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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 23.05.2006
Aktenzeichen: 9 U 69/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 251
Zur Höhe des Schadensersatzes bei Beschädigung eines Taxis durch einen Verkehrsunfall.
Gründe:

Die Parteien streiten um die Höhe des Schadensersatzes aus einem Verkehrsunfall.

Die Klägerin betreibt ein Taxiunternehmen mit derzeit 19 Fahrzeugen. Am 23.3.2005 wurde eines dieser Fahrzeuge, ein Kleinbus der Marke ... , bei einem Verkehrsunfall durch ein bei der Beklagten haftpflichtversichertes Kraftfahrzeug beschädigt. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Das beschädigte Taxi befand sich vom 24.3.2005 bis zum 5.4.2005 in Reparatur. Die Klägerin mietete in diesen Zeitraum ein Ersatzfahrzeug und zahlte dafür netto 6.730,70 €. Mit dem Ersatzfahrzeug machte sie einen Umsatz von 4.991,98 €.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Zahlung der Nettomietwagenkosten und Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten. Mit Urteil vom 9.9.2005, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage überwiegend stattgegeben, weil die Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargetan habe, dass der von der Klägerin geltend gemachte Schaden unverhältnismäßig sei. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Vortrag ergänzt. Die Klägerin hält den neuen Vortrag für verspätet und nach wie vor für unsubstantiiert.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sicht statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils.

Die Klage ist unbegründet. Zwar hat - wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - der Geschädigte einen Anspruch auf Ersatz der Kosten, die durch die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs während der Reparaturdauer entstehen (§§ 7, 17 StVG, 3 PflVersG). Diese Kosten sind grundsätzlich selbst dann zu ersetzen, wenn sie höher sind als die Einnahmen, die zu entgehen drohen (BGH NJW 1985, 793; BGH NJW 1993, 3321). Allerdings setzt § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB dem Schadensersatzanspruch eine Grenze: Nicht erstattet werden solche Kosten dann, wenn sie unverhältnismäßig sind.

Dies hat die Beklagte mit der Berufung hinreichend substantiiert vorgetragen. Sie hat dargelegt, dass der Ausfall des unfallbedingt beschädigten Taxis durch andere Fahrzeuge der Klägerin hätte aufgefangen werden können. Das beschädigte Fahrzeug, das nach Angaben der Klägerin in erster Linie zum Transport von Schülern diente, wurde wegen der bis zum 9.4.2005 dauernden Schulferien hierfür vom 25.3. bis zum 6.4.2005 nicht benötigt. Nachvollziehbar rechnet die Beklagte vor, dass die Kompensation des ausgefallenen Taxis durch die verbliebenen Taxifahrzeuge für diese eine zusätzliche Belastung von rund 5% der Einsatzzeit bzw. 12 Km/Tag bedeutet hätte.

Dieser neue Vortrag der Beklagten ist entgegen der Ansicht der Klägerin für die Entscheidung zu berücksichtigen. Er ist nicht nach §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen, sondern nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 139 ZPO zuzulassen. Der Nichtvortrag dieser Tatsachen in erster Instanz beruht darauf, dass das Landgericht einen nach § 139 ZPO erforderlichen Hinweis auf die mangelnde Substantiierung verfahrensfehlerhaft nicht erteilt hat.

Nach dem prozessual hinreichenden Bestreiten der Verhältnismäßigkeit durch die Beklagte hätte es der Klägerin oblegen, darzutun, warum eine Ausfallkompensation im Einzelnen nicht möglich war. Hierauf ist sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22.2.2006 ausdrücklich hingewiesen worden. Hier war Gegenstand der Erörterung nicht bloß der Umstand, dass der Senat das Vorbringen der Beklagten für prozessual zulässig und für inhaltlich ausreichend erachtet, sondern auch, welche Anforderungen nunmehr an das Klägervorbringen zu stellen sind. Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 27.4.2006 nicht gerecht.

Soweit die Klägerin nunmehr angibt, das verunfallte Fahrzeug sei nicht bloß für Schülerfahrten, sondern auch für Dialyse- und Krankenfahrten sowie Firmenfahrten und Fahrten von Gruppen zum ... Flughafen genutzt worden, wird hieraus die Erforderlichkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nicht deutlich. Alle diese Fahrten hätten auch von anderen Fahrzeugen der Klägerin durchgeführt werden können. Selbst wenn man unterstellt, dass die "Gruppen zum Flughafen" - die bislang weder prozessual noch vorprozessual vorgetragen waren - so groß waren, dass sie nicht in einem normalen PKW zu befördern waren, standen der Klägerin in ihrem verbliebenen Fuhrpark weitere vier Kleinbusse zur Verfügung. Anhaltspunkte dafür, dass die Zahl der Fahrten, für die ein Kleinbus erforderlich war, von den verbliebenen Fahrzeugen hätte erledigt werden können, fehlen im Vortrag der Klägerin völlig.

Nicht nachvollziehbar ist auch, dass das Ersatzfahrzeug für die Schülerfahrt am 24.3.2005 benötigt wurde. Die Klägerin hat weder vorgetragen, dass alle anderen Kleinbusse zu dieser Zeit anderweitig genutzt wurden, noch, dass nicht zwei kleinere PKW zur Verfügung standen. Ihr Argument, dafür wären dann zwei Fahrer erforderlich gewesen, trägt nicht, solange offen bleibt, wie viele Fahrzeuge zur fraglichen Zeit konkret im Einsatz waren und wie viele Fahrer insgesamt beschäftigt werden.

Fehlt es damit schon an einer nachvollziehbaren Darlegung der Verhältnismäßigkeit des geltend gemachten Schadensersatzes, kommt es auf die weiteren zwischen den Parteien im Streit stehenden Fragen der Schadensberechnung (Selbstzahler-/Unfallersatztarif, ersparte Betriebskosten) nicht an.

Mangels Hauptforderung, mit der die Beklagte in Verzug gekommen sein könnte, besteht auch ein Anspruch auf Freistellung von den vorprozessualen Anwaltskosten nicht.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen, da sie in vollem Umfang unterlegen ist (§ 91 I ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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