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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 01.03.2006
Aktenzeichen: 9 U 77/03 (1)
Rechtsgebiete: BGB, RBerG


Vorschriften:

BGB § 172
RBerG Art. 1 § 1
Zur Beweiswürdigung (hier: Aussagen zweier Zeugen) bei der Frage, ob der Bank bei Abschluss eines Darlehensvertrages vor über 13 Jahren eine Ausfertigung einer notariellen Vollmachtsurkunde vorgelegen hat, auf deren Bestand sie hat vertrauen dürfen.
Gründe:

Der Kläger wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung der Beklagten.

Der Kläger wurde im Jahr 1992 vom Vermittler A dazu bewegt, zu Steuersparzwecken ein Studentenappartement in O1 zu erwerben. Zu diesem Zweck schloss er am 3.4.1992 mit der B mbH vor dem Notar N1 in O2 (UR .../92) einen Treuhandvertrag und erteilte dieser gleichzeitig eine Vollmacht zum Abschluss aller zur Durchführung des Erwerbs erforderlichen Verträge (Anlage B 5). In Ausnutzung der Vollmacht erwarb die Treuhänderin für den Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom ...6.1992 (Anlage K 1) einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück O1, ... Straße, auf das eine Studentenwohnanlage gebaut werden sollte. In der Anlage A zu diesem Vertrag wurde namens des Klägers eine Grundschuld über 139.000,- DM bestellt und die Übernahme der persönlichen Haftung sowie der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung erklärt.

Die Beklagte übernahm die Finanzierung des Erwerbs für den Kläger. Nach einem Zwischenfinanzierungsvertrag im Juni 1992 (Anlage B 7) schlossen die Parteien am 29.9.1992 einen Endfinanzierungsvertrag (Anlage B 9) über 118.092,- DM und 20.839,- DM. Dabei wurde der Kläger vom Treuhänder vertreten. Vereinbart war ein Nominalzins von 7,5% mit Festschreibung auf acht Jahre. Der Kläger verpflichtete sich zur Gestellung einer "fälligen Grundschuld mit dinglicher und persönlicher Zwangsvollstreckungsunterwerfung über DM 139.000,-".

Nachdem der Kläger die Zahlung der vereinbarten Darlehensraten einstellte, mahnte die Beklagte mehrfach an und kündigte das Darlehen mit Schreiben vom 30.7.2001. Nach Verwertung der ihr zur Sicherheit abgetretenen Lebensversicherung beträgt ihre Restforderung 49.547,08 €. In dieser Höhe betreibt sie die Zwangsvollstreckung in das persönliche Vermögen des Klägers aus der Unterwerfungserklärung.

Der Kläger begehrt, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären, soweit sie wegen der persönlichen Haftung betrieben wird. Er macht geltend, es fehle an einem wirksamen Titel, da die von der Geschäftsbesorgerin in seinem Namen abgegebene notarielle Vollstreckungsunterwerfungserklärung mangels wirksamer Vollmacht unwirksam sei. Aus demselben Grund sei auch ein Darlehensvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Dieser sei überdies nach dem Haustürwiderrufsgesetz wirksam widerrufen worden. Die Beklagte hat hilfsweise Zahlung des noch ausstehenden Restbetrages zuzüglich Zinsen begehrt.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.3.2003 abgewiesen, die Berufung des Klägers hiergegen ist erfolglos geblieben. Mit Urteil vom 21.6.2005 hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Auf den Inhalt dieser Urteile wird Bezug genommen.

Beide Parteien verfolgen ihre Anträge aus dem ersten Berufungsverfahren weiter. Der Kläger behauptet, das Zwischenfinanzierungskonto sei ohne wirksame Vollmacht vom Treuhänder errichtet worden, über dieses Konto sei ohne wirksame Verfügungsbefugnis des Treuhänders verfügt worden. Er hat die Aufrechnung erklärt mit dem der Beklagten ohne Rechtsgrund zugeflossenen Darlehensbetrag, den sie durch Auszahlung der Endfinanzierungsvaluta auf das Zwischenfinanzierungskonto erlangte.

Der Senat hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, ihr habe bei Abschluss des Darlehensvertrages mit dem Kläger eine Ausfertigung der Vollmacht der C und D Steuerberatungsgesellschaft mbH für den Kläger, beurkundet vom Notar N1 in O2 am ...4.1992 (UR .../92), vorgelegen, durch Vernehmung der Zeugen Z1 und Z2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündliche Verhandlung vom 21.12.2005 Bezug genommen.

Die Berufung des Klägers bleibt erfolglos. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Klage ist unbegründet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der sofortigen Unterwerfungserklärung ist zulässig.

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.6.2005 steht fest, dass die Vollstreckungsunterwerfungserklärung zwar unwirksam ist, weil der Kläger bei Abgabe dieser Erklärung durch die Geschäftsbesorgerin nicht wirksam vertreten war; deren Vollmacht ist wegen Verstoßes gegen Art 1 § 1 RBerG unwirksam. Auf diese Unwirksamkeit kann der Kläger sich aber nicht berufen, weil er verpflichtet ist, eine entsprechende Unterwerfungserklärung abzugeben. Eine solche Verpflichtung ist im Darlehensvertrag enthalten. Dieser Darlehensvertrag ist wirksam, weil der Kläger bei dessen Abschluss wirksam vertreten wurde. Eine solche Vertretungsmacht ergibt sich zwar nicht aus der der Geschäftsbesorgerin erteilten Vollmacht, weil diese von der Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz umfasst wird, wohl aber aus § 172 BGB. Der Beklagten lag bei Abschluss des Darlehensvertrages eine Ausfertigung der notariellen Vollmachtsurkunde vor. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagten die Vollmachtsausfertigung am 11.6.1992 zuging und sie sowohl bei Unterzeichnung des Zwischenfinanzierungsvertrags am 25. oder 26.6.1992 als auch bei zeitlich später erfolgten Unterzeichnung des Endfinanzierungsvertrags vorlag. Insoweit folgt das Gericht den Bekundungen der Zeugen Z1 und Z2, die durch die vorgelegten Urkunden gestützt werden.

Zwar konnte sich weder der Zeuge Z1 noch der Zeuge Z2, die beide im Jahr 1992 verantwortlich mit der Finanzierung von Privatkunden bei der Beklagten betraut waren, an den konkreten Einzelfall erinnern; in Anbetracht des lange zurückliegenden, für die Zeugen seinerzeit nicht besonders hervorgehobenen Sachverhalts wäre jede andere Einlassung der Zeugen eher unglaubwürdig gewesen. Beide Zeugen konnten aber schlüssig, überzeugend und glaubhaft schildern, dass die Vollmacht in allen Fällen vorliegen musste, bevor der Darlehensvertrag von der Beklagten gegengezeichnet wurde und dass dies in jedem Fall beachtet wurde.

Der Zeuge Z1 hat auf Vorhalt des Zwischenfinanzierungsvertrags (Anlage B 7) bestätigt, dass dieser von ihm am 25. oder 26.6.1992 unterschrieben wurde und dass der auf diesem Vertrag angebrachte, handschriftlich ergänzte Stempelaufdruck "Unterschrift geprüft 25.6.1992 gem. Treuhandauftrag und Vollmacht Nr. ... vom ...4.92 beurkundet von Notar N1 in O2" zwingend ergibt, dass eine Ausfertigung der Vollmacht an diesem Tag vorgelegen hat. Diese Aussage wird nicht nur von der bei den Akten befindlichen Ablichtung des Zwischenfinanzierungsvertrags gestützt, sondern auch von dem auf den 10.6.1992 datierten Schreiben der Fa. C (Bl. 358 d.A.), mit dem die Treuhandverträge des Klägers übersandt wurden und das der Beklagten ausweislich ihres Eingangsstempels am 11.6.1992 zugegangen ist. Dass solchen Schreiben die notariellen Ausfertigungen nicht beigelegen hätten, ist dem Zeugen Z1 zufolge nie vorgekommen. Dass die Vollmacht auch später bei Unterzeichnung des Endfinanzierungsvertrags durch die Beklagte noch vorlag, hat der Zeuge nachvollziehbar damit erklärt, dass die einmal eingereichte Vollmacht bei den Bankunterlagen verblieb und sich auch heute noch dort befindet.

Diesen Feststellungen steht nicht entgegen, dass die Zwischenfinanzierungsbestätigung mit dem 8.5.1992 und das Übersendungsschreiben mit dem 5.6.1992 datiert sind. Hieraus kann nicht gefolgert werden, dass die Beklagte den Zwischenfinanzierungsvertrag bereits zu diesen Zeitpunkten - und damit vor dem Eingang der Vollmachtsausfertigung bei ihr - unterzeichnet hätte. Vielmehr haben sowohl der Zeuge Z1 als auch der Zeuge Z2 realitätstypisch und glaubhaft geschildert, dass diese Schreiben jeweils vor der Unterzeichnung der Verträge im Entwurf vorbereitet und dabei mit dem Datum der Vorbereitung versehen worden seien. An den Darlehensnehmer versandt wurden diese Schreiben aber erst nach Unterzeichnung des Darlehensvertrags. Dass auch im vorliegenden Fall beide Schreiben von der Beklagte erst am 29.6.1992 abgesandt wurden und dem Kläger erst am 30.6.1992 zugingen, wird durch den Einschreiben-Rückschein des Schreibens vom 5.6.1992 (Bl. 335) gestützt, aus dem sich ergibt, dass die Einlieferung bei der Post am 29.6. und die Aushändigung an den Empfänger am 30.6.1992 erfolgt ist.

Zu den dem eigentlichen Abschluss des Darlehensvertrags zeitlich vorangehenden internen Handlungen der Beklagten gehörte auch die Errichtung eines Darlehenskontos. Entgegen der Ansicht des Klägers kam damit nicht bereits der Darlehensvertrag zustande, es wurden lediglich die organisatorischen Voraussetzungen für die spätere Abwicklung geschaffen, ohne dass hieraus bereits auf einen Rechtsbindungswillen der Beklagten geschlossen werden könnte. Dahinstehen kann, ob es - wie vom Kläger erstmals im Schriftsatz von 5.2.2006 behauptet - eine interne Anweisung der Beklagten gab, vor der Kontoeröffnung eine Legitimations- und Identitätsprüfung vorzunehmen. Selbst wenn man dies genauso als wahr unterstellt wie den behaupteten Verstoß dagegen, folgt daraus noch nicht, dass auch die Anweisung der Legitimationsprüfung beim Abschluss des Darlehensvertrages missachtet wurde. Für die Beklagte stellte sich die Eröffnung des Darlehenskontos - anders als der Abschluss des Darlehensvertrags - als reiner Formalakt dar, mit dem sie weder eine rechtliche Verpflichtung noch ein wirtschaftliches Risiko begründete. Die Wahrung des Grundsatzes der Kontenwahrheit (§ 154 AO) lag zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht im eigenen Interesse. Dagegen war die Legitimationsprüfung bei Abschluss des Darlehensvertrags ungleich wichtiger.

Auch wenn zum Zeitpunkt der Kontoeröffnung die Vollmachtsausfertigung bei der Beklagten noch nicht vorlag, wurde diese erst mit der Absendung der Schreiben vom 8.5. und 5.6.1992, d.h. am 29.6.1992 und damit zu einem Zeitpunkt wirksam, in dem die Vollmachtsausfertigung vorlag.

Die Aussagen beider Zeugen sind uneingeschränkt glaubhaft. Sie sind in sich widerspruchsfrei, nachvollziehbar und lebensnah und decken sich in allen Einzelheiten mit den vorliegenden schriftlichen Unterlagen. Die Zeugen sind auch glaubwürdig. Sie haben ihre Angaben erkennbar wohl überlegt, bei ihren Aussagen klar getrennt zwischen den Umständen, die ihnen noch in eigener Erinnerung sind, die sie anhand schriftlicher Unterlagen rekonstruiert oder die sie nicht mehr in Erinnerung haben, und haben insgesamt einen uneingeschränkt glaubwürdigen Eindruck auf das Gericht gemacht.

Die Behauptung der Zeugen von der ausnahmslosen Unterzeichnung des Darlehensvertrags erst nach Vorlage der Vollmachtsausfertigung hat sich auch nicht in Parallelfällen alsfalsch erwiesen. Der Senat konnte keinen Fall feststellen, in dem der Darlehensvertrag von der Beklagten vor Vorlage der Vollmachtsausfertigung abgeschlossen worden wäre. Soweit der Kläger konkrete Fälle benannt hat, wurde die Beweisaufnahme hierauf erstreckt. Ergeben hat sich dabei, dass es sich durchweg um sogenannte Jahresendfälle handelte, in denen zur Sicherung der Steuervorteile die Darlehen noch vor dem 31.12. valutiert wurden, auch wenn die Vollmachtsausfertigungen erst nach dem 1.1. des Folgejahres vorgelegt wurden. In all diesen Fällen wurde nach Angaben der Zeugen der Darlehensvertrag aber erst nach Vollmachtsvorlage gegengezeichnet. Nimmt man die bereits dargestellte Übung der Beklagten hinzu, dass Schreiben im Entwurf verfertigt und datiert wurden, an den Kunden aber erst später (nach Prüfung der Voraussetzungen) abgesandt wurden, so ist kein Fall erkennbar, in dem die Beklagte einen Darlehensvertrag ohne Vorliegen einer Vollmachtsausfertigung abgeschlossen hätte.

Dafür, dass die Auszahlung der Darlehensvaluta auch im vorliegenden Fall vor Unterzeichnung des Darlehensvertrags erfolgt wäre, gibt es keine Anhaltspunkte. Die Beweisaufnahme hat hierzu nichts erbracht, die entsprechende Behauptung des Klägers ist unsubstantiiert. Letztlich kommt es hierauf auch nicht an, da nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im vorliegenden Fall entscheidender Zeitpunkt für die Rechtsscheinhaftung aus § 172 BGB das Vorliegen der Vollmacht bei Abschluss des Darlehensvertrags ist.

Lag die Vollmacht der Beklagten damit bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Zwischenfinanzierungsvertrags vor, geht auch die Aufrechnungserklärung des Klägers ins Leere, da ihm ein bereicherungsrechtlicher Anspruch nicht zusteht. Auf die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung nach § 533 ZPO kommt es damit nicht an.

Eine andere rechtliche Beurteilung folgt auch nicht aus dem vom Kläger nach der letzten mündlichen Verhandlung neu erhobenen Vorwurf eines "Vollmachtmissbrauchs" durch Einkalkulieren einer sittenwidrig überhöhten Provision. Anders als ein Anlagevermittler, der dem Anlageinteressenten vertraglich Aufklärung über alle für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstände schuldet, ist eine kreditgebende Bank grundsätzlich nicht verpflichtet, den Anleger und Darlehensnehmer ungefragt über eine im finanzierten Kaufpreis einer Eigentumswohnung enthaltene Innenprovision zu informieren. Dies gilt auch dann, wenn die Provision sittenwidrig überhöht ist (BGH Urteil vom 23.3.2004 -XI ZR 194/02-). Daraus folgt, dass die Bank auch nicht verpflichtet ist, Handlungen des Bevollmächtigten darauf zu prüfen, ob sie dem Vollmachtgeber gegenüber wegen Einbeziehung zu hoher Provisionen unwirksam sein können.

Die Kosten aller Rechtsmittel hat der Kläger zu tragen, da diese letztlich ohne Erfolg geblieben sind (§ 97 I ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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