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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 02.11.2006
Aktenzeichen: 7 W 67/06
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO, BGB


Vorschriften:

GmbHG § 31
GmbHG § 31 b
GmbHG § 32 a
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 569 Abs. 1
ZPO § 569 Abs. 2
ZPO § 574 Abs. 2
ZPO § 574 Abs. 3
BGB § 775
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Beklagte zu 2. begehrt Prozesskostenhilfe für die Verteidigung gegen die Klage, mit der er als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1. auf Zahlung von rund 100.000 € in Anspruch genommen wird. Beide Beklagte waren Gesellschafter der mit einem Stammkapital von 25.000 € ausgestatteten, am 05.02.2003 ins Handelsregister eingetragenen A GmbH, über deren Vermögen auf einen Eigenantrag vom 13.10.2003 hin am 03.12.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die A GmbH (im folgenden: Schuldnerin) unterhielt bei der B ein Kontokorrentkonto mit einer am 01.04.2003 eingeräumten und bis zuletzt nicht voll ausgeschöpften Kreditlinie von 150.000 €. Darüber hinaus gewährte die B der Schuldnerin am 08.04.2003 ein Darlehen in Höhe von 250.000 €. Beide Kredite waren durch Bürgschaften der Beklagten über 800.000 € (Beklagter zu 1.) bzw. 200.000 € (Beklagter zu 2.) vom 02.04.2003, eine Grundschuld sowie eine Globalzession vom 08.04.2003 besichert. Die B hat gegenüber dem Kläger als dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin ihre Rechte aus der Globalzession in Anspruch genommen, weshalb der Kläger eingezogene Forderungen in Höhe der Klagesumme an die B auskehrte.

Der Kläger hat unter Vorlage von Zwischenbilanzen per 30.04.2003 sowie der nachfolgenden Monatsletzten geltend gemacht, dass bereits seit April 2004 nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge von zunächst rund 15.500 € bis zuletzt rund 133.000 € aufgelaufen seien, woraus sich ergebe, dass sich die Schuldnerin bereits im April 2003 in der Krise befunden habe, so dass den Bürgschaften der Beklagten Eigenkapital ersetzender Charakter zukomme. Er stützt die Klageforderung auf §§ 32 a, 31 b, 31 GmbHG.

Der Beklagte zu 2. hat die Richtigkeit der Zwischenbilanzen bestritten, ohne angenommene Fehlerquellen aufzuzeigen, und hat zuletzt behauptet, dass im Oktober 2003 die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 90.000 € durch die C zu erwarten gewesen sei (Beweis: Sachverständigengutachten).

Das Landgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch wegen mangelnder Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverteidigung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger substantiiert vorgetragen habe, dass die Schuldnerin seit Gründung notleidend und spätestens seit April 2003 kreditunwürdig gewesen sei. Der Beklagte zu 2. habe für die behauptete Darlehenserwartung keinen geeigneten Beweis angeboten und im Übrigen keine beachtlichen Einwendungen vorgetragen.

Mit der sofortigen Beschwerde macht der Beklagte zu 2. geltend, dass das Landgericht zu Unrecht eine Kreditunwürdigkeit der Schuldnerin angenommen habe. Dies ergebe sich daraus, dass die Kreditlinie auf dem Kontokorrentkonto nicht ausgeschöpft worden sei, dass die B der Schuldnerin am 07.10.2003 die Gewährung eines weiteren Kredits zu marktüblichen Konditionen in Aussicht gestellt habe und dass zwei Tage nach Stellung des Insolvenzantrags die Entscheidung über die Gewährung eines im April 2003 beantragten Darlehens der C in Höhe von 90.000 € habe getroffen werden sollen. Im Übrigen könne eine Kreditunwürdigkeit nicht bereits aus einer Unterbilanz hergeleitet werden; vielmehr bedürfe es dafür der Erstellung eines Vermögensstatus und des Vorliegens einer Überschuldungsbilanz.

Der Beklagte zu 2. beantragt sinngemäß.

ihm unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und neben einer Bezugnahme auf die Gründe seines Beschlusses vom 21.08.2006 ergänzend darauf abgestellt, dass selbst dann, wenn die Darlehen und Bürgschaften vor der Krise gewährt bzw. gestellt worden sein sollten, die Klageforderung unter dem Gesichtspunkt des Stehenlassens der Sicherheit nach Eintritt der Krise berechtigt sei.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 127 Abs. 2 Satz 1 ZPO an sich statthaft, gemäß §§ 569 Abs. 1, 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 2 ZPO frist- und formgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil das Landgericht zutreffend die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverteidigung verneint hat.

Zu recht hat das Landgericht angenommen, dass die Schuldnerin bereits zum Zeitpunkt der Stellung der Bürgschaften kreditunwürdig war, und hierbei die von dem Kläger vorgelegten Zwischenbilanzen zugrunde gelegt. Deren einfaches Bestreiten durch den Beklagten zu 2. ist unbeachtlich. Da die Zwischenbilanzen dem insoweit unbestrittenen Vorbringen des Klägers zufolge anhand der letztlich von den Beklagten zu verantwortenden Buchhaltung der Schuldnerin erstellt wurden, hätte der Beklagte zu 2. den Inhalt der Zwischenbilanzen durch das Aufzeigen unzutreffender Berechnungsposten und Aufmachen einer "Gegenrechnung" substantiiert bestreiten können und müssen.

Die Zwischenbilanzen bilden eine ausreichende Grundlage für die Feststellung der Kreditunwürdigkeit der Schuldnerin. Ist das Stammkapital bereits weitgehend verloren und verfügt die Gesellschaft nicht über nennenswerte stille Reserven, so kann von einer Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft ausgegangen werden (BGH NJW 1996, 722 f. Rn 8 im juris-Ausdruck; OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 615 ff. Rn 34 im juris-Ausdruck). Dass vorliegend die Schuldnerin über stille Reserven verfügt hätte, ist weder vom Beklagten zu 2. dargetan worden noch sonst ersichtlich. Bereits im April 2003 bestand ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von über 15.000 €, so dass das Stammkapital überwiegend verloren war, was sich in der Folgezeit auch nicht im positiven Sinne änderte. Dass nach der Behauptung des Beklagten zu 2. zwei Tage nach Stellung des Insolvenzantrags die Entscheidung über die Gewährung eines im April 2003 beantragten Darlehens der C in Höhe von 90.000 € hätte getroffen werden sollen, ändert nichts an dieser Beurteilung, weil nicht dargetan ist, dass tatsächlich ein Darlehen zu marktüblichen Konditionen gewährt worden wäre. Die Stellung des Insolvenzantrags durch die Beklagten spricht im Übrigen dagegen. Gleiches gilt für das behauptete In-Aussicht-Stellen (nicht: Gewähren) eines weiteren Darlehens durch die B.

Unabhängig davon trägt auch die zutreffende Hilfserwägung des Landgerichts in dem Nichtabhilfebeschluss die Versagung von Prozesskostenhilfe. Hat der bürgende Gesellschafter die Möglichkeit, die Krise der Gesellschaft zu erkennen und macht er daraufhin nicht seine Rechte aus § 775 BGB geltend, so ist die Bürgschaft unter dem Gesichtspunkt des Stehenlassens als Eigenkapitalersatz zu qualifizieren (BGH a.a.O. Rn 9). Dass der Beklagte zu 2. die Krise der Schuldnerin erkennen konnte, ergibt sich bereits daraus, dass er den Insolvenzantrag gestellt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 und 127 Abs. 4 ZPO sowie 1 Nr. 1 a) und 3 Abs. 2 GKG i.V. mit Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Zulassungsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 3 und 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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