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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 04.12.2008
Aktenzeichen: 8 U 113/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 797
ZPO § 756
ZPO § 765
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 6.3.2008 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (2/31 O 24/07) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 345.768,71 €.

Gründe:

I.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 458 ff d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage zum Erfolg verholfen. Es hat die Beklagte u.a. verurteilt, an die Klägerin Hauptforderungen von insgesamt 320.068,71 € zu zahlen, Zug um Zug gegen Aushändigung von näher bezeichneten Inhaber-Teilschuldverschreibungen der Beklagten. Es hat die Beklagte weiter (Ziff. 3. des Tenors des angefochtenen Urteils) vorbehaltlos zur Zahlung von 25.700 € verurteilt; dabei handelt es sich um den Nennwert des von der Klägerin gehaltenen Anteils an einer global verbrieften Inhaberteilschuldverschreibung WKN ....

Wegen der Einzelheiten der Entscheidung und der hierfür maßgeblichen Gründe wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Das Landgericht hat dort insbesondere dargelegt, warum es einen Zug-um-Zug-Vorbehalt bei den körperlich verbrieften Forderungen angeordnet hat, bei der global verbrieften Forderung hingegen nicht.

Die Berufung der Beklagten rügt:

1. Das Landgericht sei zu Unrecht von der Aktivlegitimation der Klägerin ausgegangen. Die Aktivlegitimation bleibe bestritten, zumal die Inhaberschuldverschreibung frei veräußerbar sei.

2. Die Verurteilung zur Zahlung ohne einen entsprechenden Zug-um-Zug-Vorbehalt in Ziffer 3. des landgerichtlichen Tenors verstoße gegen die Rechte der Beklagten aus § 797 BGB.

3. Die mit Tenor zu 4. zugesprochenen Zinsen kämen allenfalls erst einen Tag später in Betracht.

4. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft nicht erkannt, dass es sich bei der argentinischen Notstandsgesetzgebung um Eingriffsnormen handelt, die von den deutschen Gerichten nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts zwingend zu beachten seien.

5. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht die Voraussetzungen des § 138 BGB verneint; richtig sei, dass die Befriedigung der Gläubiger den Sanierungsprozess in Argentinien ins Stocken bringe, weshalb sie sittenwidrig sei.

6. Außerdem hätte die Klage auch deshalb abgewiesen werden müssen, weil die Gläubiger, die sich nicht an der Umschuldung beteiligt haben, treuwidrig handeln, wenn sie als "Trittbrettfahrer" eine vollständige Bedienung ihrer Forderungen erzwingen wollen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen,

hilfsweise:

den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

zu Ziff. 1:

Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil und der Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 6.3.2008 (Bl. 449 ff) hat sich das Landgericht durch Inaugenscheinnahme der Originale von Inhaberschuldverschreibungen und von Depotbescheinigungen von der Forderungsinhaberschaft der Klägerin überzeugt.

zu Ziff. 2.:

Der auf § 797 BGB gestützte Einwand, bei den global verbrieften Inhaberschuldverschreibungen dürfe eine Verurteilung nur Zug um Zug gegen das Angebot auf Abtretung des Miteigentumsanteils ergehen, ist nicht begründet. Der Senat hat u.a. schon im Urteil vom 8.11.2008 (8 U 59/08) insoweit und mit Blick auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 8.7.2008 (VII ZB 64/07 - NJW 2008, 3144 f) ausgeführt:

"Der Bundesgerichtshof hat zur Rechtsnatur dieser Vorschrift in der o. g. Entscheidung folgendes klargestellt:

"...a) Die Vollstreckung wegen einer Forderung, die den Schuldner nur gegen Aushändigung einer Inhaberschuldverschreibung zur Leistung verpflichtet (§ 797 BGB), fällt grundsätzlich nicht unter §§ 756, 765 ZPO, da die Herausgabe des Papiers kein selbständiger Gegenanspruch, sondern eine besondere Ausgestaltung des Rechts auf Quittung ist ( Stöber , Forderungspfändung, 14. Aufl., Rdn. 470 a; Heßler , in: MünchKomm-ZPO, 3. Aufl., § 756 Rdn. 9). Das Papier selbst hat keinen eigenen Vermögenswert, sondern ist ein Präsentations- und Einlösepapier ( Soergel/Welter , BGB, 12. Aufl., § 797 Rdn. 1)...."

Wenn der Beklagten kein selbständiger Gegenanspruch zusteht, sich die Aushändigung der Wertpapiere vielmehr nur als besondere Form der Quittung darstellt, dann kann sie naturgemäß auch nicht die Abgabe einer Willenserklärung von den Klägern verlangen. Die in früheren Entscheidungen des Senats vertretene Rechtsauffassung (z. B. 8 U 120/07) lässt sich unter den Vorgaben des Bundesgerichtshofs nicht mehr aufrechterhalten und wird deshalb vom Senat auch nicht weiter verfolgt."

Im hier zu entscheidenden Fall verhält es sich nicht anders.

zu Ziff. 3.:

Der erkannte Zinsbeginn folgt den jeweiligen Anleihebedingungen.

zu Ziff. 4:

Die anderslautende Sicht des Landgerichts wird vom Senat geteilt, wie er schon mehrfach (erstmals durch das Urteil vom 13.6.2006 - 8 U 107/03 - NJW 2006, 2931 ff und danach in ständiger Rechtsprechung) als grundsätzliche Einschätzung der international-privatrechtlichen Rechtslage zum Ausdruck gebracht hat. Die Berufung bringt keine neuen Argumente vor, die den Senat zu einer anderen Rechtssicht veranlassen könnten.

zu Ziff. 5:

Die weitere Berufungsbegründung lässt erkennen, dass die Beklagte nicht so weit geht, auch die Befriedigung der Gläubiger ggf. für sittenwidrig halten zu wollen, sondern deren Verlangen nach Befriedigung für sittenwidrig hält.

Der Senat hat sich in den oben genannten grundlegenden Entscheidungen aus dem Jahre 2006 bereits dazu äußert, warum er weder ein Forderungsverbot noch ein Leistungsverweigerungsrecht (§§ 138, 242 BGB) zu Gunsten der Beklagten annimmt.

Soweit sich die Beklagte nach wie vor auf solche Argumente stützt, so hat sie nicht dargelegt, dass sich ihre wirtschaftliche Situation verschlechtert hätte und dass deshalb eine andere Beurteilung notwendig wäre. Das von ihr nun vorgebrachte Zahlenwerk zeigt nicht, dass sich die wirtschaftliche Situation der Beklagten gegenüber derjenigen wesentlich verschlechtert hätte, die der Senat in den Ausgangsentscheidungen bewertet hat. Die Beklagte hat auf Grund der positiven wirtschaftlichen und fiskalischen Entwicklung wieder Zugang zu den Finanzmärkten gefunden hat und sieht sich deshalb imstande, ihre institutionellen Gläubiger zu befriedigen, während sie die sog. Hold-Out-Verbindlichkeiten privater Gläubiger laut Art. 52 ihres Gesamthaushaltsplans für das Jahr 2008 (Anlage A) nicht bedienen will.

zu Ziffer 6:

Die dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Konstellation ist mit derjenigen eines "Trittbrettfahrers" (oder Akkordstörers) in vielerlei Hinsicht nicht zu vergleichen. Das gilt schon mit Blick auf die Frage, ob die offenkundig bereits fortgeschrittene wirtschaftliche Sanierung der Beklagten bei einer gerichtlichen Durchsetzung der Forderung der Klägerin einen unverhältnismäßig hohen Schaden befürchten lässt. Auch sonst wird der Hinweis der Beklagten auf das sog. Akkordstörerurteil des Bundesgerichtshofs dem Ablauf der Umschuldungsverhandlungen der Beklagten mit ihren jeweiligen Gläubigergruppen einerseits und der Situation der Klägerin andererseits nicht gerecht, so dass der Senat bei der auch insofern maßgeblichen Gesamtbewertung nach § 242 BGB eine Treuwidrigkeit der Klägerin nicht zu erkennen vermag.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil ihr Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt (§ 97 ZPO).

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (§ 708 Nr. 10 ZPO), die Schuldnerschutzanordnung folgt aus § 711 ZPO.

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung sind nicht gegeben. Das gilt auch für die Frage, ob bei global verbrieften Inhaberschuldverschreibungen eine Tenorierung in dem von der Beklagten gewünschten Sinn notwendig wäre. Der Bundesgerichtshof hat in seinem zuvor erwähnten Beschluss klargestellt, wie § 797 BGB zu bewerten ist. Damit hat er die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage beantwortet. Die hieraus folgenden prozessualen Konsequenzen müssen von den Instanzgerichten gezogen werden. Dass sich der Bundesgerichtshof dort nicht ausdrücklich mit der Vollstreckung von Zahlungsforderungen aus Miteigentumsanteilen an global verbrieften Inhaberschuldverschreibungen beschäftigt hat, spielt keine Rolle. Das Berufungsgericht sieht auch nicht, dass und warum ein anderer Senat des Revisionsgerichts die am 8.7.2008 herbeigeführte grundsätzliche Klarstellung zur Bedeutung des § 797 BGB im hier interessierenden Bereich anders einschätzen sollte. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigt jedenfalls keine Revisionszulassung, um lediglich überprüfen zu lassen, ob andere Spruchkörper des Revisionsgerichts eine Rechtsfrage abweichend von demjenigen Spruchkörper beurteilen, dessen Standpunkt bekannt geworden ist.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens entspricht der Addition der Nennwerte der streitbefangenen Inhaberschuldverschreibungen.

Ende der Entscheidung

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