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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 07.02.2006
Aktenzeichen: 9 U 53/05
Rechtsgebiete: HWiG, Haustürwiderrufsrichtlinie


Vorschriften:

HWiG § 1
HWiG § 3
Haustürwiderrufsrichtlinie Art. 4
Zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Art. 4 der Haustürwiderrufsrichtlinie nach den Entscheidungen des EuGH vom 25.10.05 (C 229/04 und C 350/03).
Gründe:

Die Kläger machen Ansprüche aus einem Darlehen geltend, das sie zur Finanzierung des Erwerbs von zwei Eigentumswohnungen zu Steuersparzwecken aufgenommen haben.

Nach vorangegangenen Verhandlungen in ihrer Wohnung gaben die Kläger am 5.12.1997 ein notarielles Kaufvertragsangebot zum Erwerb zweier Eigentumswohnungen in dem Mehrfamilienhaus ...straße .../ ...straße ... in O1 (Anlage K 1)ab. An dieses Angebot waren die Kläger zwei Wochen lang gebunden. Am 16.12.1997 nahm die Verkäuferin das Angebot an (Anlage K 2).

Ebenfalls am 16.12.1997 beantragten die Kläger bei der A, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, zur Finanzierung des Kaufpreises ein Darlehen über 177.000,- DM, das zu anfänglich effektiv 6,91% verzinst und durch eine Buchgrundschuld an den beiden Wohnungen abgesichert werden sollte. Die Bank nahm das Angebot am 23.12.1997 an.

In der Folgezeit zahlten die Kläger auf das Darlehen insgesamt 38.516,52 € und erzielten aus den beiden Wohnungen Mieteinnahmen in Höhe von 13.060,32 €. Derzeit stehen aus dem Darlehenssvertrag noch 90.498,66 € offen.

Nachdem sie den Widerruf nach dem Hauswiderrufsgesetz erklärt haben, verlangen die Kläger mit der vorliegenden Klage Rückzahlung der auf das Darlehen erbrachten Leistungen abzüglich der erzielten Mieteinnahmen (= 13.060,32 €) Zug um Zug gegen Rückgabe der Wohnungen, Freistellung von den Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag in Höhe von 90.498,66 € bzw. hilfsweise Feststellung, dass aus dem Darlehensvertrag keine weiteren Verbindlichkeiten mehr gegeben sind sowie Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz darüber hinausgehender Schäden aus dem Kaufvertrag über die Wohnungen verpflichtet sei.

Mit Urteil vom 21.6.2005, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Gegen diese ihr am 30.6.2005 zugestellte Urteil haben die Kläger am 25.7.2005 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 22.9.2005 am 19.9.2005 begründet.

Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags behaupten die Kläger, Kauf- und Darlehensvertrag beruhten auf den Verhandlungen in ihrer Wohnung. Sie sind der Auffassung, beide Verträge stellten ein verbundenen Geschäft dar, das Auftreten des Vermittlers sei auch der Beklagten zuzurechnen.

Die Kläger verfolgen ihren erstinstanzlichen Antrag weiter, die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache indes keinen Erfolg. Die Kläger können weder Rückzahlung der auf das Darlehen erbrachten Leistungen noch Freistellung oder die Feststellung des Nichtbestehens von Ansprüchen der Beklagte aus dem Darlehensvertrag bzw. von deren Schadensersatzpflicht verlangen.

Ein dahingehender Anspruch steht ihnen aus § 3 HTWG nicht zu. Dabei kann dahinstehen, ob der Darlehensvertrag in einer Haustürsituation i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HTWG abgeschlossen wurde, ob dies der Beklagten zugerechnet werden kann und ob der Vertrag eine unzureichende Belehrung enthielt, so dass die Widerrufsfrist bislang nicht abgelaufen ist. Auch wenn man dies zugunsten der Kläger als wahr unterstellt, folgt daraus kein Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte.

Rechtsfolge eines wirksamen Widerrufs nach dem Haustürwiderrufsgesetz ist die Pflicht beider Vertragsparteien zur Rückgewähr des aus dem Vertrag erlangten (§ 3 HTWG). Zwar könnten die Kläger damit Rückzahlung der auf das Darlehen erbrachten Raten verlangen, diesem eigenen Zahlungsanspruch stünde indes ein Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der Darlehensvaluta zuzüglich marktüblicher Verzinsung entgegen. Diesen eigenen Rückzahlungsanspruch kann die Beklagte dem Zahlungsanspruch der Kläger entgegen halten (dolo-facit-Einrede).

Eine andere Form der Vertragsrückabwicklung ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt des verbundenen Geschäfts (§ 9 VerbrKrG). Danach wären der Darlehensvertrag und der Kaufvertrag als Einheit zu betrachten, so dass die Kläger so zu stellen wären, als hätten sie aus dem Gesamtgeschäft nicht das Darlehen, sondern nur die Wohnungen erlangt und sie damit auch nur zu deren Rückübereignung verpflichtet wären.

§ 9 VerbrKrG kann auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Abgesehen davon, dass beim Erwerb von Grundeigentum die tatsächlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 VerbrKrG schon deswegen nicht vorliegen, weil auch geschäftlich und rechtlich unerfahrenen Käufern klar ist, dass es sich bei Kauf und Darlehen um zwei getrennte Geschäfte handelt (BGH Urteil vom 15.7.2003 -XI ZR 162/00-), steht einer Anwendung von § 9 VerbrKrG in solchen Fällen § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG entgegen. Danach findet § 9 VerbrKrG keine Anwendung auf Kreditverträge, nach denen der Kredit von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht und zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite üblichen Bedingungen gewährt wird. Diese Bereichsausnahme gilt für Realkredite ausnahmslos (BGH Urteil vom 15.7.2003 -XI ZR 162/00-), soweit die neuere Rechtsprechung Ausnahmen zulässt, betreffen diese alleine Kredite zur Finanzierung der Beteiligung an einem Immobilienfonds, nicht Kredite zum Erwerb des Grundeigentums selbst (BGH Urteil vom 21.3.2005 -II ZR 411/02-).

Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG liegen vor: Mit einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 6,91% hält sich der den Klägern gewährte Kredit im Rahmen der in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen Streubreitengrenze (BGH Urteil vom 18.3.2003 -XI ZR 422/01-). Unerheblich ist dabei, ob das Darlehen vollständig oder auch nur überwiegend durch den Verkehrswert der belasteten Immobilien gesichert ist, da eine bloße Teilabsicherung den Tatbestand dieser Norm bereits erfüllt (BGH Urteil vom 15.7.2003 -XI ZR 162/00-).

Soweit die Kläger eine teleologische Reduktion des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG für erforderlich halten, ist dem nicht zu folgen. Sie ist weder nach nationalem Recht noch aufgrund dessen europarechtlicher Auslegung angezeigt. National handelt es sich um eine bewusste, abschließende Regelung des Gesetzgebers, die von der Rechtsprechung zu respektieren ist (BGH Urteile vom 23.9.2003 -XI ZR 135/02- und 12.11.2002 -XI ZR 25/00-). Hieran ändern die rechtlichen Rahmenbedingungen des Europarechts nichts (BGH Urteil vom 16.9.2003 -XI ZR 447/02-). Mit den beiden Entscheidungen vom 25.10.2005 ("..." -C 350/03- und "...." -C 229/04-) hat der EuGH ausdrücklich anerkannt, dass die Ausgestaltung der Rechtsfolgen eines Widerrufs nach dem Haustürwiderrufsgesetz dem nationalen Recht überlassen sind die Haustürwiderrufsrichtlinie nationalen Vorschriften nicht entgegen steht, die die Rechtsfolgen des Widerrufs eines Darlehensvertrags auch im Rahmen von Kapitalanlagemodellen, bei denen das Darlehen ohne den Erwerb der Immobilie nicht gewährt worden wäre, auf die Rückabwicklung des Darlehensvertrages beschränken. Insbesondere verbietet es die Haustürwiderrufsrichtlinie nach den genannten Entscheidungen nicht, dass der von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machende Verbraucher die Darlehensvaluta an den Darlehensgeber sofort und mit marktüblichen Zinsen zurückzahlen muss, obwohl das Darlehen nach dem für die Kapitalanlage entwickelten Konzept ausschließlich zur Finanzierung des Erwerbs der Immobilie dient und unmittelbar an den Verkäufer ausbezahlt wird.

Soweit der EuGH aus Art. 4 der Haustürwiderrufsrichtlinie einen Schadensersatzanspruch des Verbrauchers in den Fällen herleitet, in denen dieser bei ordnungsgemäßer Belehrung über sein Widerrufsrecht die mit dem Erwerb der Kapitalanlage verbundenen Risiken hätte vermeiden können, liegen die Voraussetzungen dieser Ausnahme im vorliegenden Fall nicht vor. Kausal auf der Nichtausübung des Widerrufsrechts können nur solche Risiken beruhen, die der Verbraucher erst nach Abschluss des Darlehensvertrags eingegangen ist. War der Kaufvertrag schon vor Abschluss des Darlehensvertrages zustande gekommen, so hätte er auch durch ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht nicht mehr beseitigt werden können. Im vorliegenden Fall schuldete die Darlehensgeberin die Belehrung zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Darlehensvertrags mit der Unterzeichnung des Darlehensvertrags durch die Kläger am 16.12.1997. Auch wenn eine ordnungsgemäße Belehrung zu diesem Zeitpunkt erfolgt wäre, hätte der Abschluss des Kaufvertrages über die Wohnungen damit nicht mehr vermieden werden können, weil dieser bereits erfolgt war. Die Kläger hatten sich bereits am 5.12.1997 - zumindest zeitlich befristet - unwiderruflich zum Kauf verpflichtet. Eine Möglichkeit zur nachträglichen Beseitigung dieses Kaufvertrags bestand für die Kläger nicht mehr. Ein vertragliches Rücktrittsrecht zu ihren Gunsten war im Kaufvertrag nicht vereinbart, die Voraussetzungen eines gesetzlichen Rücktrittsrechts sind nicht ersichtlich, für eine Anfechtung fehlt es an einem hierzu berechtigenden Grund. Das spätere Nichtzustandekommen des Darlehensvertrags kann Auswirkungen auf den zuvor geschlossenen Kaufvertrag nur über die Grundsätze des verbundenen Geschäfts entfalten, die aber nach der vorstehend dargestellten bisherigen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH, die auch der EuGH insoweit ausdrücklich billigt, auf Immobiliarverträge keine Anwendung finden.

Ein verbundenes Geschäft kann auch aus § 242 BGB nicht angenommen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, sind der Realkreditvertrag und das finanzierte Grundstücksgeschäft grundsätzlich nicht als zu einer Einheit verbundene Geschäfte anzusehen. Der Widerruf des Realkreditvertrags berührt die Wirksamkeit des Kaufvertrages (hier) über die Eigentumswohnungen daher grundsätzlich nicht (BGH Urteile vom 12.11.2002 -XI ZR 25/00-; 15.7.2003 -XI ZR 162/00-; 21.7.2003 -II ZR 387/02-; 16.9.2003 -XI ZR 447/02-; 23.9.2003 -XI ZR 135/02-). Ist die Annahme eines verbundenen Geschäfts nach § 9 VerbrKrG gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ausgeschlossen, kommt jedenfalls im Anwendungsbereich des § 1 VerbrKrG ein Rückgriff auf die von der Rechtsprechung zum Abzahlungsgesetz aus § 242 BGB hergeleiteten Grundsätze über das verbundene Geschäft grundsätzlich nicht in Betracht (BGH Urteil vom 27.1.2004 -XI ZR 37/03-).

Ein Anspruch steht den Klägern auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes aus Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c. [§ 280 BGB n.F.], PFV, § 826 BGB) zu. Diesen erstinstanzlich vertretenen Rechtsstandpunkt nehmen die Kläger zutreffend mit der Berufung nicht mehr ein. Die Darlehensgeberin hat keine ihr als Nebenpflicht aus dem Darlehensvertrag obliegenden Aufklärungs- und Hinweispflichten verletzt.

Die Darlehensgeberin war nicht gehalten, die Kläger über Risiken aus der Verwendung des Kredits zum Erwerb der Eigentumswohnungen aufzuklären. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine finanzierende Bank nicht verpflichtet, einen Darlehensnehmer über die Gefahren und Risiken der Verwendung eines Darlehens aufzuklären und vor dem Vertragsschluss zu warnen (BGH NJW 2000, 3558; BGH NJW-RR 2000, 1576, beide m. w. Nw.). Das Verwendungsrisiko trägt grundsätzlich der Anleger selbst, dem es obliegt, sich über die damit verbundenen speziellen Gefahren zu informieren und die Entscheidung hierüber eigenverantwortlich zu treffen. Insbesondere bei finanzierten Kapitalanlagen darf die finanzierende Bank regelmäßig davon ausgehen, dass der Kreditnehmer Konzeption und Wirtschaftlichkeit der geplanten Anlage, ggf. unter Einschaltung besonderer Fachberater, hinreichend geprüft hat. Dies gilt auch bei geschäftsunerfahrenen Kunden (OLG Stuttgart WM 2000, 292).

Eine Fallgestaltung, in der ausnahmsweise doch eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank angenommen werden kann, liegt nicht vor. Sie ist weder von den Klägern vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kosten des Rechtsmittels haben die Kläger zu tragen, da es ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 I ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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