Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 09.01.2001
Aktenzeichen: 8 U 60/00
Rechtsgebiete: BSHG, Hess.SchulG, SGB X, ZPO, BGB


Vorschriften:

BSHG § 11
BSHG § 28
BSHG § 68 ff.
BSHG § 90
BSHG § 90 Abs. 1
BSHG § 91
BSHG § 91 Abs. 1
BSHG § 91 Abs. 1 Satz 2
BSHG § 91 Abs. 1 Satz 3
BSHG § 91 Abs. 2
BSHG § 91 Abs. 2 Satz 2
Hess.SchulG § 161
SGB X § 116
SGB X § 116 Abs. 1
SGB X § 116 Abs. 5
ZPO § 712
BGB § 284 Abs. 1 Satz 2
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB §§ 677 ff.
BGB § 1602
BGB § 1603
BGB § 1603 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten, einer Frauenärztin, die Erstattung von Sozialhilfeleistungen und Beförderungskosten, die er für das Kind A aufgebracht hat.

A ist das Kind von B und C. Die Beklagte betreute B während ihrer Schwangerschaft als Frauenärztin. A wurde am ....05.1988 mit einer schweren Mißbildung geboren. Das Kind leidet infolge einer Spina bifida unter einer Querschnittslähmung unterhalb des Wirbels C 6 mit Blasen- und Mastdarmlähmung, außerdem einem Hydrozephalus sowie Harnwegsinfekten und Pneumonien.

Durch Urteil des Senats vom 25.07.1997, Az.: 8 U 217/92, wurde festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Eltern von A allen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch ärztlich fehlerhaftes Verhalten im Zusammenhang mit dem vorgeburtlichen Mißbildungsausschluß bei dem Kind entstanden ist und noch entstehen wird, soweit Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind und noch übergehen (Bl. 22 d.A.).

Im vorliegenden Prozeß sind die Behandlungsfehler der Beklagten bei der Überwachung der Schwangerschaft ihrer Patientin B unstreitig. Nicht bestritten wird auch, dass die Eltern des Kindes sich bei Kenntnis der Mißbildung für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden hätten.

Der Kläger hat von Juni 1989 bis 01.04.1995 Hilfe zur Pflege gem. §§ 68 f. BSHG geleistet. Empfänger der Zahlungen war B. Auf die Bewilligungsbescheide vom 19.07.1989 bis 21.03.1995, Bl. 38 - 86 d.A. wird ergänzend Bezug genommen. Ausserdem hat der Kläger die Transportkosten des Kindes zur Friedrich von Bodelschwingh-Schule für Körperbehinderte in Wiesbaden gem. § 161 des Hessischen Schulgesetzes übernommen. Auf die Belege BI. 87 - 93 d.A. wird verwiesen. Die Leistungen des Klägers sind insoweit unstreitig.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Ansprüche der Eltern des Kindes gegen die Beklagte aus positiver Vertragsverletzung seien gem. § 116 Abs. 1 SGB X auf ihn übergegangen. Zumindest sei § 116 5GB X analog anzuwenden, wenn wie hier Verletzter und Leistungsempfänger nicht identisch seien. Bei anderer Auffassung sei ein Anpruch aus Drittschadensliquidation gerechtfertigt.

Hinsichtlich des Feststellungsantrags hat der Kläger vorgetragen, es bestehe die Möglichkeit; dass für ihn weitere zur Zeit noch nicht absehbare Kosten entstünden, zum Beispiel für eine Heimunterbringung.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die in der Zeit vom 01.06.1989 bis zum 31.07.1999 an das Kind A, geboren am ...05.1988, erbrachten Sozialleistungen einen Betrag in Höhe von 101.241,98 DM zu zahlen, zuzüglich Zinsen hieraus seit Klagezustellung (7.10.1999),

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen weiteren materiellen Schaden für die Vergangenheit und Zukunft zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist und noch entstehen wird, dass er an das Kind A behinderungsbedingt Sozialleistungen erbringen muß, soweit dieser nicht durch den Klageantrag zu 1) erfaßt ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, es fehle im vorliegenden Fall die Einheit des Leistungsgrundes. Sozialleistungen und Schadensersatzanspruch müßten in sachlicher und zeitlicher Hinsicht deckungsgleich sein. Die Eheleute B und C hätten aber keinen Anspruch auf die Sozialleistungen des Klägers, vielmehr bestünde ein solcher Anspruch allein in der Person des A. Es liege daher kein kongruenter Schaden vor. Dies gelte sowohl für die Schülerbeförderungskosten als auch für das Pflegegeld. Eine analoge Anwendung von § 116 Abs. 1 SGB X komme unter diesen Umständen ebensowenig in Betracht wie eine Drittschadensliquidation.

Das Landgericht hat die Klage durch ein am 04.02.2000 verkündetes Urteil, auf das in vollem Umfang Bezug genommen wird (Bl. 127 -131 d.A.), abgewiesen und ausgeführt, es handele sich um einen Anspruch des Kindes und nicht der Eltern auf Sozialleistungen. Das Kind habe aber keinen Schaden erlitten, da es bei fehlerfreier Arztleistung abgetrieben worden wäre. Die Eltern treffe wegen eines eigenen Anspruchs des Kindes insoweit keine Unterhaltspflicht. Eine analoge Anwendung von § 116 Abs. 5 SGB X komme nicht in Betracht. Das gelte gleichermaßen für die Drittschadensliquidation. Im übrigen handele es sich bei der Beförderung des Kindes zur Schule nicht um Leistungen nach dem SGB X sondern nach § 161 Hessisches Schulgesetz.

Gegen diese ihm am 25.02.2000 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 27.03.2000, einem Montag, Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 26.05.2000 begründet.

Er vertritt die Auffassung, das Bundesverfassungsgericht habe seine Rechtsprechung zwischenzeitlich modifiziert und beruft sich auch auf verschiedene BGH-Entscheidungen. Der Kläger räumt ein, dass das Kind A von Gesetzeswegen einen eigenen Anspruch auf die von ihm erbrachten Leistungen hat. Seine, des Klägers, Leistungspflicht lasse die Unterhaltspflicht der Eltern unberührt. Allerdings hätte er dann keine Leistungen erbringen müssen, wenn die Beklagte den Eltern bereits damals ihre Schäden ersetzt hätte. Es könne nicht angehen, dass derartige Lasten der Allgemeinheit auferlegt würden, weil die Eltern selbst nicht in der Lage seien, die Bedürfnisse des Kindes selbst zu befriedigen. Der Kläger ist nach wie vor der Auffassung dass § 116 Abs. 1 SGB X analog anzuwenden sei, weil der Zweck des Gesetzes darin bestehe, eine Entlastung des Schädigers auf Kosten der Allgemeinheit zu verhindern. Eine Regelungslücke sei gegeben. Er habe auch Ansprüche aus Drittschadensliquidation, da sich der Schaden von den Eltern auf ihn, den Kläger, verlagert habe.

Der Kläger trägt im übrigen vor, die Eltern von A hätten Ansprüchen auf Ersatz von Pflegeaufwand und Transportkosten in Höhe von 45.687,42 DM bzw. 55.554,56 DM an ihn, den Kläger, abgetreten (Beweis: Zeugnis von A und B, Bl. 228 d.A.).

Schließlich nimmt er Bezug auf seinen Vortrag erster Instanz.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die in der Zeit vom 01.06.1989 bis zum 31.07.1999 an das Kind A , geboren am ...05.1988, erbrachten Sozialleistungen einen Betrag in Höhe von 101.241,98 DM zu zahlen, zuzüglich Zinsen hieraus seit Klagezustellung (7.10.1999), wobei an erster Stelle die von Gesetzes wegen übergegangenen Ansprüche und hilfsweise die abgetretenen Ansprüche geltend gemacht werden,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen weiteren materiellen Schaden für die Vergangenheit und Zukunft zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist und noch entstehen wird, dass er an das Kind A behinderungsbedingt Sozialleistungen erbringen muß, soweit dieser nicht durch den Klageantrag zu 1) erfaßt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt sie,

ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gem. § 712 ZPO gegen Sicherheitsleistung abzuwenden, und ihr zu gestatten, die Sicherheitsleistung auch durch Bankbürgschaft erbringen.

Sie wiederholt im wesentlichen ihren Vortrag erster Instanz und verteidigt das landgerichtliche Urteil. Ergänzend trägt sie vor, dass sie an die Eltern von A beträchtliche Zahlungen geleistet habe, die sie im einzelnen in ihrem Schriftsatz vom 1.9.2000 (Bl. 222 d.A.) darlegt. Sie vertritt die Auffassung, dass auch ein Anspruch des Klägers aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht in Betracht kommt.

Hinsichtlich der Abtretung meint sie; die Ansprüche der Eltern des Kindes A aus dem Vorprozess - Az. 8 U 217/92 - seien durch das dort ergangene Urteil vom 25.7.1997 rechtskräftig festgestellt und könnten vom Kläger nicht erneut geltend gemacht werden .

Auch sie wiederholt schliesslich ihr Vorbringen erster Instanz.

Wegen des Parteivortrags im übrigen wird auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 26.5.2000 (BI. 152 -163 d.A.), auf die Berufungserwiderung der Beklagten vom 12.7.2000 (Bl. 201 -208 d.A.) sowie die Schriftsätze der Beklagten vom 28.7.2000 (Bl. 209 -213 d.A.), vom 1.9.2000 (Bl. 221, 222 d.A.), die Schriftsätze des Klägers vom 8.8.2000 (Bl. 214 -216 d.A.), vom 18.8.2000 (Bl. 224, 225 d.A.) und vom 10.10.2000 (Bl. 226 d.A.) ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Pflegegeld aufgrund gesetzlichen Forderungsübergangs gemäss § 90 Abs. 1 BSHG in Verbindung mit den Unterhaltsansprüchen von A gegen ihre Eltern zu. Der Anspruch auf Ersatz der Transportkosten ergibt sich aus der Abtretung derartiger Ansprüche durch B und C an den Kläger.

Ein Forderungsübergang gemäss der vorrangigen Norm des § 116 Abs. 1 SGB X hat nicht stattgefunden, denn nach dieser Vorschrift gehen nur Schadensersatzansprüche über. Solche Ansprüche stehen A gegen die Beklagte jedoch nicht zu, wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Wenn nämlich die Beklagte keinen ärztlichen Behandlungsfehler begangen hätte, wäre die Missbildung der Leibesfrucht rechtzeitig erkannt worden und die Eltern des Kindes hätten die Schwangerschaft abbrechen lassen. In diesem Fall wäre A nicht geboren worden. Kommt das Kind gleichwohl mit seiner Behinderung zur Welt, stellt dies daher keinen Schaden des Kindes dar. Zudem war die Behinderung durch die Missbildung der Leibesfrucht im Mutterleib bereits angelegt.

Vielmehr steht den Eltern des Kindes ein Schadensersatzanspruch zu der auf Ersatz allen materiellen Schadens gerichtet ist, der ihnen durch den Behandlungsfehler der Beklagten beim Ausschluss von Missbildungen des Kindes entstanden ist und noch entstehen wird, soweit solche Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind oder noch übergehen, wie der Senat in seinem Urteil vom 25.7.1997 im Rechtsstreit der Eltern und B und C gegen die Beklagte und andere Ärzte rechtskräftig festgestellt hat (Az. 8 U 217/92, Bl. 21 - 25 d.A.).

Aus diesem Grund mangelt es im Streitfall an der sachlichen Kongruenz zwischen Sozialleistung und eingetretenem Schaden. Diese liegt nur vor, wenn die Sozialleistung der Behebung eines artgleichen Schadens dient (Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/v. Wulfen, Sozialgesetzbuch X, § 116 Rn 5 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil der Kläger die streitgegenständlichen Leistungen gegenüber dem Kind erbracht hat, dem er wegen seiner Hilfsbedürftigkeit hierzu verpflichtet ist. Zwar sind die Bescheide des Klägers über die Bewilligung von Leistungen nach dem BSHG an die Mutter des Kindes, B, gerichtet. Gleichwohl ist die berechtigte Empfängerin der Leistung A, weil ihr der gesetzliche Anspruch auf Sozialhilfe gemäss § 68 f. BSHG zusteht.

Eine analoge Anwendung von § 116 Abs. 1 SGB X kommt nicht in Betracht, da es an einem rechtsähnlichen Tatbestand fehlt. Der Schaden der Eltern kann nicht ohne weiteres auf das Kind als Leistungsempfänger verlangen werden.

Der Anspruch des Klägers folgt auch nicht aus einer Drittschadensliquidation, da keine Schadensverlagerung vorliegt. Ein Auseinanderfallen von Gläubigerstellung und geschütztem Interesse ist nicht gegeben, da Schaden (Unterhaltsaufwand) und Gläubigerstellung (Anspruch auf zivilrechtlichen Schadensersatz) bei den Eltern zusammenfallen.

Auch ein Anspruch des Klägers aus Geschäftsführung ohne Auftrag, den der Senat zunächst in Betracht gezogen hat, ist nicht begründet. Zwar kann auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts solche Ansprüche geltend machen, wenn sie eine eigene öffentlich-rechtliche Verpflichtung erfüllt und damit zugleich das Geschäft eines Privaten erledigt. In solchen Fällen kommt eine entsprechende Anwendung der §§ 677 ff. BGB in Frage (BGH NJW 1975, 47 f., 49 m.w.N.). Dass die öffentliche Hand in derartigen Fällen in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten tätig wird und hoheitlich handelt, schliesst entgegen der h. M. im Schrifttum (vgl. Staudinger-Wittmann, 12. Aufl. , Rn. 41 vor § 677, m.w.N.) die Anwendung der Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht aus. Hier hat der Kläger seine öffentlich-rechtliche Verpflichtung gegenüber dem Kind A erfüIlt und damit gleichzeitig im Interesse der Beklagten deren Verpflichtung gegenüber den Eltern des Kindes mit abgedeckt.

Allerdings läßt die BGH-Rechtsprechung zur Geschäftsführung ohne Auftrag bei Fürsorge- und Versorgungsleistungen eine ablehnende Haltung erkennen. In BGHZ 30, 162 f., 169-171 (Unterhaltsrente des Bundes für ein nichteheliches Kind, dessen Vater zeitweilig verschollen war) wird festgestellt, dass die gesetzlichen Regelungen über einen Forderungsübergang regelmäßig die Anwendung der Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließen. In BGHZ 33, 243 f, 245, 246 bestätigt der BGH diese Rechtsprechung und stellt fest, dass es nicht darauf ankommen könne, ob es sich um Unterhalts- oder Schadensersatzansprüche des Hilfsbedürftigen handele. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Vorschriften über den gesetzlichen Forderungsübergang - § 116 Abs. 1 SGB X und §§ 90, 91 BSHG - eine abschließende Regelung darstellen, die eine Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht zulassen.

Es kann daher dahinstehen, ob der Anspruch auch deswegen entfällt, weil die Beklagte hier als mittelbar Beteiligte anzusehen ist, denn sie ist nicht dem Kind A direkt ersatzpflichtig, sondern deren Eltern. Eine solche mittelbare Beziehung reicht aber nicht aus, um die Beklagte im Verhältnis zum Kläger als Geschäftsherrin anzusehen (BGH zur mittelbaren Beziehung zum Geschäftsführer: BGHZ 82, 330f., 331; 72, 151 ff., 153; 54, 160 ff., 161), wenn auch die Geschäftsführung ohne Auftrag von Verwaltungsträgern nicht ohne weiteres mit den Kategorien der §§ 677 ff. BGB zu messen ist (vgl. MüKo-Seiler, 3. Aufl. 1997 (19997 offensichtlicher Schreibfehler: die Red.), vor § 677, Rn. 30 m.w.N.).

Die Erstattung des nach § 68 ff. BSHG dem Kind A gewährten Pflegegeldes kann der Kläger jedoch zumindest in entsprechender Anwendung von § 91 Abs 1 und 2 BSHG verlangen. Diese Vorschrift bestimmt, dass Unterhaltsansprüche des Hilfeempfängers nach bürgerlichem Recht in Höhe der geleisteten Aufwendungen während der entsprechenden Zeit auf den Träger der Sozialhilfe übergehen. Die Regelung dient dem Prinzip der Nachrangigkeit der Sozialhilfe. Sie ist lex specialis und geht § 90 BSHG vor. Soweit der Kläger Sozialleistungen vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 91 BSHG am 26.6.1993 erbracht hat, gehen die betreffenden Unterhaltsansprüche gemäss § 91 BSHG neuer Fassung über (vgl. Fichtner-Schaefer, BSHG, 1999, § 91 Rn. 6 m.w.N.).

Hier handelt es sich um den Unterhaltsanspruch von A als Hilfeempfängerin gegen ihre Eltern B und C nach § 1602,1603 BGB. Dieser Anspruch erstreckt sich nach der Rechtsprechung des BGH auf den vollen Unterhaltsbedarf einschliesslich des durch die Behinderung des Kindes bedingten vermehrten Betreuungsbedarfs (BGHZ 89, 104; 124, 136). Die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber unverheirateten minderjährigen Kindern umfasst gemäss § 1603 Abs. 2 BGB auch den Einsatz ihres Vermögens. Zum Vermögen von B und C gehört auch der Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz des materiellen Schadens, der ihnen durch deren Behandlungsfehler im Zusammenhang mit dem vorgeburtlichen Missbildungsausschluss bei A entstanden ist. Das bedeutet dass der den gesamten Unterhaltsschaden umfassende Anspruch der Eltern, der sich auch auf den durch die Behinderung des Kindes entstandenen Mehrbedarf erstreckt, nach § 91 Abs. 1 BSHG auf den Kläger übergegangen ist. Da den Eltern von A dieser Anspruch zusteht, ist bei ihnen auch die für eine Anwendung von § 91 BSHG erforderliche Leistungsfähigkeit der Unterhaltsverpflichteten gegeben (Fichtner-Schaefer, a.a.O. Rn. 18).

Die Kongruenz zwischen der Sozialleistung - der Hilfe zur Pflege - und dein eingetretenen Schaden liegt vor, denn der Schaden liegt gerade in der gesteigerten Bedürftigkeit von A die der Kläger durch seine Leistungen befriedigt hat.

Der Übergang des Anspruchs ist auch nicht gemäss § 91 Abs. 1 Satz 2 und 3 BSHG ausgeschlossen.

Eine Erfüllung des Unterhaltsanspruchs durch laufende Zahlungen der Unterhaltspflichtigen (Abs. 1 Satz 2) erfolgte nicht, denn sonst hätte es der Zahlungen des Klägers nicht bedurft.

Auch eine Erfüllung der Schadenserstzansprüche im Zeitpunkt der jeweiligen Leistung des Klägers durch die Beklagte kann nicht festgestellt werden. Zwar hat sie unstreitig an die Eltern von A beträchtliche Zahlungen geleistet. Sie hat jedoch nicht dargelegt, wann die angegebenen Beträge geflossen sind, so dass nicht ohne weiteres angenommen werden kann, dass die Zahlungen der Beklagten gerade die von dem Kläger durch seine Leistungen ermöglichte Pflege von A in der Zeit vom Juni 1989 bis April 1995 betrafen.

Es handelt sich bei den Eltern von A auch nicht um Unterhaltspflichtige, die zum Personenkreis der §§ 11, 28 BSHG gehören (§ 91 Abs. 1, Satz 3, 1. Halbsatz Teil 1) und sie sind auch nicht lediglich Verwandte zweiten oder ferneren Grades (Abs. 1, Satz 3, 1. Halbsatz Teil 2), sondern als Eltern Verwandte ersten Grades.

Der Grundsatz der Gleichzeitigkeit ist ebenfalls erfüllt, denn der Unterhaltsanspruch bestand im gleichen Zeitraum, in dem der Kläger seine Sozialleistungen erbrachte.

Im übrigen ist der Senat der Auffassung, dass sich der Anspruch des Klägers auf Erstattung des Pflegegeldes - wenn er ihm nicht gemäss § 91 BSHG zustünde - auch aufgrund der Abtretung der Eltern von A ergibt.

Die Rechtskraft des Senatsurteil im Vorprozess der Eltern gegen die Beklagte und andere Ärzte vom 25.7.1997 - Az. 8 U 217/92 - steht einer Geltendmachung der abgetretenen Ansprüche nicht entgegen, denn es handelt sich bei dieser Entscheidung um eine Feststellung, die nur begrenzte Rechtskraft hat, die sich grundsätzlich nur unter den Parteien des betreffenden Verfahrens entfaltet (Thomas-Putzo, 22. Aufl. 1999, Vorbem. 4 zu § 253). Das bedeutet, dass die Rechtskraft der Entscheidung die Verpflichtung der Beklagten, an die damaligen Kläger; die Eltern von A, bestimmte Schadensersatzbeträge zu zahlen, nicht umfasste. Zudem war der jetzige Kläger in die Rechtskraftwirkung des Urteils nicht einbezogen.

Die Leistungen des Klägers als Sozialhilfeträger sind auf den abgetretenen Schadensersatzanspruch nicht anzurechnen. Dies gilt in Anbetracht des Zwecks der Sozialhilfe auch für den Fall, dass ausnahmsweise ein gesetzlicher Forderungsübergang nach § 116 SGB X und 90, 91 BSHG nicht stattfindet (BGHZ 4, 170 ff., 178; FamRZ 1992, 41 ff., 42; OLG Bamberg VersR 1994, 995; Palandt-Heinrichs, 60. Aufl. 2001, Vorbem. vor § 249 Rn. 134, 48 c).

Hinsichtlich einer Erfüllung der Ansprüche durch die Beklagte wird auf die obigen Ausführungen Bl. 12 verwiesen.

Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten zu. Dieser folgt ebenfalls aus der Abtretung derartiger Ansprüche durch die Eltern des Kindes.

Diese Forderungen sind nicht gemäss § 91 BSHG auf den Kläger übergegangen, denn es handelt sich hierbei nicht um Sozialleistungen nach dem BSHG, sondern nach § 161 Hessisches Schulgesetz, der bestimmt, dass Schüler zu der nächst gelegenen zuständigen Schule zu befördern sind. Eine Regreßregelung in Form einer gesetzlichen Zession im Hessischen Sozialgesetz ist nicht ersichtlich.

Hier kommt aber die Abtretung der Eltern zum Tragen, die diesen Anspruch unstreitig in voller Höhe an den Kläger übertragen haben. Auch bei dieser Position verbietet der soziale Zweck der Leistung eine Anrechnung auf die abgetretene Forderung. Desgleichen steht weder eine Erfüllung durch die Beklagte noch die etwaige Rechtskraft einer vorangegangenen Entscheidung der Forderung entgegen. Insofern kann auf die obigen Ausführungen Bl. 12 und 13 ergänzend verwiesen werden.

Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich sowohl für das Pflegegeld, als auch für die Transportkosten aus dem Gesichtspunkt des Verzugs, §§ 284 Abs. 1 Satz 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Der Feststellungsantrag des Klägers ist ebenfalls erfolgreich.

Der Antrag ist zulässig.

Die besondere Prozessvoraussetzung, das rechtliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung, liegt vor. Hierfür genügt im Streitfall die nicht eben fernliegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung einer Leistungspflicht des Klägers dadurch, dass weitere Sozialleistungen erforderlich werden. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass im Fall von A weitere Sozialleistungen wie etwa eine Heimunterbringung notwendig werden können, die weitere beträchtliche Kosten auslösen würden.

Soweit der Kläger die Feststellung einer Schadensersatzpflicht "für die Vergangenheit" beantragt, hat der Senat diese Begehren dahingehend ausgelegt, dass es sich um den Zeitraum seit Klageerhebung handelt. Für den vorangehenden Zeitraum wäre die Klage nicht zulässig, da der anspruchsbegründende Sachverhalt sich, seinerzeit nicht mehr in der Entwicklung befand. Dagegen kann der Kläger hinsichtlich der ab Klageerhebung am 27.9.1999 etwa entstandenen Kosten die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten verlangen, weil diese Entwicklung bei Klageeinreichung noch nicht abzusehen war und der Kläger nicht verpflichtet ist, bei Konkretisierung seiner Kosten während des Verfahrens von einer einmal zulässigen Feststellungsklage auf eine Leistungsklage überzugehen (BGH WM 93, 1241).

Der Feststellungsantrag ist auch begründet.

Die Wahrscheinlichkeit der Entstehung weiterer Kosten für den Kläger durch die Behinderung von A ist nicht von der Hand zu weisen. Dies ist allein schon wegen der Beförderung des Kindes zu einer Behindertenschule der Fall.

Eine zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf Erstattung der Leistungen nach dem BSHG gemäss § 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG ist nicht angebracht. Eine unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift liegt für die Eltern von A in ihrer zukünftigen Einstandspflicht für das über einundzwanzigjährige behinderte Kind nicht, weil ihnen ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Erstattung von Unterhalt, der auch die Mehraufwendungen infolge der Behinderung des Kindes umfasst, zusteht.

Im übrigen kann hier zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Ansprüche auf die obigen Ausführungen Bl. 12, 13 d.A. Bezug genommen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Das Urteil ist gemäss §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer wurde gemäss § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück