tätig war, gelegentlich an der Theke und nur ganz ausnahmsweise im Service. Für Einkäufe, die zumeist angeliefert wurden, für die Bestellung von Waren und die Anweisung von Rechnungen waren etwa 3 Stunden, für Buchhaltungsarbeiten, die am Ruhetag erledigt wurden, waren weitere 3 Stunden aufzuwenden. In dem Lokal arbeiteten der Ehemann, der Bruder und die beiden Söhne der Klägerin sowie weitere Vollzeit- und Teilzeitkräfte.

Zu diesen Tätigkeiten, die zeitlich vorwiegend mit dem Aufenthalt in Küchenräumen, in denen mit Mehl gearbeitet wird, zu erledigen waren, ist die Klägerin auf Grund ihrer Erkrankung nicht mehr in der Lage. Der Sachverständige hat auf Grund durchgeführter Testverfahren überzeugend festgestellt, dass bei der Klägerin ein mehlstauballergisches Asthma bronchiale vorliegt. Darüber hinaus ist es zu einer allgemeinen Reizschwellenerniedrigung des Bronchialsystems, einer bronchialen Hyperreagibilität, gekommen, die zur Folge hat, dass die Klägerin auch auf andere in der Atemluft enthaltene Substanzen außer Mehl mit Unverträglichkeit reagiert, insbesondere gegenüber Feinstäuben jeglicher Art, Dünsten, Dämpfen, insbesondere Zigarettenrauch und Küchendünsten und thermischen Reizen. Da in der Küche einer Pizzeria die Klägerin zwangsläufig mit Mehlstaub, aber auch mit anderen Küchendünsten in Berührung kommt, ist ihr ihre bisherige Tätigkeit, die überwiegend in der Verrichtung von Küchenarbeiten bestand, zu mehr als 50 % verschlossen.

Die Klägerin kann auch nicht durch betriebliche Umorganisation ihre bisherige Tätigkeit so verlagern, dass ihr ein Tätigkeitsbereich verbliebe, der nach Umfang und Bedeutung wenigstens der Hälfte ihrer bisherigen Beschäftigung entspricht. Denn die Klägerin kann nicht statt Küchenarbeiten nunmehr an der Theke oder im Service arbeiten. Auch diese Tätigkeiten sind der Klägerin auf Grund ihrer Erkrankung verschlossen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob auch außerhalb des engeren Küchenbereiches noch nennenswerte Mehlstaubspuren vorhanden sind. Entscheidend ist, dass sich, wie der Sachverständige bei der persönlichen Anhörung überzeugend erläutert hat, auch bei einer räumlichen Trennung von Raucher- und Nichtraucherbereich nicht ausschließen läßt, dass Rauch auch im Nichtraucherbereich anzutreffen ist, was allein dadurch nahe liegt, dass Gäste und Personal zwischen den Bereichen hin und her gehen und ohnehin keine hermetische Trennung vorliegt. Hinzu kommt, dass auch Küchendünste nicht auszuschließen sind, schon allein auf Grund des Hin- und Hergehens des Personals zwischen den einzelnen Bereichen, aber auch, weil sie den im Gastraum servierten Speisen noch anhaften. Überzeugend hat der Sachverständige auch dargelegt, dass Entlüftungsanlagen nicht nur das Bronchialsystem reizende Substanzen beseitigen, sondern sie in dem von ihnen erzeugten Luftstrom zugleich auch aufwirbeln. Hinzu kommt, dass Entlüftungsanlagen wegen des mit einem Luftstrom verbundenen Temperaturabfalls eine Abkühlung der Bronchialschleimhäute verursachen und auch dadurch Reizungen verursachen. In seinem Ergänzungsgutachten hat der Sachverständige ferner darauf hingewiesen, dass eine medikamentöse Behandlung der Asthmaerkrankung nicht in der Lage ist, ein überempfindliches Bronchialsystem vollständig gegen die Einwirkung von Luftschadstoffen zu schützen, wobei, wenn der Versuch gemacht würde, ohnehin Nebenwirkungen auf den Stoffwechsel und auf den Hormonhaushalt bzw. das Herz-Kreislauf-System und das zentrale Nervensystem in kauf zu nehmen wären. Da das Vorhandensein von Tabakrauch, Küchendünsten und thermischen Reizen in den Gasträumen, und zwar auch im Nichtraucherbereich, nicht ausgeschlossen werden kann, ist es der Klägerin nicht zuzumuten, in den Räumen einer Gaststätte zu arbeiten. Dies birgt nicht nur die Gefahr asthmatischer Anfälle, sondern, wie der Sachverständige ausgeführt hat, auch die Gefahr einer fortschreitenden Zerstörung des Bronchialgewebes (Ergänzungsgutachten vom 30.12.2001, S. 5).

Für das Urteil, dass die Klägerin in Gaststätten räumen nicht mehr arbeiten kann, reicht es auch aus, dass ihre Grunderkrankung, also das mehlstauballergische Asthma in Verbindung mit der Hyperreagibilität des Bronchialsystems, sie in die Gefahr bringt, weitere akute oder langfristige Gesundheitsschäden zu erleiden. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, der es für eine gut begründete Verhaltensstrategie eines mit einem Krankheitsbild, wie es bei der Klägerin vorliegt, betroffenen Menschen hält, sich Tabakrauch, Küchendünsten und thermischen Reizen, wie sie in Gasstätten nicht ausgeschlossen werden können, überhaupt nicht auszusetzen. Es kann der Klägerin nicht angesonnen werden, auf Dauer den Versuch zu unternehmen, trotz ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen in einer Gaststätte zu arbeiten. Denn Schwellenwerte, ab deren Unterschreitung ein nachteiliger Einfluß auf die Gesundheit der Klägerin ausgeschlossen werden kann, lassen sich nicht definieren. Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass solche Schwellenwerte wegen der individuell unterschiedlichen pathogenen Wirkung verschiedener in Zigarettenrauch enthaltener Schadstoffe nicht allgemein und auch nicht mit Bezug auf einen einzelnen Patienten definiert werden können. Dies sei schon wegen der Vielzahl der in Betracht kommenden Einzelkomponenten nicht möglich, aber auch deshalb ausgeschlossen, weil die Atemswegempfindlichkeit asthmakranker Patienten vom Stand der Krankheit, aber auch von der Tages- oder Jahreszeit, der Witterung und anderen vegetativen und psychischen Einflüssen abhänge. Außerdem trete eine Atemwegsreaktion nicht immer unmittelbar im Anschluß an die Exposition zu einem Schadstoff auf, sondern könne sich auch als verzögerte Reaktion einstellen.

Durch das Tragen einer Maske würde der Klägerin gleichfalls nicht ermöglicht, einer Tätigkeit in einer Gaststätte nachzugehen. Für den Theken- und Servicebereich liegt dies auf der Hand, weil nach der Verkehrssitte zu erwarten ist, dass Gäste an einem derartigen Auftreten des Personals Anstoß nehmen würden, derartige Vorsichtsmaßnahmen also geschäftsschädigend wirken würden. Darüber hinaus hat der Sachverständige bei seiner persönlichen Anhörung auch überzeugend dargelegt, dass sogenannte Staubmasken ohnehin nicht absolut dicht sind, zum anderen den Atemwiderstand erhöhten, was sich bei Asthmatikern verbiete, und sich eine Berührung mit Tabakrauch und Küchendünsten mit einer Staubmaske, die hauptsächlich feste Partikel filtern solle, ohnehin sicher vermeiden lasse. Die von dem Sachverständigen als jedenfalls technisch denkbare Möglichkeit erwogene Maske mit helmartigem Aufsatz, Ansaugstutzen und batteriebetriebener Pumpe ist ersichtlich eine derart aufwendige Vorrichtung, dass sie nach Treu und Glauben der Klägerin nicht ernsthaft angesonnen werden kann.

Soweit der Beklagte in dem nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 29.7.2002 auf den Grundsatz hinweist, dass der Versicherte alles Zumutbare zu tun hat, um seinen Gesundheitszustand so zu verbessern, dass Berufsunfähigkeit vermieden wird, vermag der Senat auf Grund des bisherigen Beweisergebnisses auch ohne erneute Eröffnung der mündlichen Verhandlung festzustellen, dass weitere zumutbare Möglichkeiten der Klägerin nicht eröffnet sind. Insbesondere zu den Möglichkeiten einer auf Grund medikamentöser Behandlung zu erzielenden dauerhaften Heilung hat der Sachverständige im Ergänzungsgutachten ausreichende und überzeugende Feststellungen getroffen. Danach kann eine dauerhafte Heilung nicht erreicht werden.

Dass die Klägerin, wie es der Beklagte behauptet, zu verschiedenen Gelegenheiten arbeitend in der Gaststätte angetroffen wurde (Schriftsatz vom 13.12.2000, Bl. 272 ff d.A.), rechtfertigt nicht den Schluß, dass sie dauernd in der Gaststätte arbeitet. Abgesehen davon, hat die Klägerin auch darauf hingewiesen, es habe sich dabei um Ausnahmen gehandelt. Entscheidend ist jedoch, dass die Klägerin auf Grund objektiver Befunde gesundheitlich nicht geeignet ist, in Gaststättenräumen zu arbeiten. Wenn sie es gleichwohl tut, mutet sie sich überobligationsmäßige Anstrengungen zu. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass tatsächlich der Versicherungsfall nicht eingetreten sei.

Mit der Erledigung bloß des Einkaufs und der Buchhaltungsaufgaben verbleibt der Klägerin kein hinreichendes Tätigkeitsfeld. Es ist glaubhaft, dass ein relativ kleiner Familienbetrieb, der wie im Fall einer Pizzeria ein überschaubares, im wesentliches gleichbleibendes und von saisonalen Einflüssen nur unbedeutend beeinflußtes Speisenangebot führt, weder einen besonders aufwendigen Wareneinkauf erfordert noch besonders aufwendige Buchhaltungsarbeiten. Der Üblichkeit entspricht es ohnehin, dass die Lohnbuchhaltung von Steuerberatern erledigt wird. Dem entspricht es, dass die Klägerin ausweislich der von ihr vorgelegten Unterlagen hauptsächlich Kassenaufzeichnungen fertigt. Die erforderlichen kaufmännischen Tätigkeiten können daher die berufliche Tätigkeit der Klägerin nicht zur Hälfte ausfüllen.

Dass die Klägerin auf eine nur verwaltende Tätigkeit z.B. als Geschäftsführerin in einem größeren Betrieb nicht verwiesen werden kann, hat das Landgericht mit Recht als ausgeschlossen angesehen, weil eine solche Stellung für die Klägerin als ungelernte Kraft nicht in Betracht kommt.

Die ohne den Vorbehalt späterer Nachprüfung erfolgte Verurteilung des Beklagten zur Zahlung künftiger Renten ist gerechtfertigt, weil das Ergebnis eines etwaigen Nachprüfungsverfahrens gemäß § 7 BUZ im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden kann (BGH VersR 1987, 808).

Die Höhe der versicherten Rente ist zwischen den Parteien außer Streit. Zinsen gebühren der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzugs, weil die Rentenzahlungen kalendermäßig bestimmt sind. Die Höhe der verlangten Zinsen hat der Beklagte nicht bestritten.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97, 91 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung der Beschwer erfolgte im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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