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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 07.11.2008
Aktenzeichen: 8 U 59/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 756
ZPO § 765
ZPO § 793
ZPO § 797
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Kläger zu 1.) und 3.) gegen das am 18. 1. 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2- 21 O 616/07) wird als unzulässig verworfen. Auf die Anschlussberufung der Kläger wird das vorgenannte Urteil abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1)

a) 405.000,00 € (Argentinien-Anleihen, WKN ... und WKN ...) nebst Zinsen in Höhe von 9,5 % aus 50.000,00 € ab dem 4. 3. 2001 und in Höhe von 8 % aus 355.000,00 € ab dem 30. 10. 2001;

b) weitere 10.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 % seit dem 26. 2. 2001 gegen Aushändigung der Inhaberschuldverschreibung Nr. ... (Nennwert 10.000,00 €) der 14 %/8 % EUR-Stufenzinsanleihe 1999/2008 WKN ... nebst den dazugehörigen Zinsscheinen für die Zinstermine 2002 bis 2008;

c) weitere 60.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8,5 % seit dem 1. 7. 2001 gegen Aushändigung der Inhaberschuldverschreibungen mit den Stückenummern ... bis ... (Nennwert je 10.000,00 €) der 8,5 % EUR-Anleihe 1999/2004 WKN ... nebst den dazugehörigen Zinsscheinen für die Zinstermine 2002 bis 2004;

d) weitere 8.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8,5 % seit dem 1. 7. 2001 gegen Aushändigung der Inhaberschuldverschreibungen mit den Stücknummern ... bis ... (Nennwert je 1.000,00 €) der 8,5 % EUR-Anleihe 1999/2004 WKN ... nebst den dazugehörigen Zinsscheinen für die Zinstermine 2002 bis 2004 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2) 43.000,00 € (Schuldverschreibungen der Republik Argentinien zu WKN ...) nebst Zinsen in Höhe von 8 % seit dem 30. 10. 2001 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 3)

a) 20.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8,5 % seit dem 1. 7. 2001 gegen Aushändigung der Inhaberschuldverschreibungen Nr. ... und ... (Nennwert je 10.000,00 €) der 8,5 % EUR-Anleihe 1999/2004 WKN ... nebst den dazugehörigen Zinsscheinen für die Zinstermine 2002 bis 2004;

b) weitere 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8,5 % seit dem 1. 7. 2001 gegen Aushändigung der Inhaberschuldverschreibungen mit den Stücknummern ... bis ... (Nennwert je 1.000,00 €) der 8,5 % EUR-Anleihe 1999/2004 WKN ... nebst den dazugehörigen Zinsscheinen für die Zinstermine 2002 bis 2004 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 4) 85.000,00 € (Schuldverschreibungen der Republik Argentinien zu WKN ...) nebst Zinsen in Höhe von 8 % seit dem 30. 10. 2001 zu zahlen.

Die Berufung der Beklagten gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren beträgt 636.000,-- €. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 636.500,-- €.

Gründe:

I.

Die Kläger verlangen von der Beklagten Rückzahlung endfälliger bzw. vermeintlich wirksam gekündigter Staatsanleihen. Im Streit stehen Inhaberschuldverschreibungen, die teilweise in effektiven Stücken und teilweise in Globalurkunden verbrieft sind. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main verwiesen (Bl. 157 - 167 d. A.).

Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Kläger Nennbeträge und Zinsen der Anleihen zurückzuzahlen. Für die in effektiven Stücken verbrieften Schuldverschreibungen hat es die Verurteilung Zug - um - Zug gegen Aushändigung der Mantelbögen und Zinsscheine ausgesprochen. Es hat den Klägern ferner die begehrten vertraglichen Zinsen zuerkannt, beginnend mit dem auf die Fälligkeit folgenden Tag.

Die Beklagte hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt. Sie wirft dem Landgericht vor, die argentinischen Notstandsgesetze falsch bewertet zu haben. Die Kläger gingen in sittenwidriger Weise gegen die Beklagte vor, denn das Ansinnen der sog. "Hold - Out" Gläubiger gefährde den Sanierungsprozess Argentiniens und sei treuwidrig. Hinsichtlich der Globalurkunden verstoße das Urteil gegen § 797 BGB, denn eine Verurteilung könne nur Zug um Zug gegen Herabschreibung des Miteigentumsanteils erfolgen. Mit Rücksicht auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 8. 7. 2008 (WM 2008, 1656) müsse der Zahlungstenor mindestens "gegen das Angebot auf Abtretung des Miteigentumsanteils" lauten.

Die Kläger zu 1.) und 3.) haben gegen das Urteil Berufung, hilfsweise Anschlussberufung eingelegt. Die Kläger zu 2.) und 4.) haben sich der Berufung der Beklagten ebenfalls angeschlossen. Die Kläger wollen mit ihrem Rechtsmittel erreichen, dass die im Urteilstenor enthaltene Zug - um - Zug - Einschränkung im Bezug auf die effektiv verbrieften Inhaberschuldverschreibungen fortfällt. Ferner begehren sie, den Zinsbeginn jeweils um einen Tag auf den Fälligkeitszeitpunkt der ersten ausgebliebenen Zinszahlung festzusetzen.

II.

1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Die Berufung der Kläger zu 1.) und 3.) ist unzulässig, weil die Beschwerdesumme nicht erreicht wird (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Kläger zu 1.) und 3.) haben nicht darlegen können, dass die eingeschränkte Verurteilung "Zug um Zug" und die teilweise Abweisung ihrer Zinsansprüche eine Beschwer von 600,-- € ausmachen könnte. Der Bundesgerichtshof hat in der o. g. Entscheidung aufgezeigt, welche Wege ein Gläubiger von effektiv verbrieften Inhaberschuldverschreibungen gehen muss, um seine Ansprüche vollstrecken zu können. Die dort dargelegten Vorgehensweisen belegen nicht, dass die Herstellung des Annahmeverzugs durch Vorlage bei den Hauptzahlungsstellen erheblich höhere finanzielle Aufwendungen mit sich bringt als die Vorlage der Papiere bei den Vollstreckungsorganen. Letzteres wird aber aufgrund der Vorgaben des Bundesgerichtshofs notwendig sein (BGH a. a. O.).

2. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Mit Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung der Nennbeträge und der vertraglichen Zinsen darauf verurteilt. Die Ansprüche der Kläger ergeben sich aus § 793 BGB in Verbindung mit den jeweiligen Anleihebedingungen. Die Aktivlegitimation der Kläger ist vor dem Landgericht nachgewiesen worden, ebenso wie die wirksame Kündigung der erst zum 30. 10. 2009 endfälligen Anleihe mit der WKN .... Der Vortrag in der Berufungsbegründung vermag keine Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen des Landgerichts zu begründen.

Die Beklagte wiederholt im Übrigen lediglich ihre Argumente, die bereits in früheren Entscheidungen des Senats zu Parallelverfahren zurückgewiesen worden sind. Dazu gehört auch die von der Beklagten herangezogene argentinische Notstandsgesetzgebung, die der Senat mit eingehender Begründung schon mehrfach als unbeachtlich bewertet hat. Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsauffassung der Beklagten zur Maßgeblichkeit ihrer Moratoriumsgesetze auch in der wissenschaftlichen Diskussion abgelehnt wird (vgl. Mankowski, Anmerkung zur Senatsentscheidung vom 13. 6. 2006 (8 U 107/03) in: WuB VII C Art. VIII IWF-Abkommen Nr. 1.07; Schefold IPrax 2007, 313, 319). Die Beklagte hat gegen mehrere in Parallelverfahren ergangene Entscheidungen Nichtzulassungsbeschwerden eingelegt, die vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen worden sind. Sie kann sich deshalb auch nicht darauf berufen, dass den von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Soweit die Beklagte aus § 138 bzw. aus § 242 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht herleiten will, hat sich der Senat dazu ebenfalls schon eingehend geäußert. Auch der Hinweis auf die in der Rechtswissenschaft diskutierte temporäre Stillhaltepflicht bei Unternehmenssanierungen und das sog. "Akkordstörer-Urteil" des Bundesgerichtshofs wird dem Ablauf der hiesigen Umschuldungsverhandlungen und der Situation des Klägers nicht gerecht (vgl. dazu Cranshaw DZWIR 2007, 133, 140).

Der auf § 797 BGB gestützte Einwand, bei den global verbrieften Inhaberschuldverschreibungen dürfe eine Verurteilung nur "gegen das Angebot auf Abtretung des Miteigentumsanteils" ergehen, ist nicht begründet. Der Bundesgerichtshof hat zur Rechtsnatur dieser Vorschrift in der o. g. Entscheidung folgendes klargestellt:

"...a) Die Vollstreckung wegen einer Forderung, die den Schuldner nur gegen Aushändigung einer Inhaberschuldverschreibung zur Leistung verpflichtet ( § 797 BGB ), fällt grundsätzlich nicht unter §§ 756 , 765 ZPO , da die Herausgabe des Papiers kein selbständiger Gegenanspruch, sondern eine besondere Ausgestaltung des Rechts auf Quittung ist (Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rdn. 470 a; MünchKommZPO/Heßler, 3. Aufl., § 756 Rdn. 9) Das Papier selbst hat keinen eigenen Vermögenswert, sondern ist ein Präsentations- und Einlösepapier (Soergel/Welter, BGB, 12. Aufl., § 797 Rdn. 1)...."

Wenn der Beklagten kein selbständiger Gegenanspruch zusteht, sich die Aushändigung der Wertpapiere vielmehr nur als besondere Form der Quittung darstellt, dann kann sie naturgemäß auch nicht die Abgabe einer Willenserklärung von den Klägern verlangen. Die in früheren Entscheidungen des Senats vertretene Rechtsauffassung (z. B. 8 U 120/07) lässt sich unter den Vorgaben des Bundesgerichtshofs nicht mehr aufrechterhalten und wird deshalb vom Senat auch nicht weiter verfolgt. Dies ist in der mündlichen Verhandlung bereits ausführlich diskutiert worden. Die Tenorierung des Landgerichts ist insoweit korrekt.

3. Die Anschlussberufung der Kläger ist begründet. Der Urteilstenor ist mit den Vorgaben des Bundesgerichtshofs in Einklang zu bringen, so dass die Kläger nunmehr "gegen Aushändigung" der in effektiven Stücken verbrieften Inhaberschuldverschreibungen Zahlung beanspruchen können. Auch wenn dieser Zusatz in den Berufungsanträgen der Kläger nicht (mehr) enthalten ist, so entspricht der jetzige Tenor ihrem Klage- und Rechtsmittelziel.

Ebenfalls begründet ist die sich aus den Anleihebedingungen ergebende weitergehende Zinsforderung. Der Zinsbeginn deckt sich mit den in den Anleihebedingungen festgelegten Fälligkeitsdaten, die Verpflichtung der Beklagten folgt daher unmittelbar aus dem Vertrag. Die Beklagte kann sich nicht auf die Regelung in § 2 Abs. 1 der Anleihebedingungen berufen, wonach der Zinslauf mit Beginn des Tages endet, an dem die Schuldverschreibungen zur Tilgung fällig werden. Diese Klausel regelt lediglich das Ende der Zinsfrist für den Fall der vertragsgemäßen Zahlung der Nennbeträge. Über den Beginn der Zinsfrist sagt die Bestimmung nichts aus.

Da die Beklagte die Schuldverschreibungen bei Ablauf der Anleihefrist nicht zurückgezahlt bzw. da sie wirksam gekündigt worden sind, greift ferner ohnehin § 2 Abs. 2 der Anleihebedingungen ein, wonach der Zinslauf nicht am Fälligkeitstag endet sondern bis zur Tilgung der Schuldverschreibungen weiterläuft.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidungen zur Vollstreckung beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Das gilt auch für die Frage, ob bei global verbrieften Inhaberschuldverschreibungen eine Tenorierung in dem vom Beklagtenvertreter vorgeschlagenen Sinn notwendig wäre. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 8. 7. 2008 bereits eindeutig klargestellt, wie § 797 BGB zu bewerten ist. Damit hat er die vom Beklagtenvertreter problematisierte Rechtsfrage beantwortet. Die hieraus folgenden prozessualen Konsequenzen müssen von den Instanzgerichten gezogen werden. Dass sich der Bundesgerichtshof dort nicht ausdrücklich mit der Vollstreckung von Zahlungsforderungen aus Miteigentumsanteilen an global verbrieften Inhaberschuldverschreibungen beschäftigt hat, spielt keine Rolle.

Der erstinstanzliche Streitwert bemisst sich nach dem Nennwert der streitgegenständlichen Schuldverschreibungen. Die Zinsforderungen sind Nebenforderungen (§ 4 ZPO). Für die Berufungsinstanz sind die von den Klägern verfolgten Zinsforderungen sowie der mit der Zug- um - Zug Verurteilung verbundene Mehraufwand hinzuzurechnen, weil sie das Interesse an der Berufung bzw. Anschlussberufung ausmachen (OLG Brandenburg MDR 2001, 588).

Ende der Entscheidung

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