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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 03.06.2008
Aktenzeichen: 8 U 50/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 823
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Kläger nehmen den Beklagten zu 1) sowie die beklagten Ärzte, die früheren Beklagten zu 2) bis 6), auf Unterhaltsschaden in Anspruch. Der Ehemann der Klägerin und Vater der Kläger zu 2) bis 4) war selbständiger Planungsingenieur für Kälte- und Klimatechnik. Er wurde am 8.10.1998 nach einer Entzündung an den Beinen wegen Kreislaufbeschwerden, Schwindel und Fieber im Hause der Beklagten zu 1) notfallmäßig behandelt. Es kam zu einem Kreislaufstillstand, der zu einem apallischen Syndrom führte. Er verstarb am 26.8.1999 in einem Pflegeheim.

Durch rechtskräftiges Grund- und Teilurteil vom 13.1.2003 sind der Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 3) als Gesamtschuldner verurteilt worden, an die Kläger ein Schmerzensgeld von 51.129,19 ? zu zahlen. Weiterhin wurde festgestellt, dass diese Beklagten dem Grunde nach verpflichtet sind, den Klägern sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit kein Übergang auf Sozialversicherungsträger erfolgt ist. Die Klage gegen die Beklagten zu 4) und 5) wurde abgewiesen.

Durch das angefochtene Schlussurteil hat das Landgericht die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 6) ebenfalls abgewiesen und zur Begründung auf die Haftung der Beklagten zu 1) und 3) verwiesen. Gegen die Beklagten zu 1) und 3) hat das Landgericht Unterhaltsleistungen zuerkannt, allerdings nicht in voller Höhe. Wegen der Einzelheiten wird auf das Grund- und Teilurteil vom 13.10.2003 (Bl. 582 - 591 d.A.) und das Schlussurteil vom 18.1.2006 (Bl. 733 - 748 d.A.) verwiesen.

Gegen das Urteil haben die Klägerin und die Beklagten zu 1) und 3) Berufung eingelegt. Die Klägerin hat ihre Berufung, mit der sie weiteren Unterhalt von 11.243,57 ? mit der Begründung begehrt hat, dass ihr Einkommen auf den Ersatzanspruch nicht angerechnet werden dürfe, zurückgenommen.

Die Beklagten rügen mit ihrer Berufung, dass das Landgericht pauschal von einem monatlich zur Verfügung stehenden Einkommen des Verstorbenen von 8.000,-- DM ausgegangen sei, ohne dies ausreichend zu begründen. Der Rahmen des § 287 ZPO sei hier überschritten worden. Sie sind mit dem Landgericht der Auffassung, dass für die Berechnung des Unterhaltsschadens nicht vom steuerrechtlichen Nettogewinn auszugehen ist, da die Gewinnfeststellung eines Selbständigen andere Ziele verfolge als die unterhaltsrechtliche Einkommensfeststellung. Unter Bezugnahme auf ein Privatgutachten SV1 vom 28.2.2006 meinen die Beklagten, es könne lediglich von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 3.747,49 DM ausgegangen werden. Unter Abzug der fiktiven Fixkosten in Höhe von 2.778,16 DM verbliebe ein zu verteilendes Einkommen von 969,33 DM. Verteile man diese zu je 19% auf die Kläger, ergäben sich für jeden 184,17 DM und unter Hinzurechnung der fixen Kosten von 694,54 DM (= 25% von 2.778,16 DM) ein Betrag von 878,71 DM für jeden Kläger.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des Schlussurteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil, soweit der Klage stattgegeben worden ist und meinen, der vom Landgericht zugrunde gelegte Betrag von 8.000,-- DM sei jedenfalls nicht zu beanstanden.

Gemäß Beweisbeschluss vom 31.10.1996 ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Höhe des den Klägern für die Zeit vom 8.10.1998 bis 31.12.2001 dadurch entgangenen Unterhalts, dass der Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater der Kläger zu 2) bis 4) durch einen ärztlichen Behandlungsfehler zunächst arbeitsunfähig war und am 26.8.1999 verstarb. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Wirtschaftsprüfer SV2 vom 8.11.2007 Bezug genommen, das er in der mündlichen Verhandlung vom 15.4.2008 erläutert hat (Bl. 989 f d.A.).

II.

Nach Rücknahme des Rechtsmittels der Klägerin war nur noch über die Berufung der Beklagten zu entscheiden. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache zum Teil Erfolg.

Den Klägern steht für den hier interessierenden Zeitraum (1998 bis 2001) entgangener Unterhalt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu. Zu diesen Beträgen ist der Senat aufgrund der Ermittlungen und Feststellungen des Sachverständigen SV2 gelangt.

Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass nicht eine rein steuerrechtliche Betrachtungsweise für die Ermittlung des entgangenen Unterhalts zu geltend hat, sondern dass die Beträge zu ermitteln sind, die der Unterhaltsverpflichtete für sich und seine Familie aus dem Unternehmen entnahm, um den Lebensunterhalt zu decken. Bei Selbständigen und Gewerbetreibenden kommt es nicht auf den erzielten Netto-Gewinn des Unternehmens an, sondern auf die tatsächlichen Entnahmen für den Privatverbrauch. Rücklagen für Investitionen und für die Alterssicherung sowie freiwillige Beiträge für Versicherungen des Getöteten mindern das für den Unterhalt zu Verfügung stehende Nettoeinkommen (Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 9. Aufl., Rdnr. 332). Dabei ist grundsätzlich ein Durchschnittsbetrag für die letzten - in der Regel drei - Jahre zu ermitteln. Vorliegend hat der Senat seiner diesbezüglichen Berechnung die Jahre 1996 und 1998 zugrunde gelegt, da das Jahr 1997 wegen einer länger andauernden Krankheit des Unterhaltsverpflichteten und dadurch bedingten Ausfällen kein für seinen Beruf typisches Jahr gewesen ist. Grundlage seiner Begutachtung waren die Jahresabschlüsse der entsprechenden Jahre sowie einzelne Kontenblätter und Kopien von Verträgen, während spezifische Kontoauszüge nicht zur Verfügung standen. Der Senat erachtet die vorhandenen Unterlagen aber als ausreichende Grundlage für die Ermittlung der Beträge, die der Familie des Erblassers in den letzten Jahren seiner Berufstätigkeit zur Verfügung standen.

Ausgangspunkt der Berechnung des der Familie des Erblassers zur Verfügung stehenden Einkommens sind zunächst die laufenden Entnahmen, die der Sachverständige für 1996 mit 36.450,00 DM und für 1998 mit 37.715,41 DM ermittelt hat. Hinzuzurechnen sind gemäß S. 4 seines Gutachtens außergewöhnliche Belastungen an Arztkosten und Spenden sowie Grundstückskosten sowie PKW- und Telefonnutzung. Abzuziehen sind geleistete Einlagen sowie ein Anteil Arbeitszimmer, da dieser in der Bilanz als Betriebsausgabe gebuchte Betrag praktisch ebenfalls eine Einlage darstellt (1996: + 3.386,29 DM + 7.072,15 DM + 4.040,15 DM ./. 2.611,44 DM ./. 5.315,55 DM; 1998: + 968,30 DM + 1.235,32 DM + 7.912,83 DM + 6.771.12 DM ./. 2.165,63 ./. 7.504,00 DM).

Zu diesen Beträgen - 1996: 43.021,60 DM und 1998: 44.933,35 DM - waren zur Ermittlung des Unterhalts diejenigen Versicherungsleistungen hinzuzurechnen, die nicht Lebensversicherungszahlungen und sonstige freiwillige Versicherungsleistungen des Erblassers darstellten. Mangels näherer Angaben zu den einzelnen Versicherungsleistungen waren mithin nur die Beiträge für die Krankenversicherung (A) sowie die Unfallversicherung (B und C) hinzu zu addieren, so dass sich für 1996 ein Betrag von 55.955,90 DM und für 1998 ein solcher von 56.049,84 DM ergibt. Folglich ist von einem Durchschnittsbetrag von 56.002,87 DM auszugehen, was einem zur Verfügung stehenden monatlichen Betrag - vergleichbar dem Nettoeinkommen - von 4.666,91 DM entspricht.

Zur Sicherung des standesgemäßen Lebensunterhalts sind den Hinterbliebenen die sog. fixen Kosten der Haushaltsführung vorweg zuzubilligen, was rechnerisch dadurch erfolgt, dass die fixen Kosten zunächst vom Nettoeinkommen abgezogen und dann dem Anteil der Hinterbliebenen an dem verbleibenden Nettoeinkommen wieder zugeschlagen werden (Küppersbusch a.a.O. Rdnr. 335).

Zieht man die vom Landgericht zutreffend ermittelten 2.778,16 DM von den Einkünften ab, so verbleibt ein Betrag von 1.888,75 DM

Hiervon stehen den Klägern - nach Abzug von 24% für den Erblasser - jeweils 19% zu, was einem Betrag von 358,86 DM entspricht. Hinzu kommen jeweils 25% von 2.778,16 = 694,54 DM, was zu einem Monatsbetrag von 1.053,40 DM pro Kläger führt.

Ausgehend hiervon ergibt sich für die Klägerin zu 1) folgender Anspruch:

Für den Monat Oktober 1998 kann die Klägerin für 22 Tage Unterhalt beanspruchen (der Erblasser verstarb in der Nacht zum 8. Oktober), was 71% und damit 747,91 DM ausmacht. Für die Monate November und Dezember 1998 kommen 2 x 1.053,40 DM = 2.106,80 DM hinzu. Addiert man für das Jahr 1999 12 x 1.053,40 DM = 12.640,80 DM, so ergibt sich eine Gesamtforderung von 15.495,51 DM.

Abzuziehen hiervon sind die Lohnersatzleistungen der A, die sich die Klägerin mit 1/4 von 9.702,-- DM für 1998 und 1/4 von 34.692,-- DM für 1999 anrechnen lassen muss.

Zieht man diese Beträge (2.425,50 DM und 8.673, -- DM) von 15.495,51 DM ab, verbleibt ein Betrag von 4.397,01 DM.

Weiter abzuziehen ist die Witwenrente in Höhe von 68,30 DM für den Restmonat August 1999 und für September bis Dezember 1999 in Höhe von 1.693,04 DM, so dass 2.635,67 DM verbleiben. Ferner abzuziehen ist ein Anteil von 4 x 125,-- = 500,-- DM für die Vermietung des Arbeitszimmers, so dass sich ein Betrag von 2.135,67 DM ergibt, was 1.091,95 ? entspricht, den die Klägerin für die Jahre 1998 und 1999 von den Beklagten beanspruchen kann.

Für die Jahre 2000 und 2001 verbleibt kein Unterhaltsanspruch der Klägerin.

Sie hätte an Unterhalt pro Jahr 12.640,80 DM zu beanspruchen, wovon die Witwenrente mit 12 x 423,46 = 5,081,52 DM sowie die Einnahmen für das Arbeitszimmer mit 12 x 125,-- DM = 1.500,-- DM abzuziehen sind. Ferner abzusetzen ist das Erwerbseinkommen der Klägerin, das im Jahre 2000 7 x 1.190,25 DM = 8.331,75 DM betrug. Somit ergibt sich bereits für das Jahr 2000 kein Restanspruch mehr. Da die Einkünfte der Klägerin im Jahr 2001 höher waren, folgt auch für dieses Jahr kein Restanspruch.

Für den Kläger zu 2) ergibt sich folgende Berechnung:

Für die Jahre 1998 und 1999 ist zunächst wie bei der Klägerin zu 1) ein Unterhaltsanspruch von 15.495,51 DM anzusetzen, von dem Lohnersatzleistungen von 2.425,50 DM und 8.673,-- DM abzurechnen sind, desgleichen Waisenrente von 20,90 DM für August 1999 und 518,20 DM für September bis Dezember 1999. Außerdem sind auch beim Kläger zu 2) anteilige Einnahmen für das Arbeitszimmer von 4 x 125,-- DM = 500,-- DM abzuziehen, so dass sich für die Jahre 1998 und 1999 eine Forderung von 3.357,91 DM ergibt.

Für das Jahr 2000 ist von dem Gesamtunterhalt von 12.640,80 DM Waisenrente von 1.554,60 DM und Miete für das Arbeitszimmer von 12 x 125,-- DM = 1.500,-- DM abzuziehen, so dass sich ein Betrag von 9.586,20 DM ergibt. Fügt man den Betrag von 3.357,91 DM für die Jahre 1998 und 1999 hinzu, ergibt sich eine Gesamtforderung für die Jahre 1998 bis 2000 in Höhe von 12.944,11 DM = 6.618,22 ?.

Die Berechnung für 2001 entspricht der für das Jahr 2000, so dass dem Kläger zu 2) insoweit 9.586,20 DM = 4.901,35 ? zustehen.

Für die Kläger zu 3) und 4) gilt jeweils folgende Berechnung:

Für die Jahre 1998 und 1999 ergibt sich wie für den Kläger zu 2) ein Anspruch von 3.357,91 DM.

Für das Jahr 2000 ist vom Gesamtunterhalt = 12.640,80 DM eine Waisenrente von 1.425,05 DM sowie der Betrag von 1.500,-- DM für die Vermietung des Arbeitszimmers abzusetzen, so dass sich 9.715,75 DM ergeben. Hieraus folgt für die Jahre 1998 bis 2000 ein Betrag von 13.073,66 DM = 6.684,46 ?.

Für das Jahr 2001 ergibt sich wegen Wegfalls der Waisenrente ein Betrag von 12.640,80 abzüglich 1.500,-- DM Mieteinnahmen = 11.140,80 DM = 5.696,20 ?.

Das angefochtene Urteil war auf die Berufung entsprechend abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97, 100 Abs. 1, 4, 516 Abs. 3 ZPO.

Die erstinstanzliche Kostenentscheidung war nicht nur im Hinblick auf den teilweisen Erfolg der Berufung, sondern auch deswegen abzuändern, weil eine gesamtschuldnerische Haftung der Kläger ausscheidet, nachdem jeder Kläger eigene Ansprüche geltend macht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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