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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 31.10.2006
Aktenzeichen: 8 U 5/06
Rechtsgebiete: VOB/B


Vorschriften:

VOB/B § 17
Wenn der Auftragnehmer zusätzlich zu der vereinbarten Sicherheit noch ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, hat dies auf die Wirksamkeit der Bürgschaft keinen Einfluss. Die gewünschte Absicherung wäre entwertet, wenn der Auftraggeber sich ohne Rücksicht auf weitere durchsetzbare Ansprüche sofort aus der Sicherheit befriedigen müsste.
Gründe:

I.

Die Klägerin schloss mit der Firma A GmbH, über deren Vermögen im Jahr 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, am 8.10.1999 einen Generalunternehmervertrag, aufgrund dessen die Firma A GmbH die schlüsselfertige Sanierung der Gebäude ...straße ... und ... in O1 zu einem Pauschalfestpreis von 1.120.689,66 DM übernahm.

Am 7.8.2000 nahm die Klägerin die Bauleistungen hinsichtlich des Hauses ...straße ... ab. Am 19.8.2000 übernahm die Beklagte hinsichtlich der Bauleistungen im Hause ...straße eine schriftliche Gewährleistungsbürgschaft von 41.598,-- DM, welche der Klägerin nach ihrem Vorbringen am 20.8.2000 zuging. Mit Schreiben vom 11.9.2000 teilte die Klägerin der Firma A GmbH mit, dass sie am 8. 9.2000 weitere Mängel festgestellt habe. Am 19.9.2000 nahm die Klägerin eine Schlussrechnungsprüfung vor, setzte die vereinbarte Sicherheit von 41.598,-- DM (5%) sowie weitere 10.000,-- DM für Restmängel ab und kam zu einem Restbetrag von 20.868,84 DM. Diesen sowie den Sicherheitseinbehalt von 41598,-- DM zahlte sie am 20.9.2000 an die Firma A GmbH aus. Am 20.9.2000 rügte die Klägerin weitere Mängel. Am 21.12.2000 wies die Klägerin den Insolvenzverwalter der Firma A GmbH darauf hin, dass sie wegen der nicht beseitigten Mängel einen Betrag von 10.000,-- DM einbehalte. Für die Ersatzvornahme zur Beseitigung dieser Mängel wandte die Klägerin 11.330,14 € auf.

Nachdem die Klägerin den Insolvenzverwalter der Firma A GmbH am 3.5.2004 unter Fristsetzung zum 18.6.2004 erfolglos zur Mängelbeseitigung aufgefordert hatte - im Jahre 2003 waren ihm weitere Mängel angezeigt worden - hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 7.92004 und 11.2.2005 zur Zahlung des Betrages aus der Gewährleistungsbürgschaft (21.268,72 €) aufgefordert.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Austauschsicherheit habe lediglich unter der aufschiebenden Bedingung gestanden, dass der Sicherheitseinbehalt ungekürzt ausgezahlt wird. Für vorhandene Mängel habe die Klägerin unabhängig von dem Sicherheitseinbehalt von ihrem gesetzlichen Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen dürfen, weil die Firma A GmbH noch das Recht gehabt habe, die Mängel selbst zu beseitigen. Es liege kein Verstoß gegen die Sicherungsabrede vor.

Die Beklagte hat geltend gemacht, die Gewährleistungsbürgschaft sei unwirksam geworden, da sie unter der aufschiebenden Bedingung gestanden habe, dass die Klägerin den Werklohn in voller Höhe auszahle. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, auch die einbehaltenen 10.000,-- DM auszuzahlen, da auch die am 8.9.00 festgestellten Mängel vom Haftungsumfang der Bürgschaft umfasst gewesen seien.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht der Klage auf Auszahlung der Bürgschaftssumme stattgegeben (abgewiesen wurden 510,28 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes davon auszugehen sei, dass die Gestellung einer Bürgschaft als Austauschsicherheit unter der auflösenden Bedingung stehe, dass der Auftraggeber seiner Verpflichtung zur Auszahlung des Bareinbehalts nachkomme. Nur unter dieser Voraussetzung sei es für den Auftragnehmer sinnvoll, sein Austauschrecht in Anspruch zu nehmen. Die ihn belastenden Avalzinsen der Bürgschaft könne er nur aufwenden, wenn er Bargeld erhalte.

Der vereinbarte und in der Schlussrechnung ausgewiesene Sicherheitseinbehalt (41.598,-- DM) sei nach der Übergabe der Bürgschaft ausgezahlt worden.

Die Kl. habe nicht gegen die Sicherungsabrede verstoßen, indem sie weitere 10.000,-- DM einbehalten hat. Durch die Vereinbarung einer Sicherheitsleistung würden gesetzliche Zurückbehaltungsrechte nicht ausgeschlossen. Letztere dienten bereits entstandener Gewährleistungsansprüche, während die Sicherheitsleistung der Sicherung zukünftig auftretender Mängel diene.

Der Sicherungsfall sei eingetreten, so dass die Klage begründet sei.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, dass das Landgericht die BGH-Rechtsprechung (NJW 2001,3629f) nicht hinreichend beachtet habe. In dem Moment, in dem die Klägerin die Gewährleistungsbürgschaft entgegen nehme, habe sie eine Barsicherheit "effektiv" auszuzahlen. Wenn der Auftragnehmer eine Austauschbürgschaft zu einem Zeitpunkt stelle, in dem der Sicherungsfall noch nicht eingetreten ist, müsse der Auftraggeber alle Zurückbehalte, mit denen er Gewährleistungsansprüche besichern wolle, effektiv an den Auftragnehmer auszahlen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufung entgegen. Sie ist der Auffassung, dass weder die Rechtsprechung des BGH noch die Entscheidung des 19. Zivilsenats des OLG Frankfurt a.M. vom 11.1.2006 die Meinung der Beklagten stützen. Vorliegend habe die Klägerin nämlich das Bardepot an die Beklagte ausgezahlt. Die Vereinbarung der Gewährleistungssicherheit schließe weder nach dem Gesetz noch nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH aus, dass der Auftragnehmer mit der übrigen Werklohnforderung aufrechne.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht die Beklagte aus der am 19.8.2000 übernommenen Gewährleistungsbürgschaft zur Zahlung von 21.268,72 € nebst Zinsen verurteilt.

Die Klägerin hat den 5%igen Sicherheitseinbehalt von 41.598,00 DM (= 21.268,72 €) am 20.9.2000 an die Firma A GmbH ausbezahlt, nachdem sie die Gewährleistungsbürgschaft der Beklagten erhalten hat. Hierzu war sie verpflichtet, weil der Sicherungsfall noch nicht eingetreten war und sie im Austausch gegen den Sicherheitseinbehalt die Bürgschaft erhalten hatte (BGH NJW 2001,3629; BGH NJW 97,2958). Liegt der Sicherungsfall bei Stellung der Austauschbürgschaft bereits vor, steht es im Belieben des Auftraggebers, ob er die Bürgschaft annimmt oder den Einbehalt verwertet. Er muss sich insoweit dem Auftragnehmer gegenüber unverzüglich erklären. Andernfalls bleibt es beim Austauschrechts des Auftragnehmers (BGH NJW 2001,1629). Wählt der Auftraggeber die Verwertung, darf er die Bürgschaft nicht entgegen nehmen bzw. muss sie wieder herausgeben.

Von einem Eintritt des Sicherungsfalls und der Inanspruchnahme des Sicherheitseinbehalts mit der Folge, dass Zahlung aus der Bürgschaft nicht mehr verlangt werden könnte, ist nicht deswegen auszugehen, weil die Klägerin am 20.9.2000 für Mängel einen Betrag von 10.000,-- DM einbehalten hat. Auch wenn am 20.9.2000 bereits Mängel aufgetreten waren, lag die Situation, in der sich der Auftraggeber zwischen Inanspruchnahme des Sicherheitseinbehaltes und der Entgegennahme der Bürgschaft entscheiden muss, nicht vor. Vielmehr konnte die Klägerin bezüglich der festgestellten Mängel - zusätzlich zu der an Stelle des Sicherheitseinbehalts erhaltenen Gewährleistungsbürgschaft - von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen, ohne sich dem Vorwurf eines Verstoßes gegen die Sicherheitsabrede auszusetzen.

Die Gewährleistungsbürgschaft dient zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen bei Eintritt des Sicherungsfalls. Letzterer tritt aber solange nicht ein, wei der Auftragnehmer noch zur Nachbesserung berechtigt ist (Ingenstau-Korbion, 14. Aufl. VOB, S. 2087,2107). Bei auftretenden Gewährleistungsschäden kann der Auftraggeber nicht auf die gewährte Sicherheit verwiesen werden, sondern er kann trotz bestehender Sicherheit Mängelbeseitigung gesondert geltend machen und insoweit von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen (Ingenstau-Korbion, aaO, s. 2077; OLG Hamm BauR 97,141). Durch die Vereinbarung einer Sicherheitsleistung werden gesetzliche Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrechte grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Während nämlich die Sicherheit dazu dient, die vertragsgemäße Ausführung der Leistung und die Gewährleistung sicherzustellen (§ 17 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B), bezweckt die Leistungsverweigerung über die Sicherung der Ansprüche hinaus, auf den Auftragnehmer Druck auszuüben, damit er die ihm obliegende Leistung umgehend erbringt Der Auftragnehmer kann also nicht einwenden, der Auftraggeber dürfe das Leistungsverweigerungsrecht nur wegen eines den Sicherheitseinbehalt wertmäßig übersteigenden Mängelbeseitigungsanspruchs geltend machen (Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl.. Rdr. 1244).

Kann aber der Auftragnehmer ungeachtet eines Sicherheitseinbehalts ohne Verstoß gegen die Sicherungsabrede zusätzlich z.B. ein Zurückbehaltungsrecht ausüben, so kann er dies auch noch zu einem Zeitpunkt tun, in dem der Sicherheitseinbehalt durch eine Gewährleistungsbürgschaft ersetzt wurde. Denn diese tritt an die Stelle des Sicherheitseinbehalts, hindert aber nicht die Geltendmachung von Rechten, die dem Auftragnehmer über den Sicherheitseinbehalt hinaus zustehen.

Wenn der Auftragnehmer also zusätzlich zu der vereinbarten Sicherheit noch ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, so hat dies auf die Wirksamkeit der Bürgschaft keinen Einfluss. Die gewünschte Absicherung wäre entwertet, wenn der Auftraggeber sich ohne Rücksicht auf weitere durchsetzbare (z.B. Nachbesserungs-)Ansprüche sofort aus der Sicherheit befriedigen müsste.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Auftraggeber auf diese Weise eine von der vertraglichen Vereinbarung abweichende weitere Sicherheit erhielte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Sicherungsabrede dahin auszulegen wäre, dass die Gewährleistungssicherheit ohne Rücksicht auf weitere mögliche Ansprüche in Anspruch zu nehmen wäre. Dies erscheint aber nicht interessengerecht. Etwas anderes hätte dann zu gelten, wenn die Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen wäre. In einem solchen Fall erscheint es sachgerecht, den Auftraggeber bei der endgültigen Abrechnung auf die noch bestehende Sicherheit zu verweisen (OLG Hamm aaO). Vorliegend konnte dem Auftraggeber jedenfalls nicht zugemutet werden, auf die vereinbarte Gewährleistungssicherheit zurückzugreifen. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Einbehalt von 10.000,-- DM war der Klägerin nicht deswegen zu versagen, weil eine Gewährleistungssicherheit in Form der Bürgschaft bestand.

Da die Berufung nach allem keinen Erfolg haben konnte, war sie mit der aus § 97 Abs. 1 ZPO folgenden Kostenregelung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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