Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 30.08.2000
Aktenzeichen: 9 U 129/99
Rechtsgebiete: HGB, ZPO, BGB, AGBG


Vorschriften:

HGB § 89 b
HGB § 87 c
HGB § 87 a II
ZPO § 543 I
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 546 II
ZPO § 521
ZPO § 522 a
BGB § 278
BGB § 831
BGB § 196 I Nr. 1
BGB § 196 I Nr. 7
BGB § 242
BGB § 196 II
BGB § 780
BGB § 781
BGB § 607
AGBG § 9
AGBG § 6 II
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 129/99 2/25 0432/97 Landgericht Frankfurt

Verkündet laut Protokoll am 30. August 2000

Föller Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Oberheim als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11. Oktober 1999 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - Aktenzeichen 2/25 O 432/97 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen sowie der Anschlussberufung in vollem Umfang teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 27.221,72 nebst 12% Zinsen seit dem 14. September 1998 zu zahlen.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, das Stornoreserveguthaben der Klägerin für die von ihr über sie - die Beklagte - an die Versicherung vermittelten Verträge abzurechnen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben die Klägerin 61%, die Beklagte 39% zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits II. Instanz haben die Klägerin 36%, die Beklagte 64% zu tragen.

Das Urteil ist für beide Parteien vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt für beide Parteien weniger als DM 60.000.

Tatbestand und Entscheidungsgründe

Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Handelsvertretervertrag geltend.

Die Klägerin vermittelte von 1990 bis 1995 als freie Handelsvertreterin für die Beklagte Kapitalanlagen. Hierfür standen ihr Provisionen in unterschiedlicher Höhe zu. Von den verdienten Provisionen behielt die Beklagte vereinbarungsgemäß eine unterschiedlich hohe Stornoreserve als Sicherheit für eventuelle Vertragsstornierungen ein. Nach Beendigung ihrer Tätigkeit für die Beklagte und Ablauf der Stornohaftzeit verlangt die Klägerin Auszahlung dieser Reserveguthaben sowie weiterer Beträge.

Die Klägerin hat erstinstanzlich Zahlung von Stornoreserven und Provisionen in Höhe von zunächst 41.964,32 DM verlangt, die Klage dann in Höhe eines Teilbetrages von 3.555,19 DM zurückgenommen und sie um 2.483,36 DM erweitert. Außerdem hat sie Zahlung von 89.906.- DM als Ausgleich nach § 89b HGB sowie Auskunft und Rechnungslegung über die Höhe der Stornoreserve aus für die Versicherung vermittelten Verträgen verlangt. Die Beklagte hat die Aufrechnung erklärt mit Gegenforderungen über 7.200.- DM, 17.242,48 DM und 40.000.- DM.

Das Landgericht hat der Klägerin Stornoreserven und Provisionen in Höhe von DM 26.286,13 und die Aufrechnungsforderung über DM 7.200.- für begründet gehalten, der Klägerin deswegen DM 19.086,13 zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie Zahlung weiterer DM 20.202,77 verlangt und an ihrem Feststellungsanspruch festhält. Mit ihrer Anschlussberufung erstrebt die Beklagte vollständige Klageabweisung.

Von der weiteren Darstellung des Urteilstatbestands wird gemäß § 543 I ZPO abgesehen.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Anschlussberufung ist gemäß §§ 521, 522a ZPO zulässig.

Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten Provisionen in Höhe von DM 27.221,72 verlangen.

Soweit es um Ansprüche aus den Positionen in Höhe von DM 2.983,67, in Höhe von DM 6.945,02, in Höhe von DM 6.043,52 und in Höhe von 5.000.- geht, sind diese vom Landgericht festgestellt und in der Rechtsmittelinstanz nicht angegriffen worden.

1.

Aus der Stornoreserve Immobilienfond kann die Klägerin über den landgerichtlich ausgeurteilten Betrag in Höhe von DM 5.313,92 Zahlung weiterer DM 935,59 (insgesamt also DM 6.249,51) verlangen. Die Klägerin vermittelte Anteile dieses Fonds an Frau, die vor oder nach ihrer Eheschliessung hieß. Daraus steht ihr eine Stornoreserve in Höhe von DM 202,29 zu. Soweit die Beklagte bestreitet, eine solche Reserve angelegt zu haben, steht dem ihre eigene Abrechnung vom 20.8.1993 entgegen. Erforderlich wäre hier ein Vortrag dazu gewesen, warum die Abrechnung falsch sein soll; hieran fehlt es.

Entsprechendes gilt für die Kundin, für deren Beteiligung zugunsten der Klägerin eine Stornoreserve in Höhe von DM 606,87 gebildet wurde. Hier hat das LG die Klage abgewiesen, weil die Klägerin das Vorhandensein einer Reserve nicht bewiesen habe. Die Klägerin behauptet jetzt, der Vertrag werde unter dem Namen des Lebensgefährten geführt, hierfür existiert eine Abrechnung, der die Beklagte nicht entgegen getreten ist, so dass vom Vorliegen des Anspruch ausgegangen werden muss. Soweit die Beklagte nunmehr der Ansicht ist, insoweit liege eine Klageänderung vor, kann dies dahin stehen, da diese - für den Fall, dass man sie annehmen wollte - jedenfalls sachdienlich und damit zulässig wäre.

Dass der Klägerin im Fall eine Reserve in Höhe von zumindest DM 126,43 zusteht, hat die Beklagte erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 22.10.1998 (dort S.4) ausdrücklich anerkannt (§ 288 ZPO). Hieran ist sie auch in der Berufungsinstanz gebunden (§ 532 ZPO).

2.

Von den ihr zustehenden Provisionen braucht sie sich DM 7.200.- aus der Vermittlung einer Anlage des Kunden im Fonds Sachwert plus nicht abziehen zu lassen.

Aus dieser Vermittlung stand der Klägerin eine Provision in Höhe von DM 8.000.- zu. Diese wurde ihr mit der Abrechnung 11/93 vom 21.12.1993 gutgeschrieben und - nachdem der Kunde seine Anlage storniert hatte - mit der Abrechnung 12/93 vom 17.1.1994 wieder abgezogen. In der Abrechnung 1/94 vom 22.2.1994 wurde die Provision dann abzüglich einer Stornoreserve in Höhe von DM 800.- versehentlich erneut gutgeschrieben, der Saldo dieser Abrechnung wurde aber nicht ausbezahlt. Die Beklagte hat den gutgeschriebenen Teil der Provision zurück verlangt und mit den von der Klägerin geltend gemachten Stornoreserveansprüchen verrechnet.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Auszahlung des konkreten Abrechnungssaldos nicht deswegen irrelevant, weil die Abrechnung Grundlage für die Folge- und die Endabrechnungen geworden ist. Die im Prozess vorgelegten Abrechnungen beziehen sich jeweils nur auf einen bestimmten Zeitraum, ein Übertrag vorangegangener Monate ist nicht erfolgt. Die Beklagte hätte konkret dartun müssen, dass das Provisionskonto als Kontokorrent geführt wurde. Ohne eine solche Darlegung steht nicht fest, dass die Klägerin um den irrtümlich gutgeschriebenen Betrag tatsächlich bereichert wurde. Sie ist damit nicht zur Rückzahlung verpflichtet, die Beklagte nicht zur Verrechnung.

3.

Die Klägerin kann schließlich Abrechnung ihres Stornoreserveguthabens für die von ihr über die Beklagte an die Nürnberger Versicherung vermittelten Verträge verlangen.

Dieser aus § 87c HGB folgende Auskunftsanspruch ist durch die Abrechnungen, die der Klägerin monatlich von der Beklagten erteilt wurden, nicht erfüllt. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Abrechnungen sich auf die hier in Frage stehenden Ansprüche erstreckten und nachträgliche Stornierungen, die sich auf dieses Guthaben auswirken, berücksichtigten. Zwar taucht die Versicherung auf einigen Abrechnungen auf, die Stornoreserve lässt sich aber in keinem Fall erkennen. Auch aus der Erklärung auf den einzelnen Abrechnungen "Ich bestätige, dass ich einen lückenlosen Buchauszug erhalten habe", ergibt sich nichts anderes. Eine ordnungsgemäße Abrechnung vorzutragen und im Streitfall zu beweisen wäre Aufgabe der Beklagten gewesen, die sich insoweit auf Erfüllung beruft.

4.

Weitergehende Ansprüche stehen der Klägerin dagegen nicht zu.

Solche ergeben sich aus dem nicht für die Kunden und. Zwar wurde für beide unstreitig eine Stornoreserve einbehalten, es steht jedoch nicht fest, dass diese der Klägerin zusteht. Die Beklagte hat hier eine Stornierung der Verträge durch die Kunden substantiiert dargelegt und durch Vorlage von Urkunden untermauert. Entgegen der Ansicht der Klägerin bedurfte es dabei des Vortrags von Stornierungsgründen nicht. Nach der substantiierten Darlegung der Stornierung durch die Beklagte wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, das Fortbestehen der Verträge darzulegen und zu beweisen. Dem ist mit der Vorlage eines Formbriefs des Steuerberaters F nicht Genüge getan. Es handelt sich offensichtlich um eine Drucksache (sie ist nicht unterschrieben), die an alle Kunden des Fonds herausging. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie dem Kunden auch nach der Stornierung versehentlich noch zuging; unklar ist auch, ob sie sich überhaupt auf den bezieht.

Für (Reserve DM 606,87) gilt das gleiche. Hier hat die Klägerin der durch die Beklagten belegten Stornierung Anfang 1993 einen Jahreskontoauszug entgegengesetzt, der zwar Zahlungen für das gesamte Jahr 1994 ausweist, aber nicht erkennen lässt, ob diese Zahlungen auf die hier in Frage stehende Fondsbeteiligung erfolgt sind.

5.

Keine Ansprüche stehen der Klägerin auch im Zusammenhang mit dem von Herrn einbehaltenen Scheck zu.

Deliktische Ansprüche stehen der Klägerin nach ihrem bisherigen Vortrag möglicherweise gegen Herrn nicht aber gegen die Beklagte zu. Solche ergeben sich nicht aus §§ 278, 831 BGB, weil unklar ist, inwieweit Herr "in Erfüllung" bzw. "in Ausführung" der ihm übertragenen Tätigkeit gehandelt hat. Für Bereicherungsansprüche fehlt Vortrag dazu, ob der Beklagten der Einlösungsbetrag des Schecks zugeflossen ist.

Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz erstmals auf den der Scheckbegebung zugrunde liegenden Provisionsanspruch selbst abgestellt hat, ist dieser Anspruch verjährt. Dabei kann dahin stehen, ob man von einer zwei- oder vierjährigen Verjährungsfrist nach § 196 I Nr. 1, 7, II BGB ausgeht. Diese Frist begann jedenfalls mit der Übersendung des Schecks im Juli 1993 und lief deswegen spätestens Ende 1997 aus, war also bei Einreichung der Klage im Jahre 1998 bereits verstrichen. Auf diese Einrede hat die Beklagte sich ausdrücklich berufen.

6.

Auch aus der Vermittlung zweier Versicherungsverträge mit dem Kunden steht der Klägerin eine Provision nicht zu.

Selbst wenn man insoweit zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass sie die Höhe des Provisionsanspruchs zumindest in der Berufungsinstanz schlüssig dargelegt hat, scheitert der Anspruch, weil nicht feststeht, ob der Vertrag dauerhaft zustande kam. Die Beklagte hat eine vorzeitige Vertragsbeendigung durch den Kunden nicht nur behauptet, sondern durch Vorlage entsprechender Urkunden auch belegt. Soweit die Beklagte eine solche Kündigung lediglich bestritten hat, ist dies unsubstantiiert. Beweis hat die Klägerin nur für ihre Behauptung angeboten, die Zahlungsrückstände seien ausgeglichen worden; ein Beweisantritt für die Behauptung, der Vertrag werde nach wie vor bedient, fehlt.

Auf die Frage, ob die Beklagte selbst Provision erhalten oder zurückgezahlt hat, kommt es nicht an. Die Ansicht der Klägerin, ihr Provisionsanspruch bestehe auch im Falle einer vorzeitigen Vertragsbeendigung weiter, ist unschlüssig. Hierzu fehlt es nicht nur an einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien, sondern auch an jedem Vortrag dazu, in welchem Zeitraum der Vertrag bestand und wie sich ein anteiliger Provisionanspruch berechnen soll. Trotz entsprechender Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung ist die Klägerin auf diesen Punkt in dem ihr nachgelassenen Schriftsatz nicht mehr eingegangen.

7.

Kein Anspruch ergibt sich für die Klägerin auch aus den Provisionsabrechnungen vom 1. und 25. Februar 1995. Aus welchen einzelnen Geschäften ihr der Provisionsanspruch zustehen soll, ist weiterhin völlig offen. Ansprüche aus §§ 780, 781 BGB scheitern daran, dass die Abrechnung jedenfalls für die Beklagte kein Schuldanerkenntnis darstellt. Auch wenn man davon ausgeht, dass ein solches Anerkenntnis ohne Einhaltung der Schriftform möglich gewesen wäre (§ 355 HGB), fehlt es an einem erkennbaren Rechtsbindungswillen der Beklagten insoweit. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte hier das Bestehen von Provisionsansprüchen unstreitig stellen oder solche Ansprüche gar abstrakt Schaffen wollte. Dies gilt auch für den prozessualen Vortrag der Beklagten; zumindest DM 1.000.- seien gezahlt worden.

8.

Von den Ansprüchen der Klägerin in Höhe von insgesamt DM 27.221,72 sind Gegenansprüche der Beklagten nicht abzuziehen. Soweit die Beklagte mit der Anschlussberufung Gegenforderungen geltend macht, bestehen diese nicht.

Dies gilt zunächst für die Verbindlichkeiten des Herrn in Höhe von DM 17.242,98. Für diese haftet die Klägerin nicht. Eine solche Haftung ergibt sich insbesondere nicht aus Ziff. 8 der zwischen den Parteien vereinbarten Allgemeinen Provisionsbedingungen.

Diese Klausel begründet eine Haftung der Klägerin nur für Ansprüche auf Rückzahlung von Provisionen, die an andere Vertriebspartner gezahlt wurden. Auch die Beklagte selbst versteht die Klausel nicht im Sinne einer Haftung für sämtliche Verbindlichkeiten anderer Vertriebspartner der Vertriebsgesellschaft gegenüber. Eine Beschränkung auf Ansprüche, die sich daraus ergeben, dass zunächst verdiente Provisionen zurück erstattet werden müssen, weil die Verträge nachträglich storniert wurden, folgt nicht nur aus dem Wortlaut der Klausel selbst, sondern auch aus der Interessenlage der Parteien, weil die Haftung ansonsten unüberschaubar wäre und ein durch nichts gerechtfertigtes Risiko darstellen würde.

Der Anspruch der Beklagten gegen den Vertriebsmitarbeiter beruht nicht auf einem solchen, von der Haftungsklausel erfassten Rechtsgrund. Unstreitig erhielt Herr eine Vorauszahlung, die mit den in Zukunft erwarteten Provisionen verrechnet werden sollte. Zum Zeitpunkt der Auszahlung des Geldes an ihn hatte er Verträge, aus denen konkrete Provisionsansprüche erwachsen wären, noch nicht abgeschlossen. Nachdem es zu den erhofften Vertragsabschlüssen auch später nicht kam, steht der Beklagten gegen Herrn ein Rückzahlungsanspruch nicht aus § 87a II HGB, sondern aus § 607 BGB zu. Für diesen aber muss die Klägerin nicht einstehen.

Dass die Klägerin die Auszahlung des Vorschusses an Herrn selbst veranlasst hätte, hat die Beklagte nicht bewiesen. Darauf, ob die Klägerin an sie ausbezahlte und für Herrn bestimmte Provisionen nicht an diesen weiter geleitet hat, kommt es nicht an, da hieraus möglicherweise Ansprüche des Herrn gegen die Klägerin folgen, nicht aber solche der Beklagten.

9.

Auch aus der Tatsache, dass die Klägerin Versicherungen für andere Unternehmen vermittelte, stehen der Beklagten Ansprüche nicht zu.

Zugunsten der Beklagten geht der Senat dabei davon aus, dass die Klägerin insoweit pflichtwidrig handelte (§ 2 Nr. 5, 7 des Kooperationsvertrages).

Eine Vertragsstrafe aus § 5 des Kooperationsvertrages hat die Klägerin hierdurch nicht verwirkt. Diese Klausel ist nach § 9 AGBG unwirksam, weil sie die Klägerin unangemessen benachteiligt. Dies folgt bereits aus der absoluten Höhe der Vertragsstrafe, die - ohne Anpassungsmöglichkeit - bei DM 10.000.- pro Einzelfall um ein Vielfaches über der durchschnittlichen Provision der Kapitalanlagegeschäfte liegt, die im vorliegenden Rechtsstreit erkennbar geworden sind.

Dabei ist entgegen der Ansicht der Beklagten weder auf die konkreten Provisionen im den hier vorliegenden Einzelfällen noch auf die von der Klägerin durchschnittlich verdienten Provisionen abzustellen. Auszugehen ist im Rahmen einer überindividuellen, generalisierenden Betrachtungsweise (BGHZ 22, 80; BGH NJW 1996, 2156) vielmehr von einem typischen beteiligten Kunden, dem gegenüber die Klausel Verwendung findet, im vorliegenden Fall also von einem einfachen Handelsvertreter einer durchschnittlichen Provisionsstufe.

Dessen Verdienstmöglichkeiten bleiben im Einzelfall aber weit hinter dem hier vereinbarten Betrag zurück. Selbst der Klägerin - die bereits auf einer deutlich höheren Provisionsebene stand - flossen aus dem Geschäft mit der Zeugin Provisionen nur in Höhe von DM 660,54 zu. Auch unter Einbeziehung etwaiger weiterer Provisionen aus diesem Geschäft - für die es hier indes an konkretem Vortrag der Beklagten fehlt - beträgt die Vertragsstrafe damit rund das 15-fache der Provision und ist deswegen übermäßig (BGH ZIP 1998, 1159; OLG München NZG 1998, 113). Eventuelle Folgegeschäfte können in diese Betrachtung nicht einbezogen werden, weil diese in § 4 des Vertrages ausdrücklich eigenständig vertragsstrafebewehrt sein sollen.

Eine Herabsetzung der unangemessen hohen Vertragsstrafe auf ein gesetzlich zulässiges Maß ist nicht möglich. § 6 II AGBG - der auch zwischen den Parteien gilt (§ 24a AGBG) verweist für den Fall der Unwirksamkeit einzelner Klauseln ausdrücklich auf die gesetzlichen Vorschriften, die eine Vertragsstrafe überhaupt nicht vorsehen. Etwas anderes folgt auch nicht aus der salvatorischen Vertragsklausel (§ 6 Nr. 6). Dem steht nicht nur die eindeutige Regelung des 6 II AGBG entgegen, sondern auch das Transparenzgebot entgegen, da ansonsten bei Vertragsschluss nicht klar wäre, was nun vereinbart ist (OLG Celle, WM 1994, 893; KG NJW 1998, 829; BGH NJW-RR 88, 796).

Die Vertragsverletzung hindert die Klägerin auch nicht nach § 242 BGB, ihre Ansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann eine Verwirkung nicht vorliegen, da es an jedem Anhaltspunkt dafür fehlt, dass die Klägerin ihr Recht über längere Zeit nicht geltend gemacht hat und die Beklagte darauf vertrauen durfte, dass dies auch zukünftig nicht mehr geschieht. Denkbar wäre allein die Fallgruppe unzulässiger Rechtsausübung, die vorliegen kann, wenn der Gläubiger eigene Rechte geltend macht, ohne zugleich eigene Pflichten zu erfüllen. Auch dies aber führt regelmäßig nur zu einer Schadensersatzpflicht, nicht zu einem Wegfall der eigenen Rechte (BGH NJW 1971, 1747; Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 242, Rdnr. 46). Etwas anderes folgt aus den von der Beklagten zitierten Entscheidungen (BGH BB 1969, 60; OLG Koblenz BB 1973, 866) nicht. Während der BGH sich zu den Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung gar nicht äußert, nimmt das OLG Koblenz allenfalls einen Verlust der Provisionsansprüche aus dem Vertragsverhältnis an, in dem die Pflichtverletzung erfolgte, nicht jedoch sonstiger Provisionsansprüche.

Schadensersatzansprüche, wie sie der Beklagten dem Grunde nach zustehen können, sind hier zumindest der Höhe nach nicht substantiiert geltend gemacht. Soweit sie mit ihrem letzten Schriftsatz die Schadenshöhe mit den entgangenen eigenen Provisionsansprüchen berechnen will, ist dies nicht nachvollziehbar. Schon der Ansatz eines Werts von DM 50.000.- für den Fall ist willkürlich und durch nichts gerechtfertigt; gegebenenfalls hätte die Beklagte hier zunächst einen Auskunftsanspruch geltend machen müssen. Auch die Berechnung selbst ist nicht nachvollziehbar, weil weder erkennbar ist, inwieweit von der Beklagten für nachgeordnete Vertriebsmitarbeiter zu zahlende Unterprovisionen abzuziehen sind noch, warum für so unterschiedliche Versicherungsarten wie Lebens- und Hausratversicherung die gleichen Provisionssätze gelten sollen. Offen geblieben ist auch, inwieweit die Pflichtverletzung der Klägerin entgangene Provisionen der Beklagten überhaupt kausal war (Hätten die Kunden Verträge der vorliegenden Art bei der Beklagten abschließen können und tatsächlich abgeschlossen?). Dies alles kann auch von einem Sachverständigen ohne weitere Offenlegung der Vertriebs- und Provisionsstruktur nicht geklärt werden.

10.

Der Zinsanspruch steht der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens aus §§ 284, 286 I, 288 BGB zu.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Parteien in dem Umfang zu tragen, in dem sie bezüglich der Hauptsache unterlegen sind, wobei die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Forderungen einzubeziehen waren (§ 92 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708. Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Festsetzung des Werts der Beschwer erfolgt gemäß § 546 II ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück