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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 18.03.2003
Aktenzeichen: 9 W 1/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 238 II 1
ZPO § 341 II
ZPO § 569 I
ZPO § 172
Verwirft das Landgericht einen Einspruch gegen ein Versäumnisurteil unter Zurückweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung durch Beschluss, so ist eine dagegen eingelegte "Beschwerde" nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung als sofortige Beschwerde statthaft. Im Übrigen ist sie nur zulässig, wenn sie innerhalb der Frist des § 569 I ZPO eingelegt wurde.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

9 W 1/03

Verkündet am 18.03.2003

In der Beschwerdesache

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Oberheim als Einzelrichter ohne mündlichen Verhandlung am 18.3.2003 beschlossen:

Tenor:

Das als Sofortige Beschwerde eingelegte Rechtsmittel des Beklagten gegen die Verwerfung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil vom 2. Mai 2002 durch Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. August 2002 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Herausgabe eines PKW. Das Landgericht hat der Klage durch Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren vom 2.5.2002 stattgegeben. Dem Beklagten waren jeweils durch Niederlegung die Klageschrift am 27.3.2002, das Versäumnisurteil am 6.5.2002 und der Kostenfestsetzungsbeschluss am 22.6.2002 zugestellt worden.

Mit am 11.7.2002 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten legte der Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist. Er habe sich von Mitte März bis zum 29.6.2002 im Ausland aufgehalten. Während dieser Zeit habe ein Bekannter seinen Briefkasten überprüft, Benachrichtigungen über die Niederlegung von Klageschrift oder Versäumnisurteil aber nicht vorgefunden; der Briefkasten sie vielmehr mehrfach aufgebrochen worden. Die Benachrichtigung über die Niederlegung des Kostenfestsetzungsbeschlusses sei ihm von seinem Bekannten am 28.6.2002 übergeben worden.

Mit Beschluss vom 14.8.2002 hat das Landgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und den Einspruch als verspätet verworfen. Dieser Beschluss wurde dem Beklagten persönlich durch Niederlegung am 19.8.2002 zugestellt. Hiergegen richtet sich sein als "Beschwerde" bezeichnetes und am 19.11.2002 bei Gericht eingegangenes Rechtsmittel, das er am 13.12.2002 begründet hat und mit dem er beantragt, ihm unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 15.1.2003 nicht abgeholfen.

Das Rechtsmittel ist zulässig.

Die isolierte Anfechtung allein der Versagung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht möglich. Erforderlich ist vielmehr stets die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die verwerfende Hauptsacheentscheidung. Auf die Anfechtung einer Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind die Vorschriften anzuwenden, die für die nachgeholte Prozesshandlung gelten (§ 238 II 1 ZPO). Im vorliegenden Fall hätte der Beklagte sich deswegen gegen die Verwerfung des Einspruchs wenden müssen, was er nicht getan hat.

Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht über die Verwerfung in der prozessual falschen Form entschieden hat. Gemäß § 341 II ZPO in der seit 1. Januar 2002 geltenden Fassung, die gemäß § 26 Nr. 2 EGZPO auch auf den vorliegenden Fall bereits Anwendung findet, erfolgt die Verwerfung eines unzulässigen Einspruchs stets durch Urteil, so dass eine Berufung erforderlich gewesen wäre. Geht man mit der herrschenden Meinung davon aus, dass dem Beklagten aus diesem Fehler des Gerichts keine Nachteile erwachsen dürfen, so steht ihm nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung neben dem gegen die prozessual richtige Entscheidungsform statthaften Rechtsbehelf auch der Rechtsbehelf zu, der gegen die tatsächlich gewählte Form der Entscheidung gegeben wäre. Bis zum 31. Dezember 2001 erfolgte die Verwerfung eines Einspruchs ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, gegen den die sofortige Beschwerde statthaft war (§ 341 II 2 ZPO a.F.).

Behandelt man das Rechtsmittel als Sofortige Beschwerde, so steht ihm § 569 I ZPO nicht entgegen. Die dort vorgeschriebene Frist von zwei Wochen war bei Einlegung des Rechtsmittels noch nicht verstrichen, weil sie mangels wirksamer Zustellung nicht zu laufen begonnen hatte. Die Zustellung am 19.8.2002 war - worauf der Prozessbevollmächtigte des Beklagten telefonisch zu Recht hingewiesen hat - wegen Verstoßes gegen § 172 ZPO unwirksam, weil sie an den Beklagten persönlich und nicht an seinen Prozessbevollmächtigten erfolgte.

Das Rechtsmittel ist aber unbegründet. Die Verwerfung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil durch das Landgericht erfolgte zu Recht. Dieser Einspruch war zu spät, gegen die Versäumung der Frist kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden. Einer solchen Wiedereinsetzung steht entgegen, dass der Beklagte den entsprechenden Antrag erst nach Ablauf der Frist des § 234 ZPO gestellt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten begann die Wiedereinsetzungsfrist nicht erst mit Abholung des niederlegten Schriftstücks, sondern spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem ihm die Benachrichtigung über die Niederlegung zuging. Dies war nach seinem eigenen Vortrag der 22.6.2002. Etwas anderes folgt weder daraus, dass aus der Benachrichtigung der Inhalt der niedergelegten Sendung nicht ersichtlich war (dies schreibt das Zustellungsrecht nicht vor), noch daraus, dass es in der Vergangenheit zu Manipulationen am Briefkasten des Beklagten gekommen sein mag. Zumindest die Benachrichtigung über die Niederlegung des Versäumnisurteils ist ihm unstreitig zugegangen.

Die Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung lief damit am 8.7.2002 ab, der erst am 11.7.2002 eingegangene Antrag war verfristet.

Die Kosten des Rechtsmittels hat der Kläger zu tragen, da es ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 I ZPO).

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 574 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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