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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 25.10.2000
Aktenzeichen: 9 U 59/00
Rechtsgebiete: BGB, HTWG, AbzG, VerbrKredG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 826
BGB § 812 II
BGB § 123 II
BGB § 174 S. 1
BGB § 361a
HTWG § 1
HTWG § 5 II
HTWG § 1 II Nr. 3
HTWG § 5 I
HTWG § 1 I
HTWG § 2 I 4
AbzG § 1
VerbrKredG § 7 II 3
VerbrKredG § 3 II
VerbrKredG § 7
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 II
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 59/00 4 O 540/99 Landgericht Hanau

Verkündet am 25.10.2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main

durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Werning, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Oberheim und die Richterin am Landgericht Collin

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12. Januar 2000 verkündete Urteil des Landgerichts Hanau - Az. 4 O 540/99 ­ abgeändert.

Die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars ... vom 10. Dezember 1990 ­ UR-Nr. ... wird für unzulässig erklärt, soweit sie aus Ziff. 7 dieser Urkunde wegen der in Höhe der Grundschuld übernommenen persönlichen Haftung des Klägers betrieben wird.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 23.000.- abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer beträgt DM 135.000.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde, in der er zur Finanzierung einer Eigentumswohnung zugunsten der Beklagten eine Grundschuld bestellte und hierfür die persönliche Haftung übernahm.

Der Kläger war Ende 1990 als Schweißer mit einem monatlichen Nettogehalt von rund DM 2.700.- beschäftigt. Er wurde von seinem Versicherungsvertreter, Herrn Kl., zu Hause besucht und auf die Möglichkeit angesprochen, ohne eigene Aufwendungen Geld zu verdienen. Herr K. war insoweit als Kontaktperson für die Ki. Grundbesitz GmbH tätig. Nachdem der Kläger sein grundsätzliches Interesse bekundet hatte, begleitete ihn Herrn Kl. wenige Tage später zu den Geschäftsräumen der Fa. Ki., wo ihm von dem Vertriebsmitarbeiter G. das Objekt ... ( ...-Zentrum") anhand eines Prospekts (Anl. K 9) vorgestellt wurde. Im Verlauf des Gesprächs entschloss sich der Kläger zum Kauf einer dort gelegenen Eigentumswohnung. Zu diesem Zweck bevollmächtigte der Kläger Herrn G. zur Durchführung aller zum Erwerb der Wohnung erforderlichen Verträge.

Am 30. Oktober 1990 unterzeichnete der Kläger, für den Herr G. zuvor eine Selbstauskunft aufgenommen und an die Beklagte weitergeleitet hatte, einen von der Beklagten vorbereiteten Darlehensantrag (Bl. 436), der ihm über Herrn G. zugeleitet worden war. In dem Antrag ist eine Belehrung über das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften enthalten (Bl. 440), in der es heißt.:

Wir wissen, dass wir die oben gestellten Anträge innerhalb einer Woche

(rechtzeitige Absendung genügt) schriftlich gegenüber dem jeweiligen Darlehensgeber, nämlich der ... AG, Geschäftsstelle ... widerrufen können."

Unter dem 2. November 1990 (Bl. 121) sagte die Beklagte diese Darlehen über DM 57.000.- und DM 78.000.-, insgesamt also DM 121.500.-, zu. Dieses Schreiben enthält u.a. den maschinenschriftlichen Zusatz:

Gegenstand dieses Darlehensvertrages ist nicht die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Objektes und der steuerlichen Auswirkungen. Die Kreditvergabe orientiert sich in erster Linie an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Darlehensvertrages."

Der Kläger, dem diese Darlehenszusage übersandt worden war, unterzeichnete sie und schickte sie an die Beklagte zurück.

Zur Sicherung der Darlehensverbindlichkeiten und zu deren späterer Tilgung schloss der Kläger über Herrn G. eine Lebensversicherung über einen Kapitalbetrag von ca. DM 62.000.- ab, die am 1. November 1990 begann und eine Laufzeit von 38 Jahren hatte. Diese wurde ­ ebenso wie eine zweite, bereits seit 1. Juni 1989 bestehende Lebensversicherung bei der ... mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2045 sowie Ansprüchen aus Bausparverträgen ­ an die Beklagte abgetreten.

Am 13. November 1990 wurde die Vollmacht des Klägers für Herrn G. notariell beglaubigt (Bl. 61).

Am 10. Dezember 1990 unterzeichnete Herr G. für den Kläger den notariellen Kaufvertrag über die Wohnung (Bl. 63). Mit notarieller Urkunde vom 10. Dezember 1990 (Bl. 79) wurde zugunsten der Beklagten eine Grundschuld von DM 135.000.- zuzüglich 18% Zinsen bewilligt, hierfür übernahm der Kläger die persönliche Haftung und unterwarf sich diesbezüglich der sofortigen Zwangsvollstreckung.

Der Kläger wurde als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Nachdem sich herausstellte, dass die Maklergebühr nicht mit finanziert worden war, schlug die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 17. Dezember 1990 (Bl. 123) vor, das zweite Darlehen um DM 6.200.- auf DM 84.200.- zu erhöhen. Der Kläger war damit einverstanden und sandte das Schreiben unterschrieben an die Beklagte zurück.

In der Folgezeit erfüllte der Kläger die ihm aus den Verträgen erwachsenen Verpflichtungen.

Nach Ablauf der vereinbarten Zinsbindungsfrist schlossen die Parteien am 28./29. November 1995 eine Konditionsanpassungsvereinbarung, die eine Widerrufsbelehrung enthielt (Bl. 590). Mit Schreiben vom 30. November 1995 (Bl. 592) widerrief der Kläger diese Vereinbarung und wählte eine andere Anpassungsoption, die ­ ebenfalls mit Widerrufsbelehrung - unter dem 6. / 15. Dezember 1995 vereinbart wurde (Bl. 594).

Ende März 1998 stellte der Kläger die Zahlungen an die Beklagte ein. Mit Schreiben vom 12. und 17. August 1998 (Bl. 124) kündigte die Beklagte die Darlehen, stellte die gesamte Restschuld fällig und kündigte die Verwertung der abgetretenen Bausparansprüche an.

Der Kläger hat behauptet, Herr G. habe ihn in Ausnutzung seiner für jedermann erkennbaren Geschäftsunerfahrenheit zum Erwerb der Wohnung überredet. Insbesondere habe er behauptet, der Wohnungskauf sei ohne Eigenkapital möglich, die Kosten für den Erwerb würden fast gänzlich durch Mieteinnahmen und Steuervorteile aufgefangen und es handele sich um eine risikolose Kapitalanlage, die in zwei bis fünf Jahren mit Gewinn wieder verkauft werden könne. Keine dieser Behauptungen treffe zu. Der Kaufpreis habe mit DM 3.563,95 weit über dem damaligen Wert von ca. DM 1.500.- / qm gelegen, weil darin eine Innenprovision" in Höhe von 18,4% für den Vertrieb versteckt gewesen sei.

Der Kläger war der Auffassung, die Beklagte habe eigene Aufklärungspflichten verletzt. Sie habe durch den Prospekt und durch Verhandlungen vor Veräußerung der Wohnungen ihm gegenüber einen Wissensvorsprung gehabt und habe erkennen müssen, dass der Erwerb der Wohnung für ihn nur Nachteile bringe. Sie müsse sich das Verhalten des Herrn G. zurechnen lassen, da dieser als Erfüllungsgehilfe anzusehen sei.

Ihm sei ein Schaden sowohl durch die Eingehung der Darlehensverbindlichkeit als auch durch die Vereinbarung der Tilgung erst zum Ende der Laufzeit entstanden.

Der Kläger war der Auffassung, die Beklagte hafte ihm wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten (culpa in contrahendo), aus unerlaubter Handlung (§ 823 II i.V.m. § 263 StGB); § 826 BGB) und aus der Verletzung eines konkludent geschlossenen Beratungsvertrages. Darlehens- und Kaufvertrag bildeten eine wirtschaftliche Einheit, so dass sie beide nach dem Verbraucherkreditgesetz unwirksam seien. Letztlich stehe ihm ein Widerrufsrecht aus dem Haustürwiderrufsgesetz zu.

Der Kläger hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars ... vom 10. Dezember 1990 ­ UR-Nr. .../1990 ­ für unzulässig zu erklären, soweit sie aus Ziff. 7 der betreffenden Urkunde wegen der in Höhe der Grundschuld übernommenen persönlichen Haftung des Klägers betrieben wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte war der Ansicht, allein der Kläger trage das wirtschaftliche und unternehmerische Risiko der Kapitalinvestition. Zu einer Aufklärung sei sie hierbei nicht verpflichtet.

Mit am 12. Januar 2000 verkündeten Urteil (Bl. 318) hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte treffe kein eigenes Verschulden, weil eine Aufklärungspflicht nicht bestanden habe. Das Verhalten des Herrn G. sei ihr nicht zuzurechnen, weil dieser nicht als Erfüllungsgehilfe anzusehen sei.

Gegen dieses ihm am 18. Januar 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Februar 2000 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 10. April 2000 an eben diesem Tag begründet.

Der Kläger wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag. Herr G. habe ihn durch falsche Zusagen getäuscht. Insbesondere habe er behauptet, durch den Erwerb entstünden ihm keine Kosten und in zwei bis fünf Jahren könne die Wohnung mit Gewinn weiterverkauft werden. Beides sei unzutreffend. Diese Täuschung müsse die Beklagte sich zurechnen lassen, da Herr G. als ihr Erfüllungsgehilfe tätig geworden sei. Hieraus folge eine Haftung der Beklagten aus culpa in contrahendo.

Eine weitere Haftung aus culpa in contrahendo ergebe sich, weil die Beklagte ihr obliegende Aufklärungspflichten verletzt habe. Sie habe ihm gegenüber einen konkreten Wissensvorsprung gehabt, weil aufgrund der ihr bekannten objektiven Rahmenbedingungen eine Vermögensschädigung von Anfang an festgestanden habe, weil sie die im Kaufpreis versteckte Innenprovision gekannt habe und weil die Kombination von Darlehens- und Lebensversicherungsverträgen für ihn nachteilig gewesen sei.

Schließlich sei er zur Anfechtung der Darlehensverträge nach dem Haustürwiderrufsgesetz berechtigt.

Wegen der Einzelheiten seines Vortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 9. April 2000 (Bl. 361) und die Schriftsätze vom 24. bzw. 25. August 2000 (Bl. 532, 575) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars ... vom 10. Dezember 1990 ­ UR-Nr. .../1990 ­ für unzulässig zu erklären, soweit sie aus Ziff. 7 der betreffenden Urkunde wegen der in Höhe der Grundschuld übernommenen persönlichen Haftung des Klägers betrieben wird.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt ebenfalls ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ist der Ansicht, sie habe keine Aufklärungspflicht getroffen und behauptet hierzu, sie habe dem Kläger gegenüber keinen Wissensvorsprung gehabt, zumindest sei ein solcher für sie nicht erkennbar gewesen. Die Kombination des Darlehens mit einer Lebensversicherung sei für den Kläger nicht nachteilig gewesen, selbst wenn, könne der Kläger nur Ersatz des Differenzschadens, nicht jedoch Rückgängigmachung des Darlehensvertrages verlangen.

Herr G. sei nicht als ihr Erfüllungsgehilfe anzusehen, weil er nicht mit ihrem Wissen und Wollen tätig geworden sei. Zudem fehle ein innerer Zusammenhang zu dem ihr obliegenden Pflichtenkreis.

Ein Widerruf nach dem Haustürwiderrufsgesetz komme nicht in Betracht, weil der Kläger ordnungsgemäß belehrt und die dadurch laufende Wochenfrist nicht eingehalten worden sei. Der Anwendung dieses Gesetzes stehe die notarielle Beurkundung des Vertrages entgegen, zudem habe eine Überrumpelungssituation nicht vorgelegen.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Berufungserwiderung vom 18. August 2000 (Bl. 479) und den Schriftsatz vom 25. September 2000 (Bl. 580).

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde ist - soweit sie wegen der in Höhe der Grundschuld übernommenen persönlichen Haftung des Klägers betrieben wird ­ unzulässig, da dem Kläger eine Einwendung gegen den der Unterwerfungserklärung zugrunde liegenden Anspruch zusteht (§§ 767, 795 ZPO). Eine solche Einwendung folgt aus § 812 II BGB. Die Übernahme der persönlichen Haftung mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ist ohne rechtlichen Grund erfolgt und somit kondizierbar, weil die Darlehensverträge durch den Widerruf des Klägers nicht wirksam geworden sind.

Zu einem solchen Widerruf war der Kläger aus § 1 HTWG berechtigt.

Das HTWG ist auf den vorliegenden Fall anwendbar. Es ist insbesondere nicht nach § 5 II HTWG ausgeschlossen, weil der Darlehensvertrag dem Verbraucherkreditgesetz unterfiele. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Darlehensvertrag erst nach dem 1. Januar 1991 geschlossen worden wäre (Art. 10 des Gesetzes vom 17.10.1990, BGBl. I, 2840). Dass der Kläger den ihm zugesandten Vertrag nach diesem Zeitpunkt unterzeichnet und zurückgeschickt hat, ist indes nicht dargetan.

Das bis zum 31. Dezember 1990 geltende Abzahlungsgesetz ist nicht einschlägig, weil der finanzierte Vertrag nicht ­ wie in § 1 AbzG vorausgesetzt ­ auf den Kauf einer beweglichen Sache gerichtet war.

Der Kläger ist zur Abgabe seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags mit der Beklagten gerichteten Willenserklärung durch mündliche Verhandlungen im Bereich seiner Privatwohnung bestimmt worden.

Dass der Kläger durch Herrn Kl. in seiner Wohnung angesprochen wurde, ist zwischen den Parteien unstreitig. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Kläger dies hinreichend substantiiert dargetan. Mehr als der Behauptung, er sei bei sich zu Hause durch seinen Versicherungsvertreter auf die Möglichkeit angesprochen worden, ohne eigene Aufwendungen Geld zu verdienen, bedurfte es dazu nicht. Dabei handelt es sich auch nicht um eine unbeachtliche Behauptung ins Blaue hinein. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat diesen Vortrag zu einem Zeitpunkt in den Prozess eingeführt, zu dem noch Kontakt zum Kläger bestand. Er hat ihn mehrfach wiederholt und präzisiert, so dass kein Anlass zu der Annahme besteht, die Behauptungen seien ohne jeden tatsächliche Grundlage aufgestellt worden. Die Beklagte hat diesen Vortrag auch nicht prozessual beachtlich bestritten. Soweit sie erstinstanzlich lediglich den Vortrag zu den Umständen des Abschlusses aller hier relevanten Verträge" bestritten hat, bleibt dabei völlig offen, welche konkreten Tatsachen in Abrede gestellt werden sollen. In zweiter Instanz hat die Beklagte lediglich den Umfang der Tätigkeiten des Herrn G., nicht jedoch den vorangegangenen Besuch des Herrn Kl. in der Wohnung des Klägers bestritten.

Indem der Versicherungsvertreter Kl. den Kläger auf die Möglichkeit ansprach, ohne eigene Aufwendungen Geld zu verdienen, leitete er bereits die mündlichen Verhandlungen über den späteren Darlehensvertrag ein. Unter dem Begriff mündliche Verhandlungen" im Sinne des Haustürwiderrufsgesetzes sind nicht bloß solche Besprechungen zu verstehen, in denen es um Einzelheiten der Vertragsgestaltung geht und die unmittelbar in den Vertragsschluss münden.

Der Begriff umfasst vielmehr schon jedes werbemäßige Ansprechen eines Kunden, jede anbieterorientierte Kontaktaufnahme, die auf einen späteren Vertragsabschluss zielt (BGHZ 131, 385, 391). Wird ­ wie vorliegend ­ der Kunde in seiner Wohnung durch reißerische Formulierungen für ein Produkt interessiert, das erst anlässlich eines weiteren Gesprächs in den Geschäftsräumen des Unternehmers konkretisiert wird, so stellen beide Gespräche zusammen eine einheitliche mündliche Verhandlung dar.

Der Kläger ist auch durch diese Verhandlungen zum Abschluss des Darlehensvertrages mit der Beklagten bestimmt worden. Im Rahmen der hiernach erforderliche Ursächlichkeit der Verhandlungen für den späteren Vertragsschluss genügt eine bloße Mitursächlichkeit. Die besonderen Umstände der ersten Kontaktaufnahme müssen danach nicht die entscheidende Ursache der Kaufentscheidung darstellen, es genügt, dass sie einen unter mehreren Beweggründen ausmachen, sofern nur ohne sie der später geschlossene Vertrag nicht oder nicht so wie geschehen zustande gekommen wäre (BGH, a.a.O., S. 392). Auf diese Kausalität kann im vorliegenden Fall schon wegen des engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs zwischen dem Ansprechen des Klägers und dem Vertragsschluss geschlossen werden, weil unstreitig ist, dass der Besuch in den Geschäftsräumen der Fa. Ki. wenige Tage nach dem Ansprechen stattfand, der Termin von Herrn Kl. vereinbart worden war und er den Kläger zu diesem Gespräch begleitete. Für die Ursächlichkeit spricht darüber hinaus, dass für den Kläger aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie aufgrund seiner Geschäftsunerfahrenheit der Abschluss eines solchen Kapitalanlagemodells fernlag. Ohne den Hausbesuch des Herrn Kl. beim Kläger wäre es deswegen nicht zum Abschluss des Darlehensvertrages mit der Beklagten gekommen.

Die Beklagte muss sich in diesem Zusammenhang das Ansprechen des Klägers durch Herrn Kl. zurechnen lassen. Dieser war nicht ein am Zustandekommen des Geschäfts unbeteiligter Dritter" i.S.d. § 123 II BGB, sondern hat auf seiten der Beklagten mit deren Wissen und Wollen maßgeblich am Vertragsschluss mitgewirkt.

Zu der dem Kläger von Herrn Kl. und später von der Fa. Ki. in Aussicht gestellten Kapitalanlagemöglichkeit gehörte von Anfang an auch die Finanzierung über Darlehen, ohne die der Erwerb der Wohnung nicht möglich gewesen wäre. Aus der Sicht des Klägers wurde ihm in den Vertragsverhandlungen auch eine Leistung der Beklagten offeriert, er durfte davon ausgehen, dass seine Gesprächspartner zwar möglicherweise nicht zum Abschluss des Darlehensvertrages bevollmächtigt, aber zumindest in das Zustandekommen dieses Vertrages auf seiten der Beklagten eingebunden waren. Dafür spricht, dass die Kontakte zwischen den Parteien zumindest zum Teil über die Fa. Ki. liefen. Dafür spricht auch, dass die Beklagte eine Reihe von Wohnungskäufen, die durch die Fa. Ki. vermittelt wurden, finanzierte und dabei mit von der Fa. Ki. geworbenen Kunden Verträge im Rahmen vorher festgelegter Konditionen schloss. Auch im vorliegenden Fall überließ die Beklagte der Fa. Ki. die Anwerbung des Klägers als Kunden, die informativen Vorgespräche und die Erhebung der zur Bonitätsprüfung erforderlichen Daten (Selbstauskunft). Sie beschränkte sich darauf, dem Kläger nach diesen Vorverhandlungen mit der Fa. Ki. lediglich einen unterschriftsreifen Vertragsentwurf zu übersenden, obwohl ihr klar sein musste, dass zur Vertragsgestaltung, insbesondere auch wegen der Verknüpfung mit dem Immobilienkaufvertrag und den Versicherungs- bzw. Bausparverträgen erheblicher Aufklärungs- und Informationsbedarf bestand. Wenn sich die Beklagte dieser Verantwortung für die persönlichen Vertragsverhandlungen völlig entzog, muss sie sich die Handlungen und Erklärungen der ­ wenn auch rechtlich selbstständigen ­ Vermittlungsfirma zurechnen lassen (BGH NJW-RR 1997, 116). Dies umfasst auch die für diese Firma tätig gewordenen Untervermittler, da der Beklagten klar sein musste, dass der Vertrieb der Wohnungen den Einsatz von Außendienstmitarbeitern erfordert (BGH a.a.O.).

Der Kläger hat den ihm nach § 1 I HTWG möglichen Widerruf auch rechtzeitig erklärt.

Eine Widerrufserklärung ist im Schriftsatz vom 12.11.1999 (dort S. 2,= Bl. 254) ausdrücklich formuliert. Soweit die Beklagte nunmehr rügt, eine Vollmacht des Prozessvertreters sei nicht vorgelegt worden, steht dies der Wirksamkeit der Erklärung nicht entgegen, da sie den Widerruf entgegen § 174 S. 1 BGB nicht unverzüglich zurückgewiesen hat.

Die Widerrufserklärung erfolgte auch fristgemäß. Die Wochenfrist des § 1 I HTWG war bei Abgabe der Widerrufserklärung noch nicht abgelaufen. Sie hatte nie zu laufen begonnen, weil dem Kläger keine wirksame Belehrung über sein Widerrufsrecht erteilt worden war (§ 2 I 2 HTWG). Die im Antragsformular vom 30. Oktober 1990 enthaltene Widerrufsbelehrung war unwirksam, weil sie den Beginn der Widerrufsfrist nicht hinreichend deutlich machte. Eine Belehrung über diesen Fristbeginn ist im Gesetz zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, nach der Intention des Haustürwiderrufgsgesetzes zum Schutz des Verbrauchers aber unabdingbar. Nur wenn der Verbraucher auch darüber belehrt wird, wann die (kurze) Widerrufsfrist beginnt, kann er eine sachgerechte Entscheidung über das ihm zustehende Widerrufsrecht treffen (BGH NJW 1993, 1013). Gerade im vorliegenden Fall war ­ ohne dass es darauf ankäme - wegen der zeitlich versetzten Vertragserklärungen der Parteien für den Kläger nicht erkennbar, wann die Widerrufsfrist beginnen sollte.

Das Widerrufsrecht ist auch nicht durch Ablauf der Monatsfrist des § 2 I 4 HTWG erloschen, da die beiderseitigen Leistungen aus dem vorliegenden Darlehensvertrag jedenfalls solange noch nicht erbracht sind, wie der Kläger die Darlehnsvaluta noch nicht zurückgezahlt hat (OLG Köln NJW 1993, 428; OLG Hamm WM 1999, 1058).

Das Widerrufsrecht des Klägers ist auch nicht deswegen erloschen, weil die Widerrufsfrist in entsprechender Anwendung des § 7 II 3 VerbrKredG auf ein Jahr beschränkt war. Eine solche Analogie ist nicht gerechtfertigt. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird sie auch nicht in dem Beschluss des BGH vom 29. November 1999 (MDR 2000, 26) vertreten. Der BGH zieht dort eine Analogie nur für den Fall in Erwägung, dass auf Realkredite das Haustürwiderrufsgesetz - respektive die entsprechende EU-Richtlinie 85/577/EWG ­ Anwendung finden sollte.

Wenn diese an sich dem Verbraucherkreditgesetz unterfallenden Darlehensverträge wegen der Ausnahmeregelung des § 3 II VerbrKredG nicht nach dem Verbraucherkreditgesetz, wohl aber nach dem Haustürwiderrufsgesetz widerrufen werden könnten, mag Anlass bestehen, darüber nachzudenken, für die Widerrufsfrist die Regelung des § 7 II 3 VerbrKredG entsprechend heranzuziehen. Eine solche Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes lehnt jedoch auch der BGH bereits ab.

Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass ein Widerruf des Darlehensvertrages nach dem Verbraucherkreditgesetz nicht an § 3 II VerbrKredG scheitert, sondern daran, dass das Gesetz insgesamt bei Vertragsschluss noch nicht galt. Auf den vorliegenden Vertrag können deswegen Wertungen des Verbraucherkreditgesetzes nicht angewandt werden.

Letztlich fehlt es auch an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung des Verbraucherschutzrechts durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000 (BGBl. I, S. 897) die Frist zum Widerruf von Verbraucherverträgen in § 361a BGB vereinheitlicht, dabei aber die unterschiedlichen Möglichkeit der Fristbeendigung in §§ 7 VerbrKredG und 2 HTWG (sowie neu in § 3 FernAbsG) ausdrücklich aufrechterhalten.

Auch eine Verwirkung des Rechts zum Widerruf kann (entgegen der Entscheidung des OLG Hamm in WM 1999, 1058) nicht angenommen werden. Für eine solche reicht es nicht aus, dass ein Recht über eine längere Zeit nicht geltend gemacht wird. Dabei kann dahin stehen, ob das Widerrufsrecht nach dem HTWG verwirkt werden kann, wenn der Berechtigte vom Bestehen dieses Rechts nichts wusste. Zwar ist eine solche Kenntnis grundsätzlich nicht Voraussetzung der Verwirkung (BGHZ 25, 53), Bedenken hieran bestehen aber in den Fällen, in denen eine vom Gesetz ausdrücklich vorschgeschriebene Belehrung über das Recht unterblieben ist. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment hier erfüllt ist, fehlt es jedenfalls an dem daneben erforderlichen Umstandsmoment. Die Beklagte hatte im Verhalten des Klägers keinen Anlass, darauf zu vertrauen, dieser werde das ihm zustehende Recht nicht mehr ausüben.

Sie musste vielmehr erkennen, dass ihre dem Kläger erteilte Belehrung unwirksam war und deswegen einkalkulieren, dass ein Widerruf noch erfolgen kann. Die Beklagte hätte es in der Hand gehabt, durch eine nachträglich erteilte, wirksame Belehrung den Lauf der Frist des § 1 I HTWG in Gang zu setzen und den Schwebezustand damit zu beenden.

Das Recht des Klägers zum Widerruf war auch nicht nach § 1 II Nr. 3 HTWG ausgeschlossen, da nicht seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung notariell beurkundet wurde. Die bloße Beurkundung einer Vollmacht zum Vertragsschluss reicht für diesen Ausnahmetatbestand nicht aus, stellt jedenfalls eine nach § 5 I HTWG unzulässige Umgehung des Schutzzwecks dieses Gesetzes dar, weil dadurch nicht gewährleistet ist, dass der Verbraucher über Inhalt und Bedeutung des abzuschließenden Geschäfts aufgeklärt wird (Fischer/Machunsky, Haustürwiderrufsgesetz, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 277).

Schließlich steht dem Widerrufsrecht des Klägers auch nicht entgegen, dass der ursprüngliche Darlehensvertrag später durch die Zinsanpassungsvereinbarung abgeändert wurde. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt hierin nicht der Abschluss eines neuen Darlehensvertrags, sondern lediglich die Abänderung des ursprünglichen Vertrags. Für den Kläger bestand bei den Verhandlungen über die Anpassung nicht die Möglichkeit, den Darlehensvertrag insgesamt zu widerrufen. An diesen war und blieb er durch die ursprüngliche Vertragserklärungen gebunden. Die ihm mit der Anpassungsvereinbarung erteilte Widerrufsbelehrung bezog sich dementsprechend auch nur auf die neuen Konditionen. So haben beide Parteien sie auch verstanden, wie sich aus dem Umstand ergibt, dass der vom Kläger erklärte Widerruf lediglich zu einer anderen Form der Vertragsanpassung führte.

Ob der Beklagten aus § 3 HTWG ein Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens zusteht, auf den sie die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde stützen könnte, oder ob hier von einer wirtschaftlichen Einheit von Darlehens- und Kaufvertrag ( verbundenes Geschäft") auszugehen ist, bei dem der Kläger seiner Rückgewährpflicht genügt, indem er der Beklagten das Eigentum an der Wohnung überträgt (BGH NJW 1996, 3414, 3415; NJW 1996, 3416, 3417) kann dahin stehen.

Durch den Widerruf ist der Darlehensrückzahlungsanspruch der Beklagten, der durch die Übernahme der persönlichen Haftung mit Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung gesichert werden sollte, untergegangen. Ein der Beklagten im Rahmen des Abwicklungsverhältnisses möglicherweise zustehender Anspruch ist mit diesem Anspruch nicht identisch. Er tritt nicht als Grundforderung an die Stelle des erloschenen Darlehensrückzahlungsanspruchs (vgl. BGHZ 51, 69, 73f). Eine ausweitende Auslegung der Sicherungsvereinbarung verbietet sich schon wegen des Schutzzweckes des Haustürwiderrufsgesetzes.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen, da sie bezüglich der Hauptsache in vollem Umfang unterlegen ist (§ 91 I 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Werts der Beschwer erfolgt gemäß § 546 II ZPO.



Ende der Entscheidung

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