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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 9 U 56/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 520
Der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelführers, der am letzten Tag einen fristwahrenden Schriftsatz per Fax bei Gericht einreichen will, muss mit Störungen seines Faxgerätes rechnen und sowohl im Vorfeld als auch nach Eintritt der Störungen sämtliche möglichen und zumutbaren Maßnahmen treffen, um eine Fristversäumnis zu verhindern. Hat er dies nicht in ausreichendem Maße getan, kann bei einer durch einen Defekt seines Telefaxgerätes hervorgerufenen Fristversäumnis keine Wiedereinsetzung gewährt werden.
Gründe:

I.

Die Kläger verlangt von der beklagten Bank Rückabwicklung eines Darlehensgeschäfts, das er zur Finanzierung einer Eigentumswohnung eingegangen ist.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil vom 27.1.2006, das am 22.2.2006 zugestellt worden ist, hat der Kläger durch Schriftsatz vom 28.2.2006, bei Gericht am selben Tag vorab per Fax eingegangen, Berufung eingelegt.

Mit Schriftsatz vom 24.4.2006 (Montag), bei Gericht per Fax am 25.4.2006, eingegangen, hat der Klägervertreter die Berufung begründet.

Mit Verfügung vom 25.4.2006 (Bl. 206 d.A.) hat das Gericht den Klägervertreter darauf hingewiesen, dass eine Berufungsbegründung nicht rechtzeitig eingegangen sei.

Mit Schriftsatz vom 8.5.2006, bei Gericht am 10.5.2006 eingegangen, hat der Klägervertreter gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung beantragt. Zur Begründung des Antrags hat er unter Hinwies auf eine entsprechende eidesstattliche Versicherung seines Büroangestellten A (Bl. 253 d.A.) vorgetragen, dass die bereits fertiggestellte Berufungsbegründungsschrift wegen eines technischen Defekts des zur Übermittlung benutzten Faxgerätes nicht rechtzeitig hätte versandt werden können.

II.

1. Die Berufung des Klägers ist gemäß § 522 I 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 520 II ZPO bis zum 24.4.2006 begründet wurde, sondern erst am 25.4.2006.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist konnte dem Kläger nicht gewährt werden, weil aus seinen Darlegungen zur Wiedereinsetzung nicht darauf geschlossen werden kann, dass er bzw. sein Prozessvertreter, dessen Verschulden sich der Kläger nach § 85 II ZPO zurechnen lassen muss, ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert waren.

Die Wiedereinsetzungsgründe müssen gemäß § 236 II ZPO im Antrag bezeichnet werden und hinreichend substantiiert sein. Welche Angaben geboten sind, ergibt sich aus der konkreten Sachlage. Es dürfen jedoch keine Fragen offen bleiben, weil jede Unklarheit und Unaufgeklärtheit, die ein Verschulden möglich erscheinen lässt, zu Lasten der säumigen Partei zu werten ist (Münchener Kommentar-Feiber ZPO, 2. Auflage, § 236 Rn 13). Bleiben die Umstände, die zur Fristversäumung geführt haben, unaufgeklärt, so ist die Wiedereinsetzung dann ausgeschlossen, wenn ein verschuldeter Umstand möglich erscheint (BGH VersR 1982, 1167; BAG NJW 1990, 2707). So ist es auch hier.

a) Allerdings kann dem Klägervertreter nicht vorgeworfen werden, dass er erst am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist versucht hat, die Berufung per Fax zu begründen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfen nämlich auch fristgebundene Schriftsätze im Telefaxverkehr dem zuständigen Gericht übermittelt werden (BayObLG NJW-RR 1998, 418 mit Verweis auf BGH NJW 1993, 3141 und 1995, 1431). Es ist auch anerkannt, dass der Rechtsmittelführer eine Frist voll ausschöpfen darf, sofern er dabei die normale Frist für die Beförderung des Schriftstücks berücksichtigt. Der Klägervertreter hätte jedoch - auch schon im Vorfeld der Störung des Faxgerätes - alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen müssen, damit die bereits fertiggestellte Berufungsbegründung das Gericht noch am 24.4.2006 erreichte (BGH VersR 1997, 84; BayObLG NJW-RR 1998, 418). Dass er dies getan hat, ist nicht ausreichend dargelegt.

b) Dass mit dem gelegentlichen Auftreten von Störungen bei Faxgeräten gerechnet werden muss, die es unmöglich machen können, einen Schriftsatz zu versenden, ist allgemein bekannt. Auch der Klägervertreter hätte damit rechnen müssen und hat dies tatsächlich getan, wie sich seinen Ausführungen im letzten Absatz seines Schriftsatzes vom 4.7.2006 entnehmen lässt. Für eine solchen Fall hätte er durch eine geeignete Büroorganisation sicherstellen müssen, dass das in seiner Kanzlei vorhandene zweite Faxgerät benutzt werden kann, um die Versendung des Schriftsatzes durchzuführen. Soweit er sich darauf beruft, dass dieses zweite Gerät in einem verschlossenen Vorzimmer seines Büros stand, kann ihn dies nicht entschuldigen. Der Klägervertreter mag nachvollziehbare Gründe haben, weshalb er das Vorzimmer seines Büros verschließt; für die aufgezeigte Situation hätte er sicherstellen müssen, dass das zweite Faxgerät erreichbar ist, etwa indem er - wenn er schon nicht selbst bis zur erfolgreichen Versendung von Fristsachen in der Kanzlei verbleiben kann - den Schlüssel für das Vorzimmer einer vor Ort verbleibenden Person seines Vertrauens überlässt oder für seine Mitarbeiter telefonisch erreichbar bleibt, um in Notfällen das Vorzimmer selbst aufzuschließen.

Letzteres gilt um so mehr, als bei Ausnutzung von Fristen bis zum letzten Tag erhöhte Sorgfaltspflichten des Rechtsmittelführers bzw. seines Vertreters begründet werden (Büttner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, 2. Auflage, § 7 Rn 48 - mit Verweis auf BGH NJW 1992, 244).

c) Es kommt hinzu, dass der Klägervertreter nicht ausreichend dargelegt hat, dass seinem Büroangestellten A nach Eintritt der Störung des Faxgerätes eine alternative Versendung des Schriftsatzes an das Gericht innerhalb der Frist nicht mehr möglich war. So bleibt mangels genauerer zeitlicher Einordnung der Störung (Schriftsatz vom 4.7.2006 - Bl. 268 ff. d.A.: "aufgrund derzeitiger Zeitnähe bis 24.00 Uhr") unklar, ob es dem Büroangestellten nicht doch möglich gewesen wäre, den Schriftsatz persönlich in den Gerichtsbriefkasten nach Frankfurt zu bringen. Sofern ihm kein eigenes Fahrzeug zur Verfügung stand, hätte er ein Taxi benutzen können.

Der Klägervertreter hat auch nicht dargelegt, warum die Versendung des Schriftsatzes durch einen Kurierdienst nicht möglich war.

Darüber hinaus ist nicht dargelegt, dass der Schriftsatz durch den Büroangestellten nicht von einem dritten Faxgerät - eventuell einem öffentlichen oder dem eines anderen Anwaltsbüros - hätte erfolgen können.

d) Schließlich leidet die Glaubhaftigkeit der Darlegungen des Klägervertreter zu den Gründen der Fristversäumnis daran, dass er die Wiedereinsetzung erst mit Schriftsatz vom 8.5.2006 beantragt hat.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum er dies nicht bereits am 25.4.2006 oder in den unmittelbar darauf folgenden Tagen getan, sondern sich hierzu erst nach Eingang der entsprechenden Mitteilung des Gerichts entschlossen hat, obwohl er bereits - nachdem er die Störung an dem Faxgerät selbst beseitigt hatte - erkennen konnte, dass die hier relevante Berufungsbegründungsschrift nicht rechtzeitig hatte abgesandt werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 I, 238 IV ZPO.

Ende der Entscheidung

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