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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.08.2001
Aktenzeichen: 9 U 140/00
Rechtsgebiete: BNotO, BeurkG, AktG, BGB, ZPO


Vorschriften:

BNotO § 24 Abs. 2 S. 2
BNotO § 24 Abs. 1
BNotO § 14 Abs. 2
BNotO § 23
BNotO § 24 Abs. 2. S. 1
BNotO § 19 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2
BeurkG § 54 a Abs. 2 Ziff. 1
BeurkG § 54 a Abs. 3
BeurkG § 54 d
AktG § 185 Abs. 2 in V. m. Abs. 1 Ziff. 4
AktG § 188
AktG § 188 Abs. 3
BGB § 812
BGB § 284
BGB § 288 a.F.
BGB § 255
ZPO § 149
ZPO § 97
ZPO § 708 Ziff. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 546 Abs. 1
Zur Haftung eines Notars bei Annahme von Zahlungen durch Anleger für Kapitalerhöhungen einer Aktiengesellschaft.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 08.08.2001

In dem Rechtsstreit ...

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 9. August 2000 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 58.674,90 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 6. April 2000 Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche des Klägers in Höhe der Klageforderung aus vertraglicher und gesetzlicher Haftung gegen die M.- AG, gegen deren früheren Vorstand, Herrn W., ..., gegen deren früheren Vorstand, Herrn R., ..., gegen deren früheren Vorstand, Herrn M., ... , gegen deren früheren Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Herrn G., ... , gegen deren früheren Alleinaktionär und anwaltlichen Berater, Herrn Rechtsanwalt CM., ... , und gegen deren Berater, Herrn B., ... zu zahlen. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer beträgt 58.674,90 DM.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen einer angeblichen Amtspflichtverletzung als Notar in Anspruch.

Am 10. 7. 1998 beurkundete der Beklagte die Gründung der Mx.-AG. Gründer und Alleinaktionär war Rechtsanwalt CM., der als Treuhänder für B. und dessen Familienangehörige auftrat. Diese Firma wurde am 14. 10. 1998 mit einem Stammkapital von 100.000,- DM im Handelsregister Bad Homburg eingetragen. Das Stammkapital wurde später auf 306.775,13 Euro erhöht. Die AG änderte durch Beschluß vom 24. 8. 1999 ihre Firma in M.- AG (im folgenden: AG) um und verlegte ihren Sitz nach Saarbrücken. Diese Änderungen wurden am 22. 3. 2000 im Handelsregister in Saarbrücken eingetragen. Am 28. 7. 1999 wurden M. und R. und am 28. 9. 1999 W. zum Vorstand bestellt.

Am 1. 3. 1999 beschloß die AG, die Aktien auf Stückaktien umzustellen, das Grundkapital von 306.775 Euro auf 2.500.000 Euro zu erhöhen und zu diesem Zweck 2.193.225 Inhaber-Stück Aktien zu je 1 Euro auszugeben. Der Beschluß wurde am 2. 7. 1999 geringfügig abgeändert. Weder der Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals noch die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals wurden im Handelsregister eingetragen. Die Eintragung wird voraussichtlich auch nicht mehr erfolgen, weil der AG die hierfür erforderlichen Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen. Im Juli 1999 bat der damalige Vorstand der AG den Beklagten, ein Konto einzurichten, um hierauf die Einzahlungen von Anlegern für die am 2. 7. 1999 beschlossene Kapitalerhöhung entgegenzunehmen. Der Beklagte eröffnete daraufhin am 6. 8. 99 das Konto Nr. ... bei der Frankfurter Volksbank in Bad Homburg. Auf dieses Konto wurden in der Zeit vom 23. 8. 1999 bis Januar 2000 über 1,9 Mio. DM eingezahlt.

Die AG warb in der Folgezeit Anleger, die die neuen Aktien zeichnen sollten. Sie entwickelte ohne Einschaltung des Beklagten für die vorgesehene Kapitalerhöhung Zeichnungsscheine (Bl. 10 d.A.). Diese enthalten keine Angabe über den Zeitpunkt, an dem die Zeichnung unverbindlich ist, wenn nicht bis dahin die Erhöhung des Grundkapitals eingetragen ist.

In den Zeichnungsscheinen heißt es u.a.: "Den Kaufpreis zahle ich wie folgt: Überweisung auf das Konto Rechtsanwalt und Notar H, Frankfurter Volksbank e.G. in Bad Homburg, Verwendungszweck M.- AG Bankleitzahl 501 900 00 Kontonummer ...".

Am 8. 10. 1999 zahlte der Kläger 58.674,90 DM auf das im Zeichnungsschein angegebene Konto des Beklagten ein.

Zeitgleich wurde dem Beklagten von Herrn W. die Kopie eines mit Datum vom 6. 10. 1999 versehenen Zeichnungsscheines zugefaxt, in dem es heißt, daß der Kläger 30.000 Stammaktien zum Ausgabepreis von 1 Euro zeichnet (Bl. 10 d.A.). Der Zeichnungsschein weist als Unterschrift den Namen des Klägers auf.

Mit Schreiben vom 11. 10. 1999 bestätigte der Beklagte dem Kläger den Eingang der Zahlung von 58.674,90 DM auf das Treuhandkonto Nr. 84175.7 bei der Frankfurter Volksbank e.G. (Bl. 13 d.A.).

Bereits am 12. 10. 1999 leitete der Beklagte auf Verlangen des Vorstandsmitglieds R. der AG den eingegangen Betrag an diese weiter (vgl. Bl. 42 d.A.).

Im März 2000 schlug der Vorstand der AG den Anlegern vor, für die geleistete Einlage anstelle von Aktien ihrer Gesellschaft Aktien einer börsennotierten Aktiengesellschaft, deren Aktien die AG gekauft habe, zu tauschen. Es heißt in dem Angebot weiter: "Zug um Zug gegen Aushändigung der O.- Aktien bestätigen Sie, daß Sie keinen weiteren Anspruch gegen die M.-AG haben. Sie verpflichten sich, etwaige, nicht gegen die Gesellschaft selbst gerichtete Ansprüche, die sich aus Pflichtverletzungen oder ähnlichem ergeben und zu einem Ausgleich womöglich entstehenden Schadens führen könnten, höchst vorsorglich an die O.- AG auf Anfordern an diese Zug um Zug gegen die Aushändigung der O.- Aktien abzutreten." (Bl. 177 d.A.).

Der Kläger stimmte dem Umtauschangebot zu (Bl. 178 d.A.), focht seine Erklärung aber später wegen arglistiger Täuschung an.

Im Mai 2000 teilte der Vorstand der AG dem Kläger mit, daß die AG nicht in der Lage sei, die Einlagen zurückzuzahlen und die Zeichner weitere 1,5 Mio. DM aufbringen müßten, um die AG in die Lage zu versetzen, von der S. Grundbesitz- und Beteiligungs-AG Aktien der O.- AG zu erwerben.

Der Kläger hat den Beklagten auf Ersatz des auf sein Konto überwiesenen Betrags in Anspruch genommen.

Er hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 58.674,90 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28. 3. 2000 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, daß ein Treuhandverhältnis lediglich zwischen seiner Auftraggeberin, der AG und ihm, nicht aber zum Kläger zustandegekommen sein. Deshalb sei er auch verpflichtet gewesen, die eingehenden Gelder auf Anfordern an die AG auszuzahlen.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 9. 8. 2000 (Bl. 84 ff d.A.), das dem Beklagten am 25. 8. 2000 zugestellt worden ist, bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen stattgegeben. Hiergegen hat der Beklagte am 25. 9. 2000 Berufung ein- gelegt und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 11. 12. 2000 an diesem Tag begründet.

Der Beklagte bestreitet, daß der Kläger den Zeichnungsschein unterzeichnet hat. Außerdem macht er geltend:

Der Kläger sei nicht Auftraggeber eines notariellen Verwahrgeschäfts gewesen. Er habe ihn weder um eine Tätigkeit ersucht noch einen Auftrag mit bestimmten Weisungen erteilt. Im Zeichnungsschein sei er nur als Zahlstelle angegeben gewesen. Der Kläger müsse deshalb primär die eigentlichen Schädiger, die die Anlagegelder veruntreut hätten, in Anspruch nehmen.

Die Anleger hätten gewußt, daß der Beklagte den Auftrag hatte, bei ihm eingehende Beträge unmittelbar an die AG auszuzahlen. Sie hätten nur deshalb auf das von ihm eingerichtete Konto gezahlt, um Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu schaffen.

Dem Kläger sei durch sein Verhalten kein Schaden entstanden, denn die Aktien, die er hätten erwerben können, seien ohnehin wertlos. Zudem sei sein Verhalten für den Schaden des Klägers nicht ursächlich. Der Vorstand der AG hätte das Geld noch unmittelbar vor oder nach der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung veruntreuen können, denn die Anleger seien ohnehin verpflichtet gewesen, die Mittel vor der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung der AG zur freien Verfügung zu überlassen. Eine Kontrolle, die geeignet gewesen sei, eine zweckwidrige Verwendung der Mittel auszuschließen, sei nach dem Aktienrecht nicht möglich gewesen.

Er meint, den Kläger treffe ein Mitverschulden, weil ihm das Geld ohne jegliche Weisung überwiesen worden sei.

Mit der Unterzeichnung des Umtauschvertrages für die O.- Aktien habe der Kläger konkludent der Weiterleitung des eingezahlten Geldes an die AG nachträglich zugestimmt. Er habe seinen Anspruch aus § 812 BGB gegen die AG eingesetzt, um ein anderes Wirtschaftsgut, nämlich O.--Aktien zu erhalten. Er beruft sich hilfsweise auf ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen die AG, ihre früheren Vorstandsmitglieder, den Aufsichtsratsvorsitzenden, den Alleinaktionär und dessen Berater, beantragt das Verfahren gemäß § 149 ZPO bis zum Abschluß des gegen die Vorstandsmitglieder der AG gerichtete Ermittlungsverfahrens auszusetzen und regt an, für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise eine Verurteilung nur auszusprechen Zug- um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus vertraglicher oder gesetzlicher Haftung gegen die M.- AG, deren früheren Vorstand, Herrn W., ..., deren früheren Vorstand, Herrn R., ..., deren früheren Vorstand, Herrn M., ...; deren früheren Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Herrn G., ..., deren früheren Alleinaktionär und anwaltlichen Berater, Herrn Rechtsanwalt CM., ... und deren Berater, Herrn B., ... .

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß eine Verurteilung nur Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus vertraglicher oder gesetzlicher Haftung gegen die M.- AG, Herrn W., Herrn R., Herrn M., Herrn G., Herrn Rechtsanwalt CM. und Herrn B., ... begehrt wird.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung bleibt ohne Erfolg.

Der Beklagte ist dem Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der ihm dadurch entstanden ist, daß er die auf sein Konto Nr. 841.757 eingezahlten 58.674,90 DM an die AG ausgezahlt hat. Denn er hat hierdurch seine Amtspflichten als Notar schuldhaft verletzt (§ 19 BNotO).

Der Beklagte hat eine notarielle Amtshandlung vorgenommen, als er den ihm vom Kläger auf das von ihm eingerichtete Konto überwiesenen Betrag entgegengenommen und über ihn verfügt hat.

Nach § 24 Abs. 2 S. 2 BNotO ist anzunehmen, daß ein zugleich als Rechtsanwalt zugelassener Notar immer dann als Notar tätig wird, wenn er Handlungen der in § 24 Abs. 1 BNotO bezeichneten Art vornimmt, die dazu bestimmt sind, Amtsgeschäfte der in §§ 20 bis 23 BNotO bezeichneten Art vorzubereiten oder auszuführen. Liegen die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht vor, ist nach § 24 Abs. 2 S. 2 BNotO im Zweifel anzunehmen, daß der Anwaltsnotar als Rechtsanwalt tätig geworden ist. Derartige Zweifel bestehen nicht, wenn nach den objektiven Umständen, insbesondere nach der Art der Tätigkeit, eine Aufgabe zu erfüllen ist, die in den Bereich notarieller Amtstätigkeit fällt (BGH NJW 1997, 661, 662). So ist es hier, denn nach § 23 BNotO gehört es zu den Amtsgeschäften eines Notars, Geld, das ihm von den Beteiligten übergeben wird, zur Aufbewahrung oder zur Ablieferung an Dritte zu übernehmen (vgl. auch Reithmann in Seybold/Hornig BNotO 7. A. § 23 RZ 1).

Dafür, daß der Beklagte selbst von einer Amtstätigkeit als Notar ausgegangen ist, spricht im übrigen auch, daß er dem Kläger den Empfang des Geldes auf sein "Treuhandkonto" bestätigt und sein Schreiben vom 11. 10. 1999 mit dem Zusatz "Rechtsanwalt und Notar" unterzeichnet hat. Der Beklagte hat gegen die ihm als Notar obliegenden Amtspflichten verstoßen, als er auf das Ansuchen der AG das Konto bei der Frankfurter Volksbank einrichtete, den vom Kläger auf dieses Konto überwiesenen Betrag entgegennahm und ihn sodann an die AG auszahlte.

Zu seinen Amtspflichten als unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten (§ 14 Abs. 1 BNotO) gehörte es gemäß § 54 a Abs. 2 Ziff. 1 BeurkG, Geld nur dann zur Verwahrung entgegenzunehmen, wenn hierfür ein berechtigtes Sicherungsinteresse der am Verwahrungsgeschäft beteiligten Personen besteht. Gemäß § 54 a Abs. 3 BeurkG darf er einen Verwahrungsantrag nur dann annehmen, wenn die mit ihm verbundene Verwahrungsanweisung dem Sicherungsinteresse aller am Verwahrungsgeschäft beteiligten Personen genügt. Dabei sind Beteiligte in diesem Sinne alle, die die Tätigkeit des Notars in Anspruch nehmen, gleichviel, wer die Angelegenheit zuerst vor den Notar gebracht hat (Schippel in Seybodl/Hornig a.a.O. § 14 RZ 36).

Das Ansuchen der AG, ein Konto einzurichten, die auf dieses Konto eingehenden Gelder der Anleger entgegenzunehmen und sodann auf ihr Anfordern an sie auszuzahlen, genügte diesen Anforderungen nicht. Der Beklagte hätte es schon deshalb gemäß § 14 Abs. 2 BNotO zurückweisen müssen (vgl. auch OLG Hamm DNotZ 1997, 229 ff mit Anmerkung von Reithmann). Mit der ihm angetragenen Verwahrungsanweisung konnte dem Sicherungsinteresse der am Verwahrungsgeschäft beteiligten Anleger nicht Rechnung getragen werden. Die Einzahlung auf das Konto des Beklagten bot den Anlegern unter diesen Umständen keine größere Sicherheit, als wenn sie ihre Einlage unmittelbar auf ein Bankkonto der AG überwiesen hätten. In beiden Fällen bestand für sie gleichermaßen das Risiko, daß der eingezahlte Betrag von der AG zweckwidrig verwendet wurde und ihr im Zeitpunkt der Anmeldung der Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals ins Handelsregister nicht mehr zur Verfügung stand.

Indem der Kläger 58.674,90 DM auf das Konto des Beklagten überwies, ist auch er mit dem Ansuchen zur Ausübung eines Verwahrgeschäfts an den Beklagten herangetreten. Mit der Überweisung auf das Konto des Beklagten war konkludent der Antrag auf Verwahrung des Geldes bzw. auf Eröffnung des Treuhandverfahrens (Reithmann in Seybold/Hornig a.a.O. § 23 RZ 36) verbunden. Denn der Kläger war als derjenige, der Zahlungen auf ein Anderkonto des Beklagten leistete, der an einem notariellen Verwahrungsgeschäft eigentlich Interessierte. Der Umstand, daß er nicht unmittelbar auf ein Konto der AG zahlte, sondern den Zeichnungsbetrag auf ein Konto des Beklagten überwies, von dem er wußte, daß es sich bei ihm sowohl um einen Rechtsanwalt als auch um einen Notar handelte, zeigt, daß er von der mit einem notariellen Verwahrgeschäft verbundenen Absicherung Gebrauch machen wollte (vgl. Haug, Die Amtshaftung des Notars, 2. A. RZ 203, 686, 688 m.w.N.; Haug DnotZ 1982, 475, 480).

Den Verwahrantrag des Klägers hat der Beklagte mit seinem Bestätigungsschreiben vom 11. 10. 1999 angenommen.

Damit hat er zwar gegen die sich aus § 54 a Abs. 2 Ziff. 2, Abs. 3 BeurkG ergebende Amtspflicht verstoßen, einen Verwahrungsantrag nur dann anzunehmen, wenn er mit einer Verwahrungsanweisung verbunden ist, in der die zeitlichen und sachlichen Bedingungen der Verwahrung und die Auszahlungsvoraussetzungen bestimmt sind. Gleichwohl ist durch die Annahme des Verwahrungsantrags zwischen den Parteien sowohl ein Verwahrungs- als auch ein Treuhandverhältnis entstanden, aufgrund dessen dem Beklagten die Amtspflicht erwachsen ist, die sich aus dem Sinn und Zweck der Einzahlung ergebenden Sicherungsinteressen des Klägers zu wahren (Haug, Die Amtshaftung des Notars, 2. A. RZ. 688, Reithmann in Seybold/Hornig a.a.O. RZ 19; Rinsche, Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, 6. A. RZ II 334).

Diese beinhaltete zunächst die Pflicht des Beklagten, den mit der Hinterlegung von den Beteiligten, insbesondere von dem Kläger verfolgten Zweck und ihren darauf zielenden Willen zu erforschen. Ergab sich dabei die Vermutung, daß der Kläger Schaden erleiden könnte, sich aber nicht mit Sicherheit ergibt, daß er die Gefahr erkannt hat, war der Beklagte außerdem verpflichtet, ihn auf die Möglichkeit wirtschaftlicher Schädigung hinzuweisen (BGH WM 1960, 980, 981). Jedenfalls muß der Notar von einer Auszahlung absehen, wenn für ihn erkennbar wird, daß die Partei, die das Geld bei ihm hinterlegt oder auf Ander-Konto eingezahlt hat, möglicherweise durch die Auszahlung geschädigt werden kann. Dies ist in der Rechtsprechung u. a. für den Fall bejaht worden, daß die Vertragsgrundlage zwischen den beteiligten Personen streitig geworden ist (BGH DNotZ 1978, 374; RG DNotZ 1937, 259). Auch in § 54 d BeurkG ist bestimmt, daß der Notar von der Auszahlung abzusehen hat, wenn einem Auftraggeber durch die Auszahlung des verwahrten Geldes ein unwiederbringlicher Schaden erkennbar droht.

Gegen die sich für ihn hieraus ergebenden Amtspflichten hat der Beklagte verstoßen, als er den vom Kläger eingezahlten Betrag sogleich an die AG weiterleitete.

Der Beklagte wußte aufgrund des ihm von Herrn W. zugefaxten Zeichnungsscheins, daß der Kläger mit dem eingezahlten Betrag neue Aktien der AG erwerben wollte. Dieses Ziel konnte durch die Einzahlung aber nicht erreicht werden.

Es war im damaligen Zeitpunkt in keiner Weise abzusehen, ob die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals jemals in das Handelsregister eingetragen werden würde und die Anleger neue Aktien erhalten würden. Der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung stand entgegen, daß die Zeichnungsscheine der Anleger gemäß § 185 Abs. 2 in V. m. Abs. 1 Ziff. 4 AktG unwirksam waren. In ihnen war der Zeitpunkt, an dem die Zeichnung unverbindlich wird, wenn nicht bis dahin die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals eingetragen ist, nicht angegeben. Damit fehlte es an einem wirksamen Vertragsangebot der Anleger an die AG. Es konnte deshalb kein Zeichnungsvertrag zustande gekommen, aufgrund dessen die Zeichner Mitgliedschaftsrechte erwerben konnten. Das Registergericht hätte die Eintragung nach § 188 AktG ablehnen müssen, da die erforderlichen Unterlagen, zu denen gemäß § 188 Abs. 3 AktG auch die Zweitschriften der Zeichnungsscheine gehören, nicht den vorgeschriebenen Inhalt hatten.

Mit der Einzahlung des Anlagekapitals konnte der Kläger mithin nicht das erreichen, was er mit der Zahlung bezweckte, nämlich den Erwerb neuer Aktien. Seine Zahlung erfolgte mithin ohne rechtlichen Grund. Er hätte den eingezahlten Betrag deshalb vom Beklagten oder von der AG gemäß § 812 BGB zurückfordern können.

Als Rechtskundiger hätte der Beklagte erkennen können und müssen, daß der Zeichnungsschein nichtig war und daß dem Kläger deshalb ein Rückforderungsanspruch zustand. Hierauf hätte er den Beklagten hinweisen müssen. Auf keinen Fall durfte er die Gelder unter diesen Umständen ohne Rücksprache mit dem Kläger an die AG auszahlen. Denn durch die Zahlung an die AG konnten dem Kläger nur wirtschaftliche Nachteile entstehen. Er verlor den eingezahlten Betrag mit der Weiterleitung des Geldes an die AG und war darauf angewiesen, dieser gegenüber einen Rückzahlungsanspruch geltend zu machen und durchzusetzen, wobei er das Risiko ihrer weiteren Zahlungsfähigkeit zu tragen hatte. Demgegenüber hätte ihm der Beklagte das Geld unschwer von seinem Anderkonto zurücküberweisen können.

Der Beklagte hat seine Amtspflicht auch schuldhaft verletzt. Er kannte alle tatsächlichen Umstände, die die Annahme einer notariellen Amtshandlung begründeten. Es mußte sich ihm aufdrängen, daß er als Notar eingeschaltet war, weil es sich bei der Aufbewahrung von Geld um ein Geschäft handelt, das nach der Auslegungsregel des § 24 Abs. 2. S. 1 BNotO typischerweise zum Aufgabenbereich von Notaren gehört. Schließlich hat er das an den Kläger gerichtete Bestätigungsschreiben auch selbst als Rechtsanwalt und Notar unterzeichnet und auf das Bestehen eines Treuhandkontos hingewiesen. Er mußte außerdem wissen, daß ihm als Notar gerade auch die Amtspflicht oblag, dem Sicherungsinteresse des Einzahlers Rechnung zu tragen und ihn vor erkennbaren Gefahren zu bewahren. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte er zudem erkennen können, daß der Kläger den mit seiner Einzahlung verfolgten Zweck, Mitgliedschaftsrechte an der AG zu erwerben, wegen der Nichtigkeit des Zeichnungsschein nicht erreichen konnte.

Mit der Auszahlung des Betrags an die AG ist dem Kläger der geltend gemachte Schaden entstanden (BGH DNotZ 1978, 373 ff). Denn wenn der Beklagte die Gelder nicht pflichtwidrig an die AG ausgezahlt hätte, so wären sie noch bei ihm vorhanden. Er wäre dem Kläger gegenüber aus dem Verwahrgeschäft verpflichtet gewesen, sie an ihn zurückzuüberweisen und hätte dieser Verpflichtung auch entsprechen können. Tatsächlich aber war er dazu wegen seiner Amtspflichtverletzung außerstande.

Der Beklagte kann demgegenüber nicht geltend machen, der Kläger hätte dann, wenn er nicht auf sein Konto gezahlt hätte, das Geld unmittelbar auf ein Konto der AG überwiesen, weil Voraussetzung der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung sei, daß der auf jede Aktie eingeforderte Betrag eingezahlt war und endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stand. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich der Beklagte überhaupt auf den Einwand einer hypothetischer Kausalität berufen kann. Denn es spricht nichts dafür, daß der Kläger den auf das Treuhandkonto des Beklagten eingezahlten Betrag auch dann verloren hätte, wenn der Beklagte sich pflichtgemäß verhalten hätte. Hätte der Beklagte den Kläger nach dem Eingang des Geldes auf seinem Konto pflichtgemäß darauf hingewiesen, daß die Zeichnungserklärungen nichtig sind, hätte der Kläger voraussichtlich auf den unterzeichneten Zeichnungsschein gar nicht gezahlt. Er hätte den Entschluß, sich an der AG zu beteiligen, erneut überdenken und von der Möglichkeit Gebrauch machen können, den Beklagten anzuweisen, die dann zu zahlenden Beträge erst mit der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung für den Vorstand freizugeben, was als zulässig angesehen wird (Lutter im Kölner Komm. 2. A. § 188 RZ 14, 189 RZ 21).

Aus dem späteren Abschluß der Umtauschvereinbarung kann der Beklagte keine Rechte herleiten. Im Abschluß dieser Vereinbarung liegt keine nachträgliche Genehmigung der Weiterleitung der Einlage an den Vorstand. Sie diente vielmehr der Schadensbegrenzung. Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß der Kläger in dem Umtauschvertrag zugesagt hat, Zug um Zug gegen Aushändigung der O.-Aktien auf Ansprüche gegen die AG zu verzichten und der O.- AG etwaige Schadensersatzansprüche abzutreten. Zu den in Aussicht genommenen Erlaß- und Abtretungsvereinbarungen ist es bislang noch nicht gekommen. Dem Kläger sind von der AG noch keine O.-Aktien angeboten worden. Aus der Umtauschvereinbarung ist dem Kläger bislang auch kein Vorteil, den er sich gegenüber dem Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten anrechnen lassen müßte, entstanden. Ihm wurden von der AG noch keine Aktien der O.- AG angeboten, dies wird vermutlich auch nicht mehr geschehen, weil die Verkäuferin dieser Aktien insolvent geworden ist und nur bereit war, die Aktien gegen Zahlung weiterer 1.5 Mio. DM zu liefern, die die AG bislang aber nicht auftreiben konnte.

Der Beklagte kann dem Anspruch des Klägers auch nicht den Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenhalten (§ 242 BGB). Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger in die unlauteren Machenschaften des Vorstandes der AG, die dazu führten, daß die von den Anlegern eingezahlten Gelder nicht mehr für die Durchführung der Kapitalerhöhung zur Verfügung stehen, eingeweiht war. Es besteht deshalb auch kein Anlaß, dem Kläger aufzugeben, die Herkunft des eingezahlten Betrags zu belegen.

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, es bestehe eine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne von § 19 Abs. 2 S. 2 BNotO. Eine subsidiäre Haftung entfällt, weil der Kläger, wie oben ausgeführt wurde, als Auftraggeber im Sinne von § 19 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 BNotO anzusehen ist.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht aus dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB) zu mindern. Der Kläger konnte darauf vertrauen, daß der Beklagte seinen Amtspflichten als Notar nachkam. Auch wenn er ihm keine ausdrückliche Verwahrungsanweisung erteilt hat, brauchte er nicht damit zu rechnen, daß der Beklagte die eingezahlten Beträge an die AG auch dann auskehren würde, wenn sich der Zeichnungsschein als nichtig erwies.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284, 288 a.F. BGB.

Dem vom Beklagten in der Berufungsinstanz geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht hat der Kläger bei seiner Antragstellung Rechnung getragen.

Die Voraussetzungen für den vom Beklagten geltend gemachten Anspruch aus § 255 BGB liegen vor. Der Beklagte hat Schadensersatz für den Verlust eines Rechts zu leisten. Durch die Weiterleitung des Geldes an die AG hat der Kläger seinen Anspruch gegen den Beklagten, die eingezahlten Beträge zurückzuerhalten, verloren, der Rückzahlungsanspruch hat sich in einen Schadensersatzanspruch verwandelt (vgl. hierzu BGH NJW-RR 1990, 407).

Es bedarf keiner Prüfung, ob und welche Ansprüche der Kläger gegen die im Antrag des Beklagten aufgeführten Dritten hat, es genügt, daß ein Anspruch möglicherweise besteht und hinreichend bestimmt bezeichnet wird (BGH Z 6, 61, RR 90, 407). Dies ist hier der Fall. Es sind Ansprüche gegen die AG, die Vorstandsmitglieder, den Aufsichtsratsvorsitzenden, den Hauptaktionär CM. und den Treugeber B. möglich, weil die AG ungerechtfertigt bereichert ist und die übrigen in Anspruch Genommenen nach dem Vortrag des Beklagten die Gelder der Anleger veruntreut haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO. Vollstreckungsschutzanordnungen sind unterblieben, weil die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Senats stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.

Die Beschwer ist gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 546 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat, auch wenn eine Vielzahl von Anlegern durch den Ausgang des Rechtsstreits betroffen sein können und sie deshalb für den Beklagten von erheblicher wirtschaftlicher Auswirkung sein kann, keine grundsätzliche Bedeutung. Denn von einer solchen kann nur dann ausgegangen werden, wenn es bei der Entscheidung auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung ankommt, die höchstrichterlich noch nicht entschieden ist (Albers in Baumbach- Lauterbach/Hartmann ZPO 59 A. § 546 RZ 10). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Der Senat ist in seiner Entscheidung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt.

Der Senat hat davon abgesehen, den Rechtsstreit bis zum Abschluß des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Vorstandsmitglieder der AG auszusetzen. Es ist nicht ersichtlich, daß dessen Ergebnis auf das vorliegende Verfahren Einfluß haben kann. Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger oder seine gesetzlichen Vertreter an möglichen strafbaren Handlungen beteiligt waren, bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

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