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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 23.12.2008
Aktenzeichen: 8 U 93/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 278
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die 1961 geborene Klägerin erlitt 1969 einen Unfall, bei dem ihr linkes Bein in Mitleidenschaft gezogen wurde. Nach Abschluss des Wachstums war das linke Bein 2 cm kürzer als das rechte Bein und es war eine O-förmige Ausbiegung des Oberschenkels ("Varus-Fehlstellung") mit kompensatorischer Gegenschwingung oberhalb des Kniegelenks ("Valgus-Fehlstellung") verblieben, so dass eine annähernd S-förmige Fehlstellung vorlag.

Die Klägerin fühlte sich durch diesen Zustand zunächst nicht behindert. Später traten jedoch Beschwerden ein. Am 24.5.1996 wurde zunächst die Varus-Fehlstellung im oberen/mittleren Bereich des Oberschenkels operativ korrigiert. Danach verblieb dort noch eine Varus-Fehlstellung von 10 Grad.

Zur Korrektur der knienahen Valgus-Fehlstellung wurde die Klägerin in das Krankenhaus des Beklagten zu 1. aufgenommen, wo der Beklagte zu 2. die Korrekturoperation am 25.7.1997 durchführte.

Dabei ist dem Beklagten zu 2. ein Fehler unterlaufen. Der Beklagte zu 2. hatte sich vor der Operation keinen ausreichenden Überblick über die Gesamtsituation des linken Beines in Gestalt eines vollständigen Röntgenbildes verschafft, sondern lediglich über den Bereich der nun anstehenden knienahen Operation, und korrigierte - per se korrekt - die knienahe Valgusfehlstellung komplett mit der Folge, dass mit Blick auf den gesamten Oberschenkel eine deutliche Varus-Fehlstellung verblieb. Er hätte - so der Sachverständige Prof. Dr. SV1 und ihm folgend das Landgericht - hier lediglich eine Korrektur um 5 Grad vornehmen dürfen, um den Oberschenkel (eingedenk der dortigen Varus-Fehlstellung) damit insgesamt in eine anatomische "Nullachse" zu verbringen. Stattdessen hat er im Ergebnis eine Überkorrektur durchgeführt, so dass das Bein der Klägerin nun noch eine Varus-Fehlstellung von 8 - 12 Grad aufweist. Diese verbliebene Fehlstellung kann unter Eingehung beherrschbarer Risiken abermals operativ behoben werden. Wird die Klägerin später nicht noch einmal operiert, drohen vermehrte Verschleißerscheinungen, insbesondere am Innenknie bis hin zu der Notwendigkeit, ein künstliches Kniegelenk einzusetzen.

Die Klägerin hat Schmerzensgeld in angemessener Höhe sowie den Ersatz bezifferter materieller Schäden einschließlich einer Schadensrente und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich ihres zukünftigen materiellen Schadens begehrt. Die Beklagten haben sich gegen die Klage verteidigt.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (Bl. 501 ff d.A.).

Das Landgericht hat - unfallchirugisch-orthopädisch beraten durch Prof. Dr. SV1 - der Klägerin ein Schmerzensgeld von 8.000 € zugesprochen, die begehrte Feststellung ausgesprochen und die Klage im Übrigen, also betreffend den bezifferten materiellen Schadensersatz und die Schadensersatzrente, abgewiesen.

Der Behandlungsfehler liege in der oben geschilderten Überkorrektur der Fehlstellung, die auf einer mangelhaften Operationsplanung beruhe. Die Operation sei ansonsten fehlerfrei durchgeführt worden. Die nunmehr verbliebene Varus-Fehlstellung sei die primäre Folge des Fehlers. Eine von der Klägerin beklagte verbliebene Innenrotation beruhe nicht auf dem Operationsfehler, denn insoweit sei der Beklagte zu 2. kunstgerecht vorgegangen. Eine bei der Klägerin gegebene Beinverkürzung sei dem Beklagten zu 2. nicht vorzuwerfen, ebensowenig liege ein Aufklärungsfehler vor.

Hinsichtlich der materiellen Schäden sei nicht erkennbar, inwieweit diese auf dem Fehler des Beklagten zu 2. beruhen, was vom Landgericht näher ausgeführt wird (S. 9 des Urteils) und im wesentlichen damit begründet wird, dass die Klägerin auf Grund der in der Jugend erlittenen Schädigungen prädisponiert ist. Im Ergebnis sei eine konkrete Schädigung der Klägerin durch die verbliebene Varus-Fehlstellung vom Sachverständigen nicht festgestellt worden.

Die Beklagten haben das erstinstanzliche Urteil akzeptiert.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihre erstinstanzlichen Klageanträge zu 2. (mat. Schadensersatz) und 3. (Schadensrente) weiter.

Die Klägerin begründet die Berufung damit, das Landgericht habe die Abweisung der weiterverfolgten Anträge auf eigene Sachkunde gestützt und versäumt, den Sachverständigen dazu zu befragen. Das betreffe sowohl die Beschwerden als Folge der verbliebenen Varus-Fehlstellung als auch die Folgen der Beinlängendifferenz. Insofern habe das Landgericht zu Unrecht keinen Behandlungsfehler angenommen und schon die Werte der Beinlängenverkürzung unzutreffend in seine Überlegungen eingestellt. Bei richtiger Operation hätte sich eine Beinlängenverkürzung von weniger als 5 mm eingestellt, nicht aber 15 mm, die der Körper nicht mehr toleriere. Es werden alle schon erstinstanzlich behaupteten - auch psychischen - Folgen der Fehlbehandlung noch einmal dargestellt und unter Beweis durch Sachverständigengutachten gestellt.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen

1. an die Klägerin für den in Folge der fehlerhaften ärztlichen Behandlung im Juli 1997 entstandenen materiellen Schaden einen Betrag in Höhe von 21.225,77 € zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei dem 26.12.2000;

2. an die Klägerin für den auf Grund der fehlerhaften ärztlichen Behandlung im Juli 1997 entstandenen laufenden materiellen Schaden ab dem 1.6.2001 eine monatliche Rente in Höhe von 387,42 € zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.8.2001.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Sie bestreiten die behaupteten materiellen Schäden und die Ursächlichkeit des von ihnen eingeräumten Behandlungsfehlers.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung von schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. SV1 und des Psychiaters Prof. Dr. SV2. Wegen der Beweisthemen wird auf die Beweisbeschlüsse vom 17.3.2006 (Bl. 676 d.A.) und vom 23.4.2007 verwiesen (Bl. 912 f d.A.), wegen des Beweisergebnisses auf die Gutachten vom 26.6.2006 (Bl. 704 ff) und vom 10.1.2008 (Bl. 950 ff d.A.). Der Senat hat die Sachverständigen um mündliche Erläuterung ihrer Gutachten gebeten; wegen der Ergebnisse der Anhörungen wird auf die Sitzungsniederschriften vom 19.12.2006 (Bl. 792 d.A.) und vom 4.11.2008 (Bl. 1165 ff d.A.) Bezug genommen. Der Senat hat ferner am 31.1.2006 die Klägerin zu ihren Beschwerden und deren Auswirkung auf persönliche, berufliche, familiäre und häusliche Belange informatorisch angehört.

II.

1. Auf Grund des insoweit nicht angefochtenen Urteils des Landgerichts steht die Verurteilung der Beklagten zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 € und die Feststellung ihrer Ersatzpflicht für materielle Zukunftsschäden fest.

Auf ihre Berufung ist das erstinstanzliche Urteil abzuändern, soweit das Landgericht der Klägerin den Ersatz von bereits eingetretenen materiellen Schäden und eine Schadensrente versagt hat. Auch solche Ansprüche stehen der Klägerin zu, wenngleich nicht in der geltend gemachten Höhe.

Die Beklagten haben auch hierfür auf Grund des Behandlungsfehlers des Beklagten zu 2. aus dem Gesichtspunkt der Schlechterfüllung des Behandlungsvertrags in Verbindung mit § 278 BGB einzustehen.

Der Behandlungsfehler ist darin zu erkennen, dass der Beklagte zu 2. bei Planung und Durchführung der Operation lediglich die knienahe Situation (dortige Valgus-Fehlstellung) in den Blick genommen hat. Bei Beachtung der von ihm geschuldeten und ihm möglichen Sorgfalt hätte der Beklagte zu 2. bei Planung und vor der Durchführung der Operation das gesamte Bein der Klägerin anhand einer vollständigen Röntgenübersicht in seine Betrachtungen einbezogen und erkannt, dass zur Erzielung eines fachgerechten Ergebnisses die knienahe Valgus-Fehlstellung nur in wesentlich geringerem Umfang hätte korrigiert werden dürfen, als er sie tatsächlich korrigiert hat. Dass der Beklagte zu 2. dies nicht erkannt und in Folge dessen eine Überkorrektur vorgenommen hat, führte zu der jetzt gegebenen Varusfehlstellung des Beines, mithin einer vermeidbaren gesundheitlichen Schädigung der Klägerin. Dies alles ist durch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. SV1 belegt und in der Berufungsinstanz nicht im Streit.

Dass die negativen Folgen der streitgegenständlichen Operation möglicherweise durch eine weitere Operation zu beheben wären, führt angesichts der streitgegenständlichen negativen Erfahrungen der Klägerin nicht dazu, dass sie aus Schadensminderungsgründen verpflichtet wäre, eine solche weitere Operation und die damit verbundenen Risiken auf sich zu nehmen.

2. Für die der Klägerin zuzuerkennenden materiellen Schäden ist es ohne Bedeutung, ob die ärztliche Fehlleistung des Beklagten zu 2. als grober Behandlungsfehler zu würdigen ist. Dass die Klägerin auf Grund des Behandlungsfehlers eine Gesundheitsschädigung erlitten hat, steht fest. Insofern bedarf die Klägerin keiner Beweislastumkehr aus dem Gesichtspunkt eines groben Behandlungsfehlers. Gegenstand der Berufung ist, ob die Beklagten für die nach Auffassung der Klägerin daraus folgenden, bereits eingetretenen Vermögensschäden (materieller Schadensersatz, Schadensrente) einzustehen haben. Hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen Primärschäden und Vermögensschäden des Patienten greift die Umkehr der Beweislast wegen eines groben Behandlungsfehlers nie Platz. Für die haftungsausfüllende Kausalität bleibt es bei der Beweislast des Patienten, freilich mit dem geringeren Beweismaß des § 287 ZPO (Geiß/Greiner, Arzthaftungsrecht, 5. Auflage 2006, S. 178 Rdnr. 262 m.w.N.).

3. Dass die Beklagten auch für eine bei der Klägerin vorhandene Beinlängendifferenz einzustehen haben, vermag der Senat nicht zu erkennen. Selbst wenn zur Vermeidung der Überkorrektur lediglich ein Keil von 5 Grad entnommen worden wäre, so wäre dennoch eine Beinverkürzung eingetreten. Dies folgt aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. SV1 in dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten vom 12.12.2003 (S. 12 f/Bl. 364 f d.A.). Aus dem gleichen Gutachten folgt, dass postoperativ eine Beinverkürzung links von 1 - 1,5 cm festzustellen war (S. 6/Bl. 358 d.A.), wobei der Sachverständige ferner darauf hinweist, dass ein Vergleich mit präoperativen Aufnahmen mangels einer Ganzbeinaufnahme nicht möglich war und auf allen vorhandenen Aufnahmen der Filmfokusabstand nicht angegeben war, was einem Vergleich entgegenstand. Der Sachverständige hat schließlich auch ausgeführt, dass der menschliche Körper eine Beinlängendifferenz von 1 cm im Allgemeinen recht gut verträgt, ohne Beschwerden bis zum Lebensende (mündliche Anhörung durch das Landgericht am 14.12.2004, Sitzungsniederschrift S. 4/Bl. 488). Bei dieser Sachlage ist nicht festzustellen, dass durch die Überkorrektur eine Beinverkürzung bei der Klägerin eingetreten ist, die eine relevante Beeinträchtigung darstellen könnte.

4. Die Beklagten schulden der Klägerin als Gesamtschuldner für materielle Schäden, die bis einschließlich Mai 2001 entstanden sind, Schadensersatz von 13.922,34 €.

4.1. Das betrifft zum einen fiktiven Haushaltsführungsschaden in Höhe von 13.362,79 € für die Zeit bis einschließlich Mai 2001. Die Angaben der Klägerin zu ihrem Haushalt, dessen Größe und Zuschnitt ermöglichen dem Senat eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO unter Verwendung der Berechnungstabellen von Schulz-Borck/Hofmann (Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl. 2000), auf die sich auch die Klägerin zur Darlegung dieser Schadensposition berufen hat. Allerdings sind als Arbeitszeitbedarf lediglich 57,3 Wochenstunden anzusetzen. Der Senat zieht insoweit die Tabelle 1 bei Schulz-Borck/Hofmann heran, weil es um die Ermittlung der fiktiven Kosten einer Hilfskraft geht (vgl. dazu näher Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 9. Aufl. 2006, S. 54 Rdnr. 193 mit Fußn. 415 ebenda) und hat den zuvor genannten Wochenarbeitszeitbedarf als Mittelung zwischen der 2. und 3. Anspruchsstufe zu Grunde gelegt. Der Senat ist der Klägerin gefolgt, was die relative Verteilung des Arbeitszeitaufwands in der Familie angeht (insofern Tabelle 8) und hat 64,8 Prozent zu Gunsten der Klägerin angenommen, das sind wöchentlich 37,13 Stunden und mithin eine Größenordnung, die für einen Haushalt mit 4 Personen und darunter zwei Kindern auch durchaus realistisch erscheint.

Die Klägerin ist zu 20 Prozent gehindert, diese Haushaltsarbeit zu erbringen. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. SV1 sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens bestätigt. Er hat dort insbesondere bestätigt (Bl. 794 d.A.), dass die die Klägerin besonders belastenden Schmerzen auf der Innenseite des Knies durch die operationsbedingte Fehlstellung erklärbar sind. Dem folgt der Senat. Die Klägerin hätte unter diesen Beeinträchtigungen mithin nicht gelitten, wenn sie vom Beklagten zu 2. nicht fehlbehandelt worden wäre. Diese Beeinträchtigungen führen zu einer Beschränkung der Haushaltsführung im eben genannten Umfang. Das sind 7,43 Wochenstunden. Weil es sich insofern nicht um bloße Zugehdienste handeln würde, sondern die Klägerin Anspruch auf Unterstützung durch eine professionelle Haushaltshilfe hätte, folgt der Senat ihrer Annahme, dass sie hierfür 18 DM pro Stunde hätte aufbringen müssen. Das führt zu (umgerechnet in die heutige Währung) 296,95 € fiktivem Haushaltsführungsschaden pro Monat. Der Klägerin ist ein solcher Schaden indes nicht schon ab August 1997, sondern erst ab September 1997 zuzubilligen, weil davon auszugehen ist, dass die Klägerin auch bei ordnungsgemäßer Operation nicht schon in den ersten nachoperativen Wochen im Haushalt uneingeschränkt zur Verfügung gestanden hätte. Also sind bis einschließlich Mai 2001 insgesamt 45 ersatzfähige Monate angefallen, was zu dem Betrag von 13.362,79 € als Ersatz des Haushaltsführungsschadens bis Mai 2001 führt.

4.2. Der Klägerin steht hinsichtlich der übrigen Aufwendungen, die sie insoweit insgesamt mit 7.504,09 DM (= 3.836,78 €) beziffert hat, als Schadensersatzanspruch lediglich ein Betrag von 559,55 € zu.

Der Sachverständige Prof. Dr. SV1 hat dem Senat am 19.12.2006 mündlich erläutert, dass physikalisch-therapeutische Maßnahmen innerhalb von sechs Monaten nach der streitgegenständlichen Operation verständlich und sinnvoll waren. Auch wenn die Operation ordnungsgemäß verlaufen wäre, seien sie angezeigt gewesen, es wäre aber alles etwas schneller gegangen, beispielsweise innerhalb von vier Monaten. Angesichts dessen besteht keine Grundlage, der Klägerin sämtliche geltend gemachten Kosten und Aufwendungen für physikalisch-therapeutische Maßnahmen als Ansprüche gegen die Beklagten zuzusprechen. Die Beklagten haften nur für solche Kosten und Aufwendungen, die auf die fehlerhafte Korrekturoperation am 25.7.1997 zurückzuführen sind und nicht für solche, die auch ohne den Behandlungsfehler entstanden wären. Der Senat verkennt andererseits nicht, dass sich insbesondere in der frühen Phase nach der Operation am 25.7.1997 die ohnehin mit dem schweren Eingriff verbundenen Beschwerden und diejenigen, die dessen Fehlerhaftigkeit geschuldet sind, überlagert haben und zwar sowohl im subjektiven Empfinden der Klägerin als auch in den therapeutischen Behandlungsansätzen, die zu einer Verbesserung der Situation der Klägerin gewählt werden mussten. Davon ausgehend, dass die Klägerin physikalisch-therapeutischer Maßnahmen (Fitnessstudio, Krankengymnastik, Muskelaufbautraining) innerhalb von vier Monaten (bis einschließlich November 1997) nach der Operation auch bei behandlungsfehlerfreiem Vorgehen bedurft hätte, geht der Senat davon aus, dass solche Maßnahmen, soweit sie in den darauffolgenden drei Monaten (Dezember 1997 bis einschließlich Februar 1998) stattfanden, auf den Behandlungsfehler zurückzuführen sind.

Daraus folgt für die einzelnen Maßnahmen:

4.2.1. Fitnessstudio:

Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz der dreifachen Monatskosten (3 x 59 DM =) 177 DM und für 24 Fahrten dorthin (24 x 13,6 km x 0,42 DM =) 137,09 DM, das sind (314,09 DM =) 160,59 €.

4.2.2. Krankengymnastik:

Auf den Zeitraum von Dezember 1997 bis Februar 1998 entfallen nach Maßgabe der von der Klägerin als Anlagen A 9 ff zur Klageschrift vorgelegten Quittungen allenfalls Verordnungen von Krankengymnastik vom 12.11.1997 und vom 12.1.1998 (Anlagen A 9, Bl. 35 d.A.) mit Zuzahlungen von (35,64 DM + 22,77 DM =) 58,41 DM sowie anteilig zu berechnende Fahrtkosten zur Krankengymnastik von 14 DM, also (72,51 DM =) 37,02 €.

4.2.3. Lymphdrainagen:

Der Sachverständige Prof. Dr. SV1 hat dargelegt, dass eine Notwendigkeit für Lymphdrainagen nicht auf Grund des streitgegenständlichen Behandlungsfehlers aufgetreten ist. Die nach der zweiten Operation verbliebene Fehlstellung habe keinen Lymphstau verursacht. Lymphdrainagen wären vielmehr auch dann erforderlich und angemessen gewesen, wenn die streitgegenständliche Operation ordnungsgemäß verlaufen wäre (Sitzungsniederschrift vom 19.12.2006, Bl. 794 d.A.).

4.2.4. Muskelaufbautraining:

Aus den hierfür vorgelegten Rechnungen und Attesten (Anlagen 21 ff zur Klageschrift) folgt, dass diese Maßnahmen frühestens im September 1999 (Anl. 30, Bl. 56 d.A.) eingesetzt haben. Deswegen sind die entsprechenden Aufwendungen der Klägerin aus den zuvor genannten Gründen nicht ersatzfähig.

4.2.5. Kniebandage:

Die Aufwendungen hierfür sind der Klägerin in Höhe von (23,71 DM + 13,27 DM =) 18,91 € zu ersetzen.

4.2.6. Einlagen:

Die entsprechenden Aufwendungen sind der Klägerin nicht zu ersetzen, weil eine Beinlängendifferenz aus den oben genannten Gründen den Beklagten nicht schadensbegründend zuzurechnen ist.

4.2.7. Medikamente zum Knorpelaufbau:

Der Sachverständige Prof. Dr. SV1 hat im Ergänzungsgutachten vom 26.6.2006 ausgeführt (dort S. 5 / Bl. 708 d.A.), dass gutachterlich nicht zu differenzieren sei, ob etwaige schmerzhafte Knorpelveränderungen "allein anlagebedingt, oder Folge der im Jugendalter erlittenen Fraktur oder Folge des nach der Osteotomie verbliebenen O-Beins sind bzw. durch den Streckausfall, der (...) mit Wahrscheinlichkeit nicht Folge der beklagten Osteotomie ist, ausgelöst bzw. verstärkt wurde". Damit ist der erforderliche Ursachenzusammenhang nicht anzunehmen.

4.2.8. Psychotherapeutische u.ä. Maßnahmen:

Der Senat ist auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. SV2 davon überzeugt, dass die von der Klägerin glaubhaft geschilderten behandlungsbedürftigen psychischen Beeinträchtigungen durch die streitgegenständliche Fehlbehandlung ausgelöst worden sind. Zur Behandlung dieser Beeinträchtigungen aufgewendete Mittel sind der Klägerin mithin zu ersetzen. Das betrifft die Kosten für Antidepressiva in Höhe (110,69 DM), Kosten für die Fahrten zur Psychotherapeutin Dr. A (374,81 DM), Kosten für Besuche der Praxis H (5,38 DM) und bei Dr. E (1,34 DM), insgesamt 251,67 €.

4.2.9. (weitere) Fahrtkosten für Arztbesuche:

a) Die geltend gemachten Fahrtkosten der Klägerin zu ihrem Chirurgen (480,48 DM) sieht der Senat angesichts der Anlage 11 zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 30.3.2007 nicht in voller Höhe für ersatzfähig an, weil sich auch die dort farbig gekennzeichneten Positionen jedenfalls nicht überwiegend nur oder zumindest auch dem streitgegenständlichen Operationsfehler zuzuordnen sind. Der Senat hält im Wege der Schätzung ein Drittel des Aufwands für gerechtfertigt, das sind (160,16 DM =) 81,89 €.

b) Die mit dem vorgelegten Attest des Dr. F (Anlage 32 zur Klageschrift, Bl. 58 d.A.) belegten drei Behandlungen in der B - Praxisklinik sind dem streitgegenständlichen Behandlungsfehler nicht hinreichend zuzuordnen.

c) Der Aufwand für den Besuch des Internisten Dr. G - (7,18 DM =) 3,67 € - ist zu ersetzen, weil er ausweislich der Anlage 12 zum Schriftsatz des Klägervertreters (Bl. 0904 d.A.) als Folge der Überweisung H im Zusammenhang mit den psychischen Beeinträchtigungen zu sehen ist, für die die Beklagten aus den zuvor genannten Gründen einzustehen haben.

d) Die Besuche des Hausarztes sieht der Senat ebenfalls in ursächlichem Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Fehlbehandlung; die geltend gemachten Aufwendungen sind mit (11,34 DM =) 5,80 € zu ersetzen.

5. Der Klägerin steht wegen des Haushaltsführungsschadens eine Rentenanspruch zu (§ 843 BGB), der sich entsprechend dem oben Erörterten (oben 4.1.) auf monatlich 296,95 € beläuft.

6. Die Kostenlast folgt aus dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens nach den unterschiedlichen Streitwerten der beiden Instanzen (§ 92 ZPO).

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (§ 708 Nr. 10 ZPO). Die Abwendungsbefugnisse folgen aus § 711 ZPO.

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht gegeben.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens folgt aus dem bezifferten Schadensersatzbetrag und aus § 42 Abs. 2 S. 1 GKG hinsichtlich der begehrten Schadensersatzrente.

Ende der Entscheidung

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