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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 23.06.2004
Aktenzeichen: 9 U 102/03
Rechtsgebiete: BGB, HWiG


Vorschriften:

BGB § 123
HWiG § 1
Die vom BGH nach § 123 BGB aufgestellten Kriterien bei der Zurechnung einer Haustürsituation (vgl. BGH BKR 2003, 747 und BGH MDR 2003, 466) gelten auch für Fälle des fremdfinazierten Beitritts zu einer Immobilienfondsgesellschaft (gegen OLG Stuttgart ZIP 2004, 891).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 102/03

Verkündet am 23.06.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 21. Oktober 2003 abgeändert und wie folgt neu gefasst: Klage und Widerklage werden abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Kläger als Gesamtschuldner 48 % und die Beklagte 52 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger verlangen von der beklagten Bank Rückzahlung von Zahlungen, die sie auf ein Darlehen getätigt haben, das ihnen die Beklagte zur Finanzierung des Beitritts zu einem geschlossenen Immobilienfonds gewährte. Die Beklagte verlangt widerklagend die offenen Darlehensraten.

Durch eine - von ihnen persönlich unterschriebene - Erklärung vom 1./12.12.89 (Bl. 8 d.A.) erklärten die Kläger ihren Beitritt zur GbR ...straße in O1 mit einer Einlage von 50.000,- DM. Schon zuvor hatten sie abgesprochen, dass zur Finanzierung des Anteils bei der Beklagten ein Darlehensvertrag über 35.394,- € abgeschlossen würde. Dies erfolgte dann am 31.1./6.2.90 (nicht 2000, wie im angefochtenen Urteil erwähnt). Wiederum unterzeichneten die Beklagten den Darlehensvertrag (Bl. 10 d.A.) persönlich. Von 1990 bis September 2001 zahlten die Kläger auf das Darlehen insgesamt 17.837,45 €. Danach zog die Beklagte keinerlei Beträge mehr von dem Konto der Kläger ein.

Mit Anwaltsschreiben vom 27.7.01 (Bl. 22 d.A.) widerriefen die Kläger ihre auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung und forderten die Rückzahlung der bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen.

Wegen des Sachverhalts im Weiteren und des streitigen Vortrags der Parteien in erster Instanz wird gemäß § 540 I ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Zu ergänzen ist:

Mit Schreiben vom 29.1.04 forderte die Beklagte die Kläger auf, ihren Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben gegen den Fonds an die Beklagte abzutreten.

Die Widerklageforderung berechnet sich nach der von der Beklagten erstellten Kontoverdichtung vom 9.9.02 (Bl. 44 ff. d.A.) unter Einbeziehung der Zahlungen der Kläger und des Vertragszinses per 30.8.02 (Zeitpunkt vor Widerklageerhebung) auf 19.395,06 €, wovon 56,29 € auf Verzugszinsen entfallen. Die Beklagte hat gemeint, die für die Widerklageforderung nötige Kündigung des Darlehens sei in der Erhebung der Widerklage zu sehen.

Das Landgericht hat über die Behauptung der Kläger, die Gespräche hinsichtlich der Beteiligung am Fonds hätten ausschließlich in ihrer Privatwohnung stattgefunden, gemäß Beweisbeschluss vom 10.12.02 (Bl. 150 d.A.) Beweis erhoben durch (persönliche und schriftliche) Vernehmung des Zeugen A-B C.

Mit Urteil vom 21.10.2003 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger hätten gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihnen auf das Darlehen gezahlten Beträge gemäß § 3 HWiG, nachdem sie den Darlehensvertrag wirksam widerrufen hätten. Der Darlehensvertrag unterfalle dem HWiG; dass eine Haustürsituation vorgelegen habe, stehe nach der Beweisaufnahme fest. Die Beklagte müsse sich das Verhalten des Vermittlers zurechnen lassen. Die Kläger seien auch nicht zur Rückzahlung des Darlehensbetrages verpflichtet, denn der Schutzzweck des HWiG würde leer laufen, wenn bei einem verbundenen Geschäft der widerrufende Teil befürchten müsse, dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers ausgesetzt zu sein. Die finanzierende Bank werde hier nicht unzulässig belastet, da insoweit der Ausgleich direkt zwischen ihr und dem Träger des Immobilienfonds stattzufinden habe.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte trägt vor:

Entgegen der Ansicht des Landgerichts liege kein Haustürgeschäft vor. Die Kläger seien nicht überrumpelt worden, weil - wie es unstreitig ist - noch im Dezember 1989 ein Kreditantrag über eine höhere Kreditsumme abgelehnt worden sei.

Der Annahme einer Haustürsituation stehe entgegen, dass keine Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und den Vermittlern D bzw. C bestünden. Eine Zurechnung über § 123 II BGB sei nicht möglich. Die Beklagte habe vorliegend keinerlei Anhaltspunkte dafür gehabt, anzunehmen, dass der Darlehensvertrag aufgrund einer Haustürsituation zustande gekommen sei. Selbst wenn man unterstelle, dass die Kläger den Darlehensvertrag wirksam nach HWiG widerrufen könnten, sei das angefochtene Urteil falsch. Der BGH habe in seiner Entscheidung vom 21.7.03 ausdrücklich festgestellt, dass der Anleger für den Fall, dass sein Abfindungsguthaben niedriger sei, als die noch offene Darlehensvaluta, die Differenz an das Finanzierungsinstitut zu zahlen habe. Als Nutzungsentschädigung stehe der Klägerin der marktübliche Zins zu, der den vorliegend vereinbarten übersteige. Wenn man davon ausgehe, dass die Kläger durch den Widerruf gleichzeitlich ihre Gesellschaftsbeteiligung gekündigt hätten, müsse das Auseinandersetzungsguthaben nach § 12 des Gesellschaftsvertrages berechnet werden. Es mache hiernach per 13.3.02 2.400,- € aus. Die Anrechnung des Auseinandersetzungsguthabens auf die Rückzahlungsansprüche der Beklagte würde jedoch voraussetzen, dass die Kläger ihren Anspruch an die Beklagte abtreten, was sie - unstreitig bisher nicht getan haben.

Die Beklagte beantragt

sinngemäß, das angefochtene Urteil abzuändern, die Klage abzuweisen und die Kläger auf die Widerklage gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 19.395,06 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB aus 19.338,77 € seit 1.9.02 zu zahlen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und tragen vor: Eine Haustürsituation habe vorgelegen und das Verhalten des Zeugen C sei der Beklagten zuzurechnen. Dies müsse schon deshalb gelten, weil der Vermittler über die Vertragsformulare der Klägerin verfügt habe. Die Beklagte habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta.

Der im Darlehensvertrag vereinbarte Zinssatz entspreche nicht dem marktüblichen Zinssatz. Im Übrigen seien bei der Rückabwicklung auch die vom Darlehensnehmer erbrachten Leistungen marktüblich zu verzinsen. Die Voraussetzungen einer Kündigung des Darlehens lägen nicht vor, da die Kläger die Zahlungen auf das Darlehen nicht eingestellt haben, sondern die Beklagte den Einzug trotz Vorliegens einer Einzugsermächtigung gestoppt habe.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie jedoch nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Stattgabe der Klage richtet (dazu unter A). Soweit sich die Beklagte gegen die Abweisung der Widerklage wendet, ist die Berufung dagegen unbegründet (dazu unter B).

A. Entgegen der Meinung des Landgerichts ist die Klage unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Rückzahlung der auf das Darlehen gezahlten Beträge. Ein Rückzahlungsanspruch, der auf § 3 HWiG gestützt wird, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Kläger von vornherein nicht darauf berufen können, dass der Darlehensvertrag durch einen Widerruf nach § 1 HWiG nachträglich beseitigt worden ist. Nach ihrem eigenen Vortrag ist der Darlehensvertrag den Klägern durch den Zeugen C - offensichtlich unter Mitwirkung eines Herrn D - in ihrer Wohnung zur Unterschrift vorgelegt worden. Selbst wenn man zugunsten der Kläger unterstellt, dass es sich dabei um eine Haustürgeschäft im Sinne von § 1 I HWiG gehandelt hat, hat dies nicht ohne weiteres zur Folge, dass die Beklagte sich das Zustandekommen des Vertrages in einer Haustürsituation auch zurechnen lassen muss. Hierfür ist vielmehr auf die zu § 123 BGB entwickelten Grundsätze abzustellen (z.B. BGH BKR 2003, 108; BGH BKR 2003, 747 - mit weiteren Nachweisen). Bei dem Zeugen C handelt es sich unstreitig nicht um einen Mitarbeiter, Angestellten, Beauftragten oder eine Vertrauensperson der Beklagten im Sinne von § 123 I U 102/03 BGB. Sein Handeln - und damit das Herbeiführen einer Haustürsituation bei der Unterzeichnung des Darlehensvertrages - kann der Beklagten daher nach § 123 II BGB nur zugerechnet werden, wenn sie sein Verhalten kannte oder kennen musste. Dabei genügt es für eine fahrlässige Unkenntnis der Beklagten in diesem Sinne, wenn sie die Umstände hätten veranlassen müssen, sich danach zu erkundigen, auf welchen Umständen die ihr übermittelte Willenserklärung der Kläger beruht (in diesem Sinne: BGH BKR 2003, 747 und BGH MDR 2003, 466 mit weiteren Nachweisen). Solche Umstände sind hier nicht vorgetragen oder ersichtlich.

Soweit das OLG Stuttgart in einer Entscheidung vom 9.3.04 (ZIP 2004, 891) die Meinung vertreten hat, die Grundsätze des § 123 BGB seien auf Fälle fremdfinanzierten Erwerbs von Eigentumswohnungen zu beschränken und könnten dann nicht angewandt werden, wenn durch das Darlehen - wie vorliegend - der Beitritt des Anlegers zu einem Immobilienfonds ermöglicht wurde, vermag der Senat dieser Ansicht nicht zu folgen. Mit der Mutmaßung, beide Anlagemöglichkeiten würden auf unterschiedliche Weise vertrieben, oder mit dem Argument, es sei auf die Perspektive des Verbrauchers abzustellen, der den Vermittler als Beauftragten der Bank ansehe, gibt das Urteil nach Ansicht des erkennenden Senats keine überzeugende Begründung für die Notwendigkeit einer unterschiedlichen Behandlung der beiden Fallgruppen. Jedenfalls aber ergibt sie sich aus den vorgenannten Entscheidungen des BGH nicht.

Die Begründetheit der Klageforderung wird auch nicht durch die aktuelle, bisher unveröffentlichte Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH vom 14.6.04 beeinflusst, von deren Inhalt der Senat aus der BGH-Pressemitteilung Nr. 66/2004 Kenntnis genommen hat und die wohl als Fortentwicklung der in der vorausgegangenen Entscheidung vom 21.7.03, Az. II ZR 387/02, (NJW 2003, 2821) angelegten Rechtsprechung zu verstehen ist. Zwar geht es auch vorliegend um eine kreditfinanzierte Fondsbeteiligung und es spricht vieles dafür, dass davon auszugehen ist, dass das Darlehensgeschäft und die Fondsbeteiligung der Kläger als verbundenes Geschäft im Sinne von § 9 VerbrKrG angesehen werden müssen. Voraussetzung dafür, dass der Anleger die Rückzahlung des Kredites verweigern darf, ist nach der neuen Entscheidung vom 14.6.04 aber, dass ihm Einwendungen gegen die Fondsverantwortlichen zustehen, weil sie zum Gesellschaftsbeitritt durch Täuschung veranlasst wurden oder dass die Fondsbeteiligung nach HWiG widerrufen worden ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die Fondsbeteiligung der Beklagten besteht fort. Sie haben gerade nicht geltend gemacht, dass sie von den Fondsverantwortlichen getäuscht worden sind und deshalb berechtigt seien, den Gesellschaftsbeitritt zu kündigen. Mit dem Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 27.7.01 haben sie denn auch lediglich den Darlehensvertrag mit der Beklagten nach dem HWiG widerrufen. Auch wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgehen würde, dass der Widerruf vom 27.7.01 trotz des einschränkenden Wortlauts gleichzeitig als Kündigung der Gesellschafterstellung angesehen werden kann, wäre es zur Herbeiführung der von den Klägern gewünschten Rechtsfolge erforderlich, dass sie durch Täuschung zum Erwerb der Fondsbeteiligung veranlasst worden wären (in diesem Sinne BGH vom 21.7.03, a.a.O.). Wie schon festgestellt, kann hiervon jedoch nicht ausgegangen werden. Eine Wiedereröffnung der Verhandlung, wie von den Klägern mit Schriftsatz vom 16.6.04 beantragt, war danach nicht angezeigt.

B. Die Widerklageforderung ist mangels wirksamer Kündigung des Darlehensvertrages durch die Beklagte unbegründet. Da das VerbrKrG den vorliegenden Darlehensvertrag nicht erfasst, weil es erst am 1.1.91 in Kraft getreten ist, ist einschlägige Kündigungsregelung Ziffer 8 des Vertrages vom 31.1./6.2.90. Hiernach kann die Bank das Darlehen ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist u.a. kündigen und sofort fällig stellen, wenn der Darlehensnehmer mit der Zahlung der fälligen Leistungen länger als 14 Tage in Verzug ist und auch nach einer Nachfristsetzung durch die Bank von mindestens weiteren 14 Tagen nicht zahlt. Die Beklagte sieht die Kündigung in der Erhebung der Widerklage. Mag man daran auch ein wirksame (konkludente) Kündigungserklärung sehen können, mangelt es jedoch an einer Nachfristsetzung. Wenn man auch darauf noch verzichten wollte, dürften die Kündigungsvoraussetzungen gleichwohl nicht vorliegen. Die Kläger haben nämlich - unwidersprochen - vorgetragen, dass die Beklagte über eine Einzugsermächtigung verfügt und lediglich die Abbuchung vom Konto ab Oktober 2001 gestoppt hat. Einen Zahlungsverzug, der dann nicht eintritt, wenn der Gläubiger einer Mitwirkungspflicht nicht nachkommt (Palandt-Heinrichs, 63. Auflage, § 286 RN 15) könnte man unter diesen Umständen nur dann annehmen, wenn die Beklagte Grund zu der Annahme hatte, dass die Kläger einer weiteren Abbuchung der Darlehensraten widersprechen würden. Gerade dazu hatte sie aber keine Veranlassung, nachdem die Kläger den Vertrag zwar widerrufen haben, gleichzeitig aber klargestellt haben, dass sie die Zahlungen gerade zur Vermeidung einer Kündigung weiter erbringen wollen. Dass sie sich die Rückforderung vorbehalten haben, steht dem nicht entgegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 100 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

Der Senat hat im Hinblick auf die abweichende Meinung des OLG Stuttgart zum Anwendungsbereich des § 123 BGB die Revision nach § 543 II ZPO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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