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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 22.02.2006
Aktenzeichen: 9 U 37/05
Rechtsgebiete: BGB, HWiG, VerbrKrG
Vorschriften:
BGB § 138 | |
HWiG § 1 | |
VerbrKrG § 9 |
2. Für einen Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Widerrufsbelehrung nach HWiG nach den Entscheidungen des EuGH vom 25.10.05 (C 350/03 und C 229/04) muss die unterlassene Belehrung kausal für den eingetretenen Schaden gewesen sein. Besteht der Schaden im Abschluss eines Kaufvertrages über eine überteuerte Immobilie, kann grundsätzlich keine Kausalität bestehen, wenn der Kaufvertrag vor dem Darlehensvertrag abgeschlossen werden.
Gründe:
Der Kläger erwarb mit Vertrag vom 23.2./9.3.1999 zu Steuersparzwecken eine 56 m² große Wohnung in O1 mit einem Sachwert von 57.000,- DM zum Preis von 178.000,- DM. Zur Finanzierung des Kaufpreises und zur Ablösung der Finanzierung einer anderen Immobilie nahm er am 5./6.3.1999 bei der Beklagten ein Darlehen in Höhe von 215.000,- DM auf, das grundpfandrechtlich abgesichert wurde. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger Rückzahlung der geleisteten Zins- und Tilgungsraten und weiterer Aufwendungen unter Anrechnung der erzielten Mieteinnahmen sowie - Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an der Wohnung - Freistellung von den aus dem Darlehensvertrag folgenden Verpflichtungen sowie Feststellung des Annahmeverzugs und der Schadensersatzpflicht der Beklagten.
Mit Urteil vom 6.4.2005, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der an seinen erstinstanzlichen Anträgen festhält.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache indes keinen Erfolg.
Das Landgericht hat die Klage nicht nur im Ergebnis, sondern auch in der Begründung zutreffend abgewiesen, so dass auf die Ausführungen in den Gründen der angefochtenen Entscheidung zunächst Bezug genommen werden kann. Die Berufungsbegründung vermag hieran nichts zu ändern. Insbesondere steht dem Kläger der mit der Berufung allein weiterverfolgte Schadensersatzanspruch aus einem Verschulden der Beklagten bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) nicht zu.
Die Beklagte war nicht gehalten, den Kläger vor Gewährung des Darlehens auf Risiken im Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnung hinzuweisen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine finanzierende Bank nicht verpflichtet, einen Darlehensnehmer über die Gefahren und Risiken der Verwendung eines Darlehens aufzuklären und vor dem Vertragsschluss zu warnen (BGH NJW 2000, 3558; BGH NJW-RR 2000, 1576, beide m. w. Nw.). Das Verwendungsrisiko trägt grundsätzlich der Anleger selbst, dem es obliegt, sich über die damit verbundenen speziellen Gefahren zu informieren und die Entscheidung hierüber eigenverantwortlich zu treffen. Insbesondere bei finanzierten Kapitalanlagen darf die finanzierende Bank regelmäßig davon ausgehen, dass der Kreditnehmer Konzeption und Wirtschaftlichkeit der geplanten Anlage, ggf. unter Einschaltung besonderer Fachberater, hinreichend geprüft hat. Dies gilt auch bei geschäftsunerfahrenen Kunden (OLG Stuttgart WM 2000, 292).
Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen angenommen werden, so zum Beispiel, wenn die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Projekts über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht, wenn sie einen, zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft oder dessen Entstehung begünstigt, wenn sie sich im Zusammenhang mit der Kreditgewährung sowohl gegenüber dem Bauträger als auch gegenüber dem einzelnen Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt oder wenn sie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann.
Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
Sie ist insbesondere nicht in einem erkennbaren besonderen Wissensvorsprung der Beklagten dem Kläger gegenüber in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens begründet. Ein solcher Wissensvorsprung folgt nicht daraus, dass die von dem Kläger erworbene Wohnung möglicherweise sittenwidrig überteuert war und die Beklagte dies wusste. Der erkennende Senat folgt dabei der Rechtsprechung des BGH, der eine Aufklärungspflicht der Bank über die Unangemessenheit des Kaufpreises ausnahmsweise annimmt, wenn die Bank bei einem Vergleich von Kaufpreis und Wert des Objekts von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss (Urteile vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02 - m. w. Nw. und vom 18.11.2003 - XI ZR 322/01 -). Erforderlich dazu ist zum einen substantiierter Vortrag zum Wert der Wohnung im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses, der - damit er als sittenwidrig überteuert angesehen werden kann - nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs knapp doppelt so hoch sein muss wie der Wert der Wohnung (BGHZ 146, 298, 302 ff. und Urteil vom 20.5.2003 - XI ZR 248/02 -, jeweils m. w. Nw.). Dem hat der Kläger durch Vorlage des privat eingeholten schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen A genügt. In diesem ist der Sachverständige zu Werten zwischen 57.000,- DM und 65.000,- DM gekommen, was unter der Hälfte des Kaufpreises (178.080,-,- DM) zurückbleibt.
Erforderlich ist darüber hinaus aber auch die Kenntnis der Bank von der sittenwidrigen Überteuerung. Eine solche Kenntnis der Beklagten hat der Kläger zwar behauptet, nach dem Bestreiten durch die Beklagte aber nicht bewiesen. Ein Beweis durch Vernehmung des Zeugen Z1 ist nach dessen Versterben nicht mehr möglich.
Entgegen der Ansicht des Klägers greift zu seinen Gunsten auch keine Beweiserleichterung. Der von ihm reklamierte Beweis des ersten Anscheins kommt nur bei typisierten, in der Lebenswirklichkeit ständig in immer gleicher Form vorkommenden Sachverhalten in Betracht. Von einer solchen Typizität des Geschehensablaufs kann vorliegend keine Rede sein. Inhalt und Umfang der Kenntnis der Beklagten vom Wert der Wohnung sind der Verallgemeinerung nicht fähig.
Auf diese Kenntnis kann auch nicht im Wege einer tatsächlichen Vermutung allein aus der objektiven Überteuerung geschlossen werden. Eine solche Vermutung hat die Rechtsprechung auf Seiten des am Rechtsgeschäft unmittelbar beteiligten Geschäftspartners bejaht. Dies kann aber auf die das Geschäft finanzierende Bank nicht übernommen werden. Die Bank muss sich - anders als der Geschäftspartner selbst - über die Rentabilität des Geschäfts keine Gedanken machen und braucht keinen Vergleich des Werts von Leistung und Gegenleistung anzustellen. Wenn sie sich darauf beschränkt, den beantragten Kredit nach Prüfung der Bonitätsvoraussetzungen zu gewähren, begeht sie keine Pflichtverletzung. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn sie trotz positiver Kenntnis von der sittenwidrigen Überteuerung von einem Hinweis an den Darlehensnehmer absieht. Wollte man zu Lasten der finanzierenden Bank das Vorliegen der subjektiven Wuchervoraussetzungen tatsächlich vermuten, würde dies dazu führen, dass die Bank in jedem Fall die beabsichtigte Mittelverwendung prüfen müsste und das Risiko einer Übervorteilung des Darlehensnehmers durch den Vertragspartner des finanzierten Geschäfts trüge. Eine solche Risikoverteilung kommt außerhalb des verbundenen Geschäfts nach § 9 VerbrKrG nicht in Betracht.
Schließlich lassen auch die vorliegenden Indizien einen sicheren Rückschluss auf das Vorhandensein der Kenntnis der Beklagten nicht zu. Selbst wenn man dem Vortrag des Klägers dahin folgt, dass der Beklagten das Exposé der Anlage bei Darlehensgewährung vorlag, musste sich dieser aus den daraus ersichtlichen Daten der Wohnung nicht die Erkenntnis aufdrängen, dass ein sittenwidriges Missverhältnis zwischen Kaufpreis und Wert vorlag. Ein Quadratmeterpreis von 3.030,- bzw. 3.180,- DM ist für sich genommen nichts Ungewöhnliches. Auch wenn man das Baujahr der Wohnung (1912/1951) hinzunimmt, deutet dies noch nicht auf eine Überteuerung hin, da die Objektbeschreibung substantiierte Angaben über den Renovierungsstand nicht enthält, vielmehr allein die Erforderlichkeit zur Lackierung der Wohnungseingangstüren hervorgehoben und so der Eindruck erweckt wird, im Übrigen entspreche die Wohnung modernen Anforderungen. Selbst wenn man dem Kläger dahin folgt, dass aus dem dem Exposé beigefügten Lageplan ersichtlich sei, dass das Haus in einem Industriegebiet und an einer Hauptverkehrsstraße liegt, folgt daraus nicht zwingend eine wertmindernde "schlechte", sondern möglicherweise eine "verkehrsgünstige" Lage. Dass die Beklagte eine Wertermittlung vorgenommen hätte, steht nicht fest. Das Unterlassen solcher Feststellungen mag eine Verletzung eigener Sicherungsinteressen gewesen sein, eine Verletzung von Pflichten dem Darlehensnehmer gegenüber liegt darin nicht. Zutreffend hat schließlich das Landgericht hervorgehoben, dass der Umstand, dass die Beklagte bereit war, eine Grundschuld in Höhe von 144.000,- für die Wohnung als Sicherheit zu akzeptieren, eher dafür spricht, dass sie von einem Wert auch in dieser Größenordnung ausging.
Auch aus den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 25.10.2005 ergibt sich für den vorliegenden Fall keine andere rechtliche Beurteilung. Soweit der EuGH ("Schulte" -C 350/03- und "Crailsheimer Volksbank e.G." -C 229/04-) aus Art. 4 der Haustürwiderrufsrichtlinie einen Schadensersatzanspruch des Verbrauchers in den Fällen herleitet, in denen dieser bei ordnungsgemäßer Belehrung über sein Widerrufsrecht die mit dem Erwerb der Kapitalanlage verbundenen Risiken hätte vermeiden können, liegen die Voraussetzungen dieser Ausnahme im vorliegenden Fall nicht vor. Kausal auf der Nichtausübung des Widerrufsrechts können nur solche Risiken beruhen, die der Verbraucher erst nach Abschluss des Darlehensvertrags eingegangen ist. War der Kaufvertrag schon vor Abschluss des Darlehensvertrages zustande gekommen, so hätte er auch durch ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht nicht mehr beseitigt werden können.
Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob der Darlehensvertrag in einer Haustürsituation abgeschlossen wurde. Selbst wenn man dies unterstellt und zudem davon ausgeht, dass er eine wirksame Belehrung nach dem HTWG nicht enthält, kann der Kläger von den mit dem Kaufvertrag eingegangenen Verpflichtungen nicht freigestellt werden. Die Darlehensgeberin war zur Belehrung frühestens mit Abgabe des Darlehensangebots am 5.3.1999 verpflichtet, spätestens mit der Annahme dieses Angebots am 6.3.1999. Auch wenn eine ordnungsgemäße Belehrung zu diesem Zeitpunkt erfolgt wäre, hätte der Abschluss des Kaufvertrages über die Wohnung durch den Kläger nicht mehr vermieden werden können. Der Kläger hatte sein notarielles Kaufangebot bereits am 23.2.1999 abgegeben und sich an diese zwölf Wochen unwiderruflich gebunden. Eine Möglichkeit zur nachträglichen Beseitigung dieses Kaufvertrags bestand für den Kläger damit nicht mehr. Ein vertragliches Rücktrittsrecht zu seinen Gunsten war im Kaufvertrag nicht vereinbart, die Voraussetzungen eines gesetzlichen Rücktrittsrechts sind nicht ersichtlich, für eine Anfechtung fehlt es an einem hierzu berechtigenden Grund. Das Wirksamwerden des Kaufvertrages war auch nicht mit dem Zustandekommen des Darlehensvertrages bedingt. Das spätere Nichtzustandekommen des Darlehensvertrages kann Auswirkungen auf den zuvor geschlossenen Kaufvertrag auch nicht über die Grundsätze des verbundenen Geschäfts entfalten, da diese nach der vorstehend dargestellten bisherigen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH, die auch der EuGH insoweit ausdrücklich billigt, auf Immobiliarverträge keine Anwendung finden.
Dass die Verkäuferin die erst am 9.3.1999 erfolgte Annahme des Kaufangebots nicht erklärt hätte, wenn der Kläger den Darlehensvertrag nicht unterzeichnet hätte, ist nicht ersichtlich. Die dahingehende nunmehrige Behauptung des Klägers ist rein hypothetisch, entbehrt jeder tatsächlichen Grundlage und ist zudem lebensfremd. Zwar wusste auch die Verkäuferin, dass der Kläger den Kaufpreis nicht aus eigenen Mitteln aufbringen konnte und auf eine Finanzierung angewiesen war. Dies führte aber nicht dazu, dass die Verkäuferin dem Kläger die freie, risikolose Entscheidung über das Zustandekommen beider Verträge überlassen wollte. Hätte der Kläger den Darlehensvertrag nicht mit der Beklagten geschlossen, so hätte er sich das Geld anderweitig besorgen, ein Insolvenzverfahren einleiten oder der Verkäuferin zumindest Schadensersatz leisten müssen. Mit der Abgabe des unwiderruflichen Kaufangebots über die Wohnung ist der Kläger wirtschaftliche Risiken eingegangen, die er einseitig nicht mehr beseitigen konnte.
Die Kosten des Rechtsmittels hat der Kläger zu tragen, da es ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 I ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.
Ende der Entscheidung
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