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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 24.01.2007
Aktenzeichen: 9 U 13/06
Rechtsgebiete: HWiG


Vorschriften:

HWiG § 1
HWiG § 3
Keine Vermutung der Kausalität der Haustürsituation für die Vertragserklärung des Verbrauchers, wenn zwischen dem Vertreterbesuch und der Erklärung 12 Wochen liegen.
Gründe:

I.

Die Kläger verlangen Rückzahlung von Leistungen, die sie auf ein Darlehen erbracht haben, mit dem sie ihre Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zu Steuersparzwecken finanziert haben.

Die Kläger beteiligten sich am 6.10.1989 an einem von Herrn A und der B GmbH initiierten geschlossenen Immobilienfonds. Zur Finanzierung der Beteiligungssumme bot ihnen die Beklagte unter dem 24.11.1989 schriftlich einen Darlehensvertrag über 58.988,- DM an, den die Kläger am 15.12.1989 unterzeichneten und zurücksandten. In der Folgezeit erbrachten sie die vereinbarten Leistungen auf das Darlehen.

Nachdem die B GmbH zahlungsunfähig geworden und Herr A wegen Straftaten im Zusammenhang mit den von ihm gegründeten Immobilienfonds verurteilt worden war, widerriefen die Kläger den Darlehensvertrag nach dem Haustürwiderrufsgesetz. Sie behaupten, Fondsbeitritt und Darlehensvertragsschluss beruhten auf Hausbesuchen des Vermittlers C zwischen dem 15. und 20. September 1989.

Mit der vorliegenden Klage verlangen sie Zug um Zug gegen Abtretung des Fondsanteils die auf das Darlehen gezahlten 27.959,69 € zurück und wollen festgestellt haben, dass der Beklagten Ansprüche aus dem Darlehensvertrag nicht zustehen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 30.12.2005 abgewiesen, weil die Kausalität der (unterstellten) Haustürsituation für den Darlehensvertragsschluss nicht feststehe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, die an ihren erstinstanzlichen Anträgen festhalten.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache indes keinen Erfolg.

Die Kläger können Rückzahlung der auf das Darlehen erbrachten Leistungen nicht verlangen. Ein dahingehender Anspruch steht ihnen insbesondere nicht aus § 3 HTWG a.F. zu, weil sie den Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen haben. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine Haustürsituation (sollte sie vorgelegen haben) für den Abschluss des Darlehensvertrages jedenfalls nicht mehr ursächlich gewesen sein kann.

Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 HTWG besteht nur, wenn er durch mündliche Verhandlungen in einer Haustürsituation zu seiner späteren Vertragserklärung bestimmt worden ist. Dabei genügt es, dass er in eine Lage gebracht worden ist, in der er in seiner Entschließungsfreiheit, den ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen, beeinträchtigt war (BGH Urteil vom 20.1.2004 -XI ZR 460/02-; Urteil vom 8.6.2004 -XI ZR 167/02-; Urteil vom 9.5.2006 -XI ZR 119/05-). Die Willenserklärung des Verbrauchers muss im entscheidenden Beweggrund durch die Haustürsituation veranlasst worden sein. Auch wenn dabei eine Mitverursachung genügt, so ist doch erforderlich, dass der Vertrag ohne die Überrumpelung nicht oder zumindest nicht so zustande gekommen wäre.

Ist die Vertragserklärung nicht unmittelbar in der Haustürsituation sondern zeitlich danach abgegeben worden, so muss im Einzelfall geprüft werden, ob das durch die Verhandlungen in der Privatwohnung geschaffene Überraschungsmoment noch fortgewirkt hat. Dazu ist enger zeitlicher Zusammenhang nicht unbedingt erforderlich (BGH Urteil vom 26.10.1993 -XI ZR 42/3-; Urteil vom 16.1.1996 -XI ZR 116/95-; Urteil vom 20.5.2003 -XI ZR 248/02-). Liegt er vor, so kann auf das Fortwirken zwingend geschlossen werden. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand aber nimmt die Indizwirkung ab und entfällt schließlich ganz (BGH Urteil vom 21.1.2003 -XI ZR 125/02-; Urteil vom 20.5.2003 - XI ZR 248/02-; Urteil vom 22.10.2003 -IV ZR 398/02-; Urteil vom 9.5.2006 -XI ZR 119/05-). In diesen Fällen kann auf die Kausalität der Überrumpelung nur noch durch Würdigung aller Umstände im Einzelfall geschlossen werden.

Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist und welche Bedeutung anderen Umständen im Rahmen der Kausalitätsprüfung zukommt, ist Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalles, die jeweils dem Tatrichter obliegt und die in der Revision nur beschränkt überprüft werden kann (BGH Urteil vom 21.1.2003 -XI ZR 125/02-; Urteil vom 18.3.2003 -XI ZR 188/02-; Urteil vom 20.5.2003 -ZR 248/02-; Urteil vom 22.10.2003 -IV ZR 398/02-; Urteil vom 20.1.2004 -XI ZR 460/02-; Urteil vom 9.5.2006 -XI ZR 119/05-), so dass insoweit den Entscheidungen des BGH nur bedingte Aussagekraft zukommt. In diesen Entscheidungen hat der BGH bislang offen gelassen, ob ein Anscheinsbeweis zugunsten des in einer Haustürsituation geworbenen Verbrauchers nach der allgemeinen Lebenserfahrung gewöhnlich schon nach einer Woche entfällt (problematisiert von BGH Urteil vom 9.5.2006 -XI ZR 119/05-), hat aber einen Zeitraum von knapp drei Wochen hierfür jedenfalls dann ausreichen lassen, wenn weitere, den Kausalverlauf in Frage stellende Umstände hinzutreten (BGH Urteil vom 9.5.2006 -XI ZR 119/05-).

Im vorliegenden Fall kann von einer Kausalität der Haustürsituation für den späteren Abschluss des Darlehensvertrages nicht mehr ausgegangen werden. Unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags fanden Vertragsverhandlungen in ihrer Wohnung an einem Tag zwischen dem 15. und 20.9.1989 statt, ein weiterer Wohnungsbesuch des Vermittlers folgte am 23.9.1989. Die Beklagte übersandte den schriftlichen Darlehensvertrag nicht vor dem 24.11.1989, die Unterzeichnung durch die Kläger erfolgte erst am 15.12.1989. Damit lagen zwischen dem letzten Hausbesuch und der Vertragserklärung der Kläger rund 12 Wochen.

Hinzu kommt, dass die Kläger sich nicht wie überrumpelte Verbraucher verhalten haben. Sie haben Fondsbeteiligung und Finanzierung nicht bereits beim ersten Hausbesuch des Vermittlers akzeptiert, sondern sich mit der Vereinbarung weiterer Beratungstermine Überlegungszeit verschafft. Dem Beitritt zur Fondsgesellschaft ist die notarielle Beurkundung eines Treuhandvertrages vorangegangen, bei der die Kläger belehrt wurden und die Tragweite ihrer Entschließung erkennen mussten. Über Jahre haben sie ihre aus dem Steuersparmodell resultierenden Rechte wahrgenommen und ihre Pflichten erfüllt ohne dass sich ihrem Verhalten irgendein Anzeichen dafür entnehmen lässt, dass sie sich bei Eingang der Verpflichtungen überrumpelt und in ihrer Entschließungsfreiheit beeinträchtigt gefühlt hätten. Sie haben an ihrer Absicht, von der angebotenen Möglichkeit einer steuersparenden Kapitalanlage Gebrauch zu machen, uneingeschränkt über den Zeitraum hinaus festgehalten, für den eine Überrumpelung angenommen werden kann.

Erst 2001, d. h. mehr als 11 Jahre nach dem Vertragsschluss, als das Anlagemodell wirtschaftlich gescheitert war und weitere Vorteile aus dem Anlagemodell nicht mehr erzielt werden konnten, haben sie einen Widerruf nach dem Haustürwiderrufsgesetz erklärt.

Eine Kausalität der Haustürsituation für den Abschluss des Darlehensvertrags ergibt sich auch nicht aus den von den Klägern vorgetragenen Umständen.

Entgegen der Ansicht der Kläger ist eine darlehensvertragliche Bindung der Beklagten gegenüber nicht bereits durch die Unterzeichnung der Selbstauskunft eingetreten. Soweit es in dieser (Bl. 91 d.A.) heißt, falsche Angaben könnten "zur Ablehnung oder fristlosen Kündigung des beantragten Darlehens" führen, stellt dies weder eine vertragliche Bindung dar, noch konnte die Formulierung von den Klägern bei verständiger Würdigung als solche verstanden werden. Das Formular ist eindeutig als " Einkommens- und Vermögensauskunft" überschrieben und enthält nicht eine einzige der für einen Darlehensvertrag erforderlichen Angaben, weder den Darlehensgeber noch die Darlehenshöhe oder die Darlehenskonditionen.

Die Kläger durften bei verständiger Würdigung auch nicht davon ausgehen, dass eine endgültige Bindung auch bezüglich der Finanzierung bereits durch den Fondsbeitritt eingetreten war. Spätestens mit der Zusendung der Darlehensunterlagen durch Beklagte muss ihnen klar geworden sein, dass es zum Abschluss des Darlehensvertrags einer weiteren Willensentschließung bedurfte. Im Anschreiben der Beklagten vom 24.11.1989 ist ausdrücklich klargestellt, dass der Fondsbeitritt bereits erfolgt ist und nunmehr eine Finanzierung angeboten wird, die durch Unterzeichnung gesondert angenommen werden muss.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht dann, wenn man mit den Klägern davon ausgeht, dass Fondsbeitritt und Darlehensvertrag ein verbundenes Geschäft i.S.d. § 9 VerbrKrG darstellen. Ob einer der verbundenen Verträge als Haustürgeschäft widerrufen werden kann, richtet nach den Voraussetzungen des HTWG. Die danach erforderliche Kausalität der Überrumpelung für den Vertragsschluss ist beim verbundenen Geschäft nicht anders zu bewerten als bei einem isolierten Vertrag.

III.

Die Kosten des Rechtsmittels haben die Kläger zu tragen, da es ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 I ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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