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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.05.2009
Aktenzeichen: 8 U 10/09
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 631
BGB § 648
BGB § 685
BGB § 885 Abs. 1 S. 2
ZPO § 929
Die materielle Rechtskraft einer ersten einstweiligen Verfügung ist kein Hindernis für einen erneuten Eilantrag.
Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 1. 10. 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2 - 14 O 185/08) wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 106.697,03 €.

Gründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Es liegen auch keine sonstigen Gründe vor, die einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO entgegenstehen (§ 542 Abs. 2 ZPO).

Der Senat hat die Verfügungsbeklagten bereits durch Beschluss vom 2. April 2009 darauf hingewiesen, dass und warum er beabsichtigt, ihre Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Auf die Begründung dieses Beschlusses wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (Bl. 223 - 227 d. A.). Die Ausführungen der Verfügungsbeklagten in ihren Stellungnahmen vom 22. 4. und vom 27. 4. 2009 rechtfertigen keine andere Beurteilung. Dazu im Einzelnen:

1. Die Verfügungsbeklagten können sich nicht auf anderweitige Rechtshängigkeit berufen. Der Senat hat bereits klargestellt, dass das erste Eilverfahren mit Verkündung des Senatsurteils am 12. 9. 2008 rechtskräftig abgeschlossen war (§ 542 Abs. 2 ZPO). Die Verfügungsklägerin hatte ab diesem Zeitpunkt keine vollziehbare einstweilige Verfügung mehr in ihren Händen. Bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 15. 9. 2008 hatte sie daher ein berechtigtes Interesse, einen erneuten Titel im Eilverfahren zu erlangen (vgl. dazu Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., Rn 40 zu § 929 ZPO). Es ist somit rechtlich unerheblich, ob das Senatsurteil dem Landgericht bei der mündlichen Verhandlung bekannt gewesen ist oder nicht. Unabhängig davon widerspricht diese Behauptung der protokollierten Einlassung des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten vor dem Landgericht (Bl. 136 d. A.).

2. Die materielle Rechtskraftwirkung der ersten einstweiligen Verfügung war kein Hindernis für den erneuten Eilantrag der Verfügungsklägerin. Auch dies ist bereits in dem Hinweisbeschluss des Senats im Einzelnen dargelegt worden. Wenn sich der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten auf ein Urteil des Kammergerichts vom 21. 5. 1991 (Az.: 9 U 1164/90 = NJW-RR 1992, 318) beruft, dem er Abweichendes entnehmen will, so ist dazu folgendes zu sagen:

Der von ihm zitierte Leitsatz stammt nicht vom Kammergericht sondern von der Redaktion der A. Er ist so verkürzt, dass er sinnentstellend wirkt. Eine gründliche Lektüre dieses Urteils erhellt, dass das Kammergericht bei seiner Entscheidung auf die Besonderheiten der Fallgestaltung abgestellt hat und warum die dortigen Erwägungen nicht auf den hiesigen Fall übertragen werden können.

3. Die gesetzliche Dringlichkeitsvermutung in § 885 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht erschüttert oder gar widerlegt worden, weil es die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin versäumt haben, die einstweilige Verfügung vom 4. 1. 2008 rechtzeitig zu vollziehen. Die unterbliebene Vollziehung kann zwar ein Anhaltspunkt für fehlende Eilbedürftigkeit sein. Maßgeblich sind aber immer die Umstände des Einzelfalles (vgl. Schuschke/Walker a. a. O.). Hier musste berücksichtigt werden, dass die Parteien - u. a. im Hinblick auf das unexakt formulierte Schreiben des Prozessbevollmächtigen der Verfügungsbeklagten vom 9. 1. 2008 - ausführlich darüber gestritten haben, ob wegen besonderer Umstände eine Vollziehung der Senatsentscheidung entbehrlich gewesen ist. Auf die Gründe der Senatsentscheidung vom 12. 9. 2008 wird verwiesen. Auch wenn der Senat die Rechtsauffassung der Verfügungskläger letztendlich nicht geteilt hat, so lässt sich weder aus dem außergerichtlichen Verhalten noch aus der Prozessführung der Verfügungsklägerin ableiten, dass bei objektiver Betrachtung die Dringlichkeit ihres Anliegens fehlen würde.

4. Die Berufungsbegründung und die o. g. Stellungnahmen der Verfügungsbeklagten enthalten keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Entscheidungsgründe des Landgerichts zur Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruchs erwecken könnten.

5. Der Senat hat bereits in dem Hinweisbeschluss klargestellt, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. 12. 2008 (NJW 2009, 594) zur Grundbuchfähigkeit der GbR keine Auswirkung auf das hiesige Verfahren hat. Der Bundesgerichtshof hatte schon in einer früheren Entscheidung die Grundbuchfähigkeit der GbR grundsätzlich anerkannt (BGH MDR 2007, 284). Das war bereits im Senatsurteil vom 4. 1. 2008 berücksichtigt worden, spielt aber hier keine Rolle. Die Fortentwicklung der BGH - Rechtsprechung zur Rechts- und Grundbuchfähigkeit der GbR hat an dem Grundsatz nichts geändert, dass die Gesellschafter einer GbR mit ihrem gesamten Privatvermögen unmittelbar und primär für Gesellschaftsschulden haften müssen. Aus den fortbestehenden Gründen des Senatsurteils vom 4. 1. 2008 müssen die Verfügungsbeklagten daher in analoger Anwendung von § 128 HGB die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungsvormerkung auf ihrem Grundstück dulden.

6. Die rechtspolitischen Überlegungen des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten zu § 522 Abs. 2 ZPO und sein Verweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. 11. 2008 (IBR 2009, 57) gehen an der Sache vorbei. Urteile und Beschlüsse des Berufungsgerichts in Eilverfahren können mit der Revision nicht angefochten werden (§ 542 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Beschluss ist auch ohne besonderen Ausspruch gem. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorläufig vollstreckbar (Zöller - Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., Rn 41 zu § 522 ZPO).

Diesem Beschluss ist folgender Hinweisbeschluss vom 02.04.2009 vorausgegangen:

Die Verfügungsbeklagten werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 1. 10. 2008 (Az.: 2 - 14 O 185/08) durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 22. April 2009.

Gründe:

I. Die Verfügungsklägerin ist Bauunternehmerin. In einem vorangegangenen Eilverfahren hat sie vor dem Landgericht am 27. 12. 2006 eine einstweilige Verfügung zur Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung einer Bauhandwerkersicherungshypothek auf einem Grundstück der Verfügungsbeklagten in O1 erwirkt. Diese wurde auf Widerspruch der Verfügungsbeklagten vom Landgericht aufgehoben und durch die Senatsentscheidung vom 4. Januar 2008 neu erlassen (Az.: 8 U 138/07).

Da die einstweilige Verfügung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist vollzogen worden ist, hat sie der Senat durch das am 12. September 2008 verkündete Urteil aufgehoben (Az.: 8 U 188/08).

Bereits am 4. September 2008 hatte die Verfügungsklägerin erneut den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Eintragung einer inhaltsgleichen Vormerkung gestellt. Dem hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil vom 1. Oktober 2008 entsprochen. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen sowie auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 141 - 151 d. A.).

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgen die Verfügungsbeklagten ihr erstinstanzliches Ziel weiter, den Eilantrag zurückzuweisen. Sie werfen dem Landgericht verschiedene Rechtsfehler sowie unzureichende Tatsachenfeststellung vor:

Es habe verkannt, dass das erste Eilverfahren im Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch rechtshängig gewesen sei. Eine erneute einstweilige Verfügung habe auch deshalb nicht ergehen dürfen, weil die mangelnde Vollziehung der ersten Verfügung auf einem Anwaltsverschulden beruhe, das sich die Verfügungsklägerin zurechnen lassen müsse. Die Verfügungsklägerin habe es ferner versäumt, ihren Verfügungsanspruch und -grund erneut glaubhaft zu machen.

Das Landgericht habe verkannt, dass die Bestellerin, die B- GbR, nicht im Grundbuch eingetragen sei. Die Entscheidung verstoße somit gegen den Grundsatz der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung. Insoweit berufen sich die Verfügungsbeklagten auch auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Dezember 2008, in der die Rechtsprechung zur sog. Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts fortgeschrieben worden ist (Az.: V ZB 74/08 = NJW 2009, 594).

Die Verfügungsbeklagten werfen dem Landgericht ferner vor, sich nicht hinreichend mit dem Einwand fehlender Eilbedürftigkeit auseinandergesetzt zu haben. Die Verfügungsklägerin habe ihr Sicherungsbedürfnis durch ihr eigenes Verhalten im gerichtlichen Verfahren widerlegt. Es seien ferner keine anderen Handwerksunternehmen nach dem Erlass der ersten einstweiligen Verfügung an die Verfügungsbeklagten herangetreten, um etwaige (Rest-) Werklohnansprüche anzumelden oder sichern zu lassen. Auch unter diesem Gesichtspunkt bestehe kein Sicherungsbedürfnis der Verfügungsklägerin, das die Eintragung der Vormerkung rechtfertigen könne.

II. Das Rechtsmittel der Verfügungsbeklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Ein Revisionsverfahren kommt nicht in Betracht, da der Senat letztinstanzlich über den Bestand der einstweiligen Verfügung entscheidet (§ 542 Abs. 2 ZPO).

1. Die Verfügungsbeklagten können sich nicht auf anderweitige Rechtshängigkeit berufen. Das erste Eilverfahren war bereits mit Verkündung des Senatsurteils am 12. 9. 2008 rechtskräftig abgeschlossen (§ 542 Abs. 2 ZPO, vgl. dazu Baumbach-Lauterbach, ZPO, 67. Aufl., Rn 4 und 5 zu § 705 ZPO). Es stand somit der erneuten Entscheidung des Landgerichts vom 1. 10. 2008 nicht entgegen.

2. Die materielle Rechtskraftwirkung der ersten einstweiligen Verfügung war kein Hindernis für den erneuten Eilantrag der Verfügungsklägerin. Das Landgericht hat sich mit Recht auf die in der Rechtsprechung und Literatur herrschende Auffassung gestützt, wonach der Neuerlass einer aufgehobenen Einstweiligen Verfügung grundsätzlich möglich ist, wenn Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund glaubhaft gemacht werden (Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 22. Aufl. 2002, Rn 18 zu § 929 ZPO m. w. N.). Der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten hat nicht deutlich machen können, warum der hiesige Fall wegen eines vermeintlichen Anwaltsverschuldens der gegnerischen Prozessbevollmächtigten ausnahmsweise anders zu beurteilen wäre.

3. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Verfügungsanspruch auf Grundlage der bereits im ersten Eilverfahren - und nun nochmals - eingereichten eidesstattlichen Versicherungen und Unterlagen sowie aufgrund der gerichtsbekannten Tatsachen aus dem dort anhängigen Hauptsacheverfahren für glaubhaft gehalten hat. Weder in ihren erstinstanzlichen Schriftsätzen noch in ihrer Berufungsbegründung haben die Verfügungsbeklagten Anhaltspunkte vorgetragen, die darauf hindeuten könnten, dass das Landgericht von falschen oder unzureichenden Tatsachen ausgegangen wäre.

4. Der Senat hat sich bereits in dem Urteil vom 4. 1. 2008 (8 U 138/07) ausführlich mit dem Einwand der Verfügungsbeklagten beschäftigt, ihre Inanspruchnahme würde dem Grundsatz der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung widersprechen. Auf Ziffer 2. der dortigen Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Es liegen keine neuen Argumente vor, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden. Namentlich die von den Verfügungsbeklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Dezember 2008 zur Grundbuchfähigkeit der GbR spielt hier keine Rolle. Es ist nicht relevant, dass die Vertragspartnerin der Verfügungsklägerin, die B- GbR, rechtlich die Möglichkeit (gehabt) hätte, sich als Eigentümerin ins Grundbuch schreiben zu lassen. Diese Fallkonstellation liegt hier nicht vor. Hier ist nicht die GbR, sondern die Gesellschafter der GbR sind Eigentümer des Grundstücks und daher geht es lediglich um die Frage, ob sie aufgrund ihrer persönlichen Haftung für die Hauptverbindlichkeit der Gesellschaft die glaubhaft gemachten Werklohnansprüche der Verfügungsklägerin mit ihrem Grundstück absichern müssen. Diese Frage wird in der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht behandelt. Sie ist zu Lasten der Verfügungsbeklagten zu beantworten. 5. Es ist unerheblich, ob andere Handwerksunternehmen, die an dem streitbefangenen Bauvorhaben beteiligt waren, Auseinandersetzungen mit der GbR über offenen Werklohn haben. Die Vormerkung sichert dem Auftragnehmer die Rangstelle im Grundbuch für die von ihm erstrebte Bauhandwerkersicherungshypothek gegen alle der Vormerkung zuwiderlaufenden Eintragungen im Grundbuch, die zeitlich später erfolgen (§ 883 BGB). Ihr Sicherungszweck erschöpft sich daher nicht in einer vorrangigen Sicherung gegenüber den Werklohnansprüchen anderer Bauunternehmer. Das war bereits auf Seite 9 der Antragsschrift dargelegt worden. Die Verfügungsbeklagten gehen darauf nicht ein.

Da das Rechtsmittel der Verfügungsbeklagten keine Aussicht auf Erfolg verspricht, rät ihnen der Senat - auch aus Kostengründen - eine Rücknahme der Berufung in Betracht zu ziehen.

Ende der Entscheidung

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