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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 28.11.2008
Aktenzeichen: 8 U 243/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 793
Die Aktivlegitimation bei Einzelansprüchen aus global verbrieften Inhaberschuldverschreibungen kann grundsätzlich durch einen zeitnahen Depotauszug nachgewiesen werden, aus dem sich der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Gläubigers, der Nennwert der von ihm gehaltenen Schuldverschreibungen sowie deren Kennzeichnung (WKN bzw. ISIN) ergibt.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 5. 10. 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (2-21 O 287/06) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 273.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 10 % p. a. aus 210.000,-- € seit dem 8. 12. 2004 zu zahlen für dessen Miteigentumsanteil im Nennwert von 210.000,-- € an der 10 % - Republik Argentinien - Anleihe, Laufzeit 1997/2004, Wertpapierkennnummer (WKN) ....

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird im Übrigen zurückgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren und für das Berufungsverfahren beträgt 210.000,-- €.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Nennwert und Zinsen aus einer von ihr begebenen, global verbrieften 10 % - Anleihe, Laufzeit 1999/2004 (WKN ...). Er behauptet, Miteigentümer von Anteilen an dieser Anleihe im Nennwert von insgesamt 210.000,-- € zu sein. Ferner verlangt er Zinsen auf die Zinsforderungen, weil sich die Beklagte mit der Rückzahlung der Schuldverschreibungen in Verzug befinde.

Die Beklagte hat u. a. eingewandt, der Kläger habe seine Aktivlegitimation nicht entsprechend der Anleihebedingungen nachgewiesen. Die Anleihebedingungen haben unter § 12 Abs. 5 folgenden Wortlaut:

"... jeder Anleihegläubiger ist berechtigt, in jedem Rechtsstreit gegen die Republik..., seine Rechte aus diesen Schuldverschreibungen im eigenen Namen auf der folgenden Grundlage....geltend zu machen: (i) er bringt eine Bescheinigung der Depotbank bei, bei der er für die Schuldverschreibungen ein Wertpapierdepot unterhält, welche (a) den vollständigen Namen und die vollständige Adresse des Anleihegläubigers enthält, (b) den gesamten Nennbetrag der Schuldverschreibungen bezeichnet die unter dem Datum der Bestätigung auf dem Wertpapierdepot verbucht sind und (c) bestätigt, dass die Depotbank gegenüber der X eine schriftliche Erklärung abgegeben hat, die die vorstehend unter (a) und (b) bezeichnete Informationen enthält, und (ii) er legt eine Kopie der die betreffenden Schuldverschreibungen verbriefenden Globalurkunde vor, deren Übereinstimmung mit dem Original eine vertretungsberechtigte Person der X bestätigt hat, ohne dass eine Vorlage der Originalbelege oder der die Schuldverschreibungen verbriefenden Globalurkunde in einem solchen Verfahren erforderlich wäre..."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Anleihebedingungen (Anlage K 2, Bl. 5 - 12 d. A.) verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe seine Aktivlegitimation nicht nachgewiesen. Die Bestätigung vom 3. 4. 2006 richte sich an mehrere Kunden, so dass nicht klar sein, dass ihm allein Rechte an der streitbefangenen Inhaberschuldverschreibung zustünden. Die in der mündlichen Verhandlung präsentierten Dokumente ließen den Namen der Bank, des Berechtigten und des Inhalts nicht hinreichend erkennen. Das Schreiben sei nicht unterzeichnet. Der Inhalt der Schlussformulierung könne nur erahnt werden. Es sei nicht notwendig gewesen, den Klägervertreter nochmals darauf hinzuweisen, dass die von ihm vorgelegten Dokumente - vor allem wegen der fehlenden Unterzeichnung - nicht ausreichen würden. Das Erfordernis einer Unterzeichnung von wirksamen Schriftstücken sei eine Selbstverständlichkeit, was eine Partei nicht falsch bewerten könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 157 - 162 d. A.).

Der Kläger hat form - und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Ziel weiterverfolgt. Er wirft dem Landgericht vor, ihn nicht hinreichend darauf hingewiesen zu haben, welche Unterlagen zum Nachweis der Anspruchsberechtigung vorzulegen seien. Das Landgericht habe ihm auf seine Bitte mitgeteilt, dass ein zeitnaher Depotauszug zum Nachweis der Aktivlegitimation ausreiche (Bl. 90 Rs. d A.). Er sei aber nicht darauf hingewiesen worden, dass nur ein unterzeichneter Depotauszug ausreiche. Tatsächlich hätte das Landgericht in anderen Parallelverfahren (Az.: 2 - 21 O 263/06) einen solchen akzeptiert (Bl. 202 d. A.). Da die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bestätigung sich inhaltlich nicht von der vorherigen unterscheide, habe er annehmen dürfen, dass das Landgericht diese Bescheinigung als Nachweis seiner Aktivlegitimation akzeptieren und ihm ansonsten Gelegenheit geben würde, den Vortrag zu ergänzen. Mit der Berufungsbegründung legt der Kläger nun ein erneutes Schreiben der F vom 1. 11. 2007 vor (Bl. 204 d. A.)

Der Kläger beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 273.000,-- € zzgl. 10 % Zinsen pro Jahr aus 210.000,-- € seit 8. 12. 2004 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5 % Zinsen pro Jahr über Basiszinssatz aus jeweils 21.000,-- € seit dem 8. 12. 2002, 8. 12. 2003, 8. 12. 2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger habe erstinstanzlich keine Dokumente vorgelegt, mit denen seine Anspruchsberechtigung beweisbar sei. Die Depotbescheinigungen ließen den Aussteller nicht erkennen. Sie seien in Briefform verfasst und müssten daher unterzeichnet sein. Die Schlussformel "ohne jede Verantwortung" nehme dem Dokument jeglichen Beweiswert. Der Kläger habe ferner die in § 11 Abs. 5 (gemeint wohl § 12 Abs. 5) der Anleihebedingungen vorgeschriebenen Anforderungen nicht erfüllt. Die Beklagte beruft sich außerdem darauf, wegen ihrer fortdauernden Notstandslage und der deswegen ergangenen Notstandsgesetzgebung zur Zahlungsverweigerung berechtigt zu sein.

Der Senat hat die Parteien darauf hingewiesen, welche Unterlagen zum Nachweise der Anspruchsberechtigung geeignet sein können (Beschluss vom 26. 9. 2008 - Bl. 308 d. A.). Der Kläger hat ein auf den 3. 11. 2008 datiertes Schreiben der F nebst deutscher Übersetzung vorgelegt (Bl. 323/324 d. A.).

II.

Die Berufung des Klägers hat weitgehend Erfolg. Er kann von der Beklagten nach § 793 i. V. mit §§ 2, 4 der Anleihebedingungen die Auszahlung des Nennbetrags und der Zinsen für die Jahre 2002 bis 2004 für die Miteigentumsanteile des Klägers an der endfälligen Anleihe sowie aus § 2 Abs. 2 der Anleihebedingungen die vertragliche Verzinsung des Nennbetrags nach dem 8. 12. 2004 verlangen.

Der Kläger hat seine Anspruchsberechtigung durch die zuletzt genannte Depotbestätigung der F nachgewiesen (Bl. 323 d. A.). Die Depotbestätigung genügt den in § 12 Abs. 5 (i) (a-b) der Anleihebedingungen gestellten Anforderungen und hat den Senat davon überzeugt, dass der Kläger Miteigentumsanteile im Nennwert von 210.000,-- € an der global verbrieften Anleihe inne hat.

Die Aktivlegitimation bei Einzelansprüchen aus global verbrieften Inhaberschuldverschreibungen kann grundsätzlich durch einen zeitnahen Depotauszug nachgewiesen werden, aus dem sich der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Gläubigers, der Nennwert der von ihm gehaltenen Schuldverschreibungen sowie deren Kennzeichnung (WKN bzw. ISIN) ergibt. Dies ist hier geschehen.

Globalurkunden haben die Besonderheit, dass sämtliche Rechte in einer Urkunde verbrieft werden (§ 9a Depotgesetz). In den hiesigen Anleihebedingungen wurde unstreitig die Auslieferung effektiver Stücke durch die Verwahrerin (ursprünglich A1 AG, jetzt A2 AG) über deren Kunden (Depotbanken) an die Hinterleger (Kläger) ausgeschlossen (§ 9a Abs. 3 S. 2 DepotG). Der Gläubiger hat somit rechtlich keine Möglichkeit, sich das Original der (Global-) Urkunde aushändigen zu lassen und zum Beweis ihrer Anspruchsberechtigung vorzulegen. Mit einer Depotbescheinigung, die den vorgenannten Anforderungen genügt, kann er aber in der Regel den Beweis führen, dass ihm ein Miteigentumsanteil an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Wertpapieren derselben Art zusteht (§§ 6 Abs. 1, 9a Abs. 2 DepotG) und dass er mittelbarer Mitbesitzer der in den Händen der Y - Stelle befindlichen Globalurkunde ist (§§ 868, 871 BGB).

Der Einwand der Beklagten, aus dem o. g. Schreiben ergebe sich der Name und die Anschrift des Depotinhabers nicht, wird nicht näher begründet. Dem Inhalt dieses Schreibens lässt sich entnehmen, dass der Kläger Depotinhaber ist und welche Anschrift er hat. Die weiteren, inhaltsgleichen Bestätigungen der F, Genf, (Bl. 204, 280 d. A.) belegen gemeinsam mit dem zuletzt vorgelegten Dokument die Anspruchsberechtigung des Klägers.

Das Beweismittel ist in der Berufung gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO noch zuzulassen, weil der verspätete Vortrag nicht auf Nachlässigkeit beruht. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter haben sich darüber geirrt, dass die von ihnen in der mündlichen Verhandlung des Landgerichts vorgelegten Dokumente nicht den dortigen Anforderungen entsprechen würden. Hier liegt sicherlich ein Grenzfall anwaltlicher Sorgfaltspflicht vor, denn die Anleihebedingungen sind in § 12 (i) (a-b) klar formuliert und wurden durch die erstinstanzlich eingereichten Bestätigungen nicht erfüllt. Der Senat hält dem Klägervertreter aber zugute, dass er im Hinblick auf die oben geschilderte Verfahrenspraxis der 21. Zivilkammer geglaubt hat, den Anforderungen des Gerichts genüge getan zu haben. Der im oben zitierten Parallelverfahren eingereichte Depotauszug ist ebenfalls nicht unterzeichnet gewesen und hatte ebenfalls nicht die vollständige Anschrift des Depotinhabers ausgewiesen.

Weitere Voraussetzungen zum Nachweis der Aktivlegitimation lassen sich aus den Anleihebedingungen nicht herleiten. Der Senat hat die Beklagte bereits darauf hingewiesen, dass er Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vertragsklauseln § 12 (i) (c) und (ii) der Anleihebedingungen hat, weil es sich um Prozessvereinbarungen handelt, die in unzulässiger Weise die Beweisführung der Gläubiger beschränken (§ 309 Nr. 12 AGBG; vgl. i. E.: Masuch, Anleihebedingungen und AGB - Gesetz, Diss. Heidelberg 2001, S. 259, 264). Das wird in der heute verkündeten Entscheidung in einem gegen die Beklagten ergangenen Urteil näher begründet, so dass hierauf verwiesen werden kann (8 U 244/07).

Die weiteren Argumente der Beklagten, mit denen sie ihre Zahlungsverweigerung rechtfertigen will, sind bereits in zahlreichen Entscheidungen des Senats zu Parallelverfahren als unerheblich bewertet worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das Urteil des Senats vom 13. 6. 2006 (8 U 107/03 = NJW 2006, 2931) und auf die danach ergangenen Urteile in Parallelverfahren verwiesen. Die Berufungserwiderung enthält keine Argumente, die eine davon abweichende Bewertung rechtfertigen könnten.

Dem Kläger steht aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB kein Anspruch auf gesetzliche Verzugszinsen auf die jeweiligen Zinsbeträge zu. Dies würde gegen § 289 Satz 1 BGB, dem Verbot von Verzugszinsen auf Zinsen, verstoßen. Das Zinseszinsverbot schließt einen Schadensersatzanspruch des Gläubigers wegen verzögerter Zinszahlung zwar nicht grundsätzlich aus (§ 289 S. 2 BGB). Der Gläubiger kann deshalb grundsätzlich nicht nur eine Verzinsung des offenen Kapitalrestes sondern auch der Rückstände vertraglicher Zinsen verlangen (BGHZ 104, 337, 344 ff.). Dazu muss er aber beweisen, dass ihm aufgrund des Verzugs mit der Zinszahlung ein Schaden in Form aufgewandter Kreditzinsen oder entgangener Anlagezinsen entstanden und gegebenenfalls wie hoch dieser Schaden ausgefallen ist (RGZ 152, 174). Wegen des Zinseszinsverbots nach § 289 S. 1 BGB muss der Gläubiger die Schadenshöhe selbst dann darlegen und beweisen, wenn er einen Schaden nur in Höhe der gesetzlichen Verzugszinsen geltend macht (BGH NJW 1993, 1260, 1261; BGH NJW 1991, 843). Der Kläger hat das nicht getan, auch eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO kommt nicht in Betracht, weil ein Schaden gar nicht behauptet worden ist.

Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, denn die reklamierten Verzugszinsen sind Nebenforderungen (§ 4 ZPO). Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO. Der Kläger wäre imstande gewesen, die jetzt vorgelegte Depotbestätigung bereits dem Landgericht zu präsentieren.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bzw. zur Abwendungsbefugnis beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Der Streitwert ergibt sich aus dem Nennwert der Inhaberschuldverschreibung.

Ende der Entscheidung

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