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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 02.11.2005
Aktenzeichen: 9 U 13/01
Rechtsgebiete: BGB, RBerG


Vorschriften:

BGB § 172
RBerG § 1
Zu den Rückabwicklungsansprüchen des Darlehensnehmers bei einem wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksamen Darlehensvertrages, mit dem ein Fondsbeitritt finanziert wurde
Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten Befreiung von den im Zusammenhang mit einer Fondsbeteiligung und des zur Finanzierung aufgenommenen Darlehens entstandenen Verbindlichkeiten.

Am 14.9.1992 unterzeichnete der Kläger einen sog. "Zeichnungsschein", in dem er einer Treuhandfirma den Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrags anbot und ihr eine Vollmacht erteilte. Am 6.10.1992 wurde seine Unterschrift unter eine weitere Vollmacht notariell beglaubigt. In Ausnutzung der Vollmacht gab die Treuhänderin namens des Klägers am 28.7.1993 ein Schuldversprechen mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ab und schloss am 20.12.1993 mehrere Darlehensverträge, aus denen der Kläger quotal verpflichtet werden sollte. Zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs wurden der Beklagten Ansprüche aus einer Lebensversicherung abgetreten.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 21.12.2000 abgewiesen, die Berufung hiergegen wurde durch den Senat am 30.1.2002 zurückgewiesen. Mit Urteil vom 14.6.2004 hat der BGH dieses Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen dieser Urteile wird Bezug genommen.

In der neuerlichen Berufungsinstanz hat der Kläger zunächst auch Rückerstattung der auf den Kaufpreis des Fondsanteils erbrachten Eigenleistung in Höhe von EUR 11.248,42 sowie Freistellung von allen Verpflichtungen aus dem Fondsbeitritt und den Darlehensverträgen verlangt. Nachdem er diese Ansprüche in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, verfolgt er mit dem Zahlungsantrag seinen Anspruch auf Rückzahlung der auf das Darlehen erbrachten Zinsen und beantragt nunmehr, in Abänderung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Übertragung des Gesellschaftsanteils des Klägers an dem A-Gewerbefonds Nr. .. Büro- und Geschäftshaus "B" O1 GbR in Höhe der Beteiligungssumme von DM 200.000,00 sowie gegen Abtretung aller gegen die Gründungsgesellschafter dieses Fonds und gegen die Verantwortlichen des zugrunde liegenden Fondsprojekts bestehender Ansprüche

a) an ihn EUR 18.466,16 nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Diskontsatz der Bundesbank für die Zeit bis zum 30.4.2000 und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2000 zu zahlen;

b) an ihn die Originalversicherungspolice zu der bei der C abgeschlossenen Lebensversicherung, Versicherungsschein-Nr. ..., herauszugeben,

hilfsweise an ihn alle der Beklagten zur Sicherung der Darlehensverträge vom 15/20.12.1993 abgetretenen gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche aus der bei der C abgeschlossenen Lebensversicherung, Versicherungsschein-Nr. ..., zurückabzutreten;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Übernahme des klägerischen Anteils an der A-Gewerbefonds .. Büro- und Geschäftshaus "B" O1 GbR und der Annahme des Angebots des Klägers zur Abtretung aller gegen die Gründungsgesellschafter dieses Fonds und gegen die Prospektverantwortlichen bestehenden Ansprüche in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte hat der Klagerücknahme zugestimmt und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene erstinstanzliche Urteil und hält das Revisionsurteil in zentralen Teilen für falsch. Wegen ihres Vorbringens im Einzelnen wird auf ihren Schriftsatz vom 31.1.2005 (Bl. 100 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat, soweit über sie durch das Urteil des Bundesgerichtshofs nicht bereits abschließend entschieden ist, überwiegend Erfolg.

Der Kläger kann von der Beklagten Rückzahlung der auf das Darlehen geleisteten Zinsen in Höhe von EUR 18.466,16 verlangen. Ein dahingehender Anspruch steht ihm unter dem Gesichtspunkt des Bereicherungsausgleichs aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative BGB zu, weil die Beklagte diese Beträge ohne Rechtsgrund erlangt hat. Zinsen standen ihr aus dem Darlehensvertrag nicht zu, weil der Kläger bei Abschluss dieses Darlehensvertrags durch die Treuhänderin nicht wirksam vertreten wurde. Deren Vollmacht war wegen Fehlens einer Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz unwirksam (§ 134 BGB i.V.m. Art 1 § 1 Abs. 1 RBerG), eine Genehmigung liegt genauso wenig vor, wie eine Vertretungsmacht aus Rechtsscheinsgesichtspunkten oder eine aus Treu und Glauben folgende Einschränkung der Befugnis des Klägers, sich auf diese Unwirksamkeit zu berufen. Dies steht nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs fest, an die der Senat nach § 563 Abs.2 ZPO gebunden ist. Die Höhe des Rückzahlungsanspruchs entspricht den vom Kläger gezahlten Zinsen abzüglich der vom Fonds ausgeschütteten Gewinne und ist zwischen den Parteien unstreitig. Soweit die Beklagte beide Teilsummen bestritten hat, ist dies unsubstantiiert. Hier genügt ein schlichtes Bestreiten nicht, erforderlich wäre eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Kläger vorgetragenen Berechnungsgrundlagen gewesen. Dieser Mangel im Vortrag der Beklagten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 28.9.2005.

Aus dem gleichen Rechtsgrund kann der Kläger von der Beklagten auch Herausgabe der Lebensversicherungspolice verlangen, da der Rechtsgrund der Sicherungsabrede mangels wirksamen Darlehensvertrags nicht besteht.

Ein Anspruch auf die hinsichtlich des Zahlungsantrags zugesprochenen Zinsen ergibt sich aus § 818 Abs. 1 BGB. Danach können die von Kreditinstituten herauszugebenden Nutzungen mit einem Zinssatz von 5% über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ohne Kapitalisierung der Zinsen berechnet werden (BGH NJW 1998, 2529 ff.; Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 818 Rn. 10). Die Höhe des Zinssatzes ist, wenn - wie hier - hinreichende Angaben zur Berechnung der durchschnittlichen Wiederanlagezinsen fehlen, gem. § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen. Dabei sind das allgemeine Zinsniveau und seine Veränderungen in dem Zeitraum, in dem der Betrag zur Anlage zur Verfügung steht, zu berücksichtigen. Dies kann durch Anknüpfung an den Diskontsatz und einen Aufschlag von 5% geschehen (BGH NJW 1998, 2529, 2530). Im konkreten Fall sind daher bis zum 30.4.2000 5 % Zinsen über dem Diskontsatz und ab diesem Zeitpunkt fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit 1.5.2000 zu zahlen (so auch OLG München, 5 U 4726/02).

Unbegründet ist hingegen der Antrag des Klägers auf Feststellung des Annahmeverzugs hinsichtlich der Übernahme der Gesellschaftsanteile und der Annahme des Angebots des Klägers zur Abtretung aller gegen die Gründungsgesellschafter und Prospektverantwortlichen bestehenden Ansprüche. Gläubigerverzug liegt nach § 293 BGB dann vor, wenn die Erfüllung des Schuldverhältnisses dadurch verzögert wird, dass der Gläubiger die seinerseits erforderliche Mitwirkung, insbesondere die Annahme der Leistung, unterlässt. Die §§ 293 ff. BGB gelten daher für alle Leistungspflichten, zu deren Erfüllung eine Mitwirkung des Gläubigers erforderlich ist. Hiervon zu unterscheiden ist die Pflicht des Gläubigers, eine Willenerklärung abzugeben. Dies ist keine Leistungspflicht, mit der der Gläubiger nach §§ 293 ff. BGB in Verzug geraten kann. Denn die Regeln des Gläubigerverzugs sind auf die Abgabe von Willenserklärungen nicht anwendbar, da der Schuldner den Leistungserfolg auch ohne Mitwirkung des Gläubigers herbeiführen kann (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 293 Rn. 2; MüKo/Ernst, BGB, 4. Aufl. 2003, § 293 Rn. 2). Vorliegend beschränkt sich die Mitwirkungshandlung der Beklagten bei der Abtretung der Fondsanteile auf die Annahme der Abtretungserklärung des Klägers. Insoweit ist lediglich die Abgabe einer Willenserklärung geschuldet mit der Folge, dass die Regeln des Annahmeverzugs keine Anwendung finden.

Das von der Beklagten angeregte Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht kommt nicht in Betracht. Die Frage, ob die derzeitige Anwendung und Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG mit verfassungsrechtlichen Prinzipien übereinstimmt, ist für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung, die Anwendung des Rechtsberatungsgesetzes ist nach Auffassung des Senats verfassungsrechtlich unbedenklich.

Von den Kosten des Rechtsstreits in den einzelnen Instanzen hat die Beklagte diejenigen zu tragen, die auf den Zinsrückzahlungsanspruch in Höhe von EUR 18.466,16 entfallen, da sie insoweit unterlegen ist (§ 92 ZPO). Die übrigen Kosten (für die ersten drei Instanzen nur aus dem Wert des Freistellungsanspruchs in Höhe von EUR 90.907,70, für die erneute Berufungsinstanz auch aus dem um EUR 10.253,84 erweiterten Zahlungsanspruch) fallen dem Kläger als Folge seiner Klagerücknahme (§ 269 III ZPO) bzw. seines Teilunterliegens (§ 92 ZPO) zur Last.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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