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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 7 WF 3/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1603
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Die drei minderjährigen Kinder B, C und D befinden sich in der Obhut des Klägers. Für diese nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung von monatlichem Unterhalt in Höhe von jeweils 291 Euro ab Juni 2007 und rückständigen Unterhalt für die Zeit von Januar bis Mai 2007 in Höhe von insgesamt 4.365 Euro mit der Begründung in Anspruch, die Beklagte sei ihren Kindern gegenüber gesteigert unterhaltsverpflichtet.

Die Beklagte, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von zur Zeit 670 Euro monatlich bezieht, behauptet, sie sei krankheitsbedingt erwerbsunfähig und deshalb auch außer Stande, sich um Arbeit zu bewerben, geschweige denn einen Arbeitsplatz zu erhalten oder auszufüllen. Sie sei alkoholabhängig, leide an Depressionen und Angstvorstellungen.

Gleichzeitig hat die Beklagte beantragt, ihr für die Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Diesen Antrag hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 31.07.2007, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, zurückgewiesen.

Gegen diesen ihr am 07.08.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die per Fax am 21.08.2007 beim Amtsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten. Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, sie könne niemals Einkünfte erzielen, die es ihr erlauben könnten, monatlichen Unterhalt für drei Kinder in der vom Kläger verlangten Höhe zu zahlen. Sie sei bestenfalls in der Lage so viel zu verdienen, dass sie nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen sei.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 127 Abs. 2 Satz 2, 3, 567 ff. ZPO).

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Gemäß § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die hinreichenden Erfolgsaussichten für die Verteidigung der Beklagten gegen die vom Kläger erhobene Klage sind gegeben.

Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung bestehen nämlich bereits dann, wenn der Beklagte Tatsachen vorträgt, die zur Klageabweisung führen können oder wenn über eine Behauptung der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei Beweis zu erheben ist (Zöller-Philippi, Zivilprozessordnung, 26. Aufl., 2007, § 114 ZPO Rdnr. 25, 26 mit weiteren Nachweisen).

Insoweit hat die Beklagte, die vom Kläger gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 2, 1601 ff. BGB auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch genommen wird, hinreichende Umstände dargetan, die ihre Leistungsfähigkeit mindern oder sogar ausschließen können, womit sie der ihr als Unterhaltsverpflichtete obliegenden Darlegungslast nachgekommen ist.

Die Beklagte bezieht ausweislich des von ihr vorgelegten Bescheides des Regionalzentrums für Arbeit des ....-Kreises Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von zur Zeit 670 Euro monatlich, so dass sie bereits nicht im Stande ist, ihren eigenen angemessenen Unterhalt selbst zu bestreiten. Von einer Leistungsfähigkeit der Beklagten kann deshalb nicht ausgegangen werden (§1603 Abs. 1 BGB).

Die Beklagte hat darüber hinaus dargetan, dass sie als ihren Kindern gegenüber gemäß § 1601 BGB Unterhaltspflichtige nicht gegen die ihr obliegende Verpflichtung verstoßen hat, ihre Arbeitskraft in deren Interesse so gut wie möglich einzusetzen.

Nach ihrem Vortrag ist sie nämlich krankheitsbedingt erwerbsunfähig und außerstande, sich um Arbeit zu bewerben, geschweige denn einen Arbeitsplatz zu erhalten oder auszufüllen.

Sie braucht sich deshalb nicht ohne weiteres fiktive Einkünfte anrechnen lassen, die sie durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte.

Diese Einkommensfiktion knüpft in erster Linie an die Arbeitslosigkeit bzw. an eine die unterhaltsrechtlich geforderte Leistungsfähigkeit nicht voll gewährleistende Erwerbstätigkeit des Unterhaltsverpflichteten an, wobei das fehlende Erwerbseinkommen Folge eines erwerbsplanerischen unterhaltsrechtlichen Fehlverhaltens des Unterhaltspflichtigen sein muss (vgl. hierzu allgemein: Palandt-Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl. 2007, § 1603 BGB, Rdnr. 34 ff., 37).

Insbesondere kann der Beklagten nach ihrer Einlassung nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe infolge ihrer Erkrankung, insbesondere aufgrund ihrer Alkoholabhängigkeit, leichtfertig oder verantwortungslos ihre Leistungsunfähigkeit herbeigeführt. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Beklagte nach ihrem Vorbringen nicht lediglich an einer Alkoholabhängigkeit leidet, sondern auch an Depressionen und Angstzuständen.

Das wiederum steht der Annahme entgegen, die Beklagte habe schuldhaft nichts unternommen, um vor allen Dingen ihre Alkoholsucht erfolgversprechend behandeln zu lassen. Der Vorwurf der Leichtfertigkeit wird nämlich in Frage gestellt, wenn die Fähigkeit des Bedürftigen, entsprechend seiner Einsicht in die Notwendigkeit einer Therapie zu handeln, suchtbedingt wesentlich eingeschränkt war oder ist (BGH NJW 1981, S. 2805).

Hierneben steht der Anrechnung fiktiver Einkünfte der weitere - bisher vom Kläger unbestritten gelassenen - Vortrag der Beklagten entgegen, sie könne niemals Einkünfte erzielen, die es ihr erlauben könnten, monatlichen Unterhalt für ihre Kinder in der verlangten Höhe zu zahlen, weil sie bestenfalls in der Lage sei, so viel zu verdienen, dass sie nicht auf staatliche Hilfe angewiesen sei.

Die Einkommensfiktion ist nämlich nur berechtigt, wenn das Familiengericht zu dem Ergebnis kommt, dass das unterhaltsrechtlich geforderte Bemühen um eine Erwerbsquelle einerseits auch Erfolg gehabt hätte und dass dem Unterhaltsverpflichteten andererseits in diesem Fall ausreichend Mittel verbleiben, dass er durch die Unterhaltsleistung nicht seinerseits sozialhilfebedürftig würde ( Palandt-Diederichsen, a.a.O., § 1603 BGB, Rdnr. 33, 51). Beides kann zurzeit ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Entgeltbescheinigung für den Zeitraum vom 11.04.06 - 31.03.06, wonach sie in dieser Zeit Einkünfte in Höhe von 4.400 Euro erzielt hat, und aufgrund ihres bisherigen beruflichen Werdegangs nicht angenommen werden.

Ob die Beklagte tatsächlich entsprechend ihrem Vortrag unverschuldet erwerbsunfähig ist und damit die Anrechnung fiktiver Einkünfte zur Ermittlung ihrer Unterhaltspflicht nicht in Frage kommt, braucht im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht abschließend geklärt zu werden. Die hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung ist bereits dann zu bejahen, wenn über eine Behauptung der PKH begehrenden Partei Beweis zu erheben ist (Zöller-Philippi, a. a. O., § 114 ZPO Rdnr. 26 mit weiteren Nachweisen). Insoweit hat die Beklagte für ihre Behauptung, sie sei krankheitsbedingt - also unverschuldet - außerstande, sich um Arbeit zu bewerben, geschweige denn einen Arbeitsplatz zu erhalten oder auszufüllen, u. a. Beweis durch Einholung eines " amtsärztlichen Zeugnisses" - gemeint ist offenbar die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens - angetreten.

Es sind auch keine konkreten oder nachvollziehbaren Anhaltspunkte ersichtlich, die dafür sprechen, dass eine vom Amtsgericht gegebenenfalls durchzuführende Beweisaufnahme sehr wahrscheinlich zum Nachteil der Beklagten ausgehen wird, so dass sich schon deshalb die Feststellung verbietet, die von der Beklagten beabsichtigte Rechtsverfolgung sei aussichtslos (vgl. hierzu allgemein: BVerfG, NJW 2003, S. 2976).

Das gilt auch unter Berücksichtigung der ihr gemäß § 1603 Abs. 2 BGB obliegende Verpflichtung, zur Erfüllung dieser Unterhaltspflicht alle verfügbaren Mittel zu verwenden.

Nach alledem bietet die Rechtsverteidigung der Beklagten hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint auch nicht mutwillig.

Aufgrund des von der Beklagten zur Akte gerechten Bescheids des Regionalzentrums für Arbeit des ...-Kreises vom 20.03.2007 über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch II. Teil und des diesem Bescheid zugrunde liegenden Berechnungsbogens ist davon auszugehen, dass sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch bedürftig im Sinne der §§ 114, 115 ZPO ist, obwohl sie bisher eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt hat.

Die Beiordnung der Rechtsanwältin A erfolgte gemäß § 121 Abs. 2 ZPO. Die rechtsanwaltliche Vertretung der Beklagten erscheint erforderlich, weil es sich vorliegend um einen Unterhaltsprozess wegen Kindesunterhalts handelt und die Bewertung der Leistungsfähigkeit der Beklagten kompliziert ist.

Entsprechend war der angefochtene Beschluss aufgrund der sofortigen Beschwerde der Beklagten abzuändern.

Da die sofortige Beschwerde der Beklagten Erfolg hat, fallen Gerichtskosten nicht an. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Ende der Entscheidung

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